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HmbJAVollzG - Hamburgisches Jugendarrestvollzugsgesetz
Gesetz über den Vollzug des Jugendarrestes

- Hamburg -

Vom 29. Dezember 2014
(HambGVBl. Nr. 64 vom 30.12.2014 S. 542; 18.05.2018 S. 158 18; 03.11.2020 S. 559 20; 27.04.2021 S. 285 21; 07.03.2023 S. 94 23)
Gl.-Nr.: 451-2



Teil 1
Vollzug des Jugendarrestes

Abschnitt 1
Allgemeine Bestimmungen

§ 1 Anwendungsbereich

Dieses Gesetz regelt die Durchführung des Jugendarrestes nach dem Jugendgerichtsgesetz.

§ 2 Arrestziel

(1) Der Jugendarrest dient dem Ziel, die Jugendlichen zu befähigen, zukünftig eigenverantwortlich und ohne weitere Straftaten zu leben. Die Jugendlichen sollen dabei unterstützt werden, ihre persönlichen und sozialen Schwierigkeiten zu lösen. Ihre Fähigkeit und ihre Bereitschaft, die Verantwortung für ihr Verhalten zu übernehmen und die notwendigen Konsequenzen für ihr künftiges Leben daraus zu ziehen, soll gefördert werden. Dazu sind ihnen auch die Folgen weiterer Straftaten zu verdeutlichen und die Perspektive des Opfers nahe zu bringen.

(2) Wird der Jugendarrest neben einer Jugendstrafe, deren Verhängung oder Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt ist, verhängt, dient der Arrest darüber hinaus dem Ziel, die Jugendlichen auf die Bewährungszeit vorzubereiten und die Erfolgsaussichten für eine erzieherische Einwirkung in der Bewährungszeit zu verbessern.

§ 3 Erzieherische Gestaltung, fördernde Angebote 23

(1) Der Jugendarrest ist erzieherisch zu gestalten. Er hält insbesondere Angebote vor, die die Selbständigkeit der Jugendlichen sowie ihre Fähigkeit und Bereitschaft fördern, gesellschaftliche Regeln zu verinnerlichen und zu befolgen.

(2) Fördernde Angebote können insbesondere sein:

  1. soziale Trainingskurse,
  2. Opfer-Empathie-Training,
  3. motivierende Maßnahmen, um ein ernsthaftes Bemühen der Jugendlichen zu erreichen, einen Ausgleich mit Verletzten herbeizuführen (Täter-Opfer-Ausgleich),
  4. Anti-Gewalt-Training,
  5. Bildungsangebote, auch im Hinblick auf lebenspraktische Fähigkeiten,
  6. Sucht-, Schulden-, Berufs- und Ausbildungsberatung,
  7. Gemeinschaftsveranstaltungen und Gesprächsgruppen,
  8. strukturierte Freizeitgestaltung und
  9. Sport.

(3) Soweit möglich umfassen die fördernden Angebote auch die Vermittlung von Kontakten zu und die Einbindung von Stellen und Einrichtungen außerhalb der Anstalt, die die Jugendlichen am Wohnort unterstützen und fördern können.

(4) Schädlichen Folgen des Freiheitsentzuges ist entgegenzuwirken.

(5) Die unterschiedlichen Lebenslagen und Bedürfnisse der Jugendlichen, insbesondere im Hinblick auf Alter, Geschlecht, Herkunft, Religion, Weltanschauung, Behinderung und sexuelle und geschlechtliche Identität sowie Schutz vor rassistischer Diskriminierung, sind während des Jugendarrestes bei allen Maßnahmen zu berücksichtigen. Fähigkeiten und Begabungen der Jugendlichen sind zu wecken und zu fördern. Angebote zur Gewaltprävention haben eine besondere Bedeutung für die Arrestgestaltung.

§ 4 Mitwirkung und Stellung der Jugendlichen

(1) Die Jugendlichen sind verpflichtet, an der Erreichung des Arrestziels mitzuwirken und dabei insbesondere an den fördernden Angeboten des § 3 Absatz 2 teilzunehmen. Ihre Bereitschaft hierzu soll gefördert werden. Dies kann auch über Maßnahmen der positiven Verstärkung und Anerkennung erfolgen. Alle Maßnahmen im Arrest sollen ihnen erläutert werden, insbesondere der Inhalt und das Ziel eines Behandlungsangebots.

(2) Die Jugendlichen unterliegen den in diesem Gesetz vorgesehenen Beschränkungen ihrer Freiheit. Soweit das Gesetz eine besondere Regelung nicht enthält, dürfen ihnen nur Beschränkungen auferlegt werden, die zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder zur Abwendung einer schwerwiegenden Störung der Ordnung der Anstalt unerlässlich sind.

§ 5 Zusammenarbeit und Einbeziehung Dritter

(1) Die Anstalt arbeitet mit Personen, Behörden und Einrichtungen außerhalb des Arrestes zusammen, deren Mitwirkung das Erreichen des Arrestziels fördern kann. Hierzu

gehören insbesondere die Schulen und die für Schule und Berufsbildung zuständige Behörde, die Jugendgerichtshilfe, die übrigen jugendamtlichen Dienste sowie die anerkannten freien Träger der Jugendhilfe und die Jugendbewährungshilfe.

(2) Die Personensorgeberechtigten sind in die Planung und Gestaltung des Vollzuges einzubeziehen, soweit dies möglich ist und die Erziehung hierdurch nicht beeinträchtigt wird.

§ 6 Erfüllung von gerichtlichen Auflagen und Weisungen im Jugendarrest

(1) Ist Jugendarrest wegen des Nichterfüllens von Auflagen und Weisungen verhängt worden, ist den Jugendlichen nach Möglichkeit die Gelegenheit zu eröffnen, die Auflagen und Weisungen während des Jugendarrestes zu erfüllen. Hat das Gericht eine Jugendliche oder einen Jugendlichen neben der Verhängung des Jugendarrestes auch zur Erfüllung von Weisungen und Auflagen verurteilt, soll diese Möglichkeit nur mit Zustimmung des Gerichts eröffnet werden. Satz 1 gilt für die Nichterfüllung von Anordnungen gemäß § 98 Absatz 2 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten in der Fassung vom 19. Februar 1987 (BGBl. I S. 603), zuletzt geändert am 10. Oktober 2013 (BGBl. I S. 3786, 3796), in der jeweils geltenden Fassung entsprechend.

(2) Erhält die Vollzugsleitung Kenntnis von Umständen, die eine Änderung von Auflagen und Weisungen nahelegen, regt sie beim zuständigen Gericht eine solche Änderung an. Haben Jugendliche in Fällen des Absatzes 1 Satz 1 die Auflagen und Weisungen vollständig erfüllt, teilt die Vollzugsleitung dies dem zuständigen Gericht unverzüglich mit.

Abschnitt 2
Planung und Ablauf des Arrestes

§ 7 Aufnahme 23

(1) Mit den Jugendlichen wird unverzüglich ein Zugangsgespräch geführt. Sie werden unverzüglich, wenn möglich am Tag der Aufnahme, ärztlich untersucht. Maßnahmen zur Identitätsfeststellung sind zulässig.

(2) Die Jugendlichen werden bei der Aufnahme in einer für sie verständlichen Form über ihre Rechte und Pflichten, insbesondere über ihre Pflicht zur Mitwirkung (§ 4), ihre Rechte aus § 12 Absätze 4 und 5, § 31 Absatz 2 sowie über das Angebot der Behandlungsmaßnahmen und das Freizeitangebot informiert.

(3) Um den Jugendarrest nutzbringend planen und eine Vermittlung nachsorgender Betreuung vorbereiten zu können, verschaffen sich Vollzugsleitung oder die hiermit beauftragten Bediensteten in einem ausführlichen Perspektivgespräch einen möglichst umfassenden Überblick über die Persönlichkeit der Jugendlichen, deren Lebensverhältnisse, die diese prägenden Umstände und die Ursachen und Umstände der Straftat.

(4) Während des Perspektivgesprächs nach Absatz 3 dürfen andere Jugendliche nicht zugegen sein.

(5) Von der Aufnahme in den Arrest werden die Personensorgeberechtigten und die Jugendgerichtshilfe unverzüglich unterrichtet. Sofern aus den Vollstreckungsunterlagen erkennbar ist, dass die Jugendlichen bereits über eine Bewährungshelferin oder einen Bewährungshelfer verfügen, so ist auch die Jugendbewährungshilfe über den Arrestantritt zu informieren. Von der Unterrichtung kann abgesehen werden, wenn diese bereits zuvor über den Antrittstermin informiert wurden und die Jugendlichen den Arrest an diesem Termin antreten.

(6) Jugendliche, die über den fünften Monat hinaus schwanger sind, vor weniger als drei Monaten entbunden haben oder ihr Kind stillen, dürfen nicht aufgenommen werden.

§ 8 Förderplan

Auf der Grundlage des Perspektivgesprächs werden gemeinsam mit den Jugendlichen in einem Förderplan Art und Umfang der Gestaltungselemente erarbeitet, die geeignet sind, bestehende Schwierigkeiten zu bewältigen, um eine erneute Straffälligkeit zu vermeiden. Die Jugendhilfe und die Jugendbewährungshilfe sollen einbezogen werden, soweit sie bereits an der Betreuung einer oder eines Jugendlichen beteiligt sind. Die vorliegenden Informationen zur Person von anderen beteiligten Behörden und Gerichten, insbesondere der Jugendgerichtshilfe und der Jugendbewährungshilfe, sind zu berücksichtigen. Die Personensorgeberechtigten sind einzubeziehen, wenn dies für die Entwicklung der Jugendlichen förderlich ist und die Dauer des Jugendarrestes es zulässt.

§ 9 Überstellung, Ausantwortung

(1) Die Jugendlichen dürfen aus wichtigem Grund vorübergehend in eine andere Anstalt überstellt werden.

(2) Die Jugendlichen dürfen in eine andere zuständige Anstalt überstellt werden, wenn eine andere freiheitsentziehende Maßnahme nach dem Gesetz oder auf Grund richterlicher Anordnung vorrangig zu vollstrecken ist oder sich die Vollstreckung der anderen freiheitsentziehenden Maßnahme unmittelbar an die Vollstreckung des Jugendarrestes anschließt.

(3) Die Jugendlichen dürfen auf begründeten Antrag befristet einer Polizeibehörde übergeben werden (Ausantwortung).

(4) Die Personensorgeberechtigten und die Jugendgerichtshilfe werden von der Überstellung nach den Absätzen 1 und 2 unverzüglich unterrichtet.

§ 10 Aufenthalt außerhalb der Anstalt

(1) Den Jugendlichen kann der Aufenthalt außerhalb der Anstalt insbesondere erlaubt werden, zur

  1. Fortsetzung ihrer schulischen oder beruflichen Ausbildung,
  2. Fortsetzung ihrer Arbeitstätigkeit,
  3. Teilnahme an Förderangeboten und Behandlungsmaßnahmen,
  4. Wahrnehmung gerichtlicher Termine,
  5. Erledigung wichtiger persönlicher Angelegenheiten,

wenn die weitere Durchführung des Arrestes hierdurch nicht gefährdet wird. Sie werden von einer durch die Anstalt zugelassenen Person begleitet, wenn dies erforderlich ist.

(2) Die Vollzugsleitung kann den Jugendlichen Weisungen erteilen.

(3) Bedürftigen Jugendlichen können die Fahrtkosten für öffentliche Verkehrsmittel erstattet werden.

§ 11 Entlassung, Schlussbericht

(1) Vor der Entlassung führt die Vollzugsleitung mit den Jugendlichen ein Entlassungsgespräch. Dieses beinhaltet mindestens die Aspekte

  1. Führung der Jugendlichen,
  2. Erkenntnisse über die derzeitige Lebenssituation,
  3. Arrestverlauf,
  4. durchgeführte pädagogische Maßnahmen,
  5. festgestellter weiterer Förderbedarf.

Die Vollzugsleitung motiviert die Jugendlichen darüber hinaus, nach der Entlassung die Unterstützung durch Einrichtungen und Behörden außerhalb der Anstalt in Anspruch zu nehmen, soweit dies zur Lösung persönlicher und sozialer Schwierigkeiten erforderlich erscheint. Gegebenenfalls benennt sie den Jugendlichen die entsprechenden Stellen und vermittelt den Kontakt.

(2) Über Inhalt und Verlauf des Entlassungsgesprächs wird ein Schlussbericht erstellt.

(3) Der Schlussbericht ist für die Vollzugs- und Strafakten bestimmt. Eine Ausfertigung des Berichts ist der Jugendgerichtshilfe und bei unter Bewährungsaufsicht stehenden Jugendlichen der Jugendbewährungshilfe zuzuleiten. Den Jugendlichen und deren Personensorgeberechtigten wird der Bericht auf deren Wunsch zugeleitet.

(4) Die Jugendlichen werden am letzten Tag des Arrestes vorzeitig entlassen, soweit dies nach den Verkehrsverhältnissen oder zur alsbaldigen Wiederaufnahme der Schule, der Ausbildung oder der beruflichen Arbeit der Jugendlichen erforderlich ist.

(5) Die Personensorgeberechtigten sind rechtzeitig über die Entlassung zu unterrichten.

(6) Bedürftigen Jugendlichen kann bei der Entlassung ein Zuschuss zu den Fahrtkosten, angemessene Kleidung und sonstige notwendige Unterstützung gewährt werden.

Abschnitt 3
Unterbringung, Ernährung und persönlicher Besitz der Jugendlichen

§ 12 Unterbringung 23

(1) Die Jugendlichen werden während der Ruhezeit allein in ihren Arresträumen untergebracht. Jugendliche, die hilfsbedürftig sind oder bei denen eine Gefahr für ihr Leben oder ihre Gesundheit besteht, können während der Ruhezeit gemeinsam mit anderen Jugendlichen untergebracht werden, soweit es für die Jugendlichen förderlich ist und wenn diese anderen Jugendlichen einer gemeinsamen Unterbringung zugestimmt haben.

(2) Während der Freizeit können die Jugendlichen sich gemeinsam mit anderen aufhalten. Für die Teilnahme an gemeinschaftlichen Veranstaltungen kann die Vollzugsleitung mit Rücksicht auf die räumlichen, personellen und organisatorischen Verhältnisse der Anstalt besondere Regelungen treffen.

(3) Die gemeinschaftliche Unterbringung während der Beschäftigung und Freizeit kann eingeschränkt werden, wenn

  1. ein schädlicher Einfluss auf andere Jugendliche zu befürchten ist,
  2. dies aus erzieherischen Gründen angezeigt ist,
  3. die Jugendlichen zustimmen oder
  4. es die Sicherheit und Ordnung der Anstalt erfordert.

(4) Weibliche Jugendliche werden von männlichen Jugendlichen während der Ruhezeit in der Regel getrennt untergebracht. Bei berechtigtem Interesse ist dem Wunsch der Jugendlichen, in dem Bereich der Anstalt für das jeweils andere Geschlecht untergebracht zu werden, zu entsprechen, sofern nicht im Einzelfall die Erreichung des Arrestziels oder die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt entgegenstehen. Ein berechtigtes Interesse liegt insbesondere vor bei Jugendlichen,

  1. die sich auf Grund ihrer geschlechtlichen Identität nicht dem in ihrem amtlichen Personenstandseintrag angegebenen, sondern einem anderen Geschlecht oder weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht als zugehörig empfinden oder
  2. deren Geschlechtsangabe in ihrem amtlichen Personenstandseintrag zu männlich oder weiblich geändert wurde, weil ihre geschlechtliche Identität nicht mit dem in ihrem amtlichen Personenstandseintrag angegebenen Geschlecht übereingestimmt hat.

(5) Personen, deren amtlicher Personenstandseintrag divers oder keine Angabe zum Geschlecht als Geschlechtsangabe enthält, sind ihrem Wunsch entsprechend in einer Anstalt für weibliche oder männliche Jugendliche unterzubringen, sofern nicht im Einzelfall die Erreichung des Vollzugsziels oder die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt entgegenstehen.

§ 13 Ausstattung des Arrestraumes, persönlicher Besitz

(1) Die Jugendlichen dürfen ihre Arresträume in angemessenem Umfang mit eigenen Sachen ausstatten. Vorkehrungen und Gegenstände, die die Übersichtlichkeit des Arrestraumes behindern, in anderer Weise Sicherheit und Ordnung der Anstalt gefährden oder die Erfüllung des Arrestziels gefährden, können ausgeschlossen werden.

(2) Die Jugendlichen dürfen nur Sachen in Besitz haben, die ihnen von der Anstalt oder mit ihrer Zustimmung überlassen werden. Sie dürfen Sachen weder an andere Jugendliche abgeben noch von anderen Jugendlichen annehmen, es sei denn, es handelt sich um Sachen von offensichtlich geringem Wert.

(3) Die Vollzugsleitung kann besondere Regelungen zum angemessenen Umfang der Arrestraumausstattung und zum persönlichen Besitz, insbesondere zu Wertgrenzen für Armbanduhren und Schmuckgegenstände, treffen.

(4) Eingebrachte Sachen, die die Jugendlichen nicht in Gewahrsam haben dürfen, sind für sie aufzubewahren, sofern dies nach Art und Umfang möglich ist. Aufzeichnungen und andere Gegenstände, die Kenntnisse über Sicherungsvorkehrungen der Anstalt vermitteln, sind von der Anstalt zu vernichten oder unbrauchbar zu machen.

§ 14 Kleidung

(1) Die Jugendlichen dürfen eigene Kleidung tragen, wenn sie für Reinigung und Instandsetzung auf eigene Kosten sorgen. § 13 Absatz 1 Satz 2 gilt entsprechend.

(2) Die Vollzugsleitung kann das Tragen von der Anstalt zur Verfügung gestellten Kleidung im Einzelfall anordnen, wenn dies aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt erforderlich ist.

§ 15 Verpflegung

Die Jugendlichen erhalten Anstaltsverpflegung. Zusammensetzung und Nährwert der Anstaltsverpflegung werden ärztlich überwacht. Religiöse Speisegebote werden beachtet.

§ 16 Einkauf

Die Jugendlichen können regelmäßig aus einem von der Anstalt vermittelten Angebot einkaufen.

Abschnitt 4
Kontakt mit Personen außerhalb der Anstalt

§ 17 Besuch

(1) Die Jugendlichen dürfen Besuch empfangen, wenn dies dem Arrestziel förderlich ist. Besuche von Personensorgeberechtigten sind zu gestatten, wenn nicht eine Gefährdung des Arrestziels zu befürchten ist.

(2) Die Zulassung einer Person zum Besuch kann aus Gründen der Sicherheit und Ordnung der Anstalt von ihrer Durchsuchung abhängig gemacht werden. Für Art und Umfang der Durchsuchungen, insbesondere für den Einsatz technischer Hilfsmittel, und für den für Durchsuchungen in Betracht kommenden Personenkreis kann die Vollzugsleitung mit Rücksicht auf die Sicherheitsbedürfnisse der Anstalt besondere Regelungen treffen.

(3) Besuche dürfen aus Gründen der Erziehung oder der Sicherheit und Ordnung der Anstalt überwacht werden, es sei denn, es liegen im Einzelfall Erkenntnisse dafür vor, dass es der Überwachung nicht bedarf. Die Überwachung der Besuche mit optischelektronischen Einrichtungen (Videobeobachtung) ist zulässig; eine Aufzeichnung findet nicht statt. Die Jugendlichen und die Besucherinnen und Besucher sind vor dem Besuch darauf hinzuweisen. Die Unterhaltung darf nur überwacht werden, soweit dies im Einzelfall aus den in Satz 1 genannten Gründen erforderlich ist.

(4) Besuche dürfen abgebrochen werden, wenn die Gefährdung des Arrestziels zu befürchten ist oder durch den Besuchsverlauf die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt gefährdet wird.

(5) Gegenstände dürfen beim Besuch nur mit Erlaubnis übergeben werden.

(6) Besuche von Rechtsanwältinnen, Rechtsanwälten, Notarinnen und Notaren in einer die Jugendlichen betreffenden Rechtssache, von der Jugendgerichtshilfe und Jugendbewährungshilfe sowie von Beiständen nach § 69 des Jugendgerichtsgesetzes sind zu gestatten. Die Besuche werden nicht überwacht. Mitgeführte Schriftstücke und sonstige Unterlagen dürfen übergeben werden, ihre inhaltliche Überprüfung ist nicht zulässig. Absatz 2 Satz 1 gilt entsprechend.

§ 18 Schriftwechsel, Pakete

(1) Die Jugendlichen dürfen unbeschränkt Schreiben absenden und empfangen. Absendung und Empfang der Schreiben vermittelt die Anstalt, eingehende und ausgehende Schreiben werden unverzüglich weitergeleitet.

(2) Die Vollzugsleitung kann den Schriftwechsel mit bestimmten Personen untersagen, wenn

  1. bei Personen, die nicht Angehörige der Jugendlichen im Sinne des Strafgesetzbuches sind, zu befürchten ist, dass der Schriftwechsel das Erreichen des Arrestziels gefährden würde,
  2. Personensorgeberechtigte nicht einverstanden sind oder
  3. die Sicherheit und Ordnung der Anstalt gefährdet würde.

(3) Die Kosten des Schriftwechsels tragen die Jugendlichen. Bei bedürftigen Jugendlichen kann die Anstalt sie in angemessenen Umfang übernehmen.

(4) Die Jugendlichen dürfen Pakete empfangen. Absatz 2 und § 19 gelten entsprechend.

§ 19 Überwachung des Schriftwechsels

(1) Der Schriftwechsel darf aus Gründen der Erziehung oder der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt überwacht werden. Eine Inhaltskontrolle ist nur im Einzelfall zulässig, soweit es aus Gründen der Erziehung oder der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt erforderlich ist.

(2) Der Schriftwechsel mit Mitgliedern der Anstaltsbeiräte (§ 50) und mit Rechtsanwältinnen, Rechtsanwälten, Notarinnen und Notaren, soweit sie von den Jugendlichen mit der Vertretung einer Rechtsangelegenheit nachweislich beauftragt wurden, mit der Jugendgerichtshilfe und der Jugendbewährungshilfe und mit Beiständen nach § 69 des Jugendgerichtsgesetzes wird nicht überwacht.

(3) Nicht überwacht werden ferner Schreiben der Jugendlichen an

  1. Volksvertretungen des Bundes und der Länder, an das Europäische Parlament und an die Mitglieder dieser Gremien, soweit die Schreiben an die Anschriften der Gremien gerichtet sind und die Absenderin oder den Absender zutreffend angeben,
  2. den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte,
  3. den Europäischen Ausschuss zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe,
  4. die Nationale Stelle zur Verhütung von Folter,
  5. sonstige Organisationen oder Einrichtungen, mit denen der Schriftverkehr auf Grund völkerrechtlicher Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland geschützt ist,
  6. die Datenschutzbeauftragten des Bundes, der Länder und der Aufsichtsbehörde,
  7. Gerichte, Staatsanwaltschaften und die Aufsichtsbehörde (§ 48) und
  8. nicht in der Anstalt tätige Ärztinnen und Ärzte, die nachweislich mit der Untersuchung oder Behandlung der Jugendlichen befasst sind.

(4) Schreiben der in Absatz 3 genannten Stellen, die an die Jugendlichen gerichtet sind, werden nicht überwacht, sofern die Identität der Absender zweifelsfrei feststeht.

§ 20 Telekommunikation

(1) Den Jugendlichen kann gestattet werden, auf eigene Kosten Telefongespräche zu führen. Bei bedürftigen Jugendlichen kann die Anstalt die Kosten in begründeten Fällen in angemessenem Umfang übernehmen.

(2) Nach Zulassung anderer Formen der Telekommunikation im Sinne des Telekommunikationsgesetzes vom 22. Juni 2004 (BGBl. I S. 1190), zuletzt geändert am 25. Juli 2014 (BGBl. I S. 1266, 1293), und des Telemediengesetzes vom 26. Februar 2007 (BGBl. I S. 179), zuletzt geändert am 31. Mai 2010 (BGBl. I S. 692), in der jeweils geltenden Fassung durch die Aufsichtsbehörde kann die Vollzugsleitung den Jugendlichen gestatten, diese Formen auf ihre Kosten zu nutzen. Die Bestimmungen dieses Abschnitts gelten entsprechend.

(3) Auf dem Gelände der Anstalt können technische Geräte zur Störung von Frequenzen betrieben werden, die der Herstellung unerlaubter Mobilfunkverbindungen dienen. Es ist sicherzustellen, dass der Mobilfunkverkehr außerhalb des Anstaltsgeländes hierdurch nicht beeinträchtigt wird. Die von der Bundesnetzagentur gemäß § 55 Absatz 1 Satz 5 des Telekommunikationsgesetzes festgelegten Rahmenbedingungen sind zu beachten.

Abschnitt 5
Beschäftigung und Gelder der Jugendlichen

§ 21 Beschäftigung

(1) Beschäftigung im Sinne dieses Gesetzes sind erzieherisch geprägte und sinnvolle Tätigkeiten. Sie soll die Entwicklung von Gemeinschaftsfähigkeit fördern und die Erkenntnis vermitteln, dass Pflichten innerhalb eines Gemeinwesens von allen zu tragen sind.

(2) Jugendliche können zu diesen Tätigkeiten herangezogen werden, soweit sie nicht an besonderen Maßnahmen teilnehmen. Ein Anspruch auf Entlohnung entsteht nicht.

§ 22 Gelder der Jugendlichen

(1) Gelder der Jugendlichen, die diese in die Anstalt einbringen, werden für sie bis zur Entlassung aufbewahrt. Die Höhe der eingebrachten Gelder sowie ihre Verwendung sind zu dokumentieren.

(2) Bedürftigen Jugendlichen wird ein angemessenes Taschengeld gewährt. Die Auszahlung des Taschengeldes kann gestuft nach dem Grad der Mitwirkungsbereitschaft der Jugendlichen (§ 4) erfolgen.

(3) Die Jugendlichen können von diesen Geldern einkaufen oder sie anderweitig verwenden. Die Anstalt kann die Verwendung der Gelder, die Teilnahme am Einkauf und die Höhe der hierfür zu verwendenden Gelder vom Grad der Mitwirkungsbereitschaft (§ 4) abhängig machen.

Abschnitt 6
Freizeit

§ 23 Allgemeines

(1) Die Ausgestaltung der Freizeit orientiert sich am Arrestziel. Die Anstalt hat entsprechende Angebote bereitzuhalten. Die Jugendlichen sind anzuleiten, ihre Freizeit sinnvoll zu gestalten.

(2) Die Jugendlichen sind zur Teilnahme und Mitwirkung an Angeboten der Freizeitgestaltung verpflichtet.

§ 24 Sport

Sportlicher Betätigung kommt bei der Erreichung des Arrestziels eine besondere Bedeutung zu. Es sind ausreichende und geeignete Angebote vorzuhalten.

§ 25 Andere Freizeitbeschäftigung

(1) Die Jugendlichen sollen Gelegenheit erhalten, eine Bücherei zu nutzen und aus dieser in angemessenem Umfang Medien auszuleihen.

(2) Die Jugendlichen dürfen eigene Hörfunkgeräte nutzen und besitzen, soweit ihnen nicht von der Anstalt Geräte überlassen werden.

(3) Die Anstalt kann die Teilnahme am gemeinsamen Fernsehempfang gestatten. Der Besitz eigener Fernsehgeräte ist nicht erlaubt. Die gemeinschaftliche Nutzung anderer Geräte der Informations- und Unterhaltungselektronik kann zugelassen werden, wenn erzieherische Gründe nicht entgegenstehen.

Abschnitt 7
Religionsausübung

§ 26 Seelsorge und religiöse Veranstaltungen

(1) Den Jugendlichen darf religiöse Betreuung durch Seelsorgerinnen und Seelsorger ihrer Religionsgemeinschaft nicht versagt werden. Dies schließt das Recht ein, am Gottesdienst und an anderen religiösen Veranstaltungen ihres Bekenntnisses, sofern diese in der Anstalt angeboten werden, teilzuneh men. Auf ihren Wunsch ist ihnen zu helfen, mit Seelsorgerinnen oder Seelsorgern ihrer Religionsgemeinschaft in Verbindung zu treten.

(2) Die Jugendlichen dürfen grundlegende religiöse Schriften besitzen. Sie dürfen ihnen nur bei grobem Missbrauch entzogen werden.

(3) Den Jugendlichen sind Gegenstände des religiösen Gebrauchs in angemessenem Umfang zu belassen.

(4) Für Angehörige weltanschaulicher Bekenntnisse gelten die Absätze 1 bis 3 entsprechend.

Abschnitt 8
Gesundheitsfürsorge

§ 27 Gesundheitsmaßnahmen, Gesundheitsschutz und Hygiene 21

(1) Für das körperliche, seelische, geistige und soziale Wohlergehen der Jugendlichen ist zu sorgen. Diese haben die notwendigen Anordnungen zum Gesundheitsschutz und zur Hygiene zu befolgen sowie die dafür erforderlichen Maßnahmen zur Umsetzung des Gesundheitsschutzes und der Hygiene in der Anstalt zu dulden.

(2) Die Bedeutung einer gesunden Lebensführung ist ihnen in geeigneter Form zu vermitteln. Insbesondere ist auf die Gefährdung durch Infektionen, illegale Drogen, Tabak und Alkohol hinzuweisen. Insoweit sollen jugendspezifisch zugeschnittene Beratungs-, Behandlungs- und Betreuungsangebote unterbreitet werden. Den Jugendlichen werden auch die Vorteile gesunder Ernährung nahegebracht.

(3) Zur Gewährleistung des Gesundheitsschutzes und der Hygiene ist die zwangsweise körperliche Untersuchung der Jugendlichen zulässig, wenn sie nicht mit einem körperlichen Eingriff verbunden ist. Die Maßnahme darf nur auf Anordnung und unter Leitung einer Ärztin oder eines Arztes durchgeführt werden, unbeschadet der Leistung erster Hilfe für den Fall, dass eine Ärztin oder ein Arzt nicht rechtzeitig erreichbar und mit einem Aufschub Lebensgefahr verbunden ist.

§ 28 Aufenthalt im Freien

Den Jugendlichen wird ermöglicht, sich täglich mindestens eine Stunde im Freien aufzuhalten, wenn die Witterung dies zulässt.

Abschnitt 9
Verhalten im Jugendarrest

§ 29 Verhaltensregeln

(1) Das Verantwortungsbewusstsein der Jugendlichen für ein sozialverträgliches Verhalten ist zu fördern. Sie haben sich nach der Tageseinteilung der Anstalt zu richten und dürfen durch ihr Verhalten das geordnete Zusammenleben nicht stören.

(2) Die Jugendlichen haben die Anordnungen der Bediensteten zu befolgen, auch wenn sie sich beschwert fühlen. Einen ihnen zugewiesenen Bereich dürfen sie nicht ohne Erlaubnis verlassen.

(3) Die Jugendlichen haben ihren Arrestraum und die ihnen von der Anstalt überlassenen Sachen in Ordnung zu halten und schonend zu behandeln.

(4) Die Jugendlichen haben Umstände, die eine Gefahr für das Leben oder eine erhebliche Gefahr für die Gesundheit einer Person bedeuten, unverzüglich zu melden.

§ 30 Hausordnung

Die Vollzugsleitung erlässt eine Hausordnung. Sie bedarf der Zustimmung der Aufsichtsbehörde. Die Jugendlichen erhalten einen Abdruck der Hausordnung.

§ 31 Durchsuchung 23

(1) Zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung der Anstalt dürfen Jugendliche, ihre Sachen und die Arresträume jederzeit durchsucht werden, die Sachen und die Hafträume auch in Abwesenheit der Untergebrachten. Zur Unterstützung der Durchsuchung dürfen technische Mittel eingesetzt werden, bei der Durchsuchung der Sachen und Hafträume auch Spürhunde. Bei jeder Durchsuchung ist das Schamgefühl zu schonen.

(2) Die Durchsuchung von weiblichen und männlichen Jugendlichen darf jeweils nur von Personen gleichen Geschlechts vorgenommen werden. Bei berechtigtem Interesse soll dem Wunsch, die Durchsuchung einer Person eines bestimmten Geschlechts zu übertragen, entsprochen werden; § 12 Absatz 4 Satz 3 gilt entsprechend. Bei Personen, deren amtlicher Personenstandseintrag divers oder keine Angabe zum Geschlecht als Geschlechtsangabe enthält, soll dem Wunsch, die Durchsuchung einer Person eines bestimmten Geschlechts zu übertragen, entsprochen werden. Bei der Durchführung einer Durchsuchung sind die Belange der betroffenen Bediensteten zu berücksichtigen.

(3) Bei Gefahr im Verzug oder auf Anordnung der Vollzugsleitung im Einzelfall ist eine mit einer Entkleidung verbundene körperliche Durchsuchung zulässig. Für die Anwesenheit von Personen gilt Absatz 2 entsprechend. Die Durchsuchung ist in einem geschlossenen Raum durchzuführen. Andere Jugendliche dürfen nicht anwesend sein.

(4) Die Vollzugsleitung kann allgemein anordnen, dass Jugendliche bei der Aufnahme, nach Kontakten mit Besucherinnen und Besuchern und nach jedem Aufenthalt außerhalb der Anstalt gemäß § 10 nach Absatz 3 zu durchsuchen sind.

§ 32 Feststellung von Suchtmittelmissbrauch

(1) Zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt kann die Vollzugsleitung bei Jugendlichen, bei denen der konkrete Verdacht des Suchtmittelmissbrauchs besteht, allgemein oder im Einzelfall Maßnahmen anordnen, die geeignet sind, den Missbrauch von Suchtmitteln festzustellen. Die Maßnahmen dürfen nicht mit einem körperlichen Eingriff verbunden sein.

(2) Wird Suchtmittelmissbrauch festgestellt, können die Kosten der Maßnahme den Jugendlichen auferlegt werden.

§ 33 Besondere Sicherungsmaßnahmen

(1) Gegen Jugendliche können besondere Sicherungsmaßnahmen angeordnet werden, wenn nach ihrem Verhalten oder auf Grund ihres seelischen Zustandes in erhöhtem Maß die Gefahr von Gewalttätigkeiten gegen Personen oder Sachen oder die Gefahr der Selbsttötung oder der Selbstverletzung besteht.

(2) Als besondere Sicherungsmaßnahmen sind zulässig:

  1. der Entzug oder die Vorenthaltung von Gegenständen,
  2. die Beobachtung der Jugendlichen in besonderen Arresträumen auch mit technischen Hilfsmitteln, insbesondere auch durch den Einsatz von optischelektronischen Einrichtungen,
  3. die Unterbringung in einem besonders gesicherten Arrestraum ohne gefährdende Gegenstände bis zu 24 Stunden.

(3) Maßnahmen nach Absatz 2 Nummern 1 und 3 sind auch zulässig, wenn eine erhebliche Störung der Anstaltsordnung anders nicht vermieden oder behoben werden kann. § 34

Anordnungsbefugnis, Verfahren

(1) Besondere Sicherungsmaßnahmen ordnet die Vollzugsleitung an. Bei Gefahr im Verzug können auch andere Bedienstete der Anstalt diese Maßnahmen vorläufig anordnen. Die Entscheidung der Vollzugsleitung ist unverzüglich einzuholen.

(2) Die Entscheidung wird den Jugendlichen von der Vollzugsleitung mündlich eröffnet und mit einer kurzen Begründung schriftlich abgefasst.

(3) Besondere Sicherungsmaßnahmen sind in angemessenen Abständen daraufhin zu überprüfen, ob und in welchem Umfang sie aufrechterhalten werden müssen.

§ 35 Ärztliche Überwachung besonderer Sicherungsmaßnahmen

(1) Werden Jugendliche ärztlich behandelt oder beobachtet oder bildet ihr seelischer Zustand Anlass für die Anordnung einer besonderen Sicherungsmaßnahme, ist vorher eine ärztliche Stellungnahme einzuholen. Ist dies wegen Gefahr im Verzug nicht möglich, wird die Stellungnahme unverzüglich nachträglich eingeholt.

(2) Sind Jugendliche in einem besonders gesicherten Arrestraum untergebracht, so sucht die Anstaltsärztin oder der Anstaltsarzt sie unverzüglich auf.

(3) Während der Unterbringung in einem besonders gesicherten Arrestraum sind die Jugendlichen in besonderem Maße zu betreuen.

Abschnitt 10
Unmittelbarer Zwang

§ 36 Begriffsbestimmungen

(1) Unmittelbarer Zwang ist die Einwirkung auf Personen oder Sachen durch körperliche Gewalt und ihre Hilfsmittel.

(2) Körperliche Gewalt ist jede unmittelbare körperliche Einwirkung auf Personen oder Sachen.

(3) Hilfsmittel der körperlichen Gewalt sind insbesondere Fesseln und Reizstoffe.

§ 37 Voraussetzungen

(1) Bedienstete des Vollzuges dürfen unmittelbaren Zwang anwenden, wenn sie Vollzugs- und Sicherungsmaßnahmen rechtmäßig durchführen und der damit verfolgte Zweck auf andere Weise nicht erreicht werden kann.

(2) Gegen andere Personen als Jugendliche der Arrestanstalt darf unmittelbarer Zwang angewendet werden, wenn sie es unternehmen, diese Jugendlichen zu befreien oder in den Anstaltsbereich widerrechtlich einzudringen oder wenn sie sich unbefugt darin aufhalten.

(3) Das Recht zu unmittelbarem Zwang auf Grund anderer Regelungen bleibt unberührt.

§ 38 Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

(1) Unter mehreren möglichen und geeigneten Maßnahmen des unmittelbaren Zwangs sind diejenigen zu wählen, die

die einzelne Person und die Allgemeinheit voraussichtlich am wenigsten beeinträchtigen.

(2) Unmittelbarer Zwang unterbleibt, wenn ein durch ihn zu erwartender Schaden erkennbar außer Verhältnis zu dem angestrebten Erfolg steht.

§ 39 Androhung

Unmittelbarer Zwang ist vorher anzudrohen. Die Androhung darf nur unterbleiben, wenn die Umstände sie nicht zulassen oder unmittelbarer Zwang sofort angewendet werden muss, um eine rechtswidrige Tat zu verhindern, die den Tatbestand eines Strafgesetzes erfüllt, oder eine gegenwärtige Gefahr abzuwenden.

Abschnitt 11
Missachtung der Verhaltensregeln

§ 40 Umgang mit Pflichtverstößen

(1) Verstoßen Jugendliche gegen Pflichten, die ihnen durch dieses Gesetz oder auf Grund dieses Gesetzes auferlegt sind, werden Ursachen und Auswirkungen dieser Pflichtverletzungen unverzüglich in einem erzieherischen Gespräch aufgearbeitet.

(2) Erzieherische Maßnahmen dürfen nur angeordnet werden, wenn erzieherische Gespräche nicht ausreichen, um den Jugendlichen ihr Fehlverhalten bewusst zu machen.

(3) Erzieherische Maßnahmen sind

  1. ausgleichende Maßnahmen, insbesondere Entschuldigungen oder Schadenswiedergutmachung,
  2. die Erteilung von Weisungen und Auflagen,
  3. die Beschränkung oder der Entzug einzelner Gegenstände für eine Beschäftigung in der Freizeit mit Ausnahme des Lesestoffs bis zu einer Woche,
  4. die Beschränkung oder der Entzug der Teilnahme an gemeinschaftlichen Veranstaltungen bis zu einer Woche,
  5. die Beschränkung des Einkaufs bis zu einer Woche.

(4) Erzieherische Maßnahmen ordnet die Vollzugsleitung oder die hiermit beauftragte Vollzugsabteilungsleitung an. Die Entscheidung wird den Jugendlichen mündlich eröffnet und mit einer kurzen Begründung schriftlich abgefasst.

Abschnitt 12
Verfahrensregelungen

§ 41 Beschwerderecht

(1) Die Jugendlichen erhalten Gelegenheit, sich mit Wünschen, Anregungen und Beschwerden in Angelegenheiten, die sie selbst betreffen, schriftlich und mündlich an die Vollzugsleitung zu wenden. Regelmäßige Sprechstunden sind einzurichten.

(2) Besichtigt eine Vertreterin oder ein Vertreter der Aufsichtsbehörde die Anstalt, so ist zu gewährleisten, dass die Jugendlichen sich in Angelegenheiten, die sie selbst betreffen, an sie oder ihn wenden können.

(3) Das Beschwerderecht nach Absatz 1 steht auch den Personensorgeberechtigten zu.

(4) Die Möglichkeit der Dienstaufsichtsbeschwerde bleibt unberührt.

§ 42 Anordnung und Aufhebung von Maßnahmen

(1) Die Vollzugsleitung kann Maßnahmen zur Regelung allgemeiner Angelegenheiten der baulichen, personellen, organisatorischen und konzeptionellen Gestaltung des Arrestes anordnen oder mit Wirkung für die Zukunft ändern, wenn neue strukturelle oder organisatorische Entwicklungen des Arrestes, neue Anforderungen an die (instrumentelle, administrative oder soziale) Anstaltssicherheit oder neue wissenschaftliche Erkenntnisse dies aus Gründen der Erziehung, der Aufrechterhaltung der Sicherheit oder zur Abwendung einer schwerwiegenden Störung der Ordnung der Anstalt erforderlich machen.

(2) Die Vollzugsleitung kann rechtmäßige Maßnahmen zur Regelung einzelner Angelegenheiten auf dem Gebiete des Arrestes ganz oder teilweise mit der Wirkung für die Zukunft widerrufen, wenn

  1. sie auf Grund nachträglich eingetretener oder bekannt gewordener Umstände berechtigt wäre, die Maßnahme zu versagen,
  2. sie auf Grund einer geänderten Rechtsvorschrift berechtigt wäre, die Maßnahme zu versagen und ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde,
  3. die Jugendlichen die Maßnahme missbrauchen oder
  4. die Jugendlichen Weisungen nach § 10 Absatz 2 nicht nachkommen.

(3) Die Vollzugsleitung kann Maßnahmen zur Regelung einzelner Angelegenheiten auf dem Gebiete des Arrestes ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurücknehmen, wenn die Voraussetzungen für ihre Bewilligung nicht vorgelegen haben.

Teil 2
Vollzugsbehörden

Abschnitt 1
Organisation der Jugendarrestanstalt

§ 43 Grundsatz

Der Jugendarrest wird baulich getrennt von anderen Formen des Justizvollzuges durchgeführt.

§ 44 Gestaltung der Räume

Räume für den Aufenthalt während der Ruhe- und Freizeit sowie Gemeinschafts- und Besuchsräume sind wohnlich oder sonst ihrem Zweck entsprechend auszugestalten.

§ 45 Belegungsfähigkeit

(1) Die Aufsichtsbehörde setzt die Belegungsfähigkeit so fest, dass eine angemessene Unterbringung während der Ruhezeit (§ 12 Absatz 1) gewährleistet ist. Dabei ist zu berücksichtigen, dass eine ausreichende Anzahl von Plätzen für Beschäftigung sowie von Räumen für Seelsorge, Freizeit, Sport und fördernde Maßnahmen zur Verfügung steht.

(2) Arresträume dürfen nicht mit mehr Personen als zugelassen belegt werden.

§ 46 Vollzugsleitung

(1) Vollzugsleitung ist die Jugendrichterin oder der Jugendrichter eines Amtsgerichts der Freien und Hansestadt Hamburg, den die Aufsichtsbehörde dazu bestimmt.

(2) Die Vollzugsleitung trägt die Verantwortung für die Gestaltung des Jugendarrestes, soweit nicht bestimmte Aufgabenbereiche der Verantwortung anderer Bediensteter oder ihrer gemeinsamen Verantwortung übertragen sind.

(3) Die Vollzugsleitung kann bestimmte Aufgaben einzelnen oder mehreren Bediensteten gemeinschaftlich übertragen. Die Befugnis, Durchsuchungen nach § 31 und besondere Sicherungsmaßnahmen nach § 33 anzuordnen, darf nur mit Zustimmung der Aufsichtsbehörde übertragen werden.

§ 47 Bedienstete

Das Personal muss für die erzieherische Gestaltung des Arrestes geeignet und qualifiziert sein. Fortbildung sowie Praxisberatung und -begleitung für die Bediensteten sind zu gewährleisten.

Abschnitt 2
Aufsicht, Beirat

§ 48 Aufsichtsbehörde, Vollstreckungsplan, Vollzugsgemeinschaften, freie Arrestformen

(1) Die für den Justizvollzug zuständige Behörde führt die Dienst- und Fachaufsicht über die Anstalt (Aufsichtsbehörde).

(2) Die Aufsichtsbehörde regelt die örtliche und sachliche Zuständigkeit der Anstalt in einem Vollstreckungsplan.

(3) Im Rahmen von Vollzugsgemeinschaften kann der Arrest auch in selbständigen Anstalten der Justizverwaltungen anderer Länder vorgesehen werden.

(4) Zur Erreichung des Arrestziels kann der Arrest auch in freien Formen durchgeführt werden.

§ 49 Evaluation, kriminologische Forschung

(1) Fördernde Programme für die Jugendlichen sind auf der Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse zu konzipieren, zu standardisieren und auf ihre Wirksamkeit hin zu überprüfen.

(2) Der Arrest, insbesondere seine Aufgabenerfüllung und Gestaltung, die Umsetzung seiner Leitlinien sowie die Behandlungsprogramme und deren Wirkungen auf das Arrestziel, soll regelmäßig durch den kriminologischen Dienst, durch eine Hochschule oder durch eine andere Stelle wissenschaftlich begleitet und erforscht werden. § 476 der Strafprozessordnung gilt entsprechend mit der Maßgabe, dass auch elektronisch gespeicherte personenbezogene Daten übermittelt werden können.

§ 50 Anstaltsbeirat 20

(1) Bei der Anstalt ist ein Beirat zu bilden. Bedienstete dürfen nicht Mitglied des Beirats sein. Die Mitglieder des Beirates werden von der Bürgerschaft auf Vorschlag der Aufsichtsbehörde für die Dauer der Wahlperiode der Bürgerschaft gewählt. Einem Beirat gehören mindestens drei Mitglieder an. Sie führen ihr Amt bis zur Wahl ihrer Nachfolgerin oder ihres Nachfolgers fort. Mitglieder eines Beirates können durch die Bürgerschaft aus ihrem Amt entlassen werden. Das Nähere regelt die Aufsichtsbehörde.

(2) Die Mitglieder des Beirats wirken bei der Gestaltung des Arrestes und bei der Betreuung der Jugendlichen mit. Sie unterstützen die Vollzugsleitung durch Anregungen und Ver besserungsvorschläge und helfen bei der nachsorgenden Betreuung der Jugendlichen nach der Entlassung. Sie fördern das Verständnis für den Arrest und seine gesellschaftliche Akzeptanz und vermitteln Kontakte zu öffentlichen und privaten Einrichtungen.

(3) Die Mitglieder des Beirats können insbesondere Wünsche, Anregungen und Beanstandungen entgegennehmen. Sie können sich über die Unterbringung, Beschäftigung, Verpflegung, ärztliche Versorgung und Behandlung unterrichten sowie die Anstalt und ihre Einrichtungen besichtigen.

(4) Die Mitglieder des Beirats können die Jugendlichen in ihren Räumen ohne Überwachung aufsuchen.

(5) Die Mitglieder des Beirats sind verpflichtet, außerhalb ihres Amtes über alle Angelegenheiten, die ihrer Natur nach vertraulich sind, besonders über Namen und Persönlichkeit der Jugendlichen, Verschwiegenheit zu bewahren. Dies gilt auch nach Beendigung ihres Amtes.

Abschnitt 3 18
(aufgehoben)

§ 51 (aufgehoben) 18

Teil 3
Schlussvorschriften

§ 52 Anwendung auf Heranwachsende und Erwachsene

Die Vorschriften dieses Gesetzes finden auch auf Heranwachsende und Erwachsene Anwendung, gegen die eine auf Jugendarrest erkennende Entscheidung vollstreckt wird.

§ 53 Freizeit- und Kurzarrest

Die Regelungen nach § 7 Absatz 3, § 8 sowie § 11 Absätze 1 und 2 gelten für die Durchführung von Freizeit- und Kurzarrest nicht. Den Jugendlichen sind zur Erreichung des Arrestziels jedoch in Gesprächen insbesondere ihre Straftaten und ihre gegenwärtige Lebenssituation bewusst zu machen. Soweit möglich, sind sie auch über externe Hilfsangebote zu unterrichten. Im Übrigen gelten die Regelungen dieses Gesetzes nur insoweit, als die Dauer des Arrestvollzuges die Anwendung zulässt.

§ 54 Einschränkung von Grundrechten

Durch dieses Gesetz werden die Grundrechte aus Artikel 2 Absatz 2 Sätze 1 und 2 (körperliche Unversehrtheit und Freiheit der Person) und Artikel 10 Absatz 1 (Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis) des Grundgesetzes eingeschränkt.

§ 55 Ersetzung und Fortgeltung von Bundesrecht

Dieses Gesetz ersetzt gemäß Artikel 125a Absatz 1 des Grundgesetzes in seinem Geltungsbereich § 90 des Jugendgerichtsgesetzes in der Fassung vom 11. Dezember 1974 (BGBl. I S. 3428), zuletzt geändert am 26. Juni 2013 (BGBl. I S. 1805, 1806), und die Jugendarrestvollzugsordnung in der Fassung vom 30. November 1976 (BGBl. I S. 3271), zuletzt geändert am 8. Dezember 2010 (BGBl. I S. 1864, 1872), mit Ausnahme der Vorschriften über die Vollstreckung des Jugendarrests (§ 4, § 17 Absatz 4 und § 25 Abätze 1, 3 und 4).

*) Red. Anm.:Dieses Gesetz tritt gemäß Artikel 3 des Gesetzes über den Vollzug des Jugendarrestes und zur Änderung des hamburgischen Besoldungsgesetzes am 1. Januar 2015 in Kraft.

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