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57. Brommethan (Methylbromid)
(CAS-Nr.: 74-83-9)
Ausgabe:
September 1999
(BArbBl. 9/1999 S. 63)
Brommethan (Methylbromid) findet überwiegend Verwendung als Begasungsmittel im Pflanzen-, Vorrats- und Gebäudeschutz, in sehr geringem Umfang auch als Alkylans in der präparativen organischen Synthese. Es entsteht bei der Verbrennung verbleiter Kraftstoffe, die Ethylendibromid enthalten, sowie in großen Mengen biogen aus anorganischem Bromid durch die Aktivität von Algen und höheren Pflanzen.
Die vorhandenen toxikologischen Erkenntnisse sind in mehreren Übersichtsarbeiten zusammengefaßt [1, 2, 3], auf die sich die nachfolgenden Abschnitte im wesentlichen stützen.
Allgemeine Toxizität
Brommethan wirkt akut hochtoxisch und schädigt das zentrale Nervensystem. Weitere wichtige Effekte sind Lungenödem, Nierenschäden und Leberfunktionsstörungen. Die Substanz, deren Toxizität durch eine steile Dosis-Wirkungs-Kurve charakterisiert wird, ist haut- und schleimhautreizend und kann in relevanten Mengen über die Haut aufgenommen werden.
Bindung an Makromolekule
Als alkylierendes Agens zeichnet sich Brommethan durch eine hohe Reaktionsfreudigkeit gegenüber nukleophilen Zentren in Proteinen und Nukleinsäuren aus. Die Umsetzung mit isolierter DNA bzw. kultivierten Zellen sowie die Begasung von Mais- und Weizenpflanzen führten zur Methylierung zyklischer und exozyklischer Stickstoffatome von Cytosin, Adenin und Guanin.
Nach in vivo-Exposition fanden sich DNA-Addukte in Leber und Milz von CBA-Mäusen (inhalative und i. p. Applikation; Djalali-Behzad et al., 1981) sowie in Leber, Lunge, Vormagen und Magen von F344-Ratten (orale und inhalative Verabreichung; Gansewendt et al., 1991). Bei dem Rattenexperiment wurde u. a. O6-Methylguanin nachgewiesen.
Schädlingsbekämpfer, die mit Brommethan Umgang hatten, wiesen gegenüber Kontrollpersonen einen erhöhten S-Methylcystein-Gehalt in Blutproteinen auf [4,5].
Gentoxizität in vitro
Brommethan erwies sich als mutagen in folgenden in vitro-Systemen:
Ames-Test (TA 98, 100, 1535), SOS-Chromotest (TA 1535/psK 1002), E.-coli-Vorwärtsmutation, Fluktuationstest (Klebsiella pneumoniae), Maus-Lymphom-Test (LS 178Y) und erzeugte Schwesterchromatidaustausche und Chromosonenaberrationen in menschlichen Lymphozyten. Teilweise wurden auch externe Stoffwechselaktivierungs-Systeme verwendet.
Negativ verliefen die Versuche mit den S.-typhimurium-Stämmen TA 1537 und TA 1538, in einigen Labors auch mit TA 98 und 1535. Außerplanmäßige DNA-Synthese (UDS) konnte weder in primären Rattenhepatozyten noch in menschlichen Darmfibroblasten nach Brommethan-Exposition in vitro beobachtet werden. Auf Adenovirus-infizierte SHE-Zellkulturen wirkte die Substanz nicht transformierend.
Gentoxizität in vivo
Außer in Gerstensamen wirkte Brommethan auch im Tiermodell gentoxisch (s. Tabelle). Eine genauere Analyse der Zeitabhängigkeit für den SLRL-Test an Drosophila legt den Schluß nahe, daß sich eine meßbare Akkumulation prämutagener Schäden überwiegend auf diejenigen Stadien der Spermatogenese beschränkte, deren DNA-Reparatur-Kapazität vermindert ist. Nukleotidexzisionsreparaturdefiziente Fruchtfliegen-Mutanten reagierten im SLRL-Test empfindlicher als der Wildtyp [6].
Brommethan erzeugte Mikrokerne in Nagetieren nach Ganzkörperexposition (s. Tabelle). Bemerkenswert ist, daß der im Rahmen einer NTP-Studie durchgeführte Mikronukleus-Test an Mäusen nur bei Weibchen und kurzer Exposition zu positiven Resultaten führte. Es wird spekuliert, daß die Abschwächung des Effektes mit steigender Inhalationsdauer auf metabolische Veränderungen oder Nachlassen der Sensitivität des Knochenmarks zurückzuführen sein könnte (NTP, 1992).
Im Gegensatz zu gleichbehandelten Weibchen wurde bei männlichen Sprague-Dawley-Ratten nach Ganzkörperexpositon gegen 272 mg Brommethan pro Kubikmeter Atemluft an fünf aufeinanderfolgenden Tagen (7 h/d) ein signifikanter Anstieg an Chromosomenaberrationen in Knochenmarkszellen gefunden (P < 0,005). Bleiben bei der statistischen Analyse diejenigen Zellen unberücksichtigt, die lediglich "Gaps" (färberische Lücken) aufwiesen, sinkt der Befund unter die Signifikanzgrenze. Das Ergebnis wird deshalb als negativ gewertet (McGregor, 1981).
Je zehn männliche Ratten wurden an fünf aufeinanderfolgenden Tagen jeweils sechs Stunden lang 245, 490 und 980 mg/m3 Brommethan in einer Expositionskammer ausgesetzt. Wie aus einer kurzen Kongreßzusammenfassung hervorgeht, zeigten sich in der am höchsten dosierte Gruppe am letzten Behandlungstag klinische Effekte (Ataxie, Spasmen, Lethargie und Prostration). Zwei Tiere aus dieser Gruppe starben. Im Alkalischen Elutionstest wurden sowohl 1 Stunde als auch 24 Stunden nach Expositionsende statistisch signifikant erhöhte Elutionsraten der DNA aus den Hoden der höchstexponierten Ratten gemessen [7].
Ein Dominant-Letal-Test mit Sprague-Dawley-Ratten fiel negativ aus (Mc Gregor, 1981; s. Abschn. 6 "Reproduktionstoxizität").
Anläßlich einer Gebäudebegasung mit Brommethan in Deutschland wurden 5 Schädlingsbekämpfern unmittelbar im Anschluß an die Lüftung des Gebäudes periphere Lymphozyten entnommen und deren DNA mittels Alkalischer Filterelution untersucht. Unter den Probanden gab es drei sog. "Nichtkonjugierer" (keine GSTTI -Aktivität in den Erythrozyten, s. Abschn. 8 "Metabolismus"). Sie wiesen gegenüber den beiden "Konjugierern" deutlich erhöhte DNA-Strangbruchraten auf [8]. Während der Bodenbegasungsperiode im Sommer stieg die Schwesterchromatid-Austauschrate in peripheren Lymphozyten von Schädlingsbekämpfern, die mit Brommethan arbeiteten, trotz Atemschutzmaßnahmen an [5].
31 Schädlingsbekämpfer aus Florida, die vor Studienbeginn mindestens ein halbes Jahr Umgang mit Brommethan hatten (daneben fand auch Sulfurylfluorid als Ersatzstoff Verwendung), wurden mit 28 nichtexponierten Freunden und Nachbarn verglichen. Die Mutationsrate im Hypoxanthin-Guanin-Phosphoribosyl-Transferase-Gen (HPRT) der peripheren Lymphozyten war bei nichtrauchenden Begasern gegenüber dem nichtrauchenden Kontrollkollektiv erhöht. Das Signifikanzniveau (zweiseitiger Test) lag bei P=0.22; wurden nur diejenigen Begaser berücksichtigt, die in den beiden vorausgegangenen Wochen mindenstens vier Stunden lang gegen Brommethan exponiert gewesen waren, fiel die Irrtumswahrscheinlichkeit auf P=0.08. Die Zahl der Mikronuklei in Oropharynx-Zellen war bei den Schädlingsbekämpfern ebenfalls gegenüber der Referenzgruppe erhöht (P=0.08 bzw. P=0.13 bei mindestens vierstündiger Exposition im Zeitraum von 14 Tagen vor der Probenahme). Keine substantiellen Unterschiede ergaben sich hinsichtlich der Mikrokernrate in peripheren Lymphozyten. Wie die Autoren selbst einräumen, ist die Aussagekraft der Studie begrenzt durch die geringe Probandenzahl, die Unkenntnis der Expositionshöhe und das eher geringe Ausmaß des Einsatzes von Brommethan an den untersuchten Arbeitsplätzen wegen der fortschreitenden Substitution mit Sulfurylfluorid [9].
Kanzerogenität
In einer 90-Tage-Studie (!) wurden Gruppen von je 10 männlichen und weiblichen Wistar-Ratten an 5 Tagen in der Woche jeweils 0,4; 2; 10 und 50 mg Brommethan pro Kilogramm Körpergewicht in Erdnußöl per Schlundsonde verabreicht (Danse et al., 1984). In der 50-mg-Gruppe, die eine signifikant geringere Körpergewichtszunahme aufwies, wurden bei 2 Rattenmännchen Papillome und bei 13 Tieren (m 7 w 6) Karzinome des Vormagens diagnostiziert. Die als Vormagenkarzinome beschriebenen Befunde wurden jedoch von einem Pathologengremium des US-amerikanischen National Toxicology Program (NTP) nachuntersucht und als entzündliche hyperplastische Veränderungen ohne Anzeichen einer malignen Entartung eingestuft. Zwei vergleichbare Experimente an Ratten bei einer Studiendauer bis zu 25 Wochen ergaben mit Dosen von max. 50 mg/KGW/d chronische Entzündungen, Akanthosen, Fibrosen, Ulzerationen und Hyperplasien des Vormagens, die sich während der Nachbeobachtungszeit von höchstens 12 Wochen teilweise wieder zurückbildeten (Boorman et al. 1986; Hubbs u. Harrington, 1986). Lediglich in einer Gruppe, die 25 Wochen lang 50 mg Brommethan pro Kilogramm Körpergewicht und Tag erhielt, entwickelte eins v6n 11 Tieren ein "sehr frühes" Vormagenkarzinom (Kontrolle: 0/13).
Mitsumori et al. (1990) verfütterten an F344-Ratten (je 60 pro Geschlecht und Dosisgruppe) zwei Jahre lang Standardfutter, das mit Brommethan begast worden war (Endkonzentration < 20 mg/kg Futter). Es wurde keine kanzerogene Wirkung festgestellt.
Langzeit-Inhalationsexperimente wurden von drei Arbeitsgruppen durchgeführt, wobei an 5 Tagen pro Woche jeweils 6 Stunden (Ganzkörper-)exponiert wurde: Reuzel et al., 1991 (Wistar-Ratten; 29 Monate; 12, 117, 350 mg/m3); NTP, 1992 (B6C3F1-Mäuse; 2 Jahre; 39, 128, 389 mg/m3); Gotoh et al., 1994 (F 344/DuCrj-Ratten; 2 Jahre; 16,78, 389 mg/m3 - Crj: BDF1-Mäuse; 2 Jahre; 16,62, 250 mg/m3 [11]). Keine der Studien erbrachte Hinweise auf substanzbedingte neoplastische Veränderungen.
Reproduktionstoxizität
Hurtt und Working (1988) setzten Ratten fünf Tage lang an sechs Stunden pro Tag 778 mg Brommethan pro Kubikmeter Atemluft aus. Die Autoren registrierten lediglich eine vorübergehende Verringerung des Plasmatestosteronspiegels und der testikulären nichtproteinischen Sulfhydrylkonzentration, nicht aber Veränderungen der Testes, Epididymides oder Spermienqualität bzw. -quantität. Die Erhöhung der Dosis auf 1260 mg/m3 verzögerte die Spermiation (Hurtt et al., 1987). Über eine Degeneration bzw. Atrophie des spermatogenen Epithels bei Nagern nach sechswöchiger Ganzkörperexposition berichten Kato et al., 1986 (Ratten, 4 h/d, 5d/Wo., ab 778 mg/m3) und Eustis et al., 1988 (Ratten und Mäuse, 6 h/d, 5 d/Wo., ab 622 mg/m3). Dosierungen, die signifikante Effekte in den Hoden hervorriefen, gingen mit einer Mortalitätsrate von über 50 % einher. In einer Zweijahres-Inhalationsstudie mit Mäusen traten testikuläre Degenerationen ebenfalls in Zusammenhang mit stark erhöhter Mortalität auf.
Dreizehnwöchige Exposition gegen Brommethan-Gas führte bei Mäusen (39 - 467 mg/m3) dosisabhängig zur Erhöhung der relativen Hoden- und Nebenhodengewichte, einer Abnahme der Spermiendichte und einen Anstieg abnormer Spermien. Bei Ratten (117-467 mg/m3) kam es zu einer Verringerung des Gewichts der Caudae epididymis, einer relativen Hodengewichtserhöhung und einer Abnahme der Spermienmotilität. Die Zykluslänge der Weibchen blieb unbeeinträchtigt. Auch hinsichtlich der 13-Wochen-Studien wird die testikuläre Degeneration als sekundäre Folge einer allgemeinen Toxizität angesehen (NTP, 1992; Morrissey et al., 1988).
Sprague-Dawley-Ratten, die an 5 aufeinanderfolgenden Tagen jeweils 7 Stunden in einer Brommethan-Atmosphäre gehalten wurden (78 und 272 mg/m3), entwickelten keine Spermienabnorinalitäten (McGregor, 1981). Die mögliche embryo- oder fetotoxische Wirkung von Brommethan nach inhalativer Aufnahme wurde in mehreren Untersuchungen an Ratten (Konzentrationen bis 272 mg/m3) und Kaninchen (78 mg/m3) geprüft, die keine Hinweise auf Entwicklungsschäden erbrachten (Sikov et al., 1981; Hardin et al., 1981). Vermindertes Körpergewicht, eine höhere Inzidenz für verschmolzene Sternebrae und Fehlbildungen (18/23; hauptsächlich Fehlen der Gallenblase und des caudalen Lungenlappens) zeigten jedoch Nachkommen von Kaninchenweibchen (New Zealand White) die vom 7. bis zum 19. Gestationstag täglich 6 Stunden lang 311 mg Brommethan/m3 Atemluft ausgesetzt worden waren. Die Muttertiere litten an mäßigen bis schweren Intoxikationserscheinungen (verringertes Körpergewicht bzw. geringere Gewichtszunahme, Ataxie, Schräglage des Kopfes und seitliche Liegestellung). Keine Anzeichen maternaler, embryonaler oder fetaler Toxizität wurden in derselben Studie bei Brommethan-Konzentrationen von 78 bzw. 160 mg/m3 beobachtet (Breslin et al., 1990; unveröffentlichter Bericht).
In einem Dominant-Letal-Test wurden je 10 erwachsene CD-Rattenmännchen an 5 aufeinanderfolgenden Tagen jeweils 7 Stunden gegen 78 und 272 mg Brommethan/m3 exponiert und anschließend über einen Zeitraum von 10 Wochen in wöchentlichen Abständen mit unbehandelten Weibchen verpaart. Eine signifikante Verschiebung der Schwangerschaftshäufigkeit, der Zahl der Gelbkörper pro Schwangerschaft oder der Absterberate gegenüber der Kontrolle wurde nicht festgestellt (McGregor, 1981).
Die Resultate einer Zwei-Generationen-Studie der American Biogenics Corporation (1986) liegen bisher nur in Form eines unveröffentlichten Berichts vor. Gruppen von jeweils 25 Sprague-Dawley-Ratten beiderlei Geschlechts wurden an 5 Tagen pro Woche täglich 6 Stunden einer Atmosphäre ausgesetzt, die 12, 117 bzw. 350 mg Brummethan/m3 enthielt. Die Exposition wurde lediglich vom Tag 21 der Trächtigkeit bis zum Tag 4 der Laktationsphase ausgesetzt. In der Hochdosisgruppe kam es zu marginalen Verminderung des Körpergewichts sowohl bei Parental- als auch Filialgenerationen. Unter der Nachkommenschaft wurden keine substanzbedingten Anomalien beobachtet, für die 117- und 350-mg-Gruppe ergab sich eine statistisch nicht signifikante Beeinträchtigung des weiblichen Fertilitätsindexes im F2a-Wurf.
Tabelle: Gentoxizität/Klastogenität in vivo
Test | Organismus | Dosierung a | Ergebnis | Quelle |
Sex-linked recessive letal | Drosophila melanogaster | 78 u. 272 mg/m3 ( 5h) | - | McGregor, 1981 |
Sex-linked recessive letal | Drosophila melanogaster | 750 ing/m3 (6 h) | - | Kramers et al., 1985a u. b |
375 mg/m3(5x6h) | + | |||
200 mg/m3(15x6h) | + | |||
Sex-linked recessive letal | Drosophila melanogaster | 200 g/m3 (3 mm) | +/- | Ballering et al., 1994 [6] |
Sex-linked recessive letal | Drosophila melanogaster | 66 mM in Erdnußöl, | + | Kramers et al., 1991 |
0,2 ml inj. | ||||
Somatic wing-spot
(mitot. Rekombination) | D. melanogaster | ab 8 g/m3 (1 h) | + | Katz, 1985 u. 1987 |
(mwh-flr3- Trans-Dihybrid) | ||||
Mikronukleus | BDF1-Maus | m ab 778 mg/m3 | + | Ikawa et al., 1986 d; |
(periphere Erythrocyten) | w ab 600 mg/m3 (6h/d,5d/Wo., 14d) | + | Araki et al., 1995 [10] | |
Mikronukleus (periphere Erythrocyten) | B6C3F1-Maus | m 47-778 mg/m3 | - | NTP, 1992 |
w ab 47 mg/m3 (6h/d,5d/Wo.,14d) | + c | |||
Mikronukleus (periphere Erythrocyten) | B6C3F1-Maus (w und m) | 47 -778 mg/m3 (6h/d, 5d/Wo., 4-12 Wo.) | - | NTP, 1992 |
Mikronukleus (Knochenmark) | BDF1-Maus (w und m) | ab 600 mg/m3 (6h/d,5d/Wo., 14d) | + | Araki et al., 1995 [10] |
Mikronukleus (Knochenmark) | F344:Ratte (w und m) | 1320 mg/m3 (6 h/d, 5 d/Wo., 14 d) | +/- | Ikawa et al.1986 d;
Araki et al., 1995 [10] |
Chromosomenaberrationen (Knochenmark) | Sprague-Dawley-Ratte (w und m) | 78 u. 272 mg/m3 (1 x 7 h) | - | McGregor, 1981 |
78 u. 272 mg/m3 (7 h/d, 5 d) | - | |||
Alkalische Elution (testikuläre DNA) | F344-Ratte | ab 980 mg/m3 (6 h/d, 5 d) b | + | Bentley et al., 1995 [7] d |
Dominant-Letal | Sprague-Dawley-Ratte | 78 u. 272 mg/m3 (7h/d, 5 d) | - | McGregor, 1981 |
a) bei pos. Befunden:
Effektkonzentration b) klin. Toxizitätszeichen, Überlebensrate: 80 % c) auch dosisabhängige Erhöhung der SCE-Rate d) Abstract (Stand: Mai 1999) |
Zwischen dem 5. und 20. Schwangerschaftstag wurden trächtigen Ratten 0,5, 5, 25 und 50 mg Brommethan pro Kilogramm Körpergewicht in Erdnußöl per Schlundsonde verabreicht. Zeichen matemaler Toxizität traten in den 25- und 50-mg-Gruppen auf. Die Gesundheitsschäden der Muttertiere betrafen insbesondere die Magenregion. Dazu zählten Hyperplasie und Hyperkeratose mit gelegentlicher Ulzeration und Entzündung der angrenzenden Muskelschichten sowie lokale Peritonitis. Bis zu 25 mg/kg KGW wurden keine Effekte an Skelett und inneren Organen der Nachkommenschaft festgestellt. In der Hochdosisgruppe kam es zur vollständigen Resorption der Embryonen, was von den Autoren als Folge des drastisch verschlechterten Allgemeinzustands der Muttertiere gewertet wird (Peters et al., 1982).
Metabolismus
Brommethan kann über Formaldehyd zu CO2 oxidiert oder aber nach Glutathion-Konjugation zu Methanthiol verstoffwechselt werden. Garnier et al. schließen aus Humankasuistiken, daß die neurotoxischen Effekte auf Abbauprodukte des S-Methylglutathions zurückzuführen sein könnten, während sich die gentoxischen Eigenschaften durch direkte Alkylierung erklären lassen [12].
Die Konjugation mit Glutathion wird beim Menschen durch eine Glutathiontransferase der Θ -Klasse (GSTT1) katalysiert, die aus Erythrozyten isoliert wurde und einen ausgeprägten Polymorphismus zeigt. Etwa 25 % der deutschen Bevölkerung zählt phänotypisch zu den sog. "Nichtkonjugierern", denen das Gen für dieses Enzym fehlt [13].
Struktur-Wirkungs-Beziehungen
Das Bromid-Ion ist eine gute Abgangsgruppe, und Brommethan besitzt eine hohe Reaktivität gegenüber Nukleophilen. Seine "elektrophile Reaktionsstärke" entspricht etwa derjenigen des Ethylenoxids. Diese potenten Elektrophile sind vergleichsweise selektiv und alkylieren bevorzugt die N7-Position gegenüber der O6-Funktion des Guanins. Zudem ist mit einer ausgeprägten Zytotoxizität durch Proteinalkylierung zu rechnen, wodurch das "Dosisfenster", das persistente DNA-Schäden ohne Zelletalität hervorruft, vermutlich sehr schmal wird. Diese physikochemischen Eigenschaften könnten teilweise die negativen Resultate der Kanzerisierungsstudien und die widersprüchlichen Befunde der in vitro-Gentoxizitätstests erklären [14]. Die beiden analogen Halogenverbindungen Chlor- und Iodmethan wurden von der EU in die Kategorie 3 krebserzeugender Stoffe eingestuft. Chlormethan erwies sich als Nierenkanzerogen in B6C3F1-Mäusen, wobei aufgrund der geringeren allgemeinen Toxizität mit Dosen gearbeitet wurde, die eine Zehnerpotenz höher lagen als im Falle des Brommethans. Iodmethan ist ein stärkeres Alkylans als Brommethan und erzeugte nach i. p. Verabreichung Lungentumore in Mäusen sowie vorwiegend lokale Tumore an der Einstichstelle nach subkutaner Injektion. Bromethan und Chlorethan erzeugten Uterus-Neoplasmen in weiblichen Mäusen ([15]; NTP, 1992).
Bolt und Gansewendt (1993) vermuten, daß mit steigender Reaktivität bzw. sinkenden Kohlenstoff-Halogen-Bindungsenergien ein Anstieg der kanzerogenen Potenz bei Monohalogenmethanen vom Chlor- über das Brom- zum Iodmethan verbunden ist. Die auffällige Häufung von Cystadenomen und Adenomen der Nierenrinde sowie papillären Cystadenokarzinomen bei männlichen Mäusen nach Chlormethan-Inhalation könnte sich auch durch einen unspezifischen epigenetischen Mechanismus erklären lassen (Genitalverletzungen durch Rivalitätskämpfe und dadurch bedingte aufsteigende Harnwegsinfektionen) [16].
Bewertung
Brommethan ist ein starkes Alkylans und erzeugt im Tierexperiment systemisch fehlkodierende DNA-Addukte und Mikrokerne. Mittels Alkalischer Elution wurden DNA-Einzelstrangbrüche im Hoden von inhalativ exponierten Ratten nachgewiesen, allerdings erst bei sehr hohen Dosierungen. Ein Dominant-Letal-Test mit Ratten erbrachte negative Resultate. Gemäß EU-Einstufungskriterien erfolgt eine Einstufung in Kategorie 3 der erbgutverändernden Stoffe (M: 3).
Die bislang durchgeführten Inhalationsexperimente mit Nagetieren ergaben keine Hinweise auf substanzbedingte neoplastische Veränderungen. Die Diagnose von Vormagenkarzinomen nach subchronischer oraler Applikation von Brommethan an Ratten wurde angezweifelt und konnte in mehreren Nachfolgestudien nicht abgesichert werden. Aufgrund der vorliegenden tierexperimentellen Ergebnisse wird keine Einstufung als krebserzeugender Stoff vorgenommen (C: -).
Die in mehreren Arbeiten berichteten adversen Effekte auf das Hodengewebe von Ratten und Mäusen sind als unspezifische, sekundäre Folge einer allgemeinen Toxizität zu werten. Entwicklungsschäden traten im Tierversuch ebenfalls erst im Zusammenhang mit maternaler Toxizität auf. Brommethan wird daher nicht als reproduktionstoxisch eingestuft (RF,E: -).
Literatur
[1] Deutsche Forschungsgemeinschaft: Gesundheitsschädliche Arbeitsstoffe. - Toxikologisch-arbeitsmedizinische Begründungen von MAK-Werten. Methylbromid/Brommethan. Weinheim: WILEY-VCH (1974, 1983, 1992)
[2] Beratergremium für umweltrelevante Altstoffe (BUA) der Gesellschaft Deutscher Chemiker: Brommethan. BUA-Stoffberichte 14 u. 133. Stuttgart: S. Hirzel (1987/1994)
[3] International Programme on Chemical Safety (IPCS): Methyl Bromide. Environmental Health Criteria 166. Genf: Weltgesundheitsorganisation (1995)
[4] Müller AMF, Hallier E, Westphal G et al.: Determination of methylated globin and albumin for biomonitoring of exposure to methylating agents using HPLC with precolumn fluorescent derivatization. Fresenius J Anal Chem 350 (1994) 712-7 15
[5] Georgens HW, Hallier E, Müller A, Bolt HM: Macromolecular adducts in the use of methyl bromide as a fumigant. Toxicol Lett 72 (1994) 199-203
[6] Ballering LAP, Nivard MJM, Vogel EW: A deficiency for nueleotide excision repair strongly potentiates the mutagenic effectiveness of methyl bromide in Drosophila. Mutagenesis 9 (1994) 387-389
[7] Bentley KS, O'Neil AJ, Poindexter GL: Single strand breaks in rat testicular DNA by alkaline elution following in vivo inhalation exposure to methyl bromide. Environ Mol Mutagen 25/Suppl. 25 (1995) 4 (Abstract)
[8] Hallier E: Arbeitsmedizinische Untersuchungen zur Problematik der Durchführung von Begasungen mit Methylbromid. Egelsbach, Frankfurt, St. Peter Port: Hänsel-Hohenhausen (1996)
[9] Calvert GM, Talaska G, Mueller CA et al.: Genotoxicity in workers exposed to methyl bromide. Mutat Res 417 (1998) 115-128
[10] Araki A, Kato F, Matsushima T et al.: Micronuclei induetion of methyl bromide in rats and mice by subchronic inhalation toxicity test. Environ Mut Res Commun 17 (1995) 47 - 56
[11] Gotoh K, Nishizawa T, Yamaguchi T et al.: Two-year toxicological and carcinogenesis studies of methyl bromide in F344 rats and BDF1 mice - Inhalation studies. ISS-Proceedings, ICMP Seminar: 2nd Asia-Pacific Symposium on Environmental and Occupational Health 1993 (1994) 185-19 1
[12] Garnier R, Rambourg-Schepens MO, Müller A, Hallier E: Glutathione transferase activity and formation of macromolecular adducts in two cases of acute methyl bromide poisoning. Occup Environ Med 53 (1996)211-215
[13] Schröder KR, Hallier E, Meyer DJ et al.: Purification and characterization of a new glutathione S-transferase, class Q, from human erythrocytes. Arch Toxicol 70 (1996) 559-566
[14] Vogel EW, Nivard JM: The subtlety of alkylating agents in reactions with biological macromolecules. Mutat Res 305 (1994) 13 - 32
[15] Deutsche Forschungsgemeinschaft: Gesundheitsschädliche Arbeitsstoffe - Toxikologisch-arbeitsmedizinische Begründungen von MAK-Werten. Iodmethan. Weinheim: WILEY-VCH (1980, 1992)
[16] Bolt HM, Gansewendt B: Mechanism of carcinogenicity of methyl halides. CRC Crit Rev Toxicol 23 (1993) 237-253.
Die genauen bibliographischen Angaben für alle übrigen im Text zitierten Arbeiten finden sich in [3].
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