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Regelwerk, Allgemeines, Sanktionen
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ThürMRVG - Thüringer Maßregelvollzugsgesetz
- Thüringen -

Vom 8. August 2014
(GVBl. Nr. 8 vom 28.08.2014 S. 545; 06.06.2018 S. 229 18; 08.10.2020 S. 503 20; 05.10.2022 S. 416 22)



Erster Abschnitt
Allgemeine Bestimmungen

§ 1 Anwendungsbereich

Dieses Gesetz regelt den Vollzug:

  1. der als Maßregel der Besserung und Sicherung angeordneten Unterbringung nach § 61 Nr. 1 und 2 in Verbindung mit den § § 63, 64 des Strafgesetzbuchs (StGB) einschließlich der befristeten Wiederinvollzugsetzung nach § 67h StGB,
  2. der als Maßregel der Besserung und Sicherung angeordneten Unterbringung nach den § § 7 und 93a des Jugendgerichtsgesetzes (JGG),
  3. der einstweiligen Unterbringung nach den §§ 81 und 463 in Verbindung mit 453c der Strafprozessordnung (StPO) sowie § 73 JGG,
  4. der einstweiligen Unterbringung nach § 126a StPO nach Maßgabe des Thüringer Justizvollzugsgesetzbuchs.

§ 2 Ziele des Vollzugs der Unterbringung

Ziel des Vollzugs der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt ist es, den Untergebrachten durch Behandlung und Betreuung (Therapie) so weit wie möglich zu heilen oder seinen Zustand so weit zu bessern, dass er keine Gefahr mehr für die Allgemeinheit darstellt. Die Behandlung soll die tatsächlichen Voraussetzungen freier Selbstbestimmung des Untergebrachten so weit wie möglich wieder herstellen, um ihm ein möglichst autonomes, in der Gemeinschaft eingegliedertes Leben in Freiheit zu ermöglichen. Zudem soll die Sicherheit und der Schutz der Allgemeinheit vor weiteren erheblichen rechtswidrigen Taten gewährleistet werden.

Zweiter Abschnitt
Organisation und Qualitätssicherung

§ 3 Zuständigkeiten, Vollzugseinrichtungen

(1) Der Vollzug der in § 1 genannten Unterbringungen erfolgt in forensischen Kliniken psychiatrischer Krankenhäuser und Entziehungsanstalten (Vollzugseinrichtungen), die über die dafür notwendige Fachkunde und Zuverlässigkeit verfügen. Die Unterbringung nach § 1 kann im Einvernehmen mit der Aufsichts- und der zuständigen Vollstreckungsbehörde auch in Vollzugseinrichtungen außerhalb Thüringens erfolgen, wenn zwingende, insbesondere therapeutische Gründe dies erfordern.

(2) Das für das Gesundheitswesen zuständige Ministerium wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung die örtliche und sachliche Zuständigkeit der Vollzugseinrichtungen in einem Vollstreckungsplan zu regeln und nach allgemeinen Merkmalen zu bestimmen. Vom Vollstreckungsplan kann mit vorheriger Zustimmung der Aufsichts- und der zuständigen Vollstreckungsbehörde abgewichen werden, wenn dies der Behandlung oder Eingliederung des Untergebrachten dient oder wichtige Gründe, insbesondere der Vollzugsorganisation oder der Sicherheit, es erfordern.

§ 4 Beleihung

(1) Das für das Gesundheitswesen zuständige Ministerium kann öffentlichen oder nichtöffentlichen Trägern die Durchführung der Aufgaben nach § 1 übertragen und diese mit den zur Durchführung hoheitlicher Aufgaben erforderlichen Befugnissen beleihen. Die Übertragung hoheitlicher Aufgaben erfolgt durch öffentlich-rechtlichen Vertrag (Beleihungsvertrag), in welchem der Träger den Vollzug der Bestimmungen dieses Gesetzes ab der Übernahme der Durchführung hoheitlicher Aufgaben verbindlich zusichert.

(2) Im Beleihungsvertrag sind alle wesentlichen Rechte und Pflichten der Vertragspartner zu regeln. Insbesondere muss der Beleihungsvertrag sicherstellen, dass

  1. in der Vollzugseinrichtung jederzeit die zur ordnungsgemäßen Durchführung des Vollzugs der Unterbringung erforderlichen personellen, sachlichen, baulichen und organisatorischen Voraussetzungen gegeben sind,
  2. das eingesetzte Personal über die dafür notwendige Fachkunde und persönliche Eignung verfügt und arbeitsvertraglich an das vorliegende Gesetz sowie umfassend an die Weisungen der Aufsichtsbehörden nach den § § 45 und 46 gebunden wird,
  3. die Träger sowie das Personal von erwerbswirtschaftlichen Motiven und Zwängen freigestellt sind und bei der Durchführung der nach Absatz 1 übertragenen hoheitlichen Aufgaben keinen Gewinn aufgrund der Anzahl der Untergebrachten und deren Unterbringungsdauer erzielen; die Einhaltung dieser Voraussetzungen unterliegt der umfassenden Aufsicht durch die zuständigen Behörden,
  4. die Refinanzierung der übernommenen Investitionsverpflichtungen auf die Tilgung zuzüglich einer marktüblichen Verzinsung des Kapitals oder auf die vom Träger bereitgestellten Kosten begrenzt ist,
  5. die Besetzung der Stellen der Chefärzte und ihrer Stellvertreter nach § 5 sowie die Ausgestaltung deren Verträge im Einvernehmen mit dem für das Gesundheitswesen zuständigen Ministerium erfolgt,
  6. die Rechtsstellung und die Entscheidungsbefugnisse des Interventionsbeauftragten nach § 6 bestimmt sind,
  7. hinsichtlich der Einstellung des weiteren ärztlichen Personals das Einvernehmen der Fach- und Rechtsaufsichtsbehörde notwendig ist und hinsichtlich des Pflege- und therapeutischen Personals dem Chefarzt ein Vetorecht eingeräumt ist,
  8. die Aufnahme- und Behandlungspflichten sowie die Ausgestaltung und Organisation des Vollzugs der Unterbringung geregelt sind,
  9. Weisungen durch die Geschäftsführung der Träger im Zuständigkeitsbereich der Chefärzte und ihrer Stellvertreter ausgeschlossen sind,
  10. im Fall eines Streiks die gebotene Vermeidung unverhältnismäßiger Gemeinwohlschädigungen oder unverhältnismäßiger Beeinträchtigungen Dritter durch Notdienste sichergestellt wird,
  11. eine Aufgabenübertragung auf Dritte oder der Abschluss eines Beherrschungsvertrags (§ 291 des Aktiengesetzes) nicht ohne vorherige Zustimmung des Landes möglich sind,
  12. die bei der Durchführung der Aufgabenerfüllung nach diesem Gesetz entstehenden notwendigen Kosten den Trägern vom Land erstattet werden.

(3) Dem Landtag sind die Beleihungsverträge in geeigneter Form offenzulegen.

§ 5 Chefärzte und ihre Stellvertreter

(1) Das Ausschreibungs- und Stellenbesetzungsverfahren bei Chefärzten der Vollzugseinrichtungen nach § 3 Abs. 1 Satz 1 und ihren Stellvertretern erfolgt durch den Träger im Einvernehmen mit dem für das Gesundheitswesen zuständigen Ministerium. Dem Personalvorschlag des Trägers an das für das Gesundheitswesen zuständige Ministerium muss eine vergleichende und eingehende Würdigung der fachlichen und persönlichen Eignung der Vorgeschlagenen beigefügt sein. Der Vorschlag soll grundsätzlich mehrere Personen umfassen.

(2) Die Besetzung der Stelle des Chefarztes und seines Stellvertreters erfolgt durch den Träger im Einvernehmen mit dem für das Gesundheitswesen zuständigen Ministerium.

(3) Der Chefarzt und sein Stellvertreter tragen die Verantwortung für die Durchführung des Vollzugs der Unterbringung nach § 1, insbesondere die Qualität der Therapie, die Fortbildung des Personals und die Durchführung der grundrechtsrelevanten Maßnahmen, soweit es sich nicht um solche Maßnahmen handelt, die der Interventionsbeauftragte getroffen, angeordnet oder genehmigt hat.

§ 6 Interventionsbeauftragter

(1) Der Interventionsbeauftragte ist Beamter des Landes im höheren oder gehobenen Dienst in der Rechts- und Fachaufsichtsbehörde nach § 46 Abs. 1 Satz 1.

(2) Der Interventionsbeauftragte trifft seine Entscheidungen nach diesem Gesetz unabhängig von Weisungen der Vollzugseinrichtung in eigener Kenntnis und Würdigung der Umstände. Dazu hat er die in § 45 Abs. 3 genannten Betretens-, Informations-, Weisungs- und Durchsetzungsrechte.

(3) Der Interventionsbeauftragte erteilt das Einvernehmen des Landes zur Einstellung des weiteren ärztlichen Personals.

(4) Die Untergebrachten können sich mit Einwendungen und Beschwerden an den Interventionsbeauftragten wenden.

§ 7 Qualitätssicherung

(1) Behandlung und Betreuung sowie Unterbringung und Sicherung während des Vollzugs haben den therapeutischen Erfordernissen des Einzelfalls sowie dem Schutz der Allgemeinheit Rechnung zu tragen. Die sich an anerkannten aktuellen wissenschaftlichen Standards orientierende Qualität, insbesondere der Behandlung, der Behandlungsergebnisse und der Versorgungsabläufe, ist zu gewährleisten.

(2) Die Vollzugseinrichtungen führen regelmäßig qualitätssichernde Maßnahmen durch. Den Beschäftigten sollen die für ihre Tätigkeit notwendigen zusätzlichen Kenntnisse, beispielsweise Deeskalationstraining und auf Verständnis der Krankheit ausgerichtete Kommunikation, durch Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen vermittelt werden.

(3) Zur qualitativen Weiterentwicklung des Vollzugs der Unterbringung nach § 1, insbesondere hinsichtlich der Personalausstattung, sind entsprechende Vereinbarungen zwischen der für die Rechts- und Fachaufsicht zuständigen Behörde und den Trägern der Vollzugseinrichtungen zu treffen.

§ 8 Aufklärung, Begründung und Dokumentation

(1) Entscheidungen über belastende Maßnahmen sind dem Untergebrachten bekannt zu geben, zu erläutern, in der über ihn geführten Akte zu dokumentieren und zu begründen.

(2) Schriftliche Stellungnahmen des Untergebrachten sind zur jeweiligen Akte zu nehmen.

Dritter Abschnitt
Rechtsstellung des Untergebrachten und Gestaltung des Vollzugs

§ 9 Fürsorgegrundsatz, Rechtsstellung des Untergebrachten

(1) Bei allen Maßnahmen aufgrund dieses Gesetzes ist auf die gesundheitliche Situation des Untergebrachten Rücksicht zu nehmen. Seine Würde und sein Selbstbestimmungsrecht sind bei der Anordnung von Maßnahmen nach diesem Gesetz stets zu achten.

(2) Der Untergebrachte unterliegt während der Unterbringung den in diesem Gesetz vorgesehenen Beschränkungen seiner Freiheit. Diese müssen im Hinblick auf den Zweck der Unterbringung oder zur Gewähr des geordneten Zusammenlebens in der Vollzugseinrichtung erforderlich sein. Die Beschränkungen müssen in einem angemessenen Verhältnis zu ihrem Zweck stehen und dürfen den Untergebrachten nicht mehr und nicht länger als notwendig beeinträchtigen.

(3) Die Vollzugseinrichtung hat in geeigneter Weise auf vertrauensbildende Maßnahmen hinzuwirken. Dazu gehören insbesondere das Führen von Gesprächen zur Vermeidung von Zwangsmaßnahmen sowie ein regelmäßiger Arzt-Patient-Kontakt. Die Bestimmungen über die Patientenverfügung im Bürgerlichen Gesetzbuch sind zu beachten.

§ 10 Eingangsuntersuchung 20

(1) Die unverzügliche Eingangsuntersuchung des Untergebrachten ist vom Chefarzt oder seinem Stellvertreter sicherzustellen.Bei der Unterbringung von Jugendlichen ist eine unverzügliche, möglichst wenig eingreifende medizinische Untersuchung sicherzustellen, mit der insbesondere die allgemeine geistige und körperliche Verfassung beurteilt wird.

(2) Die Eingangsuntersuchung ist umfassend zu dokumentieren. Bei der Unterbringung von Jugendlichen muss die Dokumentation so umfassend sein, dass die Ergebnisse der medizinischen Untersuchung bei der Feststellung berücksichtigt werden können, ob der Jugendliche Befragungen, anderen Ermittlungs- oder Beweiserhebungshandlungen oder zu seinen Lasten ergriffenen oder geplanten Maßnahmen gewachsen ist.

(3) Der Untergebrachte ist durch den aufnehmenden Arzt unverzüglich und möglichst in einer für ihn verständlichen Sprache und Form über die Ziele des Vollzugs der Unterbringung nach § 1 zu belehren und über die gesetzlichen Grundlagen seiner Unterbringung sowie seine Rechte und Pflichten aufzuklären. Sollte es sein Gesundheitszustand nicht erlauben, ist dies unverzüglich nachzuholen. Die Belehrung ist zu dokumentieren und vom Untergebrachten nach Möglichkeit mit Unterschrift zu bestätigen.

§ 11 Behandlung

(1) Der Untergebrachte hat Anspruch auf die notwendige Behandlung seiner Anlasserkrankung. Der Anspruch erlischt, wenn die Entscheidung der Strafvollstreckungskammer oder der Jugendkammer über den Abbruch einer Therapie rechtskräftig ist.

(2) Die Behandlung und Betreuung schließen die erforderlichen Untersuchungen auf Anordnung und unter Leitung des Chefarztes oder seines Stellvertreters sowie alle Maßnahmen ein, die erforderlich sind, um dem Untergebrachten nach seiner Entlassung ein eigenverantwortliches Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen. Die Bereitschaft des Untergebrachten zur Mitwirkung an der Therapie und sein Verantwortungsbewusstsein für den Zweck der Unterbringung sollen geweckt und gefördert werden.

(3) Die Behandlung erfolgt nach einem Behandlungsplan, der möglichst sechs Wochen nach Aufnahme, aber spätestens sechs Wochen nach der rechtskräftigen Entscheidung über die Unterbringung zu erstellen und in einem Abstand von längstens sechs Monaten fortzuschreiben ist. Über die Erstellung des Behandlungsplans ist der Untergebrachte zu informieren. Der Behandlungsplan ist mit dem Untergebrachten in einer seinem Gesundheitszustand angemessenen Weise zu erörtern. Er ist über die erforderlichen diagnostischen Verfahren und die Behandlung sowie die damit verbundenen Risiken und Nebenwirkungen umfassend aufzuklären. Ärztliche Behandlungsverfahren, die mit einer erheblichen Gefahr für Leben oder Gesundheit verbunden sind oder die Persönlichkeit tiefgreifend und auf Dauer schädigen könnten, sind unzulässig.

(4) In einem Abstand von maximal 30 Monaten nach rechtskräftiger Entscheidung über die Unterbringung ist der Untergebrachte von einem nicht in der Vollzugseinrichtung arbeitenden Sachverständigen nach persönlicher Untersuchung zu begutachten. Dieser muss Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie oder im Fall einer schweren anderen seelischen Abartigkeit des Untergebrachten psychologischer Psychotherapeut sein und forensische Erfahrung nachweisen können. Der Interventionsbeauftragte beauftragt einen Sachverständigen mit der Erstellung des Gutachtens. Er hat das Gutachten unverzüglich dem Chefarzt und der Vollstreckungsbehörde zur Kenntnis zu bringen. Die Pflicht zur Begutachtung entfällt, wenn zeitnah ein gerichtliches Gutachten nach § 463 Abs. 4 StPO oder § 23 Abs. 4 Satz 2 dieses Gesetzes erstellt wird.

(5) Im Falle eines Therapieabbruchs kann der Interventionsbeauftragte einen Sachverständigen mit der Erstellung eines Gutachtens über die Fortsetzung der Therapie beauftragen. Das Gutachten wird vor einer nicht freiwilligen Verlegung auf die sogenannte Abbrecherstation erstellt.

§ 12 Behandlung zur Gesundheitsfürsorge

(1) Der Untergebrachte hat grundsätzlich einen Anspruch auf weitere, über die Heilbehandlung der Anlasserkrankung hinausgehende Leistungen der Gesundheitsfürsorge.Diese umfassen die ärztliche und zahnärztliche Behandlung, Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmittel, Zahnersatz sowie medizinische und ergänzende Leistungen zur Rehabilitation.

(2) Art und Umfang der Versorgung des Untergebrachten richten sich nach den Leistungen, wie sie für Versicherte nach dem Fünften und dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch und den auf ihrer Grundlage ergangenen Vorschriften zu erbringen sind.

(3) Das Recht auf freie Arztwahl für Leistungen nach den Absätzen 1 und 2 kann aus organisatorischen und therapeutischen Gründen durch die Vollzugseinrichtung eingeschränkt werden.

§ 13 Gestaltung der Unterbringung 20

(1) Die Unterbringung wird unter Berücksichtigung medizinischer, therapeutischer und sicherungsbedingter Gesichtspunkte den allgemeinen Lebensverhältnissen so weit wie möglich angeglichen und bereitet den Untergebrachten auf eine möglichst selbstständige Lebensführung nach seiner Entlassung vor.

(2) Die Bereitschaft des Untergebrachten für ein geordnetes Zusammenleben soll gefördert und das Verantwortungsbewusstsein, an der Erreichung der Ziele nach § 2 aktiv mitzuwirken, geweckt werden.

(3) Die Unterbringung erfolgt in geschlossenen und offenen Stationen. Die Untergebrachten bewegen sich auf den jeweiligen Stationen frei, sofern die Sicherheit oder das geordnete Zusammenleben dadurch nicht gefährdet werden. Der Nachteinschluss kann auf besonders gesicherten Stationen vom Chefarzt oder seinem Stellvertreter angeordnet werden. Der regelmäßige Aufenthalt im Freien ist zu gewährleisten.

(4) Während der Unterbringung gewährleistet die Vollzugseinrichtung die Aufrechterhaltung bestehender und die Anbahnung neuer sozialer Kontakte des Untergebrachten, soweit sie der Wiedereingliederung dienen. Angehörige sind möglichst einzubeziehen, soweit es aus therapeutischen Gründen sinnvoll ist.

(5) Der Untergebrachte kann bei wichtigen Anlässen nach Entscheidung des Chefarztes oder seines Stellvertreters zeitlich befristet und nur in Begleitung die Vollzugseinrichtung verlassen. Wichtige Anlässe sind insbesondere die Teilnahme an gerichtlichen Terminen, die medizinische Behandlung sowie eine lebensgefährliche Erkrankung oder der Tod naher Angehöriger des Untergebrachten.

(6) Jugendliche werden von Erwachsenen getrennt untergebracht, es sei denn, dies entspricht nicht ihrem Wohl. Eine getrennte Unterbringung kann auch nach Vollendung des 18. Lebensjahres des Untergebrachten weiter erfolgen, sofern dies unter Berücksichtigung der Umstände des Untergebrachten gerechtfertigt und mit dem Wohl der mit diesem zusammen untergebrachten Jugendlichen vereinbar ist. Ihnen soll die besondere Fürsorge und Förderung für ihr künftiges in die Gemeinschaft eingegliedertes Leben zuteil werden.

§ 14 Beschäftigungs- und Arbeitstherapie, Aus-, Fort- und Weiterbildung 20

(1) Der Untergebrachte erhält im Rahmen des Behandlungsplans beschäftigungs- und arbeitstherapeutische Angebote. Diese dienen insbesondere dem Ziel, Fähigkeiten für eine Erwerbstätigkeit nach der Entlassung zu erhalten, zu fördern und zu vermitteln. Dies gilt nicht für Untergebrachte, bei denen ein Verfahren über den Abbruch der Therapie bei der Strafvollstreckungskammer oder Jugendkammer anhängig ist.

(2) Dem Untergebrachten soll entsprechend seiner Eignung die Gelegenheit zur beruflichen Fort- und Weiterbildung oder Teilnahme an anderen ausbildenden oder fort- und weiterbildenden Maßnahmen gegeben werden.

(3) Jugendliche haben das Recht auf Erziehung und Ausbildung. Dies gilt auch, wenn sie physische oder sensorische Beeinträchtigungen oder Lernschwierigkeiten haben. Jugendlichen ist der Zugang zu Angeboten zu gewährleisten, mit denen ihre Entwicklung und ihre Wiedereingliederung in die Gesellschaft gefördert wird.

(4) Unter Berücksichtigung der Organisation der Vollzugseinrichtung und der besonderen Fähigkeiten des Untergebrachten können ihm bei Vorliegen der Voraussetzungen der Vollzugslockerung nach § 23 die Erlangung eines Schulabschlusses, berufsfördernde Maßnahmen, eine Berufsaus- und Weiterbildung oder Umschulung oder eine Berufsausübung auch außerhalb der Vollzugseinrichtung ermöglicht werden.

§ 15 Persönlicher Besitz

(1) Der Untergebrachte hat das Recht, seine persönliche Kleidung zu tragen und persönliche Gegenstände sowie Geld und Wertsachen in seinem Zimmer aufzubewahren. Dieses Recht kann eingeschränkt werden, wenn der Zweck der Unterbringung, die Sicherheit der Vollzugseinrichtung oder das geordnete Zusammenleben in der Einrichtung gefährdet werden.

(2) Geld und Wertsachen können auch ohne vorherige Zustimmung des Untergebrachten in Gewahrsam genommen werden, wenn und soweit der Untergebrachte zum Umgang damit nicht in der Lage ist. Die in Gewahrsam zu nehmenden Geldbeträge sind mindestens mit dem marktüblichen Zinssatz für Sparbeträge mit dreimonatiger Kündigungsfrist anzulegen.

§ 16 Religionsausübung und Seelsorge

Der Untergebrachte hat das Recht, in der Vollzugseinrichtung an Gottesdiensten und sonstigen religiösen Veranstaltungen teilzunehmen, sofern solche angeboten werden. Er kann von der Teilnahme ausgeschlossen werden, wenn der Zweck der Unterbringung oder das geordnete Zusammenleben in der Einrichtung gefährdet werden. Das Recht auf Inanspruchnahme der Seelsorge bleibt unberührt.

§ 17 Besuchsrecht

(1) Der Untergebrachte hat das Recht, regelmäßig Besuche zu empfangen. Dieses Recht darf eingeschränkt oder untersagt werden, wenn andernfalls der Zweck der Unterbringung, die Sicherheit oder das geordnete Zusammenleben in der Vollzugseinrichtung gefährdet sind. Näheres regelt die Hausordnung.

(2) Bestehen konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die Sicherheit der Vollzugseinrichtung gefährdet wird, so kann ein Besuch davon abhängig gemacht werden, dass sich der Besucher durchsuchen lässt. Bestehen konkrete Anhaltspunkte dafür, dass ein Besucher in strafrechtlich relevanter Weise Drogen oder Rauschmittel in die Vollzugseinrichtung einbringen will, ist die Polizei zu verständigen. Bestehen konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Besucher selbst unter dem Einfluss von Rauschmitteln steht, kann der Besuch verweigert werden. Die Entscheidung über die Versagung des Besuchs und die Gründe hierfür sind dem Betroffenen schriftlich bekannt zu geben und in der über den Untergebrachten geführten Akte nach § 8 Abs. 1 zu dokumentieren.

(3) Ein Besuch darf aus zwingend erforderlichen Gründen der Behandlung oder der Sicherheit des Untergebrachten und der Vollzugseinrichtung überwacht werden. Der Untergebrachte und der Besucher sind zu Beginn des Besuchs darüber zu informieren. Die Übergabe von Gegenständen beim Besuch kann untersagt werden, wenn eine Gefahr für die Sicherheit oder Ordnung der Vollzugseinrichtung nicht auszuschließen ist.

(4) Ein Besuch darf untersagt oder abgebrochen werden, wenn gesundheitliche Nachteile für den Untergebrachten oder Dritte zu befürchten sind oder durch die Fortsetzung der Zweck der Unterbringung gefährdet wird.

(5) Der Besuch von Organen der Rechtspflege in einer den Untergebrachten betreffenden Rechtssache darf nur eingeschränkt, überwacht oder abgebrochen werden, wenn andernfalls erhebliche gesundheitliche Nachteile für den Untergebrachten zu befürchten sind. Eine inhaltliche Überprüfung der von den Organen der Rechtspflege mitgeführten zur Übergabe bestimmten Schriftstücke und sonstigen Unterlagen oder eine Aufzeichnung der Gespräche findet nicht statt.

§ 18 Post- und Telekommunikationsverkehr

(1) Der Untergebrachte hat das Recht, Schreiben und Pakete auf eigene Kosten abzusenden sowie zu empfangen.

(2) Der Schriftwechsel des Untergebrachten sowie der Paketverkehr können überwacht und angehalten werden, soweit es zur Verhinderung von Nachteilen für den Untergebrachten, zur Sicherung des Zwecks der Unterbringung, für die Sicherheit der Vollzugseinrichtung oder zur Verhinderung einer Gefährdung bedeutender Rechtsgüter Dritter zwingend erforderlich ist. Dies gilt auch für den Empfang von Paketen mit Nahrungs- und Genussmitteln. Pakete sind in Anwesenheit des Untergebrachten zu öffnen, an den sie adressiert sind.

(3) Angehaltene Schreiben und Pakete werden auf Kosten des Untergebrachten an den Absender zurückgesandt oder, sofern dies unmöglich oder aus den Gründen des Absatzes 2 untunlich ist, aufbewahrt. Im Fall der Aufbewahrung wird der Untergebrachte verständigt. Die Gründe der Nichtweiterleitung werden dokumentiert.

(4) Der Schriftwechsel des Untergebrachten mit Gerichten, Rechtsanwälten, seinen gesetzlichen Vertretern oder Betreuern unterliegt keiner Einschränkung, es sei denn, es liegt ein konkreter Verdacht auf Missbrauch vor. Dies gilt auch für Schreiben an Volksvertretungen des Bundes und der Länder sowie deren Mitglieder, an Bundesbehörden, an Kommunalvertretungen, Aufsichtsbehörden, die Besuchskommission, den Patientenfürsprecher, den Landesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, den Bürgerbeauftragten, die Europäische Kommission für Menschenrechte, den Europäischen Ausschuss zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe sowie bei Untergebrachten mit ausländischer Staatsangehörigkeit für den Schriftverkehr mit der konsularischen oder diplomatischen Vertretung des Heimatlandes.

(5) Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend für sonstige Mittel der Telekommunikation sowie für Datenträger und Zugänge zu Datennetzen. Es gelten die Bestimmungen über die Einschränkung oder Untersagung des Besuchs in § 17 entsprechend.

(6) Die Nutzung einer allgemein zugänglichen Telefonanlage erfolgt auf Kosten des Untergebrachten.

(7) Anordnungen nach den Absätzen 2 bis 5 darf nur der Chefarzt oder sein Stellvertreter treffen. Sie bedürfen der vorherigen Zustimmung des Interventionsbeauftragten.

§ 19 Verwertung von Erkenntnissen aus der Überwachung

(1) Erkenntnisse aus einer Überwachung der Besuche, des Schriftverkehrs, der Telefongespräche oder der Pakete dürfen nur verarbeitet und genutzt werden, soweit dies

  1. aus Gründen der Behandlung des Untergebrachten, der Sicherheit oder des geordneten Zusammenlebens in der Vollzugseinrichtung oder
  2. zur Abwehr von konkreten Gefahren für das Leben oder die Rechtsgüter Dritter und des Untergebrachten erforderlich ist.

(2) Die nach Absatz 1 gespeicherten Daten sind zu löschen, wenn der Zweck der Datenerhebung wegfällt oder der Untergebrachte entlassen wird.

§ 20 Hausordnung

Die Vollzugseinrichtung erlässt im Einvernehmen mit dem für das Gesundheitswesen und dem für die Justiz zuständigen Ministerium eine Hausordnung. Die Hausordnung soll insbesondere Regelungen über die Einbringung von Sachen, die Ausgestaltung der Räume, Rauch-, Alkohol- und Drogenverbote, die Voraussetzungen für einen Besuch, die Besuchszeiten und die Voraussetzungen zur Einschränkung eines Besuchs, den Telefon- und Mobiltelefonverkehr, die Nutzung von elektronischen Geräten, die Internetnutzung, Post- und Paketverkehr, Einkaufsmöglichkeiten, das verfügbare Bargeld, Freizeitgestaltung, den regelmäßigen Aufenthalt im Freien und die Einzelheiten des Nachteinschlusses enthalten. Die Hausordnung ist dem Untergebrachten zur Kenntnis zu geben.

§ 21 Disziplinarmaßnahmen

(1) Verstößt der Untergebrachte vorsätzlich oder fahrlässig gegen Pflichten, die ihm durch dieses Gesetz oder aufgrund dieses Gesetzes auferlegt sind, können gegen ihn Disziplinarmaßnahmen angeordnet werden. Dies gilt auch, wenn der Untergebrachte wiederholt oder schwerwiegend gegen die Hausordnung verstößt oder das Zusammenleben in der Vollzugseinrichtung stört.

(2) Zulässige Disziplinarmaßnahmen sind:

  1. die Beschränkung des Hörfunkempfangs im Zimmer des Untergebrachten für eine Dauer von bis zu drei Monaten je Maßnahme,
  2. die Beschränkung oder der Entzug der Gegenstände für eine Beschäftigung in der Freizeit für eine Dauer bis zu drei Monaten je Maßnahme,
  3. die Beschränkung der Teilnahme an gemeinschaftlichen Veranstaltungen für eine Dauer von bis zu drei Monaten je Maßnahme,
  4. die getrennte Unterbringung während der Freizeit für eine Dauer von bis zu vier Wochen je Maßnahme,
  5. der Entzug der zugewiesenen beschäftigungs- und arbeitstherapeutischen Angebote nach § 14 für eine Dauer von bis zu vier Wochen je Maßnahme,
  6. die getrennte Unterbringung während des gesamten Tages bei gleichzeitiger Gewährung der Mindestaufenthaltsdauer im Freien für eine Dauer von bis zu vier Wochen je Maßnahme.

(3) Disziplinarmaßnahmen werden vom Chefarzt oder seinem Stellvertreter angeordnet. Mehrere Disziplinarmaßnahmen können miteinander verbunden werden. Eine Maßnahme nach Absatz 2 Nr. 5 darf nur angeordnet werden, wenn die Verfehlung in Zusammenhang mit den zugewiesenen beschäftigungs- und arbeitstherapeutischen Angeboten steht. Eine Maßnahme nach Absatz 2 Nr. 6 darf nur wegen schwerer oder mehrfach wiederholter Verfehlungen verhängt werden.

(4) Die Disziplinarmaßnahme ist zu begründen und zu dokumentieren. Sie bedarf der vorherigen Zustimmung des Interventionsbeauftragten.

§ 22 Patientenfürsprecher

(1) In jeder Vollzugseinrichtung ist ein Patientenfürsprecher zu bestellen und sein Name, seine Anschrift, die Sprechstundenzeiten und der Aufgabenbereich den Untergebrachten in geeigneter Weise bekannt zu geben. Der unmittelbare Zugang der Untergebrachten zu dem Patientenfürsprecher muss gewährleistet sein.

(2) Der Patientenfürsprecher prüft Wünsche, Beschwerden und Einwendungen der Untergebrachten und trägt sie auf Wunsch der Vollzugseinrichtung und der Besuchskommission vor. Er hat jederzeit Zugang zu allen Räumen der geschlossenen Stationen und Betreuungsbereiche. Bei Anregungen oder Beanstandungen berät er die Mitarbeiter der Vollzugseinrichtung. Der Patientenfürsprecher wird in Rechtsfragen von der Besuchskommission beraten.

(3) Werden schwerwiegende Mängel bei der Unterbringung oder Behandlung festgestellt, informiert der Patientenfürsprecher hierüber unverzüglich den Chefarzt oder seinen Stellvertreter und den Interventionsbeauftragten.

(4) Als Patientenfürsprecher sollen durch die Vollzugseinrichtung im Einvernehmen mit dem Interventionsbeauftragten und im Benehmen mit dem Chefarzt Personen bestellt werden, die nicht Beschäftigte der Vollzugseinrichtung sind und durch langjährige Erfahrungen in der Behandlung oder Betreuung von psychisch kranken Menschen eine besondere Eignung erworben haben. Die Patientenfürsprecher arbeiten ehrenamtlich und erhalten von der Vollzugseinrichtung die Erstattung der Auslagen entsprechend dem Thüringer Reisekostengesetz.

Vierter Abschnitt
Lockerung, Nachsorge

§ 23 Vollzugslockerungen, Auflagen

(1) Der Vollzug der Unterbringung soll durch den Chefarzt oder seinen Stellvertreter gelockert werden, sobald die begründete Erwartung besteht, dass dadurch das Ziel der Unterbringung im Sinne des § 2 gefördert und der Untergebrachte die ihm eingeräumten Möglichkeiten nicht missbrauchen wird.

(2) Als Vollzugslockerung kann insbesondere zugelassen werden, dass der Untergebrachte

  1. regelmäßig einer Beschäftigung außerhalb der geschlossenen Station der Vollzugseinrichtung unter Aufsicht eines Mitarbeiters (Außenbeschäftigung) oder ohne Aufsicht (Freigang) nachgeht,
  2. zu bestimmten Zeiten die geschlossene Station der Vollzugseinrichtung unter Aufsicht eines Mitarbeiters (Ausführung) oder ohne Aufsicht (Ausgang) verlässt oder
  3. Urlaub erhält,

soweit nicht Tatsachen die Befürchtung begründen, dass er sich dem Vollzug der Unterbringung entzieht oder die Lockerung zu rechtswidrigen Taten missbraucht. Unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 kann der Untergebrachte auch in eine nicht geschlossene Station der Vollzugseinrichtung verlegt werden (offene Unterbringung).

(3) Bei Vollzugslockerungen und Verlegung in die offene Unterbringung können dem Untergebrachten zur Förderung der in § 2 genannten Ziele Auflagen erteilt werden, insbesondere

  1. sich einer weiteren Behandlung zu unterziehen,
  2. sich von einer bestimmten Stelle oder Person beaufsichtigen zu lassen,
  3. Anforderungen über den Aufenthalt oder ein bestimmtes Verhalten außerhalb der Vollzugseinrichtung zu befolgen,
  4. in bestimmten Abständen in die Vollzugseinrichtung zurückzukehren.

(4) Bei Untergebrachten, die hinsichtlich ihrer Anlasstat, insbesondere bei Tötungs-, schweren Gewalt- und Sexualdelikten, ihrer Störung und ihres Behandlungsverlaufs besondere Schwierigkeiten bei der Beurteilung ihrer Gefährlichkeit bieten, ist vor einer erstmaligen Vollzugslockerung nach Absatz 1 stets das Einvernehmen der Vollstreckungsbehörde einzuholen. Soweit erforderlich, ist ein Sachverständigengutachten einzuholen. Bedenken gegen die geplante Vollzugslockerung hat die Vollstreckungsbehörde innerhalb von vier Wochen nach Zugang der Aufforderung zur Abgabe der Stellungnahme zu erheben. In diesem Fall soll sie hinsichtlich der Art der geplanten Maßnahme oder Auflage Änderungen vorschlagen.

(5) Vollzugslockerungen und Verlegung in die offene Unterbringung bedürfen des Einvernehmens der Vollstreckungsbehörde und sind dem Interventionsbeauftragten umgehend mitzuteilen.

§ 24 Widerruf von Lockerungen

(1) Vollzugslockerungen und Verlegung in die offene Unterbringung können vom Chefarzt oder seinem Stellvertreter widerrufen werden, wenn

  1. nachträglich Umstände eintreten oder bekannt werden, die eine Versagung gerechtfertigt hätten,
  2. der Untergebrachte die Vollzugslockerung missbraucht,
  3. der Untergebrachte Auflagen nicht nachkommt oder
  4. der Untergebrachte schwere Verstöße gegen die Hausordnung begeht.

(2) Der Untergebrachte ist vor dieser Entscheidung anzuhören. Bei Gefahr in Verzug ist die Anhörung nachzuholen. Die Entscheidung ist dem Untergebrachten gegenüber in verständlicher Form zu begründen und zu dokumentieren. Sie bedarf der vorherigen Zustimmung des Interventionsbeauftragten; bei Gefahr in Verzug ist die Zustimmung des Interventionsbeauftragten unverzüglich nachzuholen.

§ 25 Entlassungsvorbereitung und Nachsorge

(1) Die Vollzugseinrichtungen sind verpflichtet, forensische Institutsambulanzen vorzuhalten. Zur Absicherung der erreichten Behandlungsziele nach § 2 übernehmen sie es, die Nachsorge steuernd zu begleiten und die an der Nachsorge beteiligten Einrichtungen und Stellen zu beraten. Dies umfasst bei Bedarf auch aufsuchende Hilfen sowie Beratung und Behandlung, insbesondere in den Bereichen Gesundheit, Arbeit, Wohnen und soziale Beziehungen.

(2) Aufgabe der nachsorgenden Hilfe ist es, dem entlassenen Untergebrachten durch individuelle ärztliche und psychosoziale Beratung sowie Betreuung den Übergang in das Leben außerhalb der Vollzugseinrichtung und die Wiedereingliederung in die Gesellschaft zu erleichtern und eine erneute Unterbringung zu verhindern.

(3) In der forensischen Institutsambulanz und in der nachsorgenden Hilfe soll der Untergebrachte über eine Patientenverfügung für künftige Notfälle, die Folgen einer Unterbrechung der notwendigen ärztlichen Behandlung und eines Abbruchs des Hilfenetzes ausführlich beraten werden.

Fünfter Abschnitt
Sicherungsmaßnahmen und Zwangsbehandlung

§ 26 Besondere Schutz- und Sicherungsmaßnahmen 22

(1) Bei einer gegenwärtigen erheblichen Gefahr für das Leben oder die Gesundheit des Untergebrachten oder für das Leben, die Gesundheit oder andere bedeutende Rechtsgüter Dritter können

  1. die Beschränkung des Aufenthaltes im Freien,
  2. die Wegnahme und Vorenthaltung von Gegenständen,
  3. die Absonderung in einem besonderen Raum (Isolierung),
  4. die Absonderung von anderen Untergebrachten,
  5. die Einschränkung oder Aufhebung der Bewegungsfreiheit (Fixierung) oder
  6. bei erhöhter Fluchtgefahr die Fesselung bei Ausführung, Vorführung oder Transport

angeordnet werden, wenn und solange die Gefahr durch keine andere geeignete, zumutbare und weniger einschneidende Maßnahme abgewendet werden kann und diese besondere Schutz- und Sicherungsmaßnahme somit im jeweiligen konkreten Einzelfall das zur Erreichung des Schutzziels notwendige mildeste Mittel darstellt. Die Auswahl und die Anwendung der Schutz- und Sicherungsmaßnahmen müssen in einem angemessenen Verhältnis zu ihrem Zweck stehen. Kommen mehrere gleich geeignete Schutz- und Sicherungsmaßnahmen in Betracht, so sind nur diejenigen auszuwählen und anzuwenden, die den Untergebrachten nicht mehr als unvermeidbar beeinträchtigten; auf die Belange Dritter ist Rücksicht zu nehmen. Die ergriffenen Schutz- und Sicherungsmaßnahmen dürfen nicht über das Erforderliche hinausgehen. Der im Zeitpunkt ihrer Anordnung zu erwartende Nutzen einer jeden Schutz- und Sicherungsmaßnahme muss die zu erwartenden Beeinträchtigungen deutlich überwiegen. Die Erforderlichkeit ist unter Berücksichtigung der psychiatrischen Behandlungsmaßnahmen zu beurteilen und in kurzen Abständen neu einzuschätzen. Eine Fixierung nach Satz 1 Nr. 5 muss der Abwehr einer sich aus der Grunderkrankung des Untergebrachten ergebenden Selbst- oder Fremdgefährdung dienen und mit der in der Unterbringung stattfindenden psychiatrischen Behandlung der Grunderkrankung in engem Zusammenhang stehen.

(2) Jede besondere Schutz- und Sicherungsmaßnahme ist von dem Chefarzt oder im Fall seiner Verhinderung von seinem Stellvertreter dem Untergebrachten gegenüber in verständlicher Form anzukündigen, zu begründen, befristet anzuordnen, zu überwachen und schriftlich zu dokumentieren. Die Ankündigung muss Angaben zur Art und Dauer der geplanten Schutz- und Sicherungsmaßnahme beinhalten. Auf die Ankündigung und Begründung darf nur bei Gefahr im Verzug verzichtet werden. Die Begründung der Maßnahme ist unverzüglich nachzuholen.

(3) Die Anordnung einer Fixierung nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 5, durch die die Bewegungsfreiheit des Untergebrachten nicht nur kurzfristig aufgehoben wird, ist nur nach vorheriger Anordnung des Gerichts auf schriftlichen Antrag des Chefarztes oder im Fall seiner Verhinderung seines Stellvertreters zulässig. Von einer kurzfristigen Maßnahme ist in der Regel auszugehen, wenn sie absehbar die Dauer von einer halben Stunde unterschreitet. Bei Gefahr im Verzug zur Abwehr einer von dem Untergebrachten ausgehenden akuten Selbst- oder Fremdgefährdung kann der Chefarzt oder im Fall seiner Verhinderung sein Stellvertreter auch ohne vorherige Anordnung des Gerichts eine Fixierung nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 5 anordnen; er hat unverzüglich eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung herbeizuführen. Dies ist nicht erforderlich, wenn bereits zu Beginn der Maßnahme abzusehen ist, dass die Entscheidung erst nach Wegfall des Grundes der Maßnahme ergehen wird oder die Maßnahme vor Herbeiführung der Entscheidung tatsächlich beendet und auch keine Wiederholung zu erwarten ist. Stellt sich nach Beantragung einer gerichtlichen Entscheidung heraus, dass eine Fixierung nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 5 nicht mehr erforderlich ist, und wird sie beendet, ist der Antrag zurückzunehmen, wenn eine Entscheidung noch nicht ergangen ist. Das gerichtliche Verfahren richtet sich nach dem Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit vom 17. Dezember 2008 (BGBI. I S. 25862587-) in der jeweiligen Fassung (FamFG). Die für Unterbringungssachen nach § 312 Nr. 4 FamFG anzuwendenden Bestimmungen gelten entsprechend.

(4) Bei besonderen Schutz- und Sicherungsmaßnahmen nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 3 und 5 ist eine angemessene und regelmäßige Überwachung durch einen Arzt zu gewährleisten und zusätzlich bei Fixierungen nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 5 eine ununterbrochene Einszu-Eins-Betreuung durch therapeutisches oder pflegerisches Personal sicherzustellen.

(5) Eine besondere Schutz- und Sicherungsmaßnahme ist unverzüglich durch den Chefarzt oder im Falle seiner Verhinderung seinen Stellvertreter zu beenden, wenn die Voraussetzungen für ihre Anordnung weggefallen sind. Sobald es der Zustand des Untergebrachten zulässt, ist eine Nachbesprechung durchzuführen und der Untergebrachte in einer für ihn verständlichen Form durch den Chefarzt oder im Falle seiner Verhinderung seinen Stellvertreter auf die Möglichkeit hinzuweisen, die Zulässigkeit der durchgeführten besonderen Schutz- und Sicherungsmaßnahme gerichtlich überprüfen zu lassen.

(6) Nach Aufhebung der Schutz- und Sicherungsmaßnahme sind die anordnende Person und ihre Funktion, die Umstände, der Zeitpunkt von Beginn und Beendigung, die Wirksamkeit, besondere Vorkommnisse, die Nachbesprechung und der Hinweis auf die Möglichkeit der nachträglichen gerichtlichen Überprüfung nach Absatz 5 Satz 3 sowie im Fall des Absatzes 4 die Art der Überwachung und Betreuung umfassend zu dokumentieren. Erfolgte die Anordnung einer besonderen Schutzmaßnahme bei Gefahr im Verzug, sind zusätzlich die Gründe für die Gefahr im Verzug umfassend zu dokumentieren.

(7) Die Anordnung besonderer Schutz- und Sicherungsmaßnahmen bedarf mit Ausnahme der Fixierung nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 5, durch die die Bewegungsfreiheit des Untergebrachten nicht nur kurzfristig aufgehoben wird, der vorherigen Zustimmung des Interventionsbeauftragten; bei Gefahr in Verzug ist die Zustimmung des Interventionsbeauftragten unverzüglich nachzuholen.

§ 27 Unmittelbarer Zwang, Festnahme

(1) Unmittelbarer Zwang ist die Einwirkung auf Personen durch körperliche Gewalt und ihre Hilfsmittel, dazu zählen insbesondere Fesseln.

(2) Unmittelbarer Zwang ist zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung in der Vollzugseinrichtung unter den Voraussetzungen des Absatzes 3 zulässig. Zuständig für die Anordnung ist der Chefarzt oder sein Stellvertreter. Bei Gefahr in Verzug darf unmittelbarer Zwang auch durch das Personal der Vollzugseinrichtung angeordnet und angewendet werden, insbesondere bei Selbst- und Fremdgefährdung. Die Maßnahme ist zuvor anzudrohen und zu dokumentieren. Der Interventionsbeauftragte und die Vollstreckungsbehörde sind darüber unverzüglich zu unterrichten.

(3) Unter mehreren möglichen und geeigneten Maßnahmen des unmittelbaren Zwangs ist diejenige auszuwählen, die den Einzelnen, das Personal und die anderen Untergebrachten voraussichtlich am wenigsten beeinträchtigt. Unmittelbarer Zwang ist im Einzelfall unzulässig, wenn ein infolgedessen zu erwartender Schaden offensichtlich außer Verhältnis zum angestrebten Erfolg steht.

(4) Hält sich der Untergebrachte ohne Erlaubnis außerhalb der Vollzugseinrichtung auf (Flucht), hat diese eine unverzügliche Zurückführung zu veranlassen.

(5) Gegenüber anderen Personen darf unmittelbarer Zwang angewendet werden, wenn sie es unternehmen, Untergebrachte zu befreien oder wenn sie unbefugt in den Bereich der Vollzugseinrichtung eindringen oder sich unbefugt darin aufhalten.

(6) Das Recht zu unmittelbarem Zwang aufgrund anderer Regelungen und das vorläufige Festnahmerecht nach § 127 StPO bleiben unberührt.

§ 28 Durchsuchung

(1) Der Untergebrachte, seine Sachen und die Unterbringungsräume dürfen durchsucht werden, sofern dies der Zweck der Unterbringung, die Aufrechterhaltung der Sicherheit oder das geordnete Zusammenleben in der Vollzugseinrichtung zwingend erfordern. Zuständig für die Anordnung ist der Chefarzt oder sein Stellvertreter. Eine mit einer Entkleidung verbundene Durchsuchung ist bei dem begründeten Verdacht zulässig, dass der Untergebrachte Waffen, andere gefährliche Gegenstände oder Stoffe, die dem Betäubungsmittelgesetz unterliegen, am Körper führt. Diese Durchsuchung muss in einem geschlossenen Raum durchgeführt werden; andere Untergebrachte dürfen nicht anwesend sein. Bei der Durchsuchung männlicher Untergebrachter sollen nur Männer, bei der Durchsuchung weiblicher Untergebrachter nur Frauen anwesend sein. Auf das Schamgefühl ist Rücksicht zu nehmen.

(2) Zur Verhinderung des Suchtmittelmissbrauchs können Kontrollen durchgeführt werden. Bei begründetem Verdacht auf einen Suchtmittelmissbrauch dürfen zu diesem Zweck auch ärztliche Untersuchungen von Körperteilen durchgeführt werden, die zum Nachweis von im Körper befindlichen Stoffen notwendig sind. Absatz 1 Satz 2 bis 6 gilt entsprechend.

(3) Die Durchsuchung und Untersuchung sind umfassend zu dokumentieren.

§ 29 Zwangsbehandlung

(1) Jede Behandlung einer Erkrankung bedarf der Einwilligung des Untergebrachten. Die Einwilligung muss auf dem freien Willen des insoweit einwilligungsfähigen und ärztlich angemessen aufgeklärten Untergebrachten beruhen. Eine im einwilligungsfähigen Zustand erklärte Ablehnung der Behandlung ist zu beachten.

(2) Eine Heilbehandlung oder ein ärztlicher Eingriff ohne Einwilligung des Untergebrachten (Zwangsbehandlung) ist nur dann zulässig, wenn und solange

  1. der Untergebrachte krankheitsbedingt aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer geistigen oder seelischen Behinderung die Notwendigkeit der ärztlichen Maßnahme nicht erkennen oder nicht nach dieser Einsicht handeln kann,
  2. die Behandlung das Ziel verfolgt,
    1. eine Lebensgefahr oder eine gegenwärtige Gefahr eines erheblichen gesundheitlichen Schadens des Untergebrachten abzuwenden oder
    2. eine Lebensgefahr oder eine gegenwärtige Gefahr eines erheblichen gesundheitlichen Schadens dritter Personen abzuwenden und
  3. die Behandlung im Hinblick auf das Behandlungsziel nach Nummer 2, das ihren Einsatz rechtfertigt, Erfolg verspricht.

(3) Eine Zwangsbehandlung nach Absatz 2 ist nur zulässig, wenn

  1. sie geeignet und erforderlich ist, um einen drohenden erheblichen gesundheitlichen Schaden abzuwenden,
  2. der erhebliche gesundheitliche Schaden durch keine andere zumutbare, weniger eingreifende Behandlung abgewendet werden kann und
  3. der zu erwartende Nutzen der ärztlichen Zwangsbehandlung die zu erwartenden Beeinträchtigungen infolge einer Nichtbehandlung deutlich feststellbar überwiegt.

(4) Mit einer Zwangsbehandlung darf nur begonnen werden, wenn

  1. zuvor erfolglos versucht wurde, den Untergebrachten von der Notwendigkeit der konkret bezeichneten ärztlichen Zwangsbehandlung durch Aufklärung zu überzeugen und seine auf Vertrauen gegründete, freiwillige Zustimmung zu erreichen,
  2. sie in geeigneter und verständlicher Form in angemessener Zeit, möglichst eine Woche vor Beginn der Behandlung schriftlich angekündigt wurde und
  3. die Ankündigung Ausführungen zu der Art, Dauer und Intensität der geplanten Zwangsbehandlung beinhaltet.

(5) Eine Zwangsbehandlung ist nur auf Antrag des Chefarztes oder seines Stellvertreters mit vorheriger Zustimmung der Strafvollstreckungskammer beziehungsweise der Jugendkammer zulässig. Der Antrag an das Gericht ist zeitgleich dem Interventionsbeauftragten zu übermitteln. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, wenn sich ohne die vorherige Zustimmung die Behandlung verzögern und sich daraus eine Gefahr für das Leben oder erhebliche Nachteile für die Gesundheit ergeben würden (Gefahr in Verzug). In diesem Fall ist der Chefarzt oder sein Stellvertreter anordnungsbefugt. Die Zustimmung des Gerichts ist in diesem Fall unverzüglich herbeizuführen. Für die Strafvollstreckungs- und die Jugendkammern gelten die § § 312 bis 339 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit in der jeweils geltenden Fassung über die Zwangsbehandlung entsprechend.

(6) Die Anordnung der Zwangsbehandlung erfolgt durch den Chefarzt oder seinen Stellvertreter. Die Durchführung der Maßnahme ist durch den Chefarzt oder seinen Stellvertreter zu überwachen.

(7) Die Notwendigkeit der Zwangsbehandlung ist durch den Chefarzt oder seinen Stellvertreter regelmäßig zu überprüfen. Sie ist zu beenden, sobald ihre Voraussetzungen entfallen.

(8) Die Durchführung der Zwangsbehandlung, ihre Durchsetzungsweise, ihr Zwangscharakter, ihre maßgeblichen Gründe und ihre Wirkungsüberwachung sind zu dokumentieren. Die Dokumentation ist dem Interventionsbeauftragten sowie der Strafvollstreckungskammer beziehungsweise der Jugendkammer unverzüglich zu übermitteln.

Sechster Abschnitt
Finanzielle Regelungen

§ 30 Taschengeld

Der Untergebrachte erhält nach den Grundsätzen und Maßstäben des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch einen angemessenen Barbetrag zur persönlichen Verfügung (Taschengeld).

§ 31 Arbeitstherapieentgelt, Überbrückungsgeld

(1) Für die Tätigkeit im Rahmen einer Arbeitstherapie erhält der Untergebrachte ein Therapieentgelt; es ist von der Vollzugseinrichtung unter Berücksichtigung therapeutischrehabilitativer Kriterien, der Leistung und des Arbeitsergebnisses des Untergebrachten, der erwirtschafteten Überschüsse und der Verwertbarkeit festzusetzen.

(2) Aus den während des Vollzugs der Unterbringung erzielten Bezügen ist über angemessene Sparraten ein Überbrückungsgeld bis zur Höhe desjenigen Betrags zu bilden, der dem Untergebrachten und seinen Unterhaltsberechtigten den notwendigen Lebensunterhalt für die ersten vier Wochen nach seiner Entlassung sichert.

(3) Das Überbrückungsgeld ist in geeigneter Weise anzulegen und marktüblich zu verzinsen. Es wird dem Untergebrachten bei der Entlassung ausgezahlt. Der Anspruch auf Auszahlung des Überbrückungsgeldes ist unpfändbar. Der Chefarzt oder sein Stellvertreter können gestatten, dass das Überbrückungsgeld für Ausgaben in Anspruch genommen wird, die der Eingliederung des Untergebrachten dienen.

§ 32 Kosten der Unterbringung

(1) Soweit nicht der Untergebrachte oder ein Sozialleistungsträger die Kosten der Unterbringung oder einen Kostenbeitrag zu leisten hat, trägt das Land die Kosten einer Unterbringung nach § 1. Der Untergebrachte ist in Höhe der ersparten Aufwendungen für den täglichen Lebensunterhalt kostenpflichtig. Maßgeblich für die Kostenbeteiligung ist seine Bedürftigkeit nach den Einkommens- und Vermögensgrenzen des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch.

(2) Die Kosten der Unterbringung werden pauschaliert abgerechnet. Im Unterbringungskostensatz sind die angemessenen Kosten für die Unterbringung, Therapie, Rehabilitation, Verpflegung und gesicherte Verwahrung der Untergebrachten sowie die anteiligen Kosten der allgemeinen Verwaltung und der forensischen Nachsorge nach § 25 Abs. 1 enthalten.

(3) Die Unterbringungskostensätze können unterschiedlich hohe Beträge für einzelne Stationen vorsehen. Darüber hinaus können unterschiedlich hohe Beträge für die verschiedenen Therapiephasen sowie die Rehabilitationsphase vereinbart werden.

(4) Die Unterbringungskostensätze werden zwischen dem Land und dem Träger der Vollzugseinrichtung bis zum Ablauf des 30. Juni eines jeden Kalenderjahres prospektiv für das folgende Kalenderjahr vereinbart. Zu diesem Zweck ist der Träger der Vollzugseinrichtung verpflichtet, dem Land bis zum 31. März des laufenden Kalenderjahres einen verbindlichen Vorschlag zur Höhe aller Unterbringungskostensätze des nächstfolgenden Kalenderjahres unter Beifügung der entsprechenden Kalkulationen vorzulegen. Die Kalkulation ist analog der Anlagen 1 und 2 zur Bundespflegesatzverordnung vom 26. September 1994 (BGBl. I S. 2750) in der am 31. Dezember 2012 geltenden Fassung zu gliedern. Grundlage für die Ermittlung der Personalstellen ist die Psychiatriepersonal-Verordnung vom 18. Dezember 1990 (BGBl. I S. 2930) unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Sicherungsauftrages des Vollzugs der Unterbringung, speziell des Aufwandes für den Sicherungs- und Pfortendienst. Nach Vereinbarung kann auch eine anderweitige Personalbemessungsgrundlage gewählt werden.

(5) Einigen sich das Land und der Träger nicht über den nach Absatz 4 angemessenen Unterbringungskostensatz, kann jede der Vertragsparteien eine unabhängige Prüfung durch die zuständige Preisdienststelle bei dem Landesverwaltungsamt über die Höhe des nach Absatz 4 angemessenen Unterbringungskostensatzes beantragen. Erfolgt auch dann bis zum Ablauf des 31. Dezember des jeweiligen Kalenderjahres keine Einigung, legt die zuständige Preisbildungsstelle den nach Absatz 4 angemessenen Unterbringungskostensatz für das folgende Kalenderjahr unter Berücksichtigung der in dem jeweiligen Kalenderjahr zu erwartenden durchschnittlichen Steigerungsraten fest.

(6) Gewinne, die aus dem Verkauf von in der Arbeitstherapie gefertigten Erzeugnissen nach Abzug der Arbeitstherapieentgelte nach § 31 Abs. 1 sowie der sonstigen Herstellungskosten erzielt werden, sind an das Land abzuführen.

§ 33 Kosten für Leistungen der Gesundheitsfürsorge

(1) Soweit für Leistungen der Gesundheitsfürsorge nach § 12 keine Kostentragungspflicht des Untergebrachten, eines Trägers der Sozialversicherung oder eines sonstigen Dritten besteht, trägt das Land diese Kosten. Art und Umfang der Leistungen richten sich nach den Bestimmungen des Fünften Buches Sozialgesetzbuch.

(2) Maßgeblich für die Kostenbeteiligung des Untergebrachten ist seine Bedürftigkeit nach den Einkommens- und Vermögensgrenzen des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch.

(3) Kosten für die von ihm vorsätzlich oder fahrlässig verursachte Instandsetzung und Ersatzbeschaffung von Heil- und Hilfsmitteln oder Zahnersatz hat der Untergebrachte aus eigenen Mitteln zu bestreiten.

(4) Untergebrachte nach § 1 Nr. 1 und 2 mit einer verbleibenden Unterbringungsdauer von weniger als zwölf Wochen erhalten grundsätzlich nur die notwendige Versorgung mit Heil- und Hilfsmitteln sowie die zahnärztliche Behandlung. Es werden keine Zuschüsse zu den Kosten für Zahnersatz, Zahnkronen und zahntechnische Leistungen gewährt. Für Untergebrachte nach § 1 Nr. 3 und 4 gilt Satz 1 entsprechend, wenn nicht davon auszugehen ist, dass diese sich länger als sechs Monate in der Vollzugseinrichtung befinden werden.

Siebter Abschnitt
Datenschutz

§ 34 Begriffsbestimmung, Grundsatz, elektronische Akte 18

(1) Personenbezogene Daten sind alle Informationen, die sich auf identifizierte oder identifizierbare natürliche Personen (im Folgenden 'betroffene Person') beziehen.

(2) Besondere Kategorien von personenbezogenen Daten im Sinne dieses Gesetzes sind:

  1. die der Identifizierung dienenden Angaben des Untergebrachten sowie
  2. Angaben des Untergebrachten zu:
    1. seinem Lebenslauf und seiner bisherigen Entwicklung,
    2. seinen Krankheiten sowie den behandelnden Ärzten und Therapeuten,
    3. seinem gesetzlichen Vertreter oder Betreuer oder ihn betreffende Verwaltungs- und Gerichtsverfahren zur Bestellung eines Betreuers,
    4. dem die Unterbringung nach § 1 anordnenden Urteil oder Beschluss,
    5. ihn betreffende frühere Straf- und Ermittlungsverfahren,
    6. seinem sozialen Umfeld,
    7. seinem Vermögen sowie vermögenswerten Ansprüchen gegenüber Dritten und
    8. möglichen Kostenträgern.

(3) Personenbezogene Daten, die Dritte aus dem sozialen Umfeld, Verwandte oder Geschädigte betreffen, darf die Vollzugseinrichtung erheben, soweit dies zur Beurteilung des Gesundheitszustands des Untergebrachten, zur Abwehr von Gefahren für die Sicherheit oder das geordnete Zusammenleben in der Vollzugseinrichtung oder zur Verhinderung weiterer rechtswidriger Taten des Untergebrachten erforderlich ist.

(4) Die Vollzugseinrichtung darf personenbezogene Daten über Untergebrachte erheben, soweit dies zum Vollzug der Unterbringung nach § 1 erforderlich ist. Die Verarbeitung personenbezogener Daten zur Erfüllung von Aufsichts- und Kontrollbefugnissen, zur Rechnungsprüfung oder zur Durchführung von Organisationsuntersuchungen sind zulässig, soweit diese Aufgaben nicht auf andere Weise, insbesondere mit pseudonymisierten Daten, erfüllt werden können.

(5) Es gelten die Bestimmungen des Thüringer Krankenhausgesetzes (ThürKHG) und des Thüringer Datenschutzgesetzes (ThürDSG), soweit in diesem Gesetz nichts anderes bestimmt ist.

(6) Akten über Untergebrachte dürfen auch elektronisch geführt werden. Bei der Verarbeitung von personenbezogenen Daten sind Maßnahmen zu treffen, die je nach Art der zu schützenden Daten § 54 ThürDSG Rechnung tragen. Insbesondere ist bei der Datenspeicherung und Datenübermittlung die Verwendung von dem Stand der Technik entsprechenden Verschlüsselungsverfahren einzusetzen.

§ 35 Datenverarbeitung mit optischelektronischen Einrichtungen 18

(1) Die Überwachung und Aufzeichnung der unmittelbaren Umgebung der Vollzugseinrichtung sowie von Außenanlagen, Gebäuden, allgemein zugänglichen oder gemeinschaftlich genutzten Räumen und Kriseninterventionsräumen ist mit Ausnahme der in Absatz 3 genannten Bereiche mittels optischelektronischer Einrichtungen zulässig, soweit dies zur Aufrechterhaltung und Gewährleistung der Sicherheit und Ordnung erforderlich ist und schutzwürdige Belange der Betroffenen nicht überwiegen.

(2) Werden bei der Erfüllung der in Absatz 1 genannten Aufgaben personenbezogene Daten gespeichert, dürfen diese nur für die Zwecke, für die sie erhoben wurden, sowie zur Strafverfolgung oder für gerichtliche Verfahren verarbeitet und genutzt werden. Sie sind unverzüglich, spätestens nach Ablauf von drei Tagen, zu löschen, wenn sie zum Erreichen des Zwecks nicht mehr erforderlich sind.

(3) Die Nutzung optischelektronischer Einrichtungen ist in Aufenthalts-, Wohn- und Schlafräumen im begründeten Einzelfall zeitlich befristet erlaubt, soweit dies vom Chefarzt oder seinem Stellvertreter mit vorheriger Zustimmung des Interventionsbeauftragten angeordnet wird und zur Abwehr einer gegenwärtigen erheblichen Selbst- oder Fremdgefährdung durch den Untergebrachten erforderlich ist. Der Monitor, auf den das optischelektronische Signal übertragen wird, ist ohne Unterbrechung durch einen geeigneten Mitarbeiter zu beobachten. Die Speicherung der Beobachtung ist hierbei unzulässig. Beginn, Ende und Dauer der Beobachtung, die Gründe für ihre Anordnung und die Aufklärung des Untergebrachten sind umfassend zu dokumentieren. Die Vollzugseinrichtung hat dafür zu sorgen, dass keine anderen als die dazu berechtigten Personen den Monitor einsehen können.

(4) Die Datenverarbeitung nach den Absätzen 1 bis 3 darf auch dann erfolgen, wenn Dritte unvermeidbar betroffen sind.

(5) Auf den Umstand der Nutzung optischelektronischer Einrichtungen ist unter Beachtung des § 30 ThürDSG durch geeignete Maßnahmen hinzuweisen.

§ 36 Datenspeicherung

(1) Erhobene personenbezogene Daten dürfen von den Vollzugseinrichtungen gespeichert werden, soweit dies zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung oder das geordnete Zusammenleben in der Vollzugseinrichtung erforderlich ist. Ferner darf die Vollzugseinrichtung Untersuchungsergebnisse und Diagnosen sowie Angaben über die Behandlung des Untergebrachten, über sonstige ihm gegenüber getroffene Entscheidungen und Maßnahmen, über gerichtliche Verfahren und über Arbeits- und Beschäftigungsverhältnisse des Untergebrachten speichern. Die in Absatz 3 genannten Angaben dürfen nur gespeichert werden, wenn nicht entgegenstehende schutzwürdige Interessen eines Dritten überwiegen.

(2) Daten über Dritte dürfen nur in den über den Untergebrachten geführten Aufzeichnungen gespeichert werden und nicht unter dem Namen des Dritten abrufbar sein.

(3) Die Vollzugseinrichtung darf erheben und speichern, welcher Besucher zu welchem Zeitpunkt welchen Untergebrachten besucht hat. Der Besucher ist über die Erhebung und Speicherung seiner personenbezogenen Daten zu unterrichten. Die Daten sind spätestens nach der Entlassung des Untergebrachten, längstens fünf Jahre nach dem Besuch, zu löschen.

§ 37 Datenverarbeitung 18

(1) Die Vollzugseinrichtung darf personenbezogene Daten, die nach § 36 gespeichert sind oder gespeichert werden dürfen, verarbeiten, soweit dies für den Vollzug der Unterbringungen nach § 1 erforderlich und mit pseudonymisierten Daten nicht möglich ist. Die Datenverarbeitung ist zulässig zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung, zur Verfolgung von Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten, zur Fortsetzung oder Wiederaufnahme einer während des früheren Vollzugs einer Unterbringung nach § 1 begonnenen Behandlung des Untergebrachten und zur Anfertigung von Gutachten über den Untergebrachten.

(2) Die Datenverarbeitung ist weiterhin für die Auswertung der Tätigkeit der Vollzugseinrichtung zu organisatorischen oder statistischen Zwecken zulässig.

§ 38 Datenverarbeitung im Auftrag 18

Die Vollzugseinrichtung darf die Verarbeitung personenbezogener Daten einem Auftragnehmer übertragen und diesem die Daten überlassen, wenn die Einhaltung der Datenschutzbestimmungen beim Auftragnehmer sichergestellt ist. § 48 ThürDSG bleibt unberührt.

§ 39 Datenübermittlung

(1) Die Vollzugseinrichtungen dürfen personenbezogene Daten an Dritte übermitteln, soweit dies

  1. zur Unterrichtung der Vollstreckungsbehörde, der Strafvollstreckungs- oder Jugendkammer, der Führungsaufsichtsstelle oder den Sozialen Diensten in der Justiz,
  2. zur Unterrichtung der Rechts- und Fachaufsichtsbehörde,
  3. zur Weiterbehandlung des Untergebrachten durch eine Nachsorgeeinrichtung,
  4. zur Abwehr erheblicher Nachteile für den Untergebrachten,
  5. für die Einleitung eines Betreuungsverfahrens für den Untergebrachten,
  6. für die Festnahme eines entwichenen oder nicht zurückgekehrten Untergebrachten,
  7. zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung,
  8. zur Verfolgung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten,
  9. für eine Begutachtung durch einen externen Sachverständigen nach § 11 Abs. 4 sowie § 23 Abs. 4 Satz 2 oder
  10. bei einer eventuell erforderlichen Verlegung in eine andere Vollzugseinrichtung

erforderlich ist.

(2) Der Empfänger darf die übermittelten Daten nur für die Zwecke verarbeiten, zu denen sie ihm übermittelt wurden.

(3) Ärzte, Psychotherapeuten, Psychologen, Gerichte und Behörden sind befugt, den Vollzugseinrichtungen Strafurteile, Beschlüsse, staatsanwaltschaftliche Ermittlungssachverhalte, psychiatrische und psychologische Gutachten aus gerichtlichen oder staatsanwaltschaftlichen Verfahren, den Lebenslauf und Angaben über die bisherige Entwicklung sowie Angaben über Krankheiten, Körperschäden und Verhaltensauffälligkeiten der Untergebrachten zu übermitteln, soweit dies für den Zweck der Unterbringung nach § 1 erforderlich ist, es sei denn, dass Rechtsvorschriften außerhalb der allgemeinen Regelungen über die Berufs- und Amtsverschwiegenheit dies untersagen.

(4) Die für die Rechnungslegung erforderlichen Daten werden den zuständigen Rechts- und Fachaufsichtsbehörden übermittelt.

§ 40 Akteneinsicht

(1) Auf Antrag ist dem Untergebrachten unentgeltlich Auskunft über die zu seiner Person gespeicherten Daten zu erteilen und, soweit dies ohne Verletzung schutzwürdiger Belange Dritter möglich ist, Einsicht in die über ihn geführten Akten zu gewähren. Die Auskunftserteilung oder die Akteneinsicht können verweigert werden, wenn eine Verständigung mit dem Untergebrachten wegen seines Gesundheitszustands nicht möglich ist oder begründete Nachteile für den Gesundheitszustand oder den Therapieverlauf des Untergebrachten zu erwarten sind.

(2) Dritten ist auf Verlangen durch die Vollzugseinrichtung Auskunft über ihre unter dem Namen des Untergebrachten gespeicherten Daten zu erteilen, soweit schutzwürdige Belange des Untergebrachten nicht entgegenstehen. Die Auskunft kann verweigert werden, wenn der die Daten Übermittelnde ein schutzwürdiges Interesse an deren Geheimhaltung hat.

§ 41 Erkennungsdienstliche Unterlagen

(1) Zur Identitätsfeststellung werden erkennungsdienstliche Unterlagen über den Untergebrachten angefertigt und anlassbezogen aktualisiert. Zu diesem Zweck können Lichtbilder aufgenommen, äußerliche körperliche Merkmale festgestellt und Messungen vorgenommen werden.

(2) Die Unterlagen nach Absatz 1 sind, soweit sie nicht zugleich für die Behandlung erforderlich sind, getrennt von den Personal- und Krankenunterlagen aufzubewahren und bei der Entlassung des jeweiligen Untergebrachten zu vernichten.

§ 42 Wissenschaftliche Forschung

(1) Der Vollzug der Unterbringung nach § 1 Nr. 1 und ihre Ausgestaltung nach internationalen Standards sind regelmäßig wissenschaftlich zu begleiten und auszuwerten.

(2) Die in den Vollzugseinrichtungen erhobenen Daten werden anonymisiert an die von dem für das Gesundheitswesen zuständigen Ministerium benannten Stellen zu Forschungszwecken übermittelt.

Achter Abschnitt
Besuchskommission, Parlamentarische Kontrolle, Aufsicht

§ 43 Besuchskommission

(1) Das für das Gesundheitswesen zuständige Ministerium beruft eine unabhängige Besuchskommission, die neben allgemein psychiatrischen Einrichtungen nach dem Thüringer Gesetz zur Hilfe und Unterbringung psychisch kranker Menschen (ThürPsychKG) auch die Vollzugseinrichtungen nach § 3 Abs. 1 besucht und daraufhin überprüft, ob die mit der Unterbringung von psychisch kranken Menschen in Vollzugseinrichtungen verbundenen besonderen Aufgaben erfüllt werden.

(2) Aufgabe der Besuchskommission ist es, im Sinne der Qualitätssicherung, insbesondere

  1. die stationäre Unterbringung, die Verpflegung und Kleidung sowie die allgemeinen Verhältnisse,
  2. die Maßnahmen zur Verhinderung von besonderen Schutz- und Sicherungsmaßnahmen (§ 26) und Zwangsbehandlungen (§ 29),
  3. die Voraussetzungen bei der Durchführung und die Dokumentation von besonderen Schutz- und Sicherungsmaßnahmen sowie von Zwangsbehandlungen sowie
  4. die regelmäßige und überlange Unterbringungsdauer anhand der über die Untergebrachten geführten Akten mit vorheriger Zustimmung der Untergebrachten

zu prüfen. Sie wertet mündliche und schriftliche Anregungen, Wünsche und Beschwerden von Untergebrachten, soweit möglich, an Ort und Stelle aus.

(3) Der Besuchskommission gehören an:

  1. ein Mitglied des Thüringer Landesverbandes der Psychiatrie-Erfahrenen,
  2. ein Mitglied des Landesverbandes Thüringen der Angehörigen psychisch Kranker,
  3. ein Arzt für Psychiatrie einer Vollzugseinrichtung nach § 3 Abs. 1,
  4. eine mit Unterbringungsangelegenheiten nach § 1 vertraute, zum Richteramt befähigte Person,
  5. ein Leiter eines Sozialpsychiatrischen Dienstes in Thüringen,
  6. ein Arzt aus einer Einrichtung der Allgemeinpsychiatrie,
  7. ein Vertreter der Liga der Freien Wohlfahrtspflege und
  8. ein Vertreter des für das Gesundheitswesen zuständigen Ministeriums.

(4) Zu den Besuchen können weitere Personen hinzugezogen werden, insbesondere die Patientenfürsprecher, ein Vertreter des örtlich zuständigen Sozialpsychiatrischen Dienstes, der Interventionsbeauftragte oder ein Richter des örtlich zuständigen Amtsgerichts.

(5) Der Besuchskommission ist ungehinderter Zugang zu den Vollzugseinrichtungen nach § 3 Abs. 1 Satz 1 und zu den Untergebrachten zu gewähren. Die Einsicht in die über den Untergebrachten geführten Akten und Behandlungspläne ist mit vorheriger Zustimmung des Untergebrachten zu ermöglichen.

(6) Die Mitglieder werden durch das für das Gesundheitswesen zuständige Ministerium für eine Amtsperiode von jeweils vier Jahren berufen. Sie wählen aus ihrer Mitte einen Vorsitzenden. Die Mitglieder sind weisungsunabhängig und zur Verschwiegenheit verpflichtet.

(7) Die Besuchskommission berichtet im zweijährigen Turnus dem für das Gesundheitswesen zuständigen Ministerium über die Durchführung der Aufgaben nach Absatz 2 und spricht Empfehlungen aus. Werden schwerwiegende Mängel bei der Unterbringung oder Behandlung festgestellt, informiert die Besuchskommission hierüber unverzüglich den Chefarzt oder seinen Stellvertreter und das für das Gesundheitswesen zuständige Ministerium.

(8) Das für das Gesundheitswesen zuständige Ministerium führt die Geschäfte der Besuchskommission und erstattet auf Antrag den Mitgliedern sowie den nach Absatz 4 hinzugezogenen Personen Auslagen nach Maßgabe des Thüringer Reisekostengesetzes.

§ 44 Parlamentarische Kontrolle

Das für das Gesundheitswesen zuständige Ministerium berichtet dem Landtag in einem zweijährigen Turnus über die Durchführung und die Qualität des Vollzugs der Unterbringungen nach § 1 in den Vollzugseinrichtungen, insbesondere über

  1. die Anzahl, das jeweilige und das durchschnittliche Alter sowie die jeweilige und die durchschnittliche Unterbringungsdauer der Untergebrachten,
  2. die Anzahl der Personen, die über acht Jahre nach § 1 untergebracht sind,
  3. die Anzahl der Untergebrachten, die einen Therapieabbruch beantragt haben, für die ein Therapieabbruch seitens der Vollzugseinrichtung vorgesehen oder von der Strafvollstreckungskammer oder Jugendkammer entschieden ist,
  4. die Art, Anzahl und Dauer von besonderen Schutz- und Sicherungsmaßnahmen sowie Zwangsbehandlungen,
  5. die nachweisbaren Schritte zur Reduzierung von besonderen Schutz- und Sicherungsmaßnahmen sowie Zwangsbehandlungen,
  6. die Anzahl und den Grund der Maßnahmen unmittelbaren Zwangs,
  7. die Art und Anzahl der Lockerungen und ihren Widerruf,
  8. besondere Vorkommnisse, Suizide, Todesfälle und ihre Umstände,
  9. die Anzahl der Entlassungen, Rückfälle und die Ausgestaltung der Nachsorge,
  10. die Tätigkeit der Interventionsbeauftragten und
  11. die Auswertungen der Besuchskommission.

§ 45 Rechts- und Fachaufsicht

(1) Die Vollzugseinrichtungen unterstehen der uneingeschränkten Rechts- und Fachaufsicht der nach § 46 zuständigen Behörden.

(2) Die Rechts- und Fachaufsicht erstreckt sich insbesondere auf

  1. die Organisation und die Prozess-, Struktur- und Ergebnisqualität nach § 7,
  2. die Gestaltung der Verträge mit dem ärztlichen Personal hinsichtlich der in § 4 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 und 3 formulierten Ziele,
  3. die Durchführung und Dokumentation von besonderen Schutz- und Sicherungsmaßnahmen sowie Zwangsbehandlungen,
  4. die Maßnahmen zur Vermeidung von besonderen Schutz- und Sicherungsmaßnahmen sowie Zwangsbehandlungen,
  5. die Kosten und Kostenentwicklung.

(3) Instrumente zur Ausübung und Durchsetzung der uneingeschränkten Rechts- und Fachaufsicht sind die erforderlichen Betretens-, Informations-, Weisungs- und Durchsetzungsrechte. Die Informationsrechte beinhalten insbesondere ein jederzeitiges Zugangs- und Kontrollrecht zu allen Räumlichkeiten der Vollzugseinrichtungen, das jederzeitige und vollständige Einsichtsrecht in alle Unterlagen, Akten und Schriftstücke, die seitens der Vollzugseinrichtung über die Untergebrachten und den allgemeinen Geschäftsbetrieb vorgehalten werden. Allgemeine Weisungen und Einzelweisungen zu den rechtlichen Vorgaben des Vollzugs der Unterbringungen sind gegenüber den Chefärzten der Vollzugseinrichtungen und ihren Stellvertretern wie auch gegenüber dem weiteren Personal zulässig. Fach- und rechtsaufsichtliche Weisungen gehen innerbetrieblichen Weisungen vor. Weisungen Dritter, die den rechts- und fachaufsichtlichen Weisungsrechten zuwiderlaufen, sind unwirksam.

(4) Der Rechnungshof und die Preisprüfungsstelle bei dem Landesverwaltungsamt haben ein umfassendes Kontroll- und Prüfungsrecht.

§ 46 Zuständigkeiten

(1) Zuständige Behörde der Rechts- und Fachaufsicht ist das Landesverwaltungsamt. Oberste Aufsichtsbehörde ist das für das Gesundheitswesen zuständige Ministerium.

(2) Das Landesverwaltungsamt ist insbesondere zuständig für

  1. die Genehmigung der Stellenpläne der Vollzugseinrichtungen nach § 3 Abs. 1 Satz 1,
  2. das Führen der Verhandlungen über die Unterbringungskostensätze mit den Vollzugseinrichtungen im Einvernehmen mit dem für das Gesundheitswesen zuständigen Ministerium,
  3. die Abrechnung der interkurrenten Leistungen für die Untergebrachten,
  4. die Abrechnung der Unterbringungskosten für die Untergebrachten,
  5. die Prüfung und Abrechnung der Investitionskosten für die Neubauten,
  6. die Kontrolle nach § 4 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3,
  7. die Durchführung von Sicherheitsbegehungen in den Vollzugseinrichtungen zur Feststellung organisatorischer oder personeller Mängel,
  8. die Erstellung und Pflege einer Datenbank zur Dokumentation der Unterbringungen nach § 1.

§ 47 Zusammenarbeit der Behörden

(1) Die Vollzugseinrichtungen und die zuständigen Behörden der Rechts- und Fachaufsicht arbeiten eng und vertrauensvoll zusammen. Dies gilt insbesondere für die konzeptionelle Entwicklung der Vollzugseinrichtungen und in Rechnungsangelegenheiten.

(2) Die Vollzugseinrichtungen sollen mit den Gerichten, Vollstreckungsbehörden, Gutachtern, Sozialen Diensten in der Justiz, Einrichtungen der Wissenschaft und Forschung sowie sonstigen Stellen und Personen eng zusammenarbeiten, soweit diese die Ziele des Vollzugs der Unterbringung nach § 2 fördern können.

Neunter Abschnitt
Übergangs- und Schlussbestimmungen

§ 48 Einschränkung von Grundrechten

Durch dieses Gesetz werden die Rechte auf körperliche Unversehrtheit und Freiheit der Person (Artikel 2 Abs. 2 des Grundgesetzes, Artikel 3 Abs. 1 der Verfassung des Freistaats Thüringen), auf Schutz seiner personenbezogenen Daten (Artikel 6 Abs. 2 der Verfassung des Freistaats Thüringen), auf Unverletzlichkeit des Briefgeheimnisses, des Post- und Fernmeldegeheimnisses sowie des Kommunikationsgeheimnisses (Artikel 10 des Grundgesetzes, Artikel 7 der Verfassung des Freistaats Thüringen) und der Wohnung (Artikel 13 des Grundgesetzes, Artikel 8 der Verfassung des Freistaats Thüringen) eingeschränkt.

§ 49 Übergangsbestimmungen

(1) Die Anpassung der Beleihungsverträge mit den Trägern der Vollzugseinrichtung sowie der Arbeitsverträge der Chefärzte und ihrer Stellvertreter hat innerhalb von zwölf Monaten nach Inkrafttreten dieses Gesetzes zu erfolgen.

(2) Die in den Vollzugseinrichtungen nach § 3 Abs. 1 Satz 1 am 10. April 2014 unbefristet beschäftigten Chefärzte gelten ohne Durchführung des Stellenbesetzungsverfahrens nach § 5 Abs. 1 und 2 bis zu ihrem Ausscheiden als nach § 5 bestellte Chefärzte. Satz 1 gilt für die Stellvertreter der Chefärzte entsprechend.

(3) Der Interventionsbeauftragte und der Chefarzt oder sein Stellvertreter überprüfen das weitere bei der Vollzugseinrichtung beschäftigte Personal hinsichtlich seiner Eignung zum Einsatz beim Vollzug dieses Gesetzes innerhalb von zwölf Monaten nach Inkrafttreten dieses Gesetzes. Widerspricht der Interventionsbeauftragte, der Chefarzt oder sein Stellvertreter der Eignung, darf der betreffende Beschäftigte nicht beim Vollzug dieses Gesetzes eingesetzt werden.

(4) Die Besuchskommission nach § 43 tritt an die Stelle der Besuchskommission nach § 24 ThürPsychKG nach Ablauf von drei Monaten nach Inkrafttreten dieses Gesetzes.

(5) Für Untergebrachte, die bereits am Tag vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes untergebracht sind, beginnt die Frist des § 11 Abs. 4 Satz 1 mit dem Inkrafttreten dieses Gesetzes.

§ 50 Evaluierung

Das Gesetz wird zwei Jahre nach seinem Inkrafttreten von einem externen Institut evaluiert.

§ 51 Gleichstellungsbestimmung

Status- und Funktionsbezeichnungen in diesem Gesetz gelten jeweils in männlicher und weiblicher Form.

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