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Regelwerk; Technische Regeln; TRBA
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TRBA 130 "Arbeitsschutzmaßnahmen in akuten biologischen Gefahrenlagen"
Technische Regeln für Biologische Arbeitsstoffe (TRBA)

Vom 21.Juli.2023
(GMBl. Nr. 38 vom 21.07.2023 S. 800)



Archiv: 2012

Die Technischen Regeln für Biologische Arbeitsstoffe (TRBA) geben den Stand der Technik, Arbeitsmedizin und Arbeitshygiene sowie sonstige gesicherte arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse für Tätigkeiten mit biologischen Arbeitsstoffen wieder. Sie werden vom

Ausschuss für Biologische Arbeitsstoffe (ABAS)

ermittelt bzw. angepasst und vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales im Gemeinsamen Ministerialblatt bekannt gegeben.

Die TRBA 130 "Arbeitsschutzmaßnahmen in akuten biologischen Gefahrenlagen" konkretisiert im Rahmen ihres Anwendungsbereichs die Anforderungen der Biostoffverordnung. Bei Einhaltung der Technischen Regel 130 kann der Arbeitgeber davon ausgehen, dass die entsprechenden Anforderungen der Verordnung erfüllt sind. Wählt der Arbeitgeber eine andere Lösung, muss er damit mindestens die gleiche Sicherheit und den gleichen Gesundheitsschutz für die Beschäftigten erreichen.

1 Anwendungsbereich

(1) Für Arbeitsschutzmaßnahmen bei akuten biologischen Gefahrenlagen gibt es in Deutschland bisher keine bundeseinheitlichen Regelungen. Diese TRBA dient dazu, ein einheitliches Arbeitsschutzniveau für diese Tätigkeiten festzulegen und bereits bestehende Regelungen zu harmonisieren.

(2) Diese TRBA richtet sich an Behörden, Organisationen und Unternehmen, die in akuten biologischen Gefahrenlagen tätig sind. Dabei handelt es sich im Wesentlichen um

  1. Feuerwehr, Rettungsdienst, Notarzt, Katastrophenschutz und andere Vertreter der nichtpolizeilichen Gefahrenabwehr wie z.B. Einsatzkräfte des Bundes,
  2. die polizeiliche Gefahrenabwehr,
  3. Gesundheitsbehörden (z.B. Gesundheitsämter), Veterinärbehörden (z.B. Veterinärämter), Umweltbehörden, örtliche Verwaltungsbehörden sowie ggf. weitere spezialisierte Behörden und Einheiten, die in akuten biologischen Gefahrenlagen zum Einsatz kommen sowie
  4. private Notfallrettungs- und Krankentransportunternehmen.

(3) Kommen Einheiten zum Einsatz, die gemäß den Regeln der Feuerwehrdienstvorschrift 500 "Einheiten im ABC-Einsatz" (FwDV 500) tätig werden, gelten die Vorgaben dieser TRBA als erfüllt.

(4) Unter einer akuten biologischen Gefahrenlage wird nur das primäre Ereignis ohne das nachgelagerte Infektionsgeschehen verstanden. Daher findet diese TRBA z.B. auf phasenweise ablaufende Infektionsgeschehen natürlichen Ursprungs (z.B. Epidemien, Pandemien) keine Anwendung.

(5) Diese TRBA gilt für akute biologische Gefahrenlagen mit bioterroristischem oder kriminellem Hintergrund oder aufgrund des unbeabsichtigten Freiwerdens von Biostoffen oder biogenen Toxinen bei Schadensereignissen oder Unfällen. Sie dient dem Schutz der Beschäftigten beim Ersteinsatz nach Verdacht auf eine akute biologische Gefahrenlage und beschreibt die Arbeitsschutzmaßnahmen beim Ersteinsatz, nicht jedoch Maßnahmen bezüglich des in Nachfolge ablaufenden Infektionsgeschehens. Sie regelt Arbeitsschutzmaßnahmen für Tätigkeiten, die im Gefahren- und im Absperrbereich auszuführen sind.

2 Begriffsbestimmungen

2.1 Biostoffe

Als Biostoffe werden in dieser TRBA Mikroorganismen und deren Toxine im Sinne von § 2 Absätze 1, 3 und 5 der Biostoffverordnung (BioStoffV) verstanden. Die BioStoffV unterteilt die Biostoffe entsprechend dem von ihnen ausgehenden Infektionsrisiko in vier Risikogruppen. Wesentliche Kriterien für die Zuordnung zu einer Risikogruppe sind die Eigenschaft, Krankheiten beim Menschen hervorzurufen, die Schwere dieser Erkrankung, das Behandlungspotenzial sowie die Gefahr der Ausbreitung in der Allgemeinbevölkerung. Biostoffe, die zu akuten biologischen Gefahrenlagen führen können, sind zumeist in die Risikogruppen 3 oder 4 nach BioStoffV eingestuft.

2.2 Biogene Toxine

Als biogene Toxine im Sinne dieser TRBA werden Toxine tierischen oder pflanzlichen Ursprungs wie z.B. Rizin oder Abrin verstanden, die nicht unter die Begriffsbestimmung nach § 2 Absatz 5 BioStoffV fallen. Solche biogenen Toxine haben bioterroristisches Potenzial und können an einer akuten biologischen Gefahrenlage mit bioterroristischem Hintergrund beteiligt sein. Für die Ersteinsatzkräfte ist im Regelfall anfangs nicht zu unterscheiden, ob es sich um eine akute biologische Gefahrenlage durch Biostoffe oder biogene Toxine handelt.

2.3 Akute biologische Gefahrenlage

Akute biologische Gefahrenlagen können entstehen durch:

  1. die absichtliche Verbreitung von Biostoffen und biogenen Toxinen mit militärischer, terroristischer oder krimineller Absicht,
  2. Schadensereignisse in Produktionsstätten oder Laboren, in denen Biostoffe und biogene Toxine hergestellt, verwendet, gelagert oder transportiert werden oder
  3. Unfälle beim Transport von Biostoffen und biogenen Toxinen.

Von einer akuten biologischen Gefahrenlage mit bioterroristischem Hintergrund ist vornehmlich dann auszugehen, wenn eine Plausibilitätsprüfung durch die Sicherheitsbehörden dies nahelegt.

2.4 Tätigkeiten

Bei Tätigkeiten in akuten biologischen Gefahrenlagen handelt es sich gemäß § 6 Absatz 1 Satz 1 BioStoffV grundsätzlich um Tätigkeiten ohne Schutzstufenzuordnung sowie um nicht gezielte Tätigkeiten nach § 2 Absatz 8 Satz 2 BioStoffV. Tätigkeiten in einer akuten biologischen Gefahrenlage sind von ihrem Gefährdungspotenzial her mit Tätigkeiten mindestens der Schutzstufe 3 gleichzusetzen.

2.5 Gefährdungsbeurteilung

Der Arbeitgeber hat eine Gefährdungsbeurteilung nach § 5 Arbeitsschutzgesetz zu erstellen und die Gefährdung der Beschäftigten durch die Tätigkeiten mit Biostoffen vor Aufnahme der Tätigkeit zu beurteilen. Die Gefährdungsbeurteilung ist nach BioStoffV fachkundig durchzuführen. Verfügt der Arbeitgeber nicht selbst über die entsprechenden Kenntnisse, so hat er sich fachkundig beraten zu lassen. Die Gefährdungsbeurteilung ist bei Änderungen der Voraussetzungen unverzüglich zu aktualisieren und ansonsten mindestens jedes zweite Jahr zu überprüfen und bei Bedarf zu aktualisieren. Dies ist schriftlich zu dokumentieren. Die aus der Gefährdungsbeurteilung abzuleitenden Schutzmaßnahmen sind in akuten biologischen Gefahrenlagen im Rahmen der Lagebeurteilung vor Ort durch die Einsatzleitung während der Lage gegebenenfalls anzupassen.

2.6 Gefahrenbereich

Der Gefahrenbereich umschreibt den räumlichen Bereich, in dem im Falle einer Freisetzung von Biostoffen oder biogener Toxine diese aufgrund fachlicher Erfahrung vermutet werden oder vorhanden sind und die Gefahr einer Übertragung bestehen könnte. Die Bestimmung des Gefahrenbereichs erfolgt nach der FwDV 500 und ist deshalb bei den betroffenen Einsatzkräften etabliert. Der Gefahrenbereich wird manchmal auch als Kontaminationsbereich bezeichnet und darf nur von Einsatzkräften unter Verwendung von geeigneten persönlichen Schutzausrüstungen (PSA) betreten werden. Die Festlegung des Gefahrenbereichs durch die Einsatzleitung im Sinne dieser TRBA erfolgt durch Abschätzung bzw. anhand eines Sicherheitsradius (siehe Abb. 1). Topografische sowie meteorologische Gegebenheiten sind hierbei angemessen zu berücksichtigen. Bei genaueren Erkenntnissen im Rahmen der weiteren Lagebeurteilung sind Gefahren-, Absperr- und Übergangsbereich ggf. anzupassen.

Abb. 1: Gefahren-, Absperr- und Übergangsbereich nach FwDV 500


2.7 Absperr- und Übergangsbereich

Angrenzend an den Gefahrenbereich ist ein Absperrbereich (siehe Abb. 1) einzurichten. In diesem Bereich ist keine Gefährdung durch Biostoffe oder biogene Toxine anzunehmen. Der Absperrbereich darf nur von Einsatz- und Unterstützungskräften betreten werden. Im Übergangsbereich (siehe Abb. 1) besteht die Möglichkeit, bei Bedarf eine Verletztensammelstelle einzurichten, bis alle Bedingungen für einen fachgerechten Transport zur weiteren Behandlung in Einrichtungen des Gesundheitswesens (insbesondere die Dekontamination) erfüllt sind.

2.8 Dekontaminationsplatz (Dekon-Platz)

Am Dekontaminationsplatz werden Dekontaminations- bzw. Desinfektionsmaßnahmen durchgeführt. Er wird im Übergangsbereich an der Grenze des Gefahrenbereichs eingerichtet. Sofern verletzte Kontaminierte vorliegen, grenzt der medizinische Behandlungsplatz an den Weißbereich des Dekon-Platzes. Der Dekontaminationsplatz folgt dem Einbahnstraßenprinzip und gliedert sich zur Verhinderung einer Kontaminationsverschleppung in den zur unreinen Seite hin befindlichen Schwarzbereich und den zur reinen Seite angelegten Weißbereich. Alle Personen, Materialien (wie z.B. Proben) und Geräte, die den Gefahrenbereich verlassen, müssen über den Dekontaminationsplatz ausgeschleust werden (siehe Abb. 2).

Abb. 2: Lage des Dekontaminationsplatzes (Dekon-Platz), modifiziert nach FwDV 500


2.9 Fachkunde

(1) Der Begriff der Fachkunde wird in der BioStoffV (§ 2 Absatz 11) in allgemeiner Form definiert. Danach ist fachkundig, wer zur Ausübung einer in der Verordnung bestimmten Aufgabe befähigt ist. Die Anforderungen an die Fachkunde sind deshalb abhängig von der Art der Aufgabe und der Höhe der Gefährdung. Generell werden die Anforderungen an die Fachkunde in der TRBA 200 "Anforderungen an die Fachkunde nach Biostoffverordnung" konkretisiert; diese ist aber für den Geltungsbereich dieser TRBA für Einsatzkräfte nicht einschlägig. Für die Erstellung der Gefährdungsbeurteilung gelten hingegen die in der TRBA 200 beschriebenen Anforderungen an die Fachkunde.

(2) Fachkundeanforderungen im Sinne dieser TRBA sind daher insbesondere an die Einsatzleitung sowie an die für Tätigkeiten im Gefahrenbereich und am Dekontaminationsplatz vorgesehenen Einsatzkräfte zu stellen.

(3) Fachkundig im Sinne dieser TRBA ist, wer aufgrund seiner Ausbildung und aufgrund der beruflichen Erfahrung sowie speziell erworbener Kenntnisse mit den Gefährdungen durch Biostoffe und biogenen Toxinen und den erforderlichen Maßnahmen vertraut ist. Darüber hinaus ist für die Fachkunde Kompetenz im Arbeitsschutz Voraussetzung. Darunter versteht man die Kenntnisse und Fähigkeiten, Gefährdungen in Abhängigkeit von den durchgeführten Tätigkeiten und den vorhandenen oder vermuteten Biostoffen und biogenen Toxinen zu beurteilen, alle erforderlichen Schutzmaßnahmen festzulegen und sachgerecht und regelkonform anzuwenden.

(4) Tätigkeitsbezogene Unterweisungen sowie regelmäßige Übungen und Fortbildungen sind für Tätigkeiten im Rahmen dieser TRBA der beruflichen Erfahrung gleichzusetzen. Anforderungen an weitere notwendige Fachkenntnisse sind in Anhang 2 beschrieben.

2.10 Ansteckungsverdächtige Person

Ein Ansteckungsverdächtiger ist nach § 2 Nummer 7 Infektionsschutzgesetz eine Person, von der anzunehmen ist, dass sie Krankheitserreger aufgenommen hat, ohne krank, krankheitsverdächtig oder Ausscheider zu sein. Diese Person zeigt, z.B. aufgrund der Inkubationszeit, keine Krankheitssymptome.

2.11 Krankheitsverdächtige Person

Ein Krankheitsverdächtiger ist nach § 2 Absatz 5 Infektionsschutzgesetz eine Person, bei der Symptome bestehen, welche das Vorliegen einer bestimmten übertragbaren Krankheit vermuten lassen.

2.12 Desinfektion

Abtötung oder Inaktivierung von Biostoffen durch physikalische oder chemische Verfahren.

2.13 Dekontamination

Dekontamination ist die Grobreinigung von Personen, ihrer persönlichen Schutzausrüstungen (PSA) sowie von Gegenständen. Ziel der Dekontamination ist die weitgehende Zurückführung der Belastung mit Biostoffen auf eine möglichst gesundheitlich unbedenkliche Restmenge.

3 Gefährdungsbeurteilung

3.1 Grundsätze

(1) Bei akuten biologischen Gefahrenlagen im Sinne dieser TRBA handelt es sich um unvorhersehbare Ereignisse. Sie zeichnen sich aus durch:

  1. die Variabilität des Biostoffs bzw. biogenen Toxins und der Art der Freisetzung sowie
  2. die Möglichkeit der Entwicklung eines sich selbstständig potenzierenden Schadensprozesses (Ausbreitungspotenzial), der ggf. erst Tage oder Wochen nach dem Initialereignis wahrnehmbar ist.

(2) Bei Verdacht auf eine akute biologische Gefahrenlage ist die Lagebeurteilung maßgeblich. Sie ist durch fachkundige Einsatzkräfte und bei Verdacht auf eine absichtliche Ausbringung in Zusammenarbeit mit der Polizei durchzuführen. Die Lagebeurteilung ist Grundlage für die Abschätzung der Wahrscheinlichkeit einer Kontamination mit Biostoffen oder biogenen Toxinen und die anschließend gemäß Gefährdungsbeurteilung nach BioStoffV zu treffenden Maßnahmen. Als Hilfestellung wird z.B. auf das Merkblatt "Management von Pulverfunden" von Robert Koch-Institut (RKI), Bundeskriminalamt (BKA) und dem Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) verwiesen 1.

(3) In der Regel liegen zu Beginn des Ereignisses keine genauen Informationen über die Art und Identität der Biostoffe oder biogenen Toxine vor. Gleiches gilt für Art und Ausmaß der Ausbringung und die örtlichen Gegebenheiten. Aus diesem Grund ist zuerst davon auszugehen, dass es sich bei den ausgebrachten Biostoffen um Erreger mindestens der Risikogruppe 3 oder um Toxine handelt. Dies bedeutet nach FwDV 500 die Einordnung in Gefahrengruppe III B.

(4) Grundsätzlich handelt es sich bei Tätigkeiten in akuten biologischen Gefahrenlagen gemäß § 6 Absatz 1 Satz 1 BioStoffV um Tätigkeiten ohne Schutzstufenzuordnung. Bei der Festsetzung der Schutzmaßnahmen ist zunächst vom höchsten möglichen Gefährdungspotenzial auszugehen, solange keine näheren Erkenntnisse vorliegen. Tätigkeiten in einer akuten biologischen Gefahrenlage sind daher von ihrer Gefährdung mit Tätigkeiten mindestens der Schutzstufe 3 gleichzusetzen.

(5) Aufgrund der besonderen Situation kann bei solchen Gefahrenlagen die im Arbeitsschutz üblicherweise geltende Rangfolge der Schutzmaßnahmen (technische, organisatorische, persönliche) in der Regel nicht umgesetzt werden. Organisatorische Maßnahmen und persönliche Schutzmaßnahmen erlangen daher besondere Bedeutung.

(6) Bei akuten biologischen Gefahrenlagen mit kriminellem, terroristischem oder militärischem Hintergrund sollte davon ausgegangen werden, dass die ausgebrachten Biostoffe oder biogenen Toxine ein hohes Infektions- oder Intoxikationspotenzial besitzen und eine ernste Gefahr darstellen.

(7) Grundsätzlich muss bei allen unklaren Ereignissen zusätzlich zu einer Personengefährdung durch Kontamination mit Biostoffen oder biogenen Toxinen eine Kontamination mit chemischen oder radioaktiven Substanzen oder auch die Möglichkeit der Explosionsgefahr in Betracht gezogen werden.

(8) Zunächst ist das Ereignis, das zu einer akuten biologischen Gefahrenlage (siehe 2.3) geführt hat, zu berücksichtigen. Die Art bzw. Form der Ausbringung von Biostoffen oder biogener Toxine kann eine maßgebliche Rolle für die Wirksamkeit der getroffenen Schutzmaßnahmen spielen.

(9) Die Schutzmaßnahmen sind gemäß Gefährdungsbeurteilung entsprechend zu treffen und umzusetzen. Hierbei sind alle bekannten Übertragungs- und Aufnahmewege zu berücksichtigen. Sobald konkrete Informationen für eine differenzierte Lagebeurteilung vorliegen, z.B. aufgrund von Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden, insbesondere der polizeilichen Einsatzkräfte vor Ort, des Ergebnisses der Erkundung oder orientierender Analysen vor Ort, müssen die Schutzmaßnahmen ggf. spezifisch der Lage angepasst werden. Sie sollten immer dann angepasst werden, wenn dadurch die Belastung der Einsatzkräfte z.B. durch PSA gemindert werden kann.

3.2 Hinweise zur Lagefeststellung und Lagebeurteilung einer biologischen Gefahrenlage

(1) Bei Unfällen in Produktionsstätten, Laboren oder auf Probentransporten ist der Biostoff in der Regel bekannt und dem Biostoffverzeichnis nach § 7 Absatz 2 BioStoffV bzw. den Beförderungs- und Begleitpapieren zu entnehmen. Hinweise zu Maßnahmen finden sich bei Havarien in Produktionsstätten und Laboren auf den entsprechenden Feuerwehrplänen. Verantwortliche der betroffenen Einrichtung müssen zur Lagefeststellung und Lagebeurteilung einbezogen und Maßnahmen entsprechend der innerbetrieblichen Notfallpläne gemäß § 13 BioStoffV veranlassen.

(2) Im Falle einer vermeintlich absichtlichen Ausbringung von Biostoffen oder biogenen Toxinen ist nach den Erstmaßnahmen (z.B. Absperren, Menschenrettung) vor dem Veranlassen ergänzender Maßnahmen eine Lagefeststellung und Lagebeurteilung vorzunehmen und die Ernsthaftigkeit des Ereignisses zu überprüfen. Häufig wurde in der Vergangenheit mit der Ausbringung von Biostoffen oder biogenen Toxinen gedroht, ohne dass diese nachweisbar waren und eine Gesundheitsgefahr für Dritte vorlag.

(3) Die Lagefeststellung umfasst primär

  1. die Örtlichkeit (z.B. innerhalb oder außerhalb von Gebäuden),
  2. die Verbringung des Biostoffs oder biogenen Toxins (z.B. als Pulverbrief oder mittels Geräten),
  3. die Menge und Zustandsform des freigesetzten Stoffes (z.B. fest, flüssig, pulverförmig) sowie
  4. die meteorologischen Gegebenheiten wie Windrichtung, Windstärke oder Niederschlag (Gefahr der Verbreitung von Biostoffen und biogenen Toxinen über Niederschlagswasser).

(4) Bezüglich der Betroffenen gilt es

  1. die Anzahl von Exponierten,
  2. deren Kontakt zum vermuteten Biostoff sowie
  3. deren Gesundheitszustand

zu erheben.

(5) Die Lagebeurteilung wird durch fachkundige Einsatzkräfte vorgenommen. Bei einer vermeintlich absichtlichen Ausbringung prüft die Polizei, ob konkrete Hinweise auf eine Anschlagsabsicht vorliegen bzw. ob eine erhöhte Gefährdung der betroffenen Einrichtung/Person besteht und bewertet entsprechend die Ernsthaftigkeit der Lage. Besteht ein begründeter Verdacht auf eine absichtliche Freisetzung eines Biostoffs oder eines biogenen Toxins bzw. auf einen Anschlag, sind ergänzende Maßnahmen zu veranlassen (s. Anhang 3). Kann die Ernsthaftigkeit der Lage nicht bestätigt werden, sind keine weiterführenden Maßnahmen im Sinne dieser TRBA notwendig.

(6) Nimmt die Lagefeststellung und Lagebeurteilung viel Zeit in Anspruch, sind durch den Einsatzleiter parallel Erstmaßnahmen zu veranlassen, um mögliche Gesundheitsschäden zu vermeiden und eine mögliche Kontaminationsverschleppung zu unterbinden, obwohl weder der Biostoff bzw. das biogene Toxin bekannt noch die Ernsthaftigkeit der Lage bestätigt ist. Hierzu sind die mit dem vermeintlichen Biostoff oder biogenen Toxin nachweislich kontaminierten Personen sofort bestmöglich zu dekontaminieren, z.B. mindestens durch Hände waschen und Ablegen von kontaminierter Kleidung. Eine mögliche Kontaminationsverschleppung ist durch Sicherung des Gefahrenbereiches zu verhindern.

3.3 Tätigkeiten und betroffene Institutionen

(1) Beispiele für Tätigkeiten im Gefahrenbereich sind:

  1. die Rettung von Personen,
  2. die Dekontamination bzw. Desinfektion von Personen, Bereichen und Materialien,
  3. die Betreuung, die medizinische Versorgung und der Transport von Personen innerhalb des Gefahrenbereichs,
  4. die Probenahme, die Dokumentation und der Probentransport kontaminierter Materialien,
  5. Maßnahmen zur vor Ort-Analyse sowie
  6. sonstige Tätigkeiten im Rahmen der Wiederherstellung bzw. der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung.

(2) Die betroffenen Institutionen/Organisationen sind insbesondere:

  1. Feuerwehr, Rettungsdienst, Notarzt, Katastrophenschutz und andere Vertreter der nichtpolizeilichen Gefahrenabwehr wie z.B. Einsatzkräfte des Bundes,
  2. Polizeiliche Gefahrenabwehr,
  3. Gesundheitsbehörden (z.B. Gesundheitsämter), Veterinärbehörden (z.B. Veterinärämter), Umweltbehörden, örtliche Verwaltungsbehörden sowie ggf. weitere spezialisierte Behörden und Einheiten, die in akuten biologischen Gefahrenlagen zum Einsatz kommen,
  4. private Notfallrettungs- und Krankentransportunternehmen,
  5. Krankenhäuser und Notaufnahmen, insbesondere im Fall von Selbsteinweisungen,
  6. Spezialisierte Tiertransporte von hochinfektiösen, lebenden Tieren unter Berücksichtigung seuchenrechtlicher und tierseuchenrechtlicher Bestimmungen sowie
  7. Entsorgungsunternehmen.

3.4 Übertragungswege

(1) Infektionen können durch die Aufnahme von Biostoffen bzw. Intoxikationen durch die Aufnahme von Toxinen

  1. über die Atemwege (Luftübertragung),
  2. über vorgeschädigte Hautpartien (z.B. Ekzeme),
  3. über direkten Schleimhautkontakt,
  4. über den Magen-Darmtrakt sowie
  5. über oberflächliche und tiefe Verletzungen hervorgerufen werden.

(2) Bei einer akuten biologischen Gefahrenlage sind die Biostoffe oder biogenen Toxine sowie deren Übertragungswege im Regelfall nicht bekannt, sodass grundsätzlich alle möglichen Übertragungswege bei der Auswahl der Schutzmaßnahmen berücksichtigt werden müssen.

4 Tätigkeiten im Gefahren- und Absperrbereich

4.1 Gefahren- und Absperrbereich sowie Dekontaminationsplatz festlegen und absichern

(1) Werden Einsatzkräfte zu einem Verdachtsfall einer akuten biologischen Gefahrenlage gerufen, so treffen sie eine Lagefeststellung und Lagebeurteilung. Handelt es sich um eine vermeintliche absichtliche Freisetzung von Biostoffen oder biogenen Toxinen, kommt der Polizei eine wesentliche Rolle bei der Lagebeurteilung und Feststellung der Ernsthaftigkeit der Lage zu. Bei Bedarf werden weitere Behörden wie Ordnungsbehörden sowie die Gesundheitsbehörden hinzugezogen.

(2) Der Gefahrenbereich ist primär durch Abschätzung festzulegen. Einfluss auf die Ausdehnung des Gefahrenbereichs haben insbesondere:

  1. die Örtlichkeit (innerhalb oder außerhalb von Gebäuden),
  2. die Verbringung (z.B. als Pulverbrief oder mittels Geräten) sowie
  3. die Menge und Zustandsform des Stoffes (z.B. fest, flüssig, pulverförmig).

(3) Sollte es nicht möglich sein, die Abmessung des Gefahrenbereichs anhand objektiver Kriterien zu bestimmen, so wird empfohlen, einen Radius von mindestens 50 m um die Ausbringungsstelle als Gefahrenbereich festzulegen (siehe Abb. 1).

(4) Bei einer punktuellen und beendeten Ausbringung im Freien gilt als primäre Ausbringungsstelle derjenige Bereich, in dem die Freisetzung beobachtet oder vermutet wurde. Handelt es sich um eine andauernde Freisetzung im Freien, ist kein Festlegen fest definierter Grenzen möglich. Es ist mit einer anhaltenden Kontaminationsausbreitung je nach meteorologischen und topografischen Verhältnissen zu rechnen. Die weitere Freisetzung und Ausbreitung ist schnellstmöglich mit geeigneten Mitteln zu verhindern.

(5) Bei einer Ausbringung in einem Gebäude gilt es, zu Beginn ebenfalls mindestens 50 m Abstand zum gemeldeten Objekt einzuhalten. Sofern nach Lagebeurteilung weder eine Gefährdung der Umgebung zu erkennen ist noch eine Gefahr außerhalb des Objektes vorliegt, da ein Einschluss im Innern des Gebäudes durch bauliche Gegebenheiten und geschlossene Fenster und Türen gegeben ist, kann die Grenze des Gefahrenbereiches bis auf 5 m an das Objekt herangezogen oder in das Gebäude verlegt werden, sofern von einer Gefährdung nur in einem bestimmten Teilbereich des Gebäudes auszugehen ist.

(6) Um den Gefahrenbereich herum wird ein Absperrbereich mit einem Radius von mindestens 100 m festgelegt (siehe Abb. 1), der nur von Einsatz- und Unterstützungskräften betreten werden darf. Der Dekontaminationsplatz wird im Übergangsbereich an der Grenze von Gefahren- und Absperrbereich eingerichtet (siehe Abb. 2).

(7) Der Gefahrenbereich ist abzusichern (z.B. mit Absperrband) und mit dem Zeichen für Biogefährdung sowie dem Hinweis "Biogefährdung, Zutritt nur für Berechtigte" zu kennzeichnen. Zur Kennzeichnung sollte das Symbol für Biogefährdung gemäß Anhang I BioStoffV Verwendung finden. Dies entspricht dem Warnzeichen W009 (gleichseitiges Dreieck, gelbe Grundfarbe) gemäß der Technischen Regel für Arbeitsstätten, Sicherheits- und Gesundheitsschutzkennzeichnung ASR A1.3 (siehe Abb. 3).

Abb. 3: Symbol für Biogefährdung (gemäß Anhang I BioStoffV)


(8) Der festgelegte Gefahren- und Absperrbereich sowie der Dekontaminationsplatz sind kontinuierlich zu überprüfen und ggf. sich ändernden Wetterbedingungen anzupassen. Hierzu ist es erforderlich, die Lagefeststellung und Lagebeurteilung durch kontinuierliche Informationserhebung fortzuführen und ggf. Einsatzmaßnahmen anzupassen. Eine orientierende Vor-Ort-Analyse (s. Abschnitt 4.5.4 Absatz (1)) an sichtbaren Kontaminationen kann zur Bewertung des vermeintlichen Biostoffs oder biogenen Toxins beitragen. Eine belastbare Beurteilung des Biostoffs oder biogenen Toxins ist erst nach qualifizierter Probenahme und Laboranalyse möglich, weshalb diese frühzeitig zu veranlassen sind.

4.2 Tätigkeiten im Gefahrenbereich mit hohem Infektions- bzw. Kontaminationsrisiko (Tätigkeiten mit hohem Risiko)

(1) Bei Tätigkeiten im Gefahrenbereich handelt es sich immer um Tätigkeiten mit hohem Infektions- bzw. Kontaminationsrisiko durch Biostoffe und/oder biogene Toxine. Diese Tätigkeiten werden von Einsatzkräften in PSA (siehe Abschnitt 5.4) mit entsprechendem Auftrag durchgeführt. Hierzu können z.B. Feuerwehr, Analytische Task Forces (ATF) und Probenahmeteams sowie ggf. Polizei und Gesundheitsbehörden sowie Unterstützungskräfte des Bundes (z.B. RKI) gehören.

(2) Bei diesen Tätigkeiten handelt es sich z.B. um die Erkundung, die Rettung und Erstversorgung von Patienten, das Messen, die orientierende Vor-Ort-Analyse, die Probenahme, kriminalistische Ermittlungen und die Dekontamination bzw. Desinfektion von Flächen oder Personen. Das Kennzeichnen des Gefahrenbereichs vor Ort ist ebenfalls als Tätigkeit mit hohem Risiko einzustufen.

4.3 Tätigkeiten am Dekontaminationsplatz mit noch bestehendem Infektions- und Kontaminationsrisiko (Tätigkeiten mit Risiko)

Tätigkeiten am Dekontaminationsplatz mit noch bestehendem Infektions- und Kontaminationsrisiko sind z.B. das Einrichten eines Sammelpunktes und ggf. einer Patientensammelstelle für kontaminierte Betroffene und Verletzte bis zur Dekontamination/Desinfektion und Übergabe der Dekontaminierten in den Absperrbereich. Bei diesen Tätigkeiten ist die Belastung durch Biostoffe und biogene Toxine noch vorhanden, jedoch geringer als bei den unter Abschnitt 4.2 beschriebenen Tätigkeiten, d. h. es besteht noch ein Infektions- und Kontaminationsrisiko. Zum Einsatz gelangen Einsatzkräfte in PSA wie z.B. Dekontaminationsteams, Sanitäts- und Betreuungsdienste sowie ggf. Polizei und Gesundheitsbehörden.

4.4 Tätigkeiten im Absperrbereich

Tätigkeiten in diesem Bereich sind z.B. das Aufbauen eines Behandlungsplatzes sowie die medizinische Versorgung und Betreuung von bereits dekontaminierten Betroffenen. Darüber hinaus werden hier alle technischen, taktischen und organisatorischen Tätigkeiten zur Gefahrenabwehr vor Ort und zur Sicherung der Einsatzkräfte im Gefahrenbereich durchgeführt. Dieser Grundsatz gilt auch für alle vor- und nachbereitenden Tätigkeiten der Schadensbeseitigung, sofern diese im Geltungsbereich dieser TRBA erfolgen. Zum Einsatz gelangen Einsatzkräfte mit entsprechendem Auftrag, wie z.B. Polizei, Feuerwehr, Gesundheitsbehörden, der Rettungsdienst oder der Sanitäts- und Betreuungsdienst des Katastrophenschutzes.

4.5 Spezielle Tätigkeiten

4.5.1 Versorgung und Transport Verletzter

(1) Die erste medizinische Versorgung verletzter, kontaminierter Personen ist eine Tätigkeit im Gefahrenbereich mit hohem Risiko (siehe Abschnitt 4.2).

(2) Der Transport zur weiteren Behandlung erfolgt nach Dekontamination.

(3) Neben den in dieser TRBA vorgesehenen Schutzmaßnahmen sind die Regelungen der TRBA 250 "Biologische Arbeitsstoffe im Gesundheitswesen und in der Wohlfahrtspflege" anzuwenden, sollte von den Betroffenen weiterhin eine Infektionsgefährdung ausgehen oder eine solche nicht sicher ausgeschlossen werden können.

4.5.2 Dekontamination und Desinfektion

(1) Die Dekontamination bzw. Desinfektion von Personen und Material erfolgt entsprechend dem Stand der Technik durch spezielle Einsatzkräfte am Dekon-Platz im Übergangsbereich an der Grenze zum Gefahrenbereich (vgl. Abb. 2, Schwarzbereich des Dekontaminationsplatzes). Es handelt sich dabei um eine Tätigkeit mit noch bestehendem Infektions- bzw. Kontaminationsrisiko (siehe Abschnitt 4.3).

(2) Bei den zu treffenden Schutzmaßnahmen ist zu berücksichtigen, dass neben der Gefährdung durch Biostoffe oder biogene Toxine eine Gefährdung durch die bei der Desinfektion verwendeten Desinfektionsmittel auftreten kann. Die für die Desinfektion dem Stand der Technik entsprechenden Desinfektionsmittel und -verfahren sind den Listen des RKI (Robert Koch-Institut) bzw. VAH (Verbund für angewandte Hygiene e. V.) und ggf. der DVG (Deutsche Veterinärmedizinische Gesellschaft) zu entnehmen. Diese werden in der Regel von den zuständigen Gesundheits- und Veterinärbehörden angeordnet. Dabei sind die Umweltbedingungen wie die Temperatur und der Temperatur-Wirkbereich der Desinfektionsmittel zu beachten. Von einer Wirksamkeit dieser Desinfektionsmittel gegenüber biogenen Toxinen kann nicht per se ausgegangen werden. Handelt es sich bei den einzusetzenden Desinfektionsmitteln um Biozid-Produkte 2, sind die Vorgaben des Biozidprodukterechts, insbesondere die Verordnung (EU) Nr. 528/2012 (Biozidprodukte-Verordnung) und Abschnitt 4a der Gefahrstoffverordnung zu beachten.

(3) Nach erfolgter Dekontamination/Desinfektion können Verletzte im Weißbereich des Dekontaminationsplatzes (vgl Abb. 2) medizinisch versorgt werden, bis der Transport bzw die Versorgung in einem Krankenhaus möglich sind. Der Beschluss 610 des ABAS "Schutzmaßnahmen für Tätigkeiten außerhalb von Sonderisolierstationen bei der Versorgung von Patienten, die mit hochpathogenen Krankheitserregern infiziert oder krankheitsverdächtig sind", ist zu beachten.

(4) Bei lebensbedrohlichen Verletzungen gilt grundsätzlich, dass lebensrettende Sofortmaßnahmen vor der Dekontamination bzw. Desinfektion erfolgen. Dabei ist der Eigenschutz zu beachten. Falls möglich ist eine Sofort-Dekontamination der kontaminierten Schwerverletzten durchzuführen (siehe FwDV 500), um anschließend einen schnellstmöglichen Abtransport in ein Krankenhaus zu ermöglichen. Bereits mit dem Ablegen/Entfernen der Oberkleidung wird in der Regel ein hoher Dekontaminationsgrad erreicht.

(5) Sollte eine Dekontamination bzw. Desinfektion von Schwerverletzten vor Ort nicht möglich sein und besteht der begründete Verdacht auf eine Kontamination mit einem hochpathogenen Biostoff, kann in Abhängigkeit von dem Ergebnis der Lagebeurteilung und den vermuteten Biostoffen ggf. ein Sonderisoliertransport und die Behandlung in einer Sonderisolierstation (Schutzstufe 4) notwendig sein. Die Regelungen der TRBA 250 und ggf. des Beschlusses 610 des ABAS sind anzuwenden.

4.5.3 Probenahme, -verpackung und -transport

(1) Die Probenahme ist als Tätigkeit mit hohem Risiko einzustufen. Probenahmeverfahren bei akuten biologischen Gefahrenlagen können sehr vielfältig sein. Deshalb gibt es kein Standardverfahren, das genau festlegt, wie bei der Probenahme vorzugehen ist. Schutzmaßnahmen bei der Probenahme müssen auf das jeweilige Verfahren abgestimmt sein Es wird auf die Empfehlungen für die Probenahme zur Gefahrenabwehr im Bevölkerungsschutz des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) verwiesen. Die Art der Probenahme ist mit dem untersuchenden Labor im Vorfeld abzusprechen. Bei komplexen Schadenslagen empfiehlt es sich, zur Probenahme auf Unterstützungskräfte des Bundes (RKI) zurückzugreifen.

(2) Für die Verpackung der genommenen Probe und den Transport sind die jeweils gültigen Vorschriften des ADR zu beachten. Bei unklaren biologischen Gefahrenlagen sollten die Proben der UN-Nummer UN 2814 der Klasse 6.2 des ADR zugeordnet werden und sind gemäß Verpackungsanweisung P 620 zu verpacken (siehe Anhang 1).

(3) Im Notfall ist der Probentransport bei akuten biologischen Gefahrenlagen von gefahrgutrechtlichen Vorschriften des ADR (Nr. 1.1.3.1 d und e) freigestellt. Dies betrifft:

  1. Beförderungen, die von den für Notfallmaßnahmen zuständigen Behörden oder unter deren Überwachung durchgeführt werden, soweit diese im Zusammenhang mit Notfallmaßnahmen erforderlich sind, insbesondere
    1. Beförderungen mit Abschleppfahrzeugen, die Unfall- oder Pannenfahrzeuge mit gefährlichen Gütern befördern, oder
    2. Beförderungen, die durchgeführt werden, um die bei einem Zwischenfall oder Unfall betroffenen gefährlichen Güter einzudämmen, aufzunehmen und zum nächstgelegenen geeigneten sicheren Ort zu verbringen;
  2. Notfallbeförderungen zur Rettung menschlichen Lebens oder zum Schutz der Umwelt, vorausgesetzt, es werden alle Maßnahmen zur völlig sicheren Durchführung dieser Beförderungen getroffen.

4.5.4 Probenuntersuchung

(1) Die Untersuchung von Verdachtsproben umfasst orientierende Analysen vor Ort sowie eine weitergehende Analyse zur zweifelsfreien Identifikation der vorhandenen Biostoffe und/oder biogenen Toxine im Labor. Orientierende Analysen vor Ort können - sofern verfügbar und validiert - durch Einsatzkräfte oder Spezialkräfte (z.B. ATF) z.B. mit Antigen-Schnelltesten oder mobiler PCR-Analysegeräte im Gefahrenbereich durchgeführt werden.

(2) Die weitergehenden Analysen des Probenmaterials müssen in geeigneten Laboren stattfinden, welche die erforderliche Analytik beherrschen und über die notwendige Ausstattung verfügen. Die gemäß dem Gefährdungspotenzial der Biostoffe von den Laboren einzuhaltenden Schutzmaßnahmen sind in der TRBA 100 "Schutzmaßnahmen für Tätigkeiten mit biologischen Arbeitsstoffen in Laboratorien" beschrieben. Die weitergehende Analyse auf biogene Toxine (z.B. Rizin oder Abrin) wird im Regelfall nicht in mikrobiologischen Laboren durchgeführt, sondern bleibt Speziallaboren vorbehalten. Weitergehende Informationen sind Anhang 3 zu entnehmen.

5 Schutzmaßnahmen bei Tätigkeiten im Gefahrenbereich vor Ort

5.1 Allgemeines

Die erforderlichen Schutzmaßnahmen einschließlich der PSA sind entsprechend der Gefährdungsbeurteilung lageangepasst festzulegen und zu treffen. Die Einsatzkräfte haben die erforderlichen Schutzmaßnahmen einzuhalten und Schutzvorrichtungen sowie die PSA zu verwenden. Der Aufenthalt im Gefahrenbereich ist auf das für die Durchführung der Tätigkeiten notwendige Mindestmaß zu beschränken.

5.2 Technische Maßnahmen

Technische Maßnahmen können in akuten biologischen Gefahrenlagen vielfältig sein. Neben initialen Maßnahmen gegen Kontaminationsverschleppung oder Maßnahmen zur Aufklärung im Gefahrenbereich mit Hilfe technischer Einrichtungen gehören dazu auch Maßnahmen am Dekontaminationsplatz wie

  1. der Aufbau von Dekontaminationszelten mit Einpersonenduschkabinen,
  2. der Einsatz eines Dekontaminations-Lastkraftwagens,
  3. der Aufbau von befahrbaren Dekontaminationsschleusen (ggf. mit Verwehschutz oder begehbarem Gerüst) oder
  4. der Aufbau eines Durchfahrbeckens für die Fahrzeugdekontamination,
  5. die Dekontamination bzw. Desinfektion von Personen, Probenbehältern und aller sonstigen Einsatzmaterialien.

5.3 Organisatorische Schutzmaßnahmen

5.3.1 Allgemeine organisatorische Schutzmaßnahmen

(1) Über die im Gefahrenbereich tätigen Einsatzkräfte hat der Arbeitgeber ein Personenverzeichnis nach § 7 Absatz 3 BioStoffV zu führen. Es sind mindestens Name, Anschrift, Organisation, Art und Dauer der Tätigkeit sowie die Erreichbarkeit nach dem Einsatz zu dokumentieren. Weiterhin sind die vorkommenden Biostoffe sowie aufgetretene Unfälle und Betriebsstörungen anzugeben. Das Verzeichnis ist personenbezogen für den Zeitraum von mindestens zehn Jahren nach Beendigung der Tätigkeit aufzubewahren. Der Arbeitgeber hat den Beschäftigten die sie betreffenden Angaben in dem Verzeichnis zugänglich zu machen. Bei Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses ist dem Beschäftigten ein Auszug über die ihn betreffenden Angaben des Verzeichnisses auszuhändigen. Eine Beobachtung unmittelbar nach dem Einsatz wird bei Bedarf durch die Gesundheitsbehörden festgelegt.

(2) Die Anzahl der im Gefahrenbereich eingesetzten Personen ist auf das für die Durchführung der Arbeiten notwendige Mindestmaß zu beschränken. Hierbei sind die physiologische Belastung durch die PSA insbesondere durch Atemschutz und Schutzanzüge und die damit verbundene Begrenzung der Einsatzzeit (Tragezeitbeschränkung) zu berücksichtigen. Die Aufenthaltsdauer, besonders bei Tätigkeiten mit hohem Risiko ist auf das Mindestmaß zu begrenzen.

(3) Die Personen im Gefahrenbereich müssen fachkundig oder fachkundig eingewiesen sein (siehe Anhang 2). Für die fachkundige Einweisung ist der Einsatzleiter verantwortlich.

(4) Um die Verschleppung von Biostoffen und biogenen Toxinen bzw. die Kontamination von Einsatzkräften und Materialien zu vermeiden, sind Hygiene-, Dekontaminations- und Desinfektionsmaßnahmen festzulegen. Zur Vermeidung von Gefährdungen für Beschäftigte in der weiteren Versorgung Betroffener und Verletzter, z.B. in Aufnahme-Krankenhäusern, sollte durch die Einsatzleitung ein umfangreiches Informationsmanagement so früh wie möglich eingesetzt und aktuell gehalten werden.

5.3.2 Arbeitsanweisungen/Betriebsanweisungen

Für Tätigkeiten im Gefahrenbereich sind durch den Arbeitgeber Arbeitsanweisungen/Betriebsanweisungen gemäß § 14 BioStoffV in einer verständlichen Form und Sprache zu erstellen. Einsatzkräfte sind den Arbeitsanweisungen/Betriebsanweisungen entsprechend regelmäßig zu schulen. Dies betrifft insbesondere solche Tätigkeiten, bei denen mit einer erhöhten Unfallgefahr oder erhöhter Infektionsgefährdung zu rechnen ist. Die Arbeitsanweisungen/Betriebsanweisungen müssen auch die Durchführung von Dekontaminations- und Desinfektionsmaßnahmen und das An- und Ablegen von Schutzkleidung umfassen. Die Arbeitsanweisungen/Betriebsanweisungen müssen bei maßgeblichen Veränderungen der Gefahrenlage angepasst werden.

5.3.3 Einweisung/Unterweisung

Die Einsatzkräfte sind vor Aufnahme der Tätigkeiten zum Arbeits- und Infektionsschutz einzuweisen. Diese Einweisung dient der lageabhängigen Information und ersetzt nicht den Erwerb der Fachkunde im Sinne dieser TRBA. Für diese lageabhängige Einweisung ist der Einsatzleiter verantwortlich. Darüber hinaus sind jährlich durch den Arbeitgeber unter Einbeziehung einer Person mit entsprechender Fachkunde zum Arbeits- und Infektionsschutz Unterweisungen durchzuführen. Dabei wird auch im korrekten An- und Ablegen der PSA und dem Verhalten bei Unfällen und Notfällen theoretisch und praktisch unterwiesen (siehe Anhang 2). Im Rahmen der Unterweisung ist auch eine allgemeine arbeitsmedizinische Beratung erforderlich. Diese sollte u.a. Informationen zum Verhalten und zu Maßnahmen bei eigenen Verletzungen, bei Unfällen und zur Ersten Hilfe enthalten, weiterhin Hinweise zu besonderen möglichen Gefährdungen bei eigener verminderter Immunabwehr.

5.3.4 Vorfälle, Unfälle und Erste Hilfe

Nach jedem Vorfall (z.B. Beschädigung der PSA, insbesondere beim Einatmen oder bei Haut- oder Schleimhautkontakt mit kontaminierten bzw. vermutlich kontaminierten Materialien) und Unfall (Verletzungen) hat die betroffene Einsatzkraft nach erfolgter Dekontamination bzw. Desinfektion den Gefahrenbereich sofort über den Dekontaminationsplatz zu verlassen. Der Vorfall oder Unfall ist dem Verantwortlichen vor Ort zu melden und von diesem zu dokumentieren. Betroffene sind sofort ärztlich zu versorgen und das Gesundheitsamt ist zu informieren. Gegebenenfalls ist eine Postexpositionsprophylaxe durchzuführen und eine arbeitsmedizinische Vorsorge anzubieten (Anhang Teil 2 Absatz 2 Nummer 2 Buchstabe a der Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV)).

5.4 Persönliche Schutzausrüstungen (PSA)

Bei den hier empfohlenen Maßnahmen handelt es sich um Mindestanforderungen hinsichtlich der Gefährdung durch Biostoffe. In Abhängigkeit von den auszuführenden Tätigkeiten können weitergehende Maßnahmen erforderlich sein (z.B. Schutz vor chemischer oder mechanischer Gefährdung). Bei der Auswahl der PSA sind die eingesetzten Dekontaminationsmittel zu berücksichtigen. Übergangsstellen zwischen verschiedenen PSA (z.B. zwischen Handschuhen und Schutzanzug) sind zu beachten. Der Arbeitgeber hat PSA einschließlich Schutzkleidung bereit zu stellen, wenn erforderlich zu dekontaminieren bzw. zu desinfizieren, zu reinigen, zu warten, instand zu halten und sachgerecht zu lagern oder zu entsorgen. Das Tragen belastender PSA ist auf das unbedingt notwendige Maß zu beschränken.

5.4.1 Atemschutz

Gebläseunterstützter Atemschutz (mit TH3-Filter) bzw. Vollmasken (mit P3-Filter). Je nach verwendetem Desinfektions- bzw. Dekontaminationsmittel muss der Partikelschutz durch entsprechende Gasfilter ergänzt werden (Kombinationsfilter). Es kann auch umluftunabhängiger/umgebungsluftunabhängiger Atemschutz verwendet werden.

5.4.2 Körperschutz

Abweichend von flüssigkeitsdichten Schutzanzügen mit integrierten Atemschutzhauben und angearbeiteten Handschuhen und Füßlingen können auch flüssigkeitsdichte Schutzanzüge der Kategorie III, Typ 3B vorzugsweise mit angearbeiteten Stiefelsocken und Gamaschen mit Respiratorhaube als Atemschutz eingesetzt werden.

5.4.3 Handschutz

Flüssigkeitsdichte Schutzhandschuhe mit Schutz gegen mechanische und biologische Risiken (CE Kat. III, z.B. nach DIN EN 374 - Viruskennzeichnung, AQL < 1,5) sind zu verwenden.

5.4.4 Fußschutz

Sicherheitsstiefel mit durchtrittsicherer Sohle und Zehenschutz (Qualität S3 bzw. S5 z.B. nach DIN EN ISO 20345) sind zu verwenden.

5.4.5 Augenschutz

Ist bereits im Atemschutz integriert.

6 Patiententransport

6.1 Allgemeines

Für den Patiententransport und die weitere Patientenversorgung sind Arbeitsschutzmaßnahmen gemäß TRBA 250 vorzusehen, sofern von den Betroffenen nach durchgeführter Dekontamination noch eine Infektionsgefährdung ausgehen kann. Auf den Beschluss 610 des ABAS wird hingewiesen.

6.2 Persönliche Schutzausrüstungen (PSA)

(1) Beim Transport bzw. der Versorgung ansteckungsverdächtiger Personen, von denen nach Dekontamination bzw Desinfektion keine Infektionsgefahr ausgeht, sind keine weiterführenden Schutzmaßnahmen notwendig.

(2) Ist jedoch mit einer erhöhten Ansteckungsgefahr durch den Patienten zu rechnen (z.B. beim Transport bereits erkrankter Personen) sind - je nach Risikobewertung - ggf zusätzliche PSA für Einsatzpersonal (mindestens dicht sitzende partikelfiltrierende Halbmasken FFP3, vorzugsweise mit Ausatemventil, evtl. in Verbindung mit Augenschutz und Schutzanzügen der Kategorie III, Typ 4B) einzusetzen Eine äußerliche Dekontamination bzw. Desinfektion des krankheitsverdächtigen Patienten schützt dann nicht vor Ansteckungsgefahr.

6.3 Weitere Maßnahmen

Folgende weitere Maßnahmen sind zu ergreifen:

  1. Der Transport ist dem aufnehmenden Krankenhaus unter Angabe der Umstände, der ggf. vor Ort erfolgten Dekontamination bzw. Desinfektion oder der ggf. weiterhin bestehenden Gefährdung, anzumelden.
  2. Schwerverletzte Patienten, die vor Ort einer als hinreichend erachteten Sofort-Dekontamination unterzogen wurden, benötigen keine gesonderten Maßnahmen. Standardhygienemaßnahmen im Krankenhaus nach Maßgabe der TRBA 250 sind zu beachten.
  3. Nicht oder nur unvollständig dekontaminierte Patienten sind vor Aufnahme in das Krankenhaus erneut zu dekontaminieren.
  4. Maßnahmen, aufzunehmende Patienten zu isolieren, sind nur bei entsprechendem Krankheitsverdacht einzuleiten.
  5. Nach dem/den Transport/en ist das Fahrzeug fachgerecht zu dekontaminieren und desinfizieren.

7 Weitere Regelungen

Für den Bereich der arbeitsmedizinischen Vorsorge gilt die Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV) vom 18. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2768) in der Fassung vom 12.07.2019 (BGBl. S. 1082).

Literaturhinweise

1. Gesetze, Verordnungen, Technische Regeln

Gesetz über die Durchführung von Maßnahmen des Arbeitsschutzes zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Beschäftigten bei der Arbeit (Arbeitsschutzgesetz - ArbSchG),

Biostoffverordnung,
mit zugehörigen Technischen Regeln für Biologische Arbeitsstoffe (TRBA), insbesondere Folgende:

TRBA 100 "Schutzmaßnahmen für Tätigkeiten mit biologischen Arbeitsstoffen in Laboratorien",
http://www.baua.de/de/Themen-von-A-Z/Biologische-Arbeitsstoffe/TRBA/TRBA-100.html nnn=true

TRBA 200 "Anforderungen an die Fachkunde nach Biostoffverordnung",

TRBA 250 "Biologische Arbeitsstoffe im Gesundheitswesen und in der Wohlfahrtspflege",

TRBA 400 "Handlungsanleitung zur Gefährdungsbeurteilung und zur Unterrichtung der Beschäftigten bei Tätigkeiten mit biologischen Arbeitsstoffen",

TRBA 450 "Einstufungskriterien für biologische Arbeitsstoffe",

TRBA 460 "Einstufung von Pilzen in Risikogruppen",

TRBA 462 "Einstufung von Viren in Risikogruppen",

TRBA 464 "Einstufung von Parasiten in Risikogruppen",

TRBA 466 "Einstufung von Bakterien (Bacteria) und Archaebakterien (Archaea) in Risikogruppen",

TRBA 500 "Allgemeine Hygienemaßnahmen: Mindestanforderungen",

Beschluss 610 des ABAS "Schutzmaßnahmen für Tätigkeiten außerhalb von Sonderisolierstationen bei der Versorgung von Patienten, die mit hochpathogenen Krankheitserregern infiziert oder krankheitsverdächtig sind",

ASR A1.3: Technische Regel für Arbeitsstätten, "Sicherheits- und Gesundheitsschutzkennzeichnung",

Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV), vom 18. Dezember 2008 (BGBl I S. 2768) in der Fassung vom 12.07.2019 (BGBl. S. 1082)

Verordnung zum Schutz vor Gefahrstoffen (Gefahrstoffverordnung - GefStoffV),

Gesetz über die Beförderung gefährlicher Güter (Gefahrgutbeförderungsgesetz - GGBefG),

Verordnung über die innerstaatliche und grenzüberschreitende Beförderung gefährlicher Güter auf der Straße, mit Eisenbahnen und auf Binnengewässern (Gefahrgutverordnung Straße, Eisenbahn und Binnenschifffahrt - GGVSEB),

Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz - IfSG),

Gesetz zur Durchführung der Internationalen Gesundheitsvorschriften (2005) (IGV-DG),

2. Sonstige Veröffentlichungen national (Deutschland)

Feuerwehrdienstvorschrift (FwDV) 500 "Einheiten im ABC - Einsatz", Stand Januar 2022; Ausschuss Feuerwehrangelegenheiten, Katastrophenschutz und zivile Verteidigung (AFKzV), Feuerwehr-Dienstvorschriften
(sfs-w.de)

Rahmenkonzept zur Dekontamination verletzter Personen der Bund- Länder-Arbeitsgruppe, Endfassung September 2006, Hrsg. Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, Endfassung1 Rahmenkonzept-04-09-06 Dekon-V
(bund.de)

Handbuch "Biologische Gefahren I" (3. Auflage), Herausgeber Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, Robert Koch-Institut, Finalversion.indb
(bund.de)

Handbuch "Biologische Gefahren II" (1. Auflage), Herausgeber Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, Robert Koch-Institut

Empfehlungen für die Probenahme zur Gefahrenabwehr im Bevölkerungsschutz, Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, 2016, 2. Auflage,
https://www.bbk.bund.de/SharedDocs/Downloads/DE/Mediathek/Publikationen/FiB/FiB-05-probenahme-zur-gefahrenabwehr-im-bevs.pdf?__blob=publicationFile&v=8

Maßnahmen bei Todesfall an gemeingefährlichen Infektionserregern, W. Eisenmenger, R. Gillich, P. Graf, S. Ippisch, A. Nerlich, A. Riepertinger in Handbuch "Biologische Gefahren I" (3. Auflage),
Herausgeber Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, Robert Koch-Institut, Finalversion.indb
https://www.bbk.bund.de/SharedDocs/Downloads/DE/Mediathek/Publikationen/CBRN/handbuch-bevschutz-biologische-gefahren-3auflage.pdf?__blob=publicationFile&v=5

Management von Pulverfunden, Merkblatt des Robert Koch-Instituts und des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, Öffentlicher Gesundheitsdienst: Management von Pulverfunden
(rki.de)
bzw.
Management von Pulverfunden, Merkblatt des Robert Koch-Instituts und des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, Information für Feuerwehren
https://www.bbk.bund.de/SharedDocs/Downloads/DE/Mediathek/Publikationen/CBRN/pulverbriefe.pdf?__blob=publicationFile&v=6

Desinfektionsmittelliste des RKI (Robert Koch-Institut), RKI - Krankenhaushygiene Desinfektionsmittelliste

Desinfektionsmittelliste des VAH (Verbund für angewandte Hygiene), Bezug über mhp Verlag GmbH, Home - Verbund für Angewandte Hygiene e. V.
(vahonline.de)

Desinfektionsmittelliste der Deutschen Veterinärmedizinischen Gesellschaft (DVG) e. V.,
https://www.desinfektion-dvg.de/index.php?id=1789

3. Sonstige Veröffentlichungen europäisch

Europäisches Übereinkommen über die internationale Beförderung gefährlicher Güter auf der Straße (ADR), BMDV - Gefahrgut - Recht / Vorschriften - Straße
(bund.de)

Biozidprodukt-Datenbank der ECHA,
https://echa.europa.eu/information-on-chemicals/biocidal-products

4. Internationale Übereinkommen

International Air Transport Association (IATA),
https://www.iata.org/en/programs/cargo/dgr/

International Civil Aviation Organization (ICAO),
https://www.icao.int/safety/DangerousGoods/Pages/default.aspx

5. Sonstige Veröffentlichungen außereuropäisch

centers for Disease Control and Prevention (CDC), Bioterrorism, Agents/Diseases by category,
https://emergency.cdc.gov/bioterrorism/

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Probenverpackung und -transportAnhang 1

(1) Beim bodengestützten Transport sind die Vorschriften des Europäischen Übereinkommens über die internationale Beförderung gefährlicher Güter auf der Straße (ADR), beim luftgestützten Transport die International Air Transport Association Dangerous Goods Regulations (IATA-DGR) sowie die einschlägigen nationalen Vorschriften zum Transport gefährlicher Güter zu beachten.

(2) Da im Falle akuter biologischer Gefahrenlagen Infektiosität und Toxizität der genommenen Proben in der Regel nicht bekannt sind, sollte der Transport grundsätzlich gemäß den Vorschriften des ADR zu Gefahrgut der Klasse 6.2 (Ansteckungsgefährliche Stoffe), UN-Nummer 2814 bzw. gemäß sonstiger einschlägiger Regelungen je nach eingesetztem Transportmittel (z.B. IATA-DGR) erfolgen. Dies gilt auch für Proben, die biogene Toxine wie z.B. Rizin oder Abrin enthalten können. Die Probe muss stets so verpackt und gekennzeichnet sein, dass weder Personen noch die Umwelt gefährdet werden können.

(3) Gemäß ADR ist für den Transport von Gefahrgut der Klasse 6.2 "Ansteckungsgefährliche Stoffe der Kategorie A" eine Verpackung nach Verpackungsanweisung P 620 erforderlich (siehe Abb. 4).

(4) Die Verpackung muss mindestens aus einem flüssigkeitsdichten, desinfektionsmittelbeständigen Primärgefäß (eigentliches Probengefäß), einer flüssigkeitsdichten, desinfektionsmittelbeständigen Sekundärverpackung und einer starren Außenverpackung bestehen. Sekundär- und Außenverpackung werden nicht in den Gefahrenbereich mitgenommen. Bei flüssigem Probenmaterial muss zwischen Primärgefäß und Sekundärverpackung ausreichend saugfähiges Material zur Aufnahme der Probe vorhanden sein. Wenn mehrere Primärgefäße in eine einzelne Sekundärverpackung eingesetzt werden, müssen sie entweder einzeln eingewickelt oder voneinander getrennt werden, damit sie sich nicht berühren. Die Verpackung muss bauartgeprüft sein, den Vorgaben des Kapitels 6.3 des ADR entsprechen und Belastungen wie Temperatur-, Feuchtigkeits- und Druckänderungen standhalten.

Abb. 4: Beispiel für eine Verpackung nach Verpackungsanweisung P 620:



  1. Außenverpackung aus starrem Karton
  2. Sekundärverpackung aus Kunststoff, dient als sichere Transportverpackung ins Labor (bauartgeprüft für Verpackungsanweisung P 620)
  3. Versiegelbarer PE-Beutel (wasserdicht, desinfektionsmittelbeständig)
  4. Desinfektionsmittelbeständige Primärverpackung (Probengefäß)

(5) Die Außenverpackung ist mit dem Gefahrzettel der Klasse 6 zu kennzeichnen. Er enthält das Symbol für Biogefährdung nach BioStoffV (siehe Abb. 3) und die UN-Nummer 2814 "Ansteckungsgefährlicher Stoff, gefährlich für Menschen". Es empfiehlt sich, die Art bzw. Bezeichnung der Probe ebenfalls witterungsbeständig auf der Außenverpackung zu vermerken. Eine detaillierte Auflistung des Inhalts und der Art der Proben muss die Sendung begleiten (Beförderungspapiere). Weitergehende Beschreibungen sind den jeweils gültigen Beförderungsvorschriften zu entnehmen.

(6) Weiterhin muss für jede Probe ein Begleitschein/Untersuchungsantrag vorliegen, der zusammen mit der zugehörigen Probe dem Labor auszuhändigen ist. Der Transport ist mit dem Labor abzustimmen und die Probe anzukündigen.

(7) Lebende infizierte Tiere dürfen nur nach den einschlägigen Regelungen für Tiertransporte unter Berücksichtigung seuchenrechtlicher und tierseuchenrechtlicher Bestimmungen nach Abstimmung mit dem Gesundheits- und Veterinäramt befördert werden.

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FachkenntnisseAnhang 2

Insbesondere für die Einsatzleitung und für den Einsatz im Gefahrenbereich sowie am Dekontaminationsplatz in akuten biologischen Gefahrenlagen, aber auch für das bei akuten biologischen Gefahrenlagen vorgesehene Personal von spezialisierten Transport- oder Entsorgungsfirmen, sind spezielle Fähigkeiten und Kenntnisse unabdingbar. Zur Vermittlung der Fachkenntnisse sind in der Regel spezielle, regelmäßig zu wiederholende Unterweisungen erforderlich.

1. Notwendige Fachkenntnisse

  1. Rechtliche Grundlagen,
  2. Grundkenntnisse der Infektionsbiologie,
  3. Grundbegriffe der Allgemeinen Infektions- und Seuchenlehre,
  4. Gefährdungen durch Biostoffe und biogene Toxine und deren Auswirkungen,
  5. Einsatztaktik,
  6. Prinzipien der Gefahrenabwehr und Gefahrenminimierung,
  7. Maßnahmen zum Eigen- und Fremdschutz,
  8. An- und Ablegen der persönlichen Schutzausrüstungen (PSA),
  9. Grundlagen der orientierenden Analytik,
  10. Grundlagen der Probenahme, der regelkonformen, kontaminationsfreien Verpackung und des Transports zu Laboreinrichtungen,
  11. Grundsätze von Reinigung und Desinfektion,
  12. Nachbereitende Maßnahmen sowie
  13. Verhalten und Maßnahmen im Falle eines Unfalles während des Probentransports.

2. Ziele

Ziel der regelmäßigen Unterweisungen ist es, Einsatzleitung und Einsatzkräfte durch die Vermittlung der notwendigen Fachkenntnisse zu befähigen, nachfolgend genannte Aufgaben zu übernehmen:

  1. Fähigkeit zur rechtlichen Einordnung im Rahmen der Lagebeurteilung,
  2. Fähigkeit zur Einschätzung der Gefährdung durch Biostoffe und biogene Toxine und deren Auswirkungen,
  3. Planung einer Einsatztaktik gemäß dem Grundsatz der Gefahrenabwehr und Gefahrenminimierung,
  4. Anwendung von Maßnahmen zum Eigen- und Fremdschutz,
  5. Fähigkeit zum sicheren An- und Ablegen von persönlichen Schutzausrüstungen (PSA),
  6. Fähigkeit zur Durchführung einfacher Reinigungs- und Desinfektionsmaßnahmen,
  7. Fähigkeit zur Durchführung einer orientierenden Analyse,
  8. Fähigkeit zur Probenahme, der sicheren und regelkonformen Probenverpackung und deren sicheren Transport zu Laboreinrichtungen.

3. Vermittlung

  1. Die Vermittlung der notwendigen Fachkenntnisse soll durch Unterricht und praktische Übungen erfolgen. Durch handlungsorientierte Ausbildung sind Einzelqualifikationen wie Umsicht, Zuverlässigkeit, Fachwissen, Aufmerksamkeit, Einschätzen der Auswirkungen der Arbeit sowie die Auswertung und Bewertung von Informationen auszuprägen und zu festigen.
  2. Fachkenntnisse und praktische Fähigkeiten sind durch regelmäßige, mindestens einmal jährlich durchzuführende Unterweisungen aufzufrischen und zu trainieren.
  3. Aus- und Fortbildung im Sinne der aktuellen Regeln der FwDV 500 sind als gleichwertig anzusehen.

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Labordiagnostische Untersuchung von VerdachtsprobenAnhang 3

(1) Unabhängig von einer möglicherweise durchgeführten orientierenden Analyse vor Ort sind alle Proben in jedem Fall in einem geeigneten Fachlabor sowie im positiven Fall zur Bestätigung zusätzlich in einem Referenz- bzw. Konsiliarlabor mit dem Ziel der Erreger- und/oder Toxinbestimmung zu untersuchen. Erhebt das Referenz- bzw. Konsiliarlabor den Erstbefund, ist ebenfalls eine Bestätigungsuntersuchung in einem geeigneten Zweitlabor anzustreben.

(2) Für die Untersuchung von Verdachtsproben ist ein Labor auszuwählen, das die erforderliche Analytik beherrscht und über die notwendige Schutzstufe verfügt. Prinzipiell geeignete Labore für die Diagnostik sind beispielsweise die Labore des NaLaDiBA-Netzwerks 3. Das jeweilige Labor ist vor Beginn des Probenversandes zu kontaktieren und die Anlieferung der Proben abzustimmen.

(3) Ergibt die Risikoabschätzung, dass das Vorhandensein von Biostoffen und biogenen Toxinen unwahrscheinlich oder aufgrund der Begleitumstände nahezu auszuschließen ist, können diagnostische Orientierungsuntersuchungen, z.B. zur Bestätigung des Ausschlusses von Biostoffen, in Laboren der Schutzstufe 2 durchgeführt werden. Führen die Ergebnisse zu einer geänderten Einschätzung (Hohes Risiko), müssen die weiteren Untersuchungen mindestens in einem Labor der Schutzstufe 3 erfolgen.

(4) Die in Deutschland auf die Diagnostik biologischer Verdachtsproben spezialisierten Einrichtungen sollen in einer akuten biologischen Gefahrenlage eng mit den zuständigen Behörden und Einsatzkräften zusammenarbeiten. Die orientierende Analysen vor Ort werden in der Regel auf der Grundlage des von Sicherheitsbehörden und Fachexperten ermittelten möglichen Agenzienspektrums 4 durchgeführt. Das gesamte mögliche Agenzienspektrum sollte auch dann in die Labordiagnostik einbezogen werden, wenn Anhaltspunkte, z.B. durch beiliegende Drohschreiben für die Ausbringung eines oder mehrerer definierter Biostoffe oder biogener Toxine vorliegen.

(5) Kann bei konkreten Erkenntnissen oder einer Havarie einer biologischen Anlage nach Abschnitt 2.3 Nummer 2 ein Verdacht eingegrenzt werden, reichen primär gezielte Nachweisverfahren aus. In diesem Fall sind die Risikogruppen der Biostoffe den TRBA 460 "Einstufung von Pilzen in Risikogruppen", 462 "Einstufung von Viren in Risikogruppen", 464 "Einstufung von Parasiten in Risikogruppen" und 466 "Einstufung von Prokaryonten (Bacteria und Archaea) in Risikogruppen" zu entnehmen und die daraus resultierenden Arbeitsschutzmaßnahmen nach TRBA 100 zu ergreifen. Um Missbrauch zu verhindern, müssen Verdachtsproben sicher aufbewahrt werden. Vorgaben der Sicherheitsbehörden zur forensischen Beweissicherung im Umgang mit dem Probenmaterial sind zu beachten (Chain of Custody).

(6) Ergibt sich aus der Risikoabschätzung (z.B. aufgrund der Ergebnisse der orientierenden Analyse vor Ort oder weiterer Indizien) eine hohe Wahrscheinlichkeit oder ein konkreter Verdacht für das Vorhandensein definierter Biostoffe, gilt Folgendes:

  1. Risikogruppe 3: Weitere der Bestätigung dienende Labor untersuchungen sind in einem Labor der Schutzstufe 3 durchzuführen;
  2. Risikogruppe 4: Weitere der Bestätigung dienende Laboruntersuchungen sollen nach Möglichkeit unter den Bedingungen der Schutzstufe 4 erfolgen. Steht diese Möglichkeit nicht zeitnah zur Verfügung, können diese Analysen auch unter den Bedingungen der Schutzstufe 3 durchgeführt werden, wobei alle Schritte zur Anreicherung bzw. Vermehrung des Erregers zu unterbleiben haben.

(7) Bei der Festlegung der Schutzstufe sollte nach dem Schema in Abb. 5 vorgegangen werden:

Abb. 5: Schema zur Zuordnung der Tätigkeiten in Laboren zu einer Schutzstufe anhand der Beurteilung von akuten biologischen Gefahrenlagen


(8) Die Schutzmaßnahmen für die mikrobiologische Labordiagnostik sowie die notwendigen Fachkundeanforderungen werden in der TRBA 100 sowie der TRBA 200 beschrieben.

(9) Die Bearbeitung pulverförmiger, aerosolisierbarer Proben stellt eine besondere Gefährdung für die Beschäftigten dar, da sie leicht und über den Luftweg aufgenommen werden und zu einer Kontamination der Umgebung führen können.

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Bekanntmachung von Technischen Regeln - hier: - TRBA 130 "Arbeitsschutzmaßnahmen in akuten biologischen Gefahrenlagen"

Vom 21.Juli.2023
(GMBl. Nr. 38 vom 21.07.2023 S. 800)

- Bek. d. BMAS v. 21.7.2023 - IIIb 3-34504-7 -

Gemäß § 19 Absatz 4 der Biostoffverordnung macht das Bundesministerium für Arbeit und Soziales folgende Neufassung der Technischen Regel 130 "Arbeitsschutzmaßnahmen in akuten biologischen Gefahrenlagen" für Biologische Arbeitsstoffe bekannt:
ID: 231491

1 Öffentlicher Gesundheitsdienst: Management von Pulverfunden (rki.de)

2 Datenbank für Biozid-Produkte (ECHA)

3 https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/Biosicherheit/Projekte/NaLaDiBA_Labornetzwerk/NaLaDiBA_node.html

4 Dieses Spektrum unterliegt ständiger Aktualisierung und umfasst biologische Arbeitsstoffe und Toxine biologischen Ursprungs.

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