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Regelwerk, Biotechnololgie, Technische Regeln, TRBA

Beschluss 608 des Ausschusses für Biologische Arbeitsstoffe (ABAS)
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Empfehlung spezieller Maßnahmen zum Schutz der Beschäftigten vor Infektionen durch den Erreger der Klassischen Geflügelpest

Ausgabe: Oktober 2003
(BArbBl. 10/2003 S. 68)

Aktuelle Fassung



Der Ausschuss für biologische Arbeitsstoffe (ABAS) hat zur Konkretisierung der Verordnung über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei Tätigkeiten mit biologischen Arbeitsstoffen (Biostoffverordnung - BioStoffV) zum Schutz der Beschäftigten vor Infektionen durch den Erreger der Klassischen Geflügelpest folgende Erkenntnisse ermittelt und spezielle Maßnahmen beschlossen.

1 Allgemeines

Die klassische Geflügelpest ist eine akute, äußerst ansteckende Viruserkrankung, die bei allen Geflügelarten auftritt. Sie wird durch hochpathogene Influenza A-Viren der Subtypen H5 oder H7 verursacht. Die derzeit in Europa vorkommende Geflügelpest ist auf das Influenza-A-Virus des Subtyp H7N7 zurückzuführen. Durch den Tod eines Tierarztes als Folge einer Infektion durch den Geflügelpest-Erreger (Influenza A(H7N7) und aufgrund Geflügelpest bedingter weiterer Erkrankungen von Beschäftigten in den Niederlanden entstand der Bedarf, Empfehlungen zur Konkretisierung der Biostoffverordnung bei Tätigkeiten mit entsprechender Gefährdung zu erarbeiten.

2 Anwendungsbereich

Der Beschluss gilt für Tätigkeiten, bei denen Beschäftigte in direkten Kontakt mit Erregern der klassischen Geflügelpest kommen können.

Der Beschluss gilt nicht für Tätigkeiten mit dem Erreger der Geflügelpest in Forschungs- oder Diagnostiklaboratorien. Hier findet die TRBA 100 "Schutzmaßnahmen für gezielte und nicht gezielte Tätigkeiten mit biologischen Arbeitsstoffen in Laboratorien" (BArbBl. 4/2002 S. 122) Anwendung.

3 Begriffsbestimmungen*)

Direkter Kontakt mit Erregern der Geflügelpest ist gegeben, bei

  1. Tätigkeiten mit erkrankten oder krankheitsverdächtigen Tieren,
  2. der Untersuchung, Behandlung und Pflege sowie beim Transport von Menschen, die als Verdachtsfall oder bestätigter Fall von Geflügelpest * gelten oder
  3. bei Tätigkeiten mit Kontakt zu Körperflüssigkeiten und -ausscheidungen der Tiere oder Menschen nach Nummer 1 und 2.

Als direkter Kontakt gilt auch der Aufenthalt in Tierhaltungsbereichen mit labordiagnostisch gesicherter Geflügelpest bei einem der Tiere.

4 Gefährdungssituation

Der Erreger der Klassischen Geflügelpest gehört zu den Influenza A-Viren der Familie der Orthomyxoviridae. Diese sind gemäß TRBA 462 in Risikogruppe 2 für den Menschen eingestuft. Für Tiere erfolgt die Einstufung nach dem Merkblatt "Eingruppierung biologischer Agenzien: Viren" der BG Chemie. Dort ist das Klassische Geflügelpest-Virus auch für Tiere in Risikogruppe 2 eingestuft.

4.1 Übertragungswege

Infizierte Tiere scheiden das Virus in hohen Konzentrationen mit allen Körperausscheidungen (Kot, Speichel, Tränenflüssigkeit) aus, wobei insbesondere der Kot eine hohe Infektiosität aufweist. Nach derzeitigen Erkenntnissen kann die Übertragung auf den Menschen sowohl aerogen als auch durch Schmierinfektionen über die Schleimhäute erfolgen. Ein direkter Kontakt mit den infizierten Tieren, deren Ausscheidungen oder kontaminierten Produkten bzw. Materialien erscheint für eine Übertragung erforderlich zu sein. Eine indirekte Übertragung über die Luft ist bei starker Staubentwicklung ebenfalls möglich.

4.2 Beurteilung der Infektionsgefährdung

Die Infektionsgefährdung von Beschäftigten wird durch den auftretenden biologischen Arbeitsstoff (z.B. Risikogruppe, Übertragungswege, Infektionsdosis), die vorliegende Konzentration und die Art der Tätigkeit bestimmt.

Das Risiko einer Infektion kann für den gesunden Menschen allgemeinen als gering angesehen werden. Eine Gefährdung stellt allerdings der direkte Kontakt mit infizierten Tieren und kontaminierten Produkten und Materialien dar. Tätigkeiten mit einem möglichen direkten Kontakt zu dem Erreger sind - Tätigkeiten in der Forschung ausgenommen - nicht gezielte Tätigkeiten i.S.d. Biostoffverordnung und können anfallen

Da eine Übertragung der Krankheit von Mensch zu Mensch beschrieben wurde, ist eine Gefährdung auch möglich bei einem direkten Kontakt mit Menschen, bei denen ein bestätigter Erkrankungsfall oder der Verdacht einer Erkrankung vorliegt. Solche Tätigkeiten können bei der Untersuchung, Behandlung und Pflege sowie beim Transport dieser Personen anfallen.

5 Schutzmaßnahmen

Der Arbeitgeber hat die erforderlichen Schutzmaßnahmen zum Schutz vor Geflügelpest-Erregern einschließlich der persönlichen Schutzausrüstungen im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung festzulegen und zu treffen. Er kann bei der Einhaltung der speziellen Maßnahmen dieses Beschlusses davon ausgehen, dass er die Anforderungen der Biostoffverordnung zum Schutz vor einer Gefährdung durch den Erreger der Klassischen Geflügelpest erfüllt. Die Beschäftigten haben die erforderlichen Schutzmaßnahmen einzuhalten und Schutzvorrichtungen sowie die persönlichen Schutzausrüstungen bestimmungsgemäß zu verwenden.

5.1 Maßnahmen bei direktem Kontakt mit erkrankten oder krankheitsverdächtigen Tieren

5.1.1 Technische Maßnahmen

Beim Umgang mit erkrankten oder krankheitsverdächtigen Tieren und kontaminierten Tiermaterialien (z.B. Körperteile, Körpergewebe, Blut, Gefieder und Ausscheidungen von Tieren, einschließlich der benutzten Einstreu) sowie bei der Tötung erkrankter Tiere und bei Reinigungs- und Desinfektionsarbeiten ist darauf zu achten, dass Staubentwicklung und andere Aerosolbildungen vermieden bzw. minimiert werden. Eine Möglichkeit hierzu ist die Tötung der Tiere durch Flutung der Ställe mit CO2. Die getöteten Tierbestände sollten mittels feiner Wassernebel befeuchtet und die anschließende Sammlung und Entsorgung sollte mechanisiert durchgeführt werden.

Der Transport der getöteten Tiere soll in dicht schließenden Behältern erfolgen. Die Freisetzung von Staub oder anderen Aerosolen ist zu vermeiden. Wenn beim Entladen mit Staub gerechnet werden muss und dadurch Beschäftigte gefährdet werden können, ist die persönliche Schutzausrüstung nach Nummer 5.1.2 zur Verfügung zu stellen.

5.1.2 Hygiene- und organisatorische Maßnahmen, persönliche Schutzausrüstung

Tierhaltungsbereiche, in denen sich erkrankte oder krankheitverdächtige Tiere aufhalten, dürfen nur von den für die erforderlichen Arbeiten notwendigen Beschäftigten betreten werden, deren Zahl auf das Mindestmaß zu beschränken ist. Darüber hinaus hat der Arbeitgeber zusätzlich zu den allgemeinen Hygieneanforderungen der TRBA 500 folgendes sicherzustellen:

Vor dem Betreten der Tierhaltungsbereiche ist spezielle Kleidung sowie persönliche Schutzausrüstung anzulegen, die vor Verlassen des Bereiches abgelegt und in dicht schließenden Behältnissen so aufbewahrt und einer fachgerechten Reinigung/Desinfektion oder der Entsorgung zugeführt werden muss, dass es zu keiner Verschleppung von Krankheitserregern kommen kann. Hierzu gehören insbesondere

Nach dem Ablegen der Arbeits/Schutzkleidung sind die Hände zu desinfizieren.

Die speziellen, tierseuchenrechtlichen Anforderungen sind zu beachten.

5.2 Maßnahmen zum Schutz der Beschäftigten in Arztpraxen und Krankenhäusern

Bei Tätigkeiten, bei denen eine Aerosolbildung nicht ausgeschlossen werden kann wie z.B. bei der Bronchoskopie, sind Atemschutz (FFP3 Maske) und Augenschutz (enganliegende Schutzbrille) erforderlich.

Im Übrigen wird auf die TRBA 250 "Biologische Arbeitsstoffe im Gesundheitsdienst und in der Wohlfahrtspflege", Abschnitt 4.5 "Schutzmaßnahmen" verwiesen

6 Arbeitsmedizinische Vorsorge

Es ist aus Arbeitsschutzgründen nicht erforderlich, den Beschäftigten nach § 15 Abs. 4 Biostoffverordnung eine Influenza-Schutzimpfung mit dem aktuellen humanen Influenza-Impfstoff anzubieten, da diese Impfung nicht dem Schutz vor Infektionen durch den Erreger der Klassischen Geflügelpest dient.

Durch eine derartige Impfung können allerdings Doppelinfektionen mit humanen Influenzaviren und dem Erreger der Geflügelpest verhindert werden, die das Risiko der Entstehung neuer humanpathogener Virusvarianten bergen, so dass die Impfung aus Gründen des allgemeinen Bevölkerungsschutzes zu empfehlen ist. Der Arbeitgeber hat Beschäftigten mit möglichem direktem Kontakt zu erkrankten oder krankheitsverdächtigen Tieren oder erkrankten bzw. krankheitsverdächtigen Menschen eine prophylaktische antivirale Therapie mit Neuraminidasehemmern zu ermöglichen. Weitere Informationen zu Impfungen und zur prophylaktischen antiviralen Therapie ist den" Empfehlungen des Robert Koch-Instituts zur Prophylaxe für und zum Management von gefährdeten Personen durch Geflügelpest [aviäre Influenza A(H7N7)]" zu entnehmen (www.rki.de).

*) Näheres: "Empfehlungen des Robert Koch-Instituts zur Prophylaxe für und zum Management von gefährdeten Personen durch Geflügelpest [aviäre Influenza A(H7N7)]" unter www.rki.de

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