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ThürGIGAVO - Verordnung zur Ausführung des Thüringer Gesetzes zur Inklusion und Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen
- Thüringen -
Vom 1. Dezember 2022
(GVBl. Nr. 26 vom 20.12.2022 S. 494; 02.07.2024 S. 277 24 i.K.)
Archiv 2007
Aufgrund des § 12 Abs. 6 und des § 13 Abs. 2 des Thüringer Gesetzes zur Inklusion und Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen (ThürGIG) vom 30. Juli 2019 (GVBl. S. 303), geändert durch Gesetz vom 21. Dezember 2020 (GVBl. S. 682), verordnet die Landesregierung:
Erster Abschnitt
Verwendung von Gebärdensprache und anderen Kommunikationsformen im Verwaltungsverfahren und bei der Kommunikation mit der Schule oder einer Kindertageseinrichtung
§ 1 Geltungsbereich, Berechtigte, Geltendmachung
(1) Dieser Abschnitt gilt
Berechtigte im Sinne dieses Abschnitts sind die in Satz 1 genannten Personen.
(2) Berechtigte nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 können ihren Anspruch nach § 12 Abs. 3 Satz 1 ThürGIG gegenüber dem Träger der öffentlichen Gewalt im Sinne des § 2 ThürGIG geltend machen. Der Anspruch auf Erstattung der Aufwendungen ist durch die Berechtigten nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 für die Kommunikation
geltend zu machen.
§ 2 Anlass und Umfang des Anspruchs 24
(1) Der Anspruch auf Bereitstellung einer Gebärdensprachdolmetscherin oder eines Gebärdensprachdolmetschers, einer Dolmetscherin oder eines Dolmetschers für taubblinde Menschen, einer Schriftdolmetscherin oder eines Schriftdolmetschers oder anderer geeigneter Kommunikationshilfen oder auf Erstattung der Aufwendungen besteht, soweit eine solche Kommunikationshilfe zur Wahrnehmung eigener Rechte in einem Verwaltungsverfahren oder zur Kommunikation der Berechtigten mit Schulen oder einer Kindertageseinrichtung erforderlich ist, in dem dafür notwendigen Umfang. Der notwendige Umfang bestimmt sich insbesondere nach dem individuellen Bedarf der Berechtigten.
(2) Berechtigte haben nach Maßgabe des Absatzes 1 ein Wahlrecht hinsichtlich der zu benutzenden Kommunikationshilfe nach § 3. Dieses Wahlrecht umfasst für Berechtigte nach § 1 Abs. 1 auch das Recht, eine geeignete Kommunikationshilfe selbst bereitzustellen. Die Berechtigten haben dem jeweils zuständigen Träger der öffentlichen Gewalt rechtzeitig mitzuteilen, inwieweit sie von ihrem Wahlrecht nach den Sätzen 1 und 2 Gebrauch machen. Der Träger der öffentlichen Gewalt kann die ausgewählte Kommunikationshilfe zurückweisen, wenn sie ungeeignet ist. Das Bestehen eines Anspruches sowie die Wahlentscheidung nach den Sätzen 1 und 2 sind aktenkundig zu machen und im weiteren Verwaltungsverfahren von Amts wegen zu berücksichtigen.
(3) Erhält der Träger der öffentlichen Gewalt Kenntnis von der Hör- oder Sprachbeeinträchtigung von Beteiligten des Verwaltungsverfahrens, hat er diese nach (gültig bis 31.12.2024 § 25 Abs. 1 Satz 2 des Thüringer Verwaltungsverfahrensgesetzes (ThürVwVfG)) (gültig ab 01.01.2025 § 1 Abs. 1 Satz 1 des Thüringer Verwaltungsverfahrensgesetzes (ThürVwVfG) in Verbindung mit § 25 Abs. 1 Satz 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG)) auf ihr Recht auf barrierefreie Kommunikation und auf das Wahlrecht nach Absatz 2 Satz 1 und 2 hinzuweisen.
(4) Zur Abwehr von unmittelbar bevorstehenden Gefahren für bedeutsame Rechtsgüter, insbesondere für das Leben, die Gesundheit, die Freiheit oder nicht unwesentliche Vermögenswerte, kann im Einzelfall von dem Einsatz einer Kommunikationshilfe abgesehen werden.
§ 3 Kommunikationshilfen
(1) Die Kommunikation mittels einer Gebärdensprachdolmetscherin oder eines Gebärdensprachdolmetschers, einer Dolmetscherin oder eines Dolmetschers für taubblinde Menschen, einer Schriftdolmetscherin oder eines Schriftdolmetschers oder einer anderen geeigneten Kommunikationshilfe ist als geeignete Kommunikationsform anzusehen, wenn sie im konkreten Fall eine für die Wahrnehmung eigener Rechte der Berechtigten im Verwaltungsverfahren erforderliche Verständigung sicherstellt oder die Kommunikation von Eltern mit Hör- oder Sprachbeeinträchtigung mit Schulen oder einer Kindertageseinrichtung gewährleistet.
(2) Als andere geeignete Kommunikationshilfen kommen in Betracht:
§ 4 Art und Weise der Bereitstellung von geeigneten Kommunikationshilfen
Gebärdensprachdolmetscherinnen und Gebärdensprachdolmetscher, Dolmetscherinnen und Dolmetscher für taubblinde Menschen, Schriftdolmetscherinnen und Schriftdolmetscher oder andere geeignete Kommunikationshilfen werden für Berechtigte nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 vom jeweils zuständigen Träger der öffentlichen Gewalt bereitgestellt, es sei denn, die Berechtigten machen von ihrem Wahlrecht nach § 2 Abs. 2 Satz 2 Gebrauch.
§ 5 Grundsätze für eine angemessene Vergütung oder Erstattung
(1) Die vom Träger der öffentlichen Gewalt zu gewährende angemessene Vergütung oder Erstattung von notwendigen Aufwendungen von Gebärdensprachdolmetscherinnen und Gebärdensprachdolmetschern, Dolmetscherinnen und Dolmetschern für taubblinde Menschen, Schriftdolmetscherinnen und Schriftdolmetschern sowie Kommunikationshilfen nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 richtet sich nach den Absätzen 2 bis 4 und 6 in Verbindung mit dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG).
(2) Eine Vergütung in Höhe des Honorars für Dolmetscherinnen und Dolmetscher nach § 9 Abs. 5 Satz 1 JVEG erhalten Gebärdensprachdolmetscherinnen und Gebärdensprachdolmetscher, Dolmetscherinnen und Dolmetscher für taubblinde Menschen, Schriftdolmetscherinnen und Schriftdolmetscher sowie Kommunikationshilfen nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a bis c mit nachgewiesener abgeschlossener Berufsausbildung oder staatlicher Anerkennung für das ausgeübte Tätigkeitsfeld.
(3) Eine Vergütung in Höhe von 75 Prozent der Vergütung nach Absatz 2 erhalten Gebärdensprachdolmetscherinnen und Gebärdensprachdolmetscher, Dolmetscherinnen und Dolmetscher für taubblinde Menschen, Schriftdolmetscherinnen und Schriftdolmetscher sowie Kommunikationshilfen nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a bis c mit nachgewiesener abgeschlossener Qualifizierung für das ausgeübte Tätigkeitsfeld.
(4) Eine pauschale Abgeltung in Höhe von 25 Prozent der Vergütung nach Absatz 2, mindestens aber eine Abgeltung für die entstandenen Aufwendungen erhalten Gebärdensprachdolmetscherinnen und Gebärdensprachdolmetscher, Dolmetscherinnen und Dolmetscher für taubblinde Menschen, Schriftdolmetscherinnen und Schriftdolmetscher sowie Kommunikationshilfen nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 ohne nachgewiesene abgeschlossene Berufsausbildung oder Qualifizierung für das ausgeübte Tätigkeitsfeld.
(5) Für den Einsatz anderer geeigneter Kommunikationshilfen nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 und 3 trägt der jeweils zuständige Träger der öffentlichen Gewalt die entstandenen Aufwendungen.
(6) Die Träger der öffentlichen Gewalt können mit Gebärdensprachdolmetscherinnen und Gebärdensprachdolmetscher, Dolmetscherinnen und Dolmetscher für taubblinde Menschen, Schriftdolmetscherinnen und Schriftdolmetscher sowie Kommunikationshilfen nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 hinsichtlich der Vergütung und Abgeltung für die entstandenen Aufwendungen von den Absätzen 1 bis 4 abweichende Rahmenvereinbarungen treffen.
(7) Der Träger der öffentlichen Gewalt erstattet die Vergütung oder die pauschale Abgeltung unmittelbar denjenigen, die sie erbracht haben. Stellen die Berechtigten die Kommunikationshilfe nach § 2 Abs. 2 Satz 2 selbst bereit, trägt der Träger der öffentlichen Gewalt die Kosten nach den Absätzen 1 bis 5 nur nach Maßgabe des § 2 Abs. 1. In den Fällen des Satzes 2 dürfen die Berechtigten nicht auf eine Erstattung verwiesen werden, es sei denn, sie wünschen dies oder es liegt ein sonstiger besonderer Grund vor.
Zweiter Abschnitt
Zugänglichmachung von Dokumenten für Blinde und Menschen mit Sehbeeinträchtigungen im Verwaltungsverfahren
§ 6 Geltungsbereich, Berechtigte, Geltendmachung
(1) Dieser Abschnitt gilt für alle natürlichen Personen, die als Beteiligte eines Verwaltungsverfahrens wegen Blindheit oder einer anderen Sehbeeinträchtigung nach Maßgabe des § 3 ThürGIG in Verbindung mit § 13 Abs. 1 Satz 2 ThürGIG zur Wahrnehmung eigener Rechte einen Anspruch darauf haben, dass ihnen Dokumente barrierefrei in einer für sie wahrnehmbaren Form zugänglich gemacht werden. Berechtigte im Sinne dieses Abschnitts sind die in Satz 1 genannten Personen.
(2) Berechtigte nach Absatz 1 können ihren Anspruch nach § 13 Abs. 1 Satz 2 ThürGIG gegen die in § 2 ThürGIG genannten Träger der öffentlichen Gewalt geltend machen.
§ 7 Gegenstand der Zugänglichmachung
Der Anspruch nach § 13 Abs. 1 Satz 2 ThürGIG umfasst Bescheide, Allgemeinverfügungen, öffentlich-rechtliche Verträge und Vordrucke einschließlich der Anlagen (Dokumente).
§ 8 Formen der Zugänglichmachung
(1) Die Dokumente können den Berechtigten schriftlich, elektronisch, akustisch, mündlich oder in sonstiger Weise zugänglich gemacht werden.
(2) Werden Dokumente in schriftlicher Form zugänglich gemacht, erfolgt dies in Blindenschrift oder in Großdruck. Bei Großdruck sind ein Schriftbild, eine Kontrastierung und eine Papierqualität zu wählen, die die individuelle Wahrnehmungsfähigkeit der Berechtigten ausreichend berücksichtigt.
(3) Die Dokumente können den Berechtigten durch den jeweils zuständigen Träger der öffentlichen Gewalt selbst, durch andere Träger der öffentlichen Gewalt oder durch beauftragte Dritte in der für sie wahrnehmbaren Form zugänglich gemacht werden.
(4) Die Landesfachstelle für Barrierefreiheit nach § 20 Abs. 1 Nr. 4 ThürGIG berät die Träger der öffentlichen Gewalt bei ihrer Aufgabe, blinden Menschen und Menschen mit anderen Sehbeeinträchtigungen nach Maßgabe dieses Abschnitts Dokumente zugänglich zu machen.
§ 9 Zeitpunkt der Zugänglichmachung
Dokumente sollen den Berechtigten gleichzeitig mit der Bekanntgabe auch in der für sie wahrnehmbaren Form zugänglich gemacht werden. Die im Verwaltungsverfahren maßgeblichen Regelungen zu Fristen und Terminen sowie zur Form, Bekanntgabe und Zustellung von Dokumenten bleiben von dieser Verordnung unberührt.
(1) Der Anspruch, dass Dokumente barrierefrei zugänglich gemacht werden, besteht in dem notwendigen Umfang, der zur Wahrnehmung eigener Rechte in einem Verwaltungsverfahren erforderlich ist. Der notwendige Umfang bestimmt sich insbesondere nach dem individuellen Bedarf der Berechtigten.
(2) Die Entscheidung, in welcher der in § 8 Abs. 1 genannten Formen die Dokumente zugänglich gemacht werden, trifft der Träger der öffentlichen Gewalt in Abstimmung mit den Berechtigten. Die Berechtigten teilen hierzu dem jeweils zuständigen Träger der öffentlichen Gewalt rechtzeitig die Art der Beeinträchtigung und die aus ihrer Sicht geeignete Form, in der Dokumente zugänglich gemacht werden können, mit. Den Wünschen von Berechtigten, die sich auf die Form der Zugänglichmachung beziehen, soll entsprochen werden, soweit
Die Blindheit oder die Sehbeeinträchtigung sowie die Entscheidung nach Satz 1 sind aktenkundig zu machen und im weiteren Verwaltungsverfahren von Amts wegen zu berücksichtigen.
(3) Erhält der Träger der öffentlichen Gewalt Kenntnis von der Blindheit oder einer anderen Sehbeeinträchtigung von Beteiligten des Verwaltungsverfahrens, hat er diese nach ( § 25 Abs. 1 Satz 2 ThürVwVfG gültig ab 01.01.2025 § 1 Abs. 1 Satz 1 ThürVwVfG in Verbindung mit § 25 Abs. 1 Satz 2 VwVfG) auf ihren Anspruch nach § 13 Abs. 1 Satz 2 ThürGIG hinzuweisen.
§ 11 Kostentragung
Für die Berechtigten entstehen nach § 13 Abs. 1 Satz 2 ThürGIG keine zusätzlichen Kosten.
Dritter Abschnitt
Zugänglichmachung von Dokumenten für Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen im Verwaltungsverfahren
§ 12 Geltungsbereich, Berechtigte
(1) Dieser Abschnitt gilt für alle natürlichen Personen, die als Beteiligte eines Verwaltungsverfahrens wegen kognitiver Beeinträchtigungen nach Maßgabe des § 3 ThürGIG in Verbindung mit § 14 Abs. 1 Satz 2 ThürGIG zur Wahrnehmung eigener Rechte einen Anspruch darauf haben, dass ihnen Dokumente auf Verlangen ohne zusätzliche Kosten in einfacher und leicht verständlicher Art und Weise erklärt werden. Berechtigte im Sinne dieses Abschnitts sind die in Satz 1 genannten Personen.
(2) Berechtigte nach Absatz 1 können ihren Anspruch gegen die in § 2 ThürGIG genannten Träger der öffentlichen Gewalt geltend machen.
§ 13 Gegenstand der Zugänglichmachung
Der Anspruch nach § 14 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit § 13 Abs. 2 ThürGIG umfasst Dokumente einschließlich der Anlagen, auf die in den Dokumenten Bezug genommen wird.
§ 14 Formen der Zugänglichmachung
(1) Die Träger der öffentlichen Gewalt sollen den Berechtigten auf deren Verlangen die Dokumente in einfacher und leicht verständlicher Art und Weise erklären.
(2) Ist die Erklärung nach Absatz 1 nicht ausreichend, sollen die Träger der öffentlichen Gewalt den Berechtigten auf deren Verlangen die Dokumente schriftlich in Leichter Sprache erklären.
(3) Die Landesfachstelle für Barrierefreiheit nach § 20 Abs. 1 Nr. 4 ThürGIG berät die Träger der öffentlichen Gewalt bei der Kommunikation in einfacher und leicht verständlicher Sprache mit Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen.
§ 15 Kostentragung
Für die Berechtigten entstehen nach § 14 Abs. 1 Satz 2 ThürGIG keine zusätzlichen Kosten.
Vierter Abschnitt
Schlussbestimmungen
§ 16 Gleichstellungsbestimmung
Status- und Funktionsbezeichnungen in dieser Verordnung gelten jeweils auch für Personen, die mit der Angabe "divers" oder ohne eine Angabe des Geschlechts in das Geburtenregister eingetragen sind.
§ 17 Inkrafttreten, Außerkrafttreten
(1) Diese Verordnung tritt am Tage nach der Verkündung in Kraft.
(2) Gleichzeitig mit Inkrafttreten nach Absatz 1 tritt die Verordnung zur Ausführung des Thüringer Gesetzes zur Gleichstellung und Verbesserung der Integration von Menschen mit Behinderungen vom 4. Mai 2007 (GVBl. S. 69), zuletzt geändert durch Artikel 3 des Gesetzes vom 30. Juli 2019 (GVBl. S. 312), außer Kraft.
ENDE |