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NBGG - Niedersächsisches Behindertengleichstellungsgesetz
- Niedersachsen -
Vom 25. November 2007
(GVBl. Nr. 37 vom 04.12.2007 S. 661; 03.04.2014 S. 90; 25.10.2018 S.217 18; 16.12.2021 S. 921 21; 14.12.2023 S. 320 23)
Gl.-Nr.: 84200
§ 1 Ziel des Gesetzes, Verantwortung öffentlicher Stellen 21
(1) Ziel des Gesetzes ist es, in Erfüllung der Verpflichtungen insbesondere aus Artikel 4 des Übereinkommens der Vereinten Nationen vom 13. Dezember 2006 über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (BGBl. II 2008 S. 1419), im Folgenden: UN-Behindertenrechtskonvention,
Dabei wird ihren besonderen Bedürfnissen Rechnung getragen.
(2) Die öffentlichen Stellen sollen im Rahmen ihres jeweiligen Aufgabenbereichs die in Absatz 1 genannten Ziele aktiv fördern und bei der Planung von Maßnahmen beachten. Für die Ausführung von Bundesrecht gilt § 1 Abs. 2 Satz 2 des Behindertengleichstellungsgesetzes (BGG)e
§ 2 Begriffsbestimmungen, staatliche Anlaufstelle 18 21
(1) Öffentliche Stellen im Sinne dieses Gesetzes mit Ausnahme der §§ 9 bis 9e sind die Behörden, Gerichte und sonstige Einrichtungen des Landes, die Kommunen und deren Zusammenschlüsse in einer öffentlich-rechtlichen Rechtsform sowie die sonstigen der alleinigen Aufsicht des Landes unterstehenden Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts. Ausgenommen sind
(2) Menschen mit Behinderungen im Sinne dieses Gesetzes sind Menschen, die langfristige körperliche, seelische oder geistige Beeinträchtigungen oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit verschiedenen, insbesondere einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der vollen und wirksamen Teilhabe am Leben in der Gesellschaft auf gleichberechtigter Grundlage mit anderen hindern können. Langfristig ist ein Zeitraum, der mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate andauert.
(3) Barrierefrei sind bauliche und sonstige Anlagen, Verkehrsmittel, technische Gebrauchsgegenstände, Systeme der Informationsverarbeitung, akustische und visuelle Informationsquellen und Kommunikationseinrichtungen sowie andere gestaltete Lebensbereiche, wenn sie für Menschen mit Behinderungen in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe auffindbar, zugänglich und nutzbar sind. Hierbei ist die Nutzung behinderungsbedingt notwendiger Hilfsmittel zulässig.
(4) Das für Soziales zuständige Ministerium ist staatliche Anlaufstelle im Sinne des Artikels 33 Abs. 1 der UN-Behindertenrechtskonvention. Es koordiniert und steuert den Prozess der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention in Niedersachsen.
§ 3 Frauen mit Behinderungen, Benachteiligung wegen mehrerer Gründe 21
(1) Zur Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und zur Vermeidung von Benachteiligungen von Frauen mit Behinderungen wegen mehrerer Gründe sind die besonderen Belange von Frauen mit Behinderungen zu berücksichtigen und bestehende Benachteiligungen zu beseitigen. Dabei sind besondere Maßnahmen zur Förderung der tatsächlichen Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen mit Behinderungen und zur Beseitigung bestehender Benachteiligungen zulässig.
(2) Unabhängig von Absatz 1 sind die besonderen Belange von Menschen mit Behinderungen, die von Benachteiligungen wegen einer Behinderung und wenigstens eines weiteren in § 1 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) genannten Grundes betroffen sein können, zu berücksichtigen.
§ 4 Benachteiligungsverbot für öffentliche Stellen 21
(1) Eine öffentliche Stelle darf Menschen mit Behinderungen nicht benachteiligen. Eine Benachteiligung liegt vor, wenn Menschen mit und ohne Behinderungen ohne zwingenden Grund unterschiedlich behandelt werden und dadurch Menschen mit Behinderungen in der vollen und wirksamen Teilhabe am Leben in der Gesellschaft auf gleichberechtigter Grundlage mit anderen unmittelbar oder mittelbar beeinträchtigt werden. Eine Benachteiligung liegt auch bei einer Belästigung im Sinne des § 3 Abs. 3 und 4 AGG vor, mit der Maßgabe, dass § 3 Abs. 4 AGG nicht auf den Anwendungsbereich des § 2 Abs. 1 Nrn. 1 bis 4 AGG begrenzt ist. Bei einem Verstoß gegen eine Verpflichtung zur Herstellung von Barrierefreiheit wird das Vorliegen einer Benachteiligung widerleglich vermutet.
(2) Die Versagung angemessener Vorkehrungen für Menschen mit Behinderungen ist eine Benachteiligung im Sinne dieses Gesetzes. Angemessene Vorkehrungen sind Maßnahmen, die im Einzelfall geeignet und erforderlich sind, um zu gewährleisten, dass ein Mensch mit Behinderungen gleichberechtigt mit anderen alle Rechte genießen und ausüben kann, und die die öffentlichen Stellen nicht unverhältnismäßig oder unbillig belasten.
(3) In Bereichen bestehender Benachteiligungen von Menschen mit Behinderungen gegenüber Menschen ohne Behinderungen sind besondere Maßnahmen zum Abbau und zur Beseitigung dieser Benachteiligungen zulässig. Bei der Anwendung von Gesetzen zur tatsächlichen Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern ist den besonderen Belangen von Frauen mit Behinderungen Rechnung zu tragen.
(4) Besondere Benachteiligungsverbote zugunsten von Menschen mit Behinderungen in anderen Rechtsvorschriften, insbesondere im Neunten Buch des Sozialgesetzbuchs, bleiben unberührt.
Soweit öffentliche Stellen Kommissionen, Arbeitsgruppen, Vorstände, Aufsichts- und Verwaltungsräte, Beiräte und sonstige Gremien einrichten oder über deren Zusammensetzung entscheiden oder deren Mitglieder bestimmen können, sollen sie Menschen mit Behinderungen angemessen berücksichtigen. Rechtsvorschriften über die Besetzung von Gremien mit Personen, die wegen ihrer Funktion oder aufgrund einer Wahl Mitglied des Gremiums sind, bleiben unberührt.
§ 5 Gebärdensprache und andere Kommunikationshilfen
(1) Die Deutsche Gebärdensprache ist als eigenständige Sprache anerkannt.
(2) Lautsprachbegleitende Gebärden sind als Kommunikationsform der deutschen Sprache anerkannt.
(3) Menschen mit Hörbehinderung und Menschen mit Sprachbehinderung haben nach Maßgabe der einschlägigen Rechtsvorschriften das Recht, die Deutsche Gebärdensprache oder lautsprachbegleitende Gebärden zu verwenden. Soweit sie sich nicht in Deutscher Gebärdensprache oder mit lautsprachbegleitenden Gebärden verständigen, haben sie nach Maßgabe der einschlägigen Rechtsvorschriften das Recht, andere geeignete Kommunikationshilfen zu verwenden.
§ 6 Recht auf Verwendung von Gebärdensprache und Kommunikationshilfen 21
(1) Menschen mit Kommunikationsbeeinträchtigungen haben das Recht, mit öffentlichen Stellen in Deutscher Gebärdensprache, mit lautsprachbegleitenden Gebärden oder über andere geeignete Kommunikationshilfen zu kommunizieren, soweit dies zur Wahrnehmung eigener Rechte im Verwaltungsverfahren oder zur Wahrnehmung ihrer Interessen in Kindertagesstätten und Schulen erforderlich ist. Dabei ist auf Wunsch der oder des Berechtigten im notwendigen Umfang die Übersetzung durch eine Gebärdensprachdolmetscherin oder einen Gebärdensprachdolmetscher oder die Verständigung über andere geeignete Kommunikationshilfen sicherzustellen. Die Hochschulen in staatlicher Verantwortung müssen auf Antrag für einen Menschen mit Hör- oder Sprachbehinderung anstelle von mündlichen Prüfungen und Leistungsfeststellungen Prüfungen und Leistungsfeststellungen in schriftlicher Form oder in Gebärdensprache durchführen, soweit der Prüfungs- oder Leistungsfeststellungszweck nicht entgegensteht.
(2) Die öffentlichen Stellen sind verpflichtet, die durch Verwendung der Gebärdensprache, lautsprachbegleitender Gebärden und geeigneter Kommunikationshilfen nach Absatz 1 Satz 1 entstehenden Kosten zu tragen. Herangezogene Gebärdensprachdolmetscherinnen und Gebärdensprachdolmetscher oder andere Kommunikationshelferinnen und Kommunikationshelfer erhalten auf Antrag eine Vergütung in entsprechender Anwendung des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes vom 5. Mai 2004 (BGBl. I S. 718, 776), zuletzt geändert durch Artikel 19 des Gesetzes vom 22. Dezember 2006 (BGBl. I S. 3416), in der jeweils geltenden Fassung.
(3) Das für Soziales zuständige Ministerium wird ermächtigt, durch Verordnung Bestimmungen zu erlassen über
§ 7 Herstellung von Barrierefreiheit in den Bereichen Bau und Verkehr 21
(1) Neubauten sowie große Um- oder Erweiterungsbauten öffentlicher Stellen sind in entsprechender Anwendung der in oder aufgrund der Niedersächsischen Bauordnung getroffenen Bestimmungen barrierefrei zu gestalten. Von diesen Anforderungen kann abgewichen werden, wenn mit einer anderen Lösung die Anforderungen an die Barrierefreiheit in gleichem Maße erfüllt werden. Bei großen Um- oder Erweiterungsbauten sind Ausnahmen von Satz 1 zulässig, soweit die Anforderungen an die Barrierefreiheit nur mit einem unverhältnismäßigen Mehraufwand erfüllt werden können. Die Bestimmungen der Niedersächsischen Bauordnung bleiben im Übrigen unberührt.
(2) Sonstige öffentliche bauliche oder andere Anlagen, öffentliche Wege, Plätze und Straßen sowie öffentlich zugängliche Verkehrsanlagen und Verkehrsmittel im öffentlichen Personenverkehr sind barrierefrei zu gestalten, soweit dies durch Rechtsvorschrift vorgegeben ist.
(3) Die öffentlichen Stellen sind verpflichtet, die Barrierefreiheit bei der Anmietung der von ihnen genutzten Bauten zu berücksichtigen. Sie sollen nur barrierefreie Bauten oder Bauten, in denen die baulichen Barrieren unter Berücksichtigung der baulichen Gegebenheiten abgebaut werden können, anmieten. Satz 2 gilt nicht, falls die Anmietung eines Gebäudes, das die Anforderungen des Satzes 2 erfüllt, eine unangemessene wirtschaftliche Belastung zur Folge hätte.
§ 8 Gestaltung von Verwaltungsakten, Verträgen und Vordrucken 21
(1) Die öffentlichen Stellen haben bei der Gestaltung von Verwaltungsakten, öffentlich-rechtlichen Verträgen und Vordrucken die unterschiedlichen Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen zu berücksichtigen.
(2) Die öffentlichen Stellen haben Menschen mit Behinderungen auf Verlangen Verwaltungsakte, öffentlich-rechtliche Verträge und Vordrucke kostenfrei auch in einer für diese geeigneten und wahrnehmbaren Form zugänglich zu machen, soweit dies zur Wahrnehmung von Rechten im Verwaltungsverfahren erforderlich ist.
§ 9 Besondere Regelungen für Websites und mobile Anwendungen öffentlicher Stellen 18
(1) Öffentliche Stellen im Sinne der §§ 9a bis 9e sind
Einrichtungen des öffentlichen Rechts im Sinne des Satzes 1 Nr. 2 sind Einrichtungen, die
Eine überwiegende Finanzierung wird angenommen, wenn mehr als 50 Prozent der Finanzausstattung der Einrichtung aufgebracht werden, worunter auch Zahlungen von Nutzerinnen und Nutzern fallen können, die nach öffentlich-rechtlichen Rechtsvorschriften auferlegt, berechnet und erhoben werden. Einrichtungen des öffentlichen Rechts sind auch juristische Personen des privaten Rechts, wie etwa in einer solchen Rechtsform organisierte Krankenhäuser, Pflegedienste und Unternehmen des öffentlichen Personennahverkehrs, wenn sie die Voraussetzungen nach den Sätzen 2 und 3 erfüllen.
(2) Die §§ 9a bis 9e gelten nicht für Websites und mobile Anwendungen,
Die §§ 9a bis 9e gelten auch nicht für Inhalte von Websites und mobilen Anwendungen, für die nach Artikel 1 Abs. 4 der Richtlinie (EU) 2016/2102 die Richtlinie nicht gilt; § 9a Abs. 1 Satz 5 bleibt unberührt.
(3) Auf Schulen und Tageseinrichtungen für Kinder in Trägerschaft öffentlicher Stellen ist, soweit die §§ 9a bis 9e für ihre Websites und mobilen Anwendungen nach Absatz 2 Satz 1 Nr. 2 nicht gelten, § 9 dieses Gesetzes in der bis zum 1. November 2018 geltenden Fassung weiter anzuwenden. Die Einhaltung von sich aus Satz 1 ergebenden Anforderungen ist nicht Gegenstand des Überwachungsverfahrens nach § 9c Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und des Durchsetzungsverfahrens nach § 9d.
§ 9a Barrierefreie Informationstechnik öffentlicher Stellen 18
(1) Die öffentlichen Stellen gestalten ihre Websites und mobilen Anwendungen, einschließlich der für ihre Beschäftigten bestimmten Angebote im Intranet, wahrnehmbar, bedienbar, verständlich und robust, um sie barrierefrei zugänglich zu machen (barrierefreie Gestaltung). Schrittweise, spätestens bis zum 23. Juni 2021, gestalten sie ihre elektronisch unterstützten Verwaltungsabläufe, einschließlich ihrer Verfahren zur elektronischen Vorgangsbearbeitung und elektronischen Aktenführung, barrierefrei. Die grafischen Programmoberflächen sind von der barrierefreien Gestaltung umfasst. Angebote öffentlicher Stellen im Internet, die auf Websites Dritter, beispielsweise in sozialen Medien, veröffentlicht werden, sind soweit möglich barrierefrei zu gestalten. Dateiformate von Büroanwendungen, für die nach Artikel 1 Abs. 4 Buchst.a der Richtlinie (EU) 2016/2102 die Richtlinie nicht gilt, sind von den öffentlichen Stellen schrittweise mit dem Ziel umzugestalten, die Barrierefreiheitsanforderungen nach Satz 1 zu erfüllen.
(2) Die barrierefreie Gestaltung erfolgt nach Maßgabe der nach § 9e zu erlassenden Verordnung. Soweit diese Verordnung keine Vorgabe enthält, erfolgt die barrierefreie Gestaltung nach den anerkannten Regeln der Technik.
(3) Insbesondere bei Neuanschaffungen, Erweiterungen und Überarbeitungen ist die barrierefreie Gestaltung bereits bei der Planung, Entwicklung, Ausschreibung und Beschaffung zu berücksichtigen.
(4) Von der barrierefreien Gestaltung können öffentliche Stellen ausnahmsweise absehen oder diese schrittweise herstellen, soweit sie durch eine barrierefreie Gestaltung unverhältnismäßig belastet würden. Inwieweit eine unverhältnismäßige Belastung bewirkt würde, ist von der öffentlichen Stelle nach Maßgabe und anhand der Kriterien des Artikels 5 der Richtlinie (EU) 2016/2102 zu bewerten; die Bewertung ist so zu dokumentieren, dass eine Überprüfung im Rahmen des Durchsetzungsverfahrens nach § 9d ermöglicht wird.
§ 9b Erklärung zur Barrierefreiheit 18
(1) Die öffentlichen Stellen veröffentlichen eine detaillierte, umfassende und klare Erklärung zur Barrierefreiheit ihrer Websites oder mobilen Anwendungen und aktualisieren diese bei Bedarf.
(2) Die Erklärung der Barrierefreiheit enthält
(3) Zu veröffentlichen ist die Erklärung zur Barrierefreiheit
(4) Die öffentlichen Stellen antworten auf Mitteilungen, Anfragen und Anträge nach Absatz 2 Nr. 2 innerhalb eines Monats.
§ 9c Überwachungsstelle und Berichterstattung 18 21
(1) Bei dem für Soziales zuständigen Ministerium wird eine Überwachungsstelle des Landes für die Barrierefreiheit von Informationstechnik eingerichtet. Ihre Aufgaben sind
Der Bericht nach Satz 2 Nr. 5 ist auch dem Landtag vorzulegen.
(2) Die obersten Landesbehörden unterstützen die Überwachungsstelle bei der Erstellung des Berichts nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 5 und erstellen verbindliche und überprüfbare Maßnahmen- und Zeitpläne zum weiteren Abbau von Barrieren ihrer Informationstechnik.
§ 9d Schlichtungsstelle, Durchsetzungsverfahren, Verordnungsermächtigung 18
(1) Bei der oder dem Landesbeauftragten für Menschen mit Behinderungen wird eine Schlichtungsstelle zur Beilegung von Streitigkeiten nach den Absätzen 2 und 3 eingerichtet, die für das Durchsetzungsverfahren im Sinne des Artikels 9 der Richtlinie (EU) 2016/2102 zuständig ist. Sie wird mit neutralen schlichtenden Personen besetzt und hat eine Geschäftsstelle. Das Verfahren der Schlichtungsstelle muss insbesondere gewährleisten, dass
(2) Ist eine Nutzerin oder ein Nutzer der Ansicht, dass eine öffentliche Stelle
so kann sie oder er bei der Schlichtungsstelle nach Absatz 1 einen Antrag auf Einleitung eines Schlichtungsverfahrens stellen.
(3) Ein nach § 15 Abs. 3 BGG anerkannter Verband kann bei der Schlichtungsstelle nach Absatz 1 einen Antrag auf Einleitung eines Schlichtungsverfahrens stellen, wenn er einen Verstoß einer öffentlichen Stelle gegen deren Pflichten nach § 9a oder § 9b behauptet.
(4) Der Antrag nach den Absätzen 2 und 3 kann in Textform oder zur Niederschrift bei der Schlichtungsstelle gestellt werden. Diese übermittelt zur Durchführung des Schlichtungsverfahrens eine Abschrift des Schlichtungsantrags an die öffentliche Stelle.
(5) Die öffentlichen Stellen sind verpflichtet, die Schlichtungsstelle bei der Erfüllung ihrer Aufgaben zu unterstützen. Dies umfasst auch, der Schlichtungsstelle auf Ersuchen Auskünfte zu erteilen und Einsicht in Akten und sonstige Unterlagen zu gewähren.
(6) Die Schlichtungsstelle kann die nach § 9c eingerichtete Überwachungsstelle über deren Beratungspflichten hinaus beteiligen. Sie kann im Einzelfall die Überprüfung einer Website oder mobilen Anwendung einer öffentlichen Stelle verlangen.
(7) Die schlichtende Person wirkt in jeder Phase des Verfahrens auf eine gütliche Einigung der Beteiligten hin. Sie kann einen Schlichtungsvorschlag unterbreiten. Der Schlichtungsvorschlag soll am geltenden Recht ausgerichtet sein. Die schlichtende Person kann den Einsatz von Mediation anbieten.
(8) Das Schlichtungsverfahren ist für die Beteiligten unentgeltlich.
(9) Das Schlichtungsverfahren endet mit der Einigung der Beteiligten, der Rücknahme des Schlichtungsantrags oder der Feststellung, dass keine Einigung möglich ist. Wenn keine Einigung möglich ist, endet das Schlichtungsverfahren mit der Zustellung der Bestätigung der Schlichtungsstelle an die Antragstellerin oder den Antragsteller, dass keine gütliche Einigung erzielt werden konnte. Kommt eine gütliche Einigung nicht zustande, so kann die Schlichtungsstelle die für die betreffende öffentliche Stelle zuständige Aufsichtsbehörde um Überprüfung der Angelegenheit ersuchen.
(10) Das für Soziales zuständige Ministerium wird ermächtigt, durch Verordnung das Nähere über die Geschäftsstelle, die Besetzung und das Verfahren der Schlichtungsstelle nach den Absätzen 1, 4 bis 7 und 9 zu regeln sowie weitere Vorschriften über die Kosten des Verfahrens und die Entschädigung zu erlassen. Die Verordnung regelt auch das Nähere zu Tätigkeitsberichten der Schlichtungsstelle.
§ 9e Verordnungsermächtigung 18
Das für Soziales zuständige Ministerium erlässt durch Verordnung Bestimmungen über
§ 10 Landesbeauftragte oder Landesbeauftragter für Menschen mit Behinderungen 21 23
(1) Die Landesregierung bestellt eine hauptberufliche Landesbeauftragte oder einen hauptberuflichen Landesbeauftragten für Menschen mit Behinderungen, der amtierende Landesbeirat für Menschen mit Behinderungen hat ein Vorschlagsrecht und ist vor der Bestelung anzuhören. Die oder der Landesbeauftragte soll ein Mensch mit Behinderung sein. Sie oder er ist in der Wahrnehmung des Amtes unabhängig.
(2) Die oder der Landesbeauftragte ist dem für Soziales zuständigen Ministerium zugeordnet; ihr oder ihm ist die für die Erfüllung der Aufgaben notwendige Ausstattung zur Verfügung zu stellen.
(3) Die Bestellung endet, außer aus beamten- oder arbeitsrechtlichen Gründen, durch Abberufung durch die Landesregierung.
(4) Die oder der Landesbeauftragte bestellt eine bei ihr oder ihm oder in der Geschäftsstelle nach § 9d Abs. 1 Satz 2 beschäftigte Person als Stellvertreterin oder Stellvertreter; der amtierende Landesbeirat für Menschen mit Behinderungen ist vor der Bestellung anzuhören. Die Stellvertreterin oder der Stellvertreter vertritt die Landesbeauftragte oder den Landesbeauftragten, wenn diese oder dieser voraussichtlich länger als sechs Wochen an der Ausübung ihres oder seines Amtes gehindert ist, und übernimmt deren oder dessen Aufgaben bei einer Beendigung der Bestellung nach Absatz 3 bis zur Bestellung einer oder eines neuen Landesbeauftragten. Die Bestellung der Stellvertreterin oder des Stellvertreters endet, außer aus beamten- oder arbeitsrechtlichen Gründen, durch Abberufung durch die Landesbeauftragte oder den Landesbeauftragten. Für die Stellvertreterin oder den Stellvertreter gelten Absatz 1 Satz 3 und Absatz 2 Halbsatz 1 entsprechend. Die Unabhängigkeit in der Wahrnehmung des Amtes gilt nicht im Verhältnis zu der oder dem Landesbeauftragten.
§ 11 Aufgaben der oder des Landesbeauftragten für Menschen mit Behinderungen 21
(1) Aufgabe der oder des Landesbeauftragten ist es, darauf hinzuwirken, dass die Ziele des Gesetzes verwirklicht werden und die öffentlichen Stellen die Verpflichtungen nach diesem Gesetz mit Ausnahme der §§ 9 bis 9e erfüllen. Die oder der Landesbeauftragte hat ferner darauf hinzuwirken, dass die Verpflichtungen nach § 1 Abs. 2 Satz 2 BGG erfüllt werden.
(2) Die oder der Landesbeauftragte nimmt ferner unter Einbeziehung der Zivilgesellschaft die Aufgabe des staatlichen Koordinierungsmechanismus gemäß Artikel 33 Abs. 1 der UN-Behindertenrechtskonvention wahr.
(3) Die Ministerien und die Staatskanzlei beteiligen die Landesbeauftragte oder den Landesbeauftragten bei der Vorbereitung von Gesetzen, Verordnungen und sonstigen wichtigen Vorhaben, soweit diese die Zielsetzung dieses Gesetzes betreffen. Werden Vorschläge oder Anregungen der oder des Landesbeauftragten nicht berücksichtigt, so sind ihr oder ihm die Gründe dafür in geeigneter Weise mitzuteilen.
(4) Die öffentlichen Stellen sind verpflichtet, die Landesbeauftragte oder den Landesbeauftragten bei der Erfüllung ihrer oder seiner Aufgaben zu unterstützen, insbesondere Auskünfte zu erteilen und Einsicht in Unterlagen zu gewähren, soweit dies zur sachgerechten Aufgabenwahrnehmung erforderlich und im Rahmen der Gesetze zulässig ist. Die Bestimmungen zum Schutz personenbezogener Daten bleiben unberührt.
§ 12 Landesbeirat für Menschen mit Behinderungen 21 23
(1) Die oder der Landesbeauftragte für Menschen mit Behinderungen richtet einen Landesbeirat für Menschen mit Behinderungen ein, der sie oder ihn bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben unterstützt.
(2) Der Landesbeirat für Menschen mit Behinderungen besteht aus der oder dem Landesbeauftragten für Menschen mit Behinderungen als vorsitzendem Mitglied und 20 weiteren Mitgliedern. Als weitere Mitglieder beruft die oder der Landesbeauftragte für Menschen mit Behinderungen für die Dauer der jeweiligen Wahlperiode des Landtages
Für jedes weitere Mitglied beruft die oder der Landesbeauftragte für Menschen mit Behinderungen ein stellvertretendes Mitglied; Satz 2 gilt entsprechend. Die Stellvertreterin oder der Stellvertreter der oder des Landesbeauftragten nach § 10 Abs. 4 vertritt sie oder ihn auch als vorsitzendes Mitglied des Landesbeirats für Menschen mit Behinderungen. Die weiteren Mitglieder nehmen ihre Aufgabe ehrenamtlich wahr. Das Land trägt die notwendigen Reisekosten der Mitglieder und die für sie berufenen stellvertretenden Mitglieder nach Satz 2 Nr. 1.
(3) Der Landesbeirat für Menschen mit Behinderungen gibt sich im Benehmen mit dem für Soziales zuständigen Ministerium eine Geschäftsordnung. In der Geschäftsordnung sind insbesondere Regelungen über die Vorbereitung, Einberufung und Durchführung von Sitzungen sowie über die Beschlussfassung zu treffen.
§ 12a Kommunale Beiräte oder Gremien und Beauftragte für Menschen mit Behinderungen, Inklusionskonferenzen und -berichte, Niedersächsischer Inklusionsrat von Menschen mit Behinderungen 21
(1) Die Landkreise, die Region Hannover und die kreisfreien Städte sowie die Landeshauptstadt Hannover und die Stadt Göttingen richten zu ihrer Unterstützung bei der Verwirklichung der Zielsetzung dieses Gesetzes jeweils einen Beirat oder ein vergleichbares Gremium ein. Andere Kommunen können einen solchen Beirat oder ein vergleichbares Gremium einrichten. Die Kommunen können ferner Beauftragte für Menschen mit Behinderungen bestellen. 4Näheres wird durch Satzung bestimmt.
(2) Die in Absatz 1 Satz 1 genannten Gebietskörperschaften führen alle fünf Jahre Inklusionskonferenzen mit dem Ziel durch, die Inklusion auf örtlicher Ebene zu stärken und ein koordiniertes Vorgehen zu ermöglichen. Sie erstellen alle fünf Jahre einen Inklusionsbericht über den Stand und die voraussichtliche Entwicklung der in Satz 1 genannten Ziele.
(3) Der Niedersächsische Inklusionsrat von Menschen mit Behinderungen ist ein freiwilliger Zusammenschluss von Beiräten oder vergleichbaren Gremien und Beauftragten für Menschen mit Behinderungen von Kommunen und gilt bei der Anwendung des § 12 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 als Landesverband einer Selbstvertretungsorganisation.
(1) Ein nach § 15 Abs. 3 BGG anerkannter Verband oder dessen niedersächsischer Landesverband kann, ohne die Verletzung in eigenen Rechten geltend zu machen, nach Maßgabe der Verwaltungsgerichtsordnung oder des Sozialgerichtsgesetzes Klage erheben auf Feststellung eines Verstoßes gegen das Benachteiligungsverbot nach § 4 Abs. 1 und 2 und die Verpflichtung zur Herstellung der Barrierefreiheit nach § 6 Abs. 1, § 7 oder 8. Die Klage ist nur zulässig, wenn der Verband durch eine Maßnahme in seinem satzungsgemäßen Aufgabenbereich berührt wird.
(2) Absatz 1 Satz 1 gilt nicht,
Im Fall des Satzes 1 Nr. 2 kann die Klage nach Absatz 1 erhoben werden, wenn es sich um einen Sachverhalt von allgemeiner Bedeutung handelt. Dies ist insbesondere der Fall, wenn eine Vielzahl gleichgelagerter Fälle vorliegt.
(1) Zur Herstellung von Barrierefreiheit können öffentliche Stellen für ihren jeweiligen Aufgabenbereich Zielvereinbarungen mit den nach § 15 Abs. 3 BGG anerkannten Verbänden oder deren niedersächsischen Landesverbänden treffen. Auf Verlangen eines Verbands haben die öffentlichen Stellen Verhandlungen über Zielvereinbarungen aufzunehmen, es sei denn, dass für den beabsichtigten Regelungsbereich bereits eine Zielvereinbarung abgeschlossen ist oder Verhandlungen geführt werden. Die obersten Landesbehörden können für ihren Geschäftsbereich festlegen, welche Stelle für die Verhandlung über und den Abschluss der Zielvereinbarungen zuständig ist.
(2) Hat ein Verband die Aufnahme von Verhandlungen verlangt, so hat er dies unter Benennung des Verhandlungsgegenstands und der Verhandlungsparteien dem für Soziales zuständigen Ministerium anzuzeigen. Das Ministerium gibt die Anzeige auf seiner Internetseite bekannt. Innerhalb von vier Wochen nach der Bekanntgabe haben andere Verbände und öffentliche Stellen im Sinne des Absatzes 1 das Recht, den Verhandlungen durch Erklärung gegenüber den in der Anzeige genannten Verhandlungsparteien beizutreten. Nach Ablauf der Beitrittsfrist sollen die Verhandlungen innerhalb von vier Wochen aufgenommen werden.
(3) In den Zielvereinbarungen nach Absatz 1 sind insbesondere
(4) Das für Soziales zuständige Ministerium führt ein Register, in das der Abschluss, die Änderung und die Aufhebung von Zielvereinbarungen eingetragen werden. Die öffentliche Stelle, die mit einem Verband eine Zielvereinbarung abgeschlossen hat, ist verpflichtet, diese dem für Soziales zuständigen Ministerium innerhalb eines Monats nach Abschluss der Zielvereinbarung schriftlich oder in elektronischer Form zu übersenden. Die öffentliche Stelle hat das für Soziales zuständige Ministerium in gleicher Form innerhalb eines Monats nach einer Änderung oder Aufhebung der Vereinbarung hierüber zu informieren.
(5) Abschluss, Änderung und Aufhebung von Zielvereinbarungen zwischen den in Absatz 1 genannten Landesverbänden und Organisationen aus Wirtschaft und Zivilgesellschaft können auf Wunsch der Zielvereinbarungspartner in das Register (Absatz 4) eingetragen werden.
§ 14 Leistungen für Aufwendungen der kommunalen Gebietskörperschaften 18
(1) Die Landkreise, die Region Hannover und die kreisfreien Städte sowie die Landeshauptstadt Hannover und die Stadt Göttingen erhalten vom Land jährlich insgesamt 1.500.000 Euro.
(2) § 7 des Niedersächsischen Finanzverteilungsgesetzes gilt entsprechend.
(3) Von den Zuweisungen nach Absatz 2 für einen Landkreis oder die Region Hannover erhalten die Gemeinden, soweit sie nicht Mitglied einer Samtgemeinde sind, und die Samtgemeinden 50 vom Hundert des um 5.000 Euro reduzierten Betrages nach dem Verhältnis der Einwohnerzahlen. Dies gilt nicht für die Landeshauptstadt Hannover und die Stadt Göttingen.
§ 15 Landeskompetenzzentrum für Barrierefreiheit 21 23
(1) Das Land richtet bei der oder dem Landesbeauftragten für Menschen mit Behinderungen ein Landeskompetenzzentrum für Barrierefreiheit ein und stellt die für die Erfüllung der Aufgaben nach Absatz 2 notwendige Ausstattung zur Verfügung.
(2) Das Landeskompetenzzentrum für Barrierefreiheit ist die zentrale und unabhängige Anlauf- und Beratungsstelle zu Fragen der Barrierefreiheit für Menschen mit Behinderungen, deren Angehörige sowie die öffentlichen Stellen im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 und des § 9 Abs. 1, für die in § 13a Abs. 5 genannten Institutionen und für die Zivilgesellschaft. Seine Aufgaben sind insbesondere
(3) Ein Expertenkreis, dem mehrheitlich Menschen mit Behinderungen sowie Vertreterinnen und Vertreter der in § 12 Abs. 2 Satz 2 genannten Institutionen angehören, berät das Landeskompetenzzentrum für Barrierefreiheit.
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