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MSC.1/Rundschreiben 1394/Rev.2 - Allgemeine Richtlinien für die Entwicklung zielgerichteter Normen der IMO

Vom 8. Juli 2019
(VkBl. Nr. 23 vom 15.12.2021 S. 1133)



Archiv: 2013, 2016

1 Der Schiffssicherheitsausschuss hat auf seiner neunundachtzigsten Tagung (11. bis 20. Mai 2011), mit dem Ziel der Bereitstellung des Verfahrens für die Entwicklung, Prüfung, Umsetzung und Überwachung der zielgerichteten Normen zur Unterstützung der Regelentwicklung innerhalb der IMO, die Allgemeinen Richtlinien für die Entwicklung zielorientierter Schiffbaunormen (goalbased standards = GBS) der IMO angenommen (MSC.1/Rundschreiben 1394).

2 Unter Berücksichtigung der Anwendung der Allgemeinen Richtlinien während der Erarbeitung zielgerichteter Regeln der IMO hat der Schiffssicherheitsausschuss auf seiner fünfundneunzigsten Tagung (3. bis 12. Juni 2015) die überarbeiteten Allgemeinen Richtlinien (MSC.1/Rundschreiben 1394/Rev.1) angenommen. Anschließend hat der Ausschuss auf seiner einhundertersten Tagung (5. bis 14. Juni 2019) eine weitere Überarbeitung der Allgemeinen Richtlinien angenommen. Der Wortlaut der überarbeiteten Allgemeinen Richtlinien ist in der Anlage wiedergegeben.

3 Mitgliedsregierungen sind aufgefordert, die anliegenden Allgemeinen Richtlinien anzuwenden und allen Beteiligten zur Kenntnis zu bringen.

4 Das vorliegende Rundschreiben ersetzt das MSC.1/ Rundschreiben 1394/Rev.1.

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Allgemeine Richtlinien für die Entwicklung zielgerichteter Normen der IMOAnlage


Zweck

1 Diese Richtlinien beschreiben das Verfahren für die Entwicklung, Prüfung, Umsetzung und Überwachung der zielgerichteten Normen (goalbased standards = GBS) zur Unterstützung der Regelentwicklung innerhalb der IMO. GBS bilden "Vorschriften für Vorschriften".

2 Diese Richtlinien sind von allgemeiner Natur und, wenn sie Ausdrücke wie beispielsweise "gefordertes Sicherheitsniveau" verwenden, bedeutet dies keine Bevorzugung eines bestimmten technischen Ansatzes.

Begriffsbestimmungen und Fachausdrücke

3 Ein Rahmen zielgerichteter Normen besteht aus den zielgerichteten Normen und den zugehörigen detaillierten Anforderungen der Vorschriften und Regeln für Schiffe (siehe Abbildung 1). Ein Beispiel für eine Struktur zielgerichteter Regeln enthält der Anhang 1.

4 Unfall ist ein unbeabsichtigtes Ereignis, das mit Tod oder Verletzung, mit dem Verlust oder der Beschädigung des Schiffes, dem Verlust oder der Beschädigung sonstigen Eigentums oder mit Umweltschädigung einhergeht.

5 Zielgerichtete Normen (GBS) sind übergeordnete Normen und Verfahren, die durch Regeln, Vorschriften und Normen für Schiffe zu erfüllen sind. GBS umfassen mindestens ein Ziel, eine oder mehrere diesem Ziel zugeordnete funktionale Anforderung bzw. Anforderungen und eine Konformitätsprüfung hinsichtlich der Erfüllung der funktionalen Anforderungen, einschließlich der Ziele, durch die Vorschriften bzw. Regeln.

6 Risiko ist die Kombination von Häufigkeit und Folgenschwere.

7 Kommentar zu einer Vorschrift bzw. Regel ist eine Erklärung, welche funktionale Anforderung bzw. funktionalen Anforderungen mittels der Vorschrift bzw. Regel (Abschnitt oder Kapitel) abgedeckt werden soll bzw. sollen und auf welche Weise sie abgedeckt werden soll bzw. sollen, einschließlich eines Abrisses der zum Nachweis der Tatsache durchge führten Analyse, dass die Vorschriften bzw. Regeln den funktionalen Anforderungen, die sie abdecken sollen, gerecht werden.

8 Sicherheit ist das Nichtvorhandensein unakzeptabel hoher Risiken.

Grundprinzipien

9 Zielgerichtete Normen der IMO sind:

  1. breit angelegte, übergreifende Normen zur Sicherheit, zum Umweltschutz und/oder zur Gefahrenabwehr, die Schiffe während ihrer Lebensdauer einhalten müssen;
  2. das geforderte Niveau, das durch die von Klassifikationsgesellschaften und sonstigen anerkannten Organisationen, Verwaltungen und der IMO angewandten Anforderungen erreicht werden muss;
  3. unabhängig vom Entwurf und der Technologie eines Schiffes eindeutig, nachweisbar, überprüfbar, beständig, umsetzbar und erfüllbar; und
  4. präzise genug, um keinen Raum für unterschiedliche Auslegungen zu bieten.

Ziele (Stufe I)

10 Die Ziele sind übergeordnete Zielvorgaben, die zu erfüllen sind. Ein Ziel muss dem bzw. den jeweiligen Anliegen dienlich sein und dem geforderten Sicherheitsniveau entsprechen.

Abbildung 1: Rahmen zielgerichteter Normen


Funktionale Anforderungen (Stufe II)

11 Funktionale Anforderungen liefern die für die Erreichung der Ziele zu erfüllenden Kriterien. Deshalb müssen, sobald ein Ziel festgelegt worden ist, funktionale Anforderungen entwickelt werden.

12 Um dem Grundanliegen zielgerichteter Normen gerecht zu werden, müssen funktionale Anforderungen die folgenden Punkte erfüllen:

  1. Die funktionalen Anforderungen müssen alle für die Erreichung des Ziels notwendigen Bereiche abdecken;
  2. die funktionalen Anforderungen müssen allen relevanten Gefahren gerecht werden;
  3. die funktionalen Anforderungen müssen die für die Erreichung des Ziels zu erfüllenden Kriterien bieten, d. h. die Kriterien, nach denen Regeln und Vorschriften in Stufe III begründet bzw. geprüft werden (Konformitätsprüfung);
  4. die funktionalen Anforderungen müssen unabhängig von technischen Ausführungen sein, um Raum für den weiteren technologischen Fortschritt zu lassen; und
  5. die funktionalen Anforderungen müssen eindeutig beschreiben, welche Funktion erreicht werden muss.

Für die Einhaltung der Punkte .1 und .2 der obigen Liste müssen funktionale Anforderungen auf einer Bestimmung und Einstufung der im betrachteten Bereich bestehenden Gefahren beruhen. Funktionale Anforderungen können in hierarchischer Gliederung unter Berücksichtigung unterschiedlicher Ebenen entwickelt werden, ausgehend von einer allgemeinen Ebene und untermauert durch funktionale Anforderungen, welche die geforderte Funktion genauer beschreiben.

13 Funktionale Anforderungen müssen unter Berücksichtigung der folgenden drei Elemente formuliert werden:

  1. Der Beschreibung: eine genaue und kurze Erklärung der geforderten Funktion;
  2. der Begründung: eine Zuordnung der durch die betrachtete Funktion einzudämmenden Gefahren; und
  3. der erwarteten Leistung: eine quantitative Beschreibung der notwendigen Funktion; wenn dieses undurchführbar ist, kann die erwartete Leistung in überprüfbaren qualitativen Beschreibungen formuliert werden. Diese Beschreibung muss alle Aspekte abdecken, die für den Nachweis der Erfüllung von Anforderungen notwendig sind, sowie die Bedingungen, unter denen diese zu erfüllen sind.

Die Gesamtheit der hierarchisch aufgebauten, vom Allgemeinen zum Spezifischen reichenden funktionalen Anforderungen muss die oben aufgeführten Elemente berücksichtigen. Diese Elemente funktionaler Anforderungen müssen in einer Weise formuliert werden, die jeden Bezug zu bestehenden technischen Lösungen, z.B. durch das Anführen von Beispielen, vermeidet. Außerdem müssen funktionale Anforderungen den Hintergrund für Regeln und Vorschriften angeben, und deshalb muss die Beziehung zwischen funktionalen Anforderungen und zugehörigen Regeln bzw. Vorschriften eindeutig sein.

14 Ein Beispiel für die hierarchische Gliederung funktionaler Anforderungen sowie Beispiele für die Formulierung funktionaler Anforderungen sind im Anhang 2 zu diesen Richtlinien zu finden. Anhang 3 bietet ein Beispiel des Verfahrens für die Entwicklung funktionaler Anforderungen.

15 Abbildung 2 zeigt ein vereinfachtes Beispiel dafür, wie zielgerichtete funktionale Anforderungen für die Schiffsstruktur hergeleitet werden könnten.

Abbildung 2: Vereinfachtes Beispiel dafür, wie zielgerichtete funktionale Anforderungen für die Schiffsstruktur hergeleitet werden könnten


Konformitätsprüfung (Stufe III)

16 Die Konformitätsprüfung liefert das Instrumentarium, das für den Nachweis und die Prüfung, dass die zugehörigen Vorschriften und Regeln für Schiffe den Zielen und funktionalen Anforderungen entsprechen, notwendig ist. Das Prüfungsverfahren muss auf die Konformität mit den funktionalen Anforderungen konzentriert sein. Das Prüfungsverfahren muss transparent sein und zu einheitlichen, vom jeweiligen Gutachter unabhängigen Ergebnissen führen.

17 Die Konformitätsprüfung muss die während des Prüfungsverfahrens anzuwendenden Methoden und Kriterien festlegen und die folgenden Elemente berücksichtigen:

  1. die Angabe der von den Vorschriften bzw. Regeln angesprochenen funktionalen Anforderung bzw. Anforderungen;
  2. das Ausmaß, in dem die Vorschriften bzw. Regeln die funktionalen Anforderungen abdecken und zur Erreichung des Ziels bzw. der Ziele beitragen;
  3. den Kommentar zu einer Vorschrift bzw. Regel;
  4. die technische Dokumentation, die Folgendes enthalten kann:
    1. den Mechanismus zur Erfüllung der funktionalen Anforderungen durch die Vorschriften bzw. Regeln (betrieblich, technisch, Entwurf usw.);
    2. eine Erklärung der Art und Weise, in der die Vorschrift bzw. Regel formuliert bzw. entworfen wurde, einschließlich technischer Hintergrundinformationen; und
    3. die bei der Herleitung der Vorschrift bzw. Regel verwendete Methodik, begleitet von untermauernden Begründungen bzw. Rechtfertigungen;
  5. die beim Entwicklungsprozess der Vorschrift bzw. Regel durchgängig angewandten Qualitätssicherungsverfahren; und
  6. Methoden zur Einholung von Rückmeldungen über die Wirksamkeit der Vorschriften bzw. Regeln und zur Förderung fortlaufender Verbesserungen.

18 Die Konformitätsprüfung muss:

  1. auf Methoden beruhen, die von der Aufstellung auf Grundprinzipien basierender Modelle bis hin zur Auswertung von Datensammlungen reichen;
  2. auf Analysen beruhen, die bewährte und etablierte Technologie nutzen;
  3. auf definierten eindeutigen qualitativen und quantitativen Kriterien beruhen, wobei die quantitativen Werte vorzuziehen sind; und
  4. prüfen, ob derzeit bekannte Versagensformen und -ursachen abgedeckt werden;
  5. nach Maßgabe der IMO von unabhängigen Auditoren und/oder zuständigen Organen der IMO überprüft werden.

19 Der Entwickler der zu prüfenden Vorschriften bzw. Regeln ist verantwortlich für die Durchführung einer Analyse, die nachweist, dass die Vorschriften bzw. Regeln den funktionalen Anforderungen, die sie abdecken sollen, gerecht werden.

Vorschriften und Regeln für Schiffe (Stufe IV)

20 Vorschriften und Regeln für Schiffe sind die detaillierten Anforderungen, die von der IMO, nationalen Verwaltungen, und/oder Klassifikationsgesellschaften entwickelt und von nationalen Verwaltungen und/ oder Klassifikationsgesellschaften, die als anerkannte Organisationen tätig sind, angewendet werden, um den Zielen und funktionalen Anforderungen gerecht zu werden. Diese detaillierten Anforderungen werden Bestandteil eines Rahmens zielgerichteter Normen, sobald ihre Konformität mit den zielgerichteten Normen nachgewiesen worden ist.

Branchenübliche Praxis und Normen (Stufe V)

21 Die Regeln bzw. Vorschriften dürfen Bezug nehmen auf Industrienormen, Ausführungsvorschriften sowie auf Sicherheits- und Qualitätssysteme für Schiffbau, Schiffsbetrieb, Instandhaltung, Ausbildung, Schiffsbesetzung usw. Die Verantwortung für die Rechtfertigung der Angemessenheit solcher branchenüblicher Praxis und Normen, auf die in miteinander zusammenhängenden Vorschriften Bezug genommen wird, liegt bei demjenigen, der die Vorschrift bzw. Regel einreicht. Diese Rechtfertigung muss Teil des Konformitätsprüfungsverfahrens sein.

Überwachung

22 Überwachung ist eine Methode zur Bewertung der Wirksamkeit von Zielen (Stufe I), funktionalen Anforderungen (Stufe II), Vorschriften und Regeln (Stufe IV) und Normen bzw. Praxis (Stufe V) sowie das Bestreben, Risiken zu erkennen, die bei der ursprünglichen Entwicklung der Vorschriften bzw. Regeln nicht beachtet wurden. Um zu überprüfen, ob das mit der Schifffahrt verbundene Risiko so gering gehalten wird, wie es vernünftigerweise durchführbar ist, muss der Rahmen zielgerichteter Normen fortlaufend überwacht und systematisch analysiert werden. Der Detaillierungsgrad der Datenaufzeichnung hängt vom zu überwachenden Punkt ab.

23 Wie in Abbildung 1 dieser Richtlinien dargestellt, wird zwischen zwei Überwachungsverfahren unterschieden:

  1. der Überwachung der Wirksamkeit einzelner Vorschriften bzw. Regeln; und
  2. der Überwachung der Wirksamkeit der Ziele (Stufe I) und der funktionalen Anforderungen (Stufe II).

24 Das einzurichtende Überwachungssystem muss sich befassen mit (die Reihenfolge ist keine Wertung der Wichtigkeit):

  1. der Sicherheit der Fahrgäste;
  2. dem Gemeinwohl;
  3. der Arbeitssicherheit und dem Gesundheitsschutz von Seeleuten;
  4. der Sicherheit des Schiffes;
  5. dem Umweltschutz; und
  6. dem Schutz der Ladung.

25 Für beide Verfahren muss die Überwachung unter anderem vorhergehende Datensammlungen wie z.B. Unfallberichte, Betriebserfahrungen, Unfalluntersuchungen, Berichte über Vorfälle, Berichte über Beinahe-Unfälle, neue wissenschaftliche Erkenntnisse, wie sie in der Branche veröffentlicht werden, sowie Risikoanalysen berücksichtigen.

26 Die Zuständigkeiten für die Überwachung müssen bezüglich der Überwachungsaufgaben wie folgt zugewiesen werden:

  1. Stufe I:
    1. Überwachung (einschließlich Datensammlung): IMO
    2. Analyse: IMO
    3. Bewertung: Ausschüsse
  2. Stufe II:
    1. Überwachung (einschließlich Datensammlung): Unterausschüsse
    2. Analyse: Unterausschüsse
    3. Bewertung: Unterausschüsse
  3. Stufe IV:
    1. Vorschriften: Überwachung (einschließlich Datensammlung) und Analyse durch den Ersteller der Vorschrift, Bewertung durch den Ersteller der Vorschrift; Aufsicht durch die IMO;
    2. Anforderungen: Überwachung und Analyse durch IMO/Unterausschüsse, Bewertung durch IMO/Unterausschüsse, Ersteller der Vorschrift.

27 Die für die Überwachung und Analyse verantwortliche Organisation ist bzw. die verantwortlichen Organisationen sind auch für die Entwicklung und Aktualisierung des Berichtsformats zuständig.

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Ein Beispiel für den Aufbau zielgerichteter RegelnAnhang 1

Präambel

1 Der internationale Code für ...

2 Dieser Code wurde entwickelt ...

3 Verweis auf die Beziehung zu anderen relevanten Codes bzw. Normen

Allgemeines
...

Einleitung

Dieser Teil des Codes enthält ...

Begriffsbestimmungen

Im Sinne des Codes haben die verwendeten Ausdrücke, soweit nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist, die in den folgenden Absätzen definierte Bedeutung. Ausdrücke, die im Code verwendet werden, aber nicht definiert sind, sind so zu verstehen, wie sie in den relevanten Übereinkommen definiert sind.

Anwendung
...

Ziele

Das Ziel dieses Codes ist ...

Funktionale Anforderungen

Zur Erreichung seines Ziels enthält dieser Code ...

Regel A-1

Ziele

Das Ziel dieser Regel ist es, dafür zu sorgen, dass ...

Funktionale Anforderungen

Zur Erreichung der oben genannten Ziele sorgen die folgenden funktionalen Anforderungen dafür,

.1 dass ...;

.2 dass ...;

Regeln/Anforderungen
...

Regel A-2

Ziele

Das Ziel dieser Regel ist es, dafür zu sorgen, dass ...

Funktionale Anforderungen

Zur Erreichung der oben genannten Ziele sorgen die folgenden funktionalen Anforderungen dafür,

.1 dass ...;

.2 dass ...;

Regeln/Anforderungen
...

Regel A-3

Ziele

Das Ziel dieser Regel ist es, dafür zu sorgen, dass ...

usw.

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Beispiele für die Formulierung funktionaler AnforderungenAnhang 2

Dieser Anhang stellt Beispiele für funktionale Anforderungen zur Verfügung, eins für eine hierarchisch in Ebenen gegliederte Struktur und eins für eine auf Übergeordnetes beschränkte Struktur, beide in Übereinstimmung mit diesen Richtlinien. Diese Beispiele können noch weiterentwickelt werden, insbesondere in Bezug auf eine quantitative erwartete Leistung.

Bereich: Kapitel III SOLAS

Beispiel für Ebenen funktionaler Anforderungen

Übergeordnete allgemeine funktionale Anforderungen

  1. Information: Bereitstellung erforderlicher Informationen über die Verhältnisse sowohl innerhalb des in Not befindlichen Schiffes als auch in dessen Umgebung.
  2. Nachrichtenübermittlung: Gewährleistung erforderlicher Mittel zur Meldung von Notfällen, zur Verständigung mit Such- und Rettungsorganisationen und zur Anzeige des Schiffsstandortes.
  3. Flucht: Bereitstellung von Möglichkeiten für eine sichere Flucht zu den Sammelplätzen.
  4. Evakuierung von Schiffen: Bereitstellung einer sicheren Möglichkeit zur Evakuierung von Fahrgästen und/oder Besatzungsmitgliedern von den Sammelplätzen zu einem Überlebensfahrzeug und Gewährleistung der Sicherheit ihres Lebens auf See.

Spezifische funktionale Anforderungen

BeschreibungBegründungErwartete Leistung
Sicherer Ort

Bereitstellung eines sicheren Ortes zum Schutz aller Personen (Besatzung und Fahrgäste) von einem Schiff in Not bis zur Rettung

Brand und Explosion sowie Verlust der Schwimmfähigkeit des Schiffes gefährden Personen an Bord und machen einen Ort zum Überleben bis zur Rettung erforderlich
  • Sicher selbst im Falle eines Sinkens des Schiffes
  • Sicher im Falle eines Brandes auf dem Schiff
  • Schutz für die erwartete Zeitdauer bis zur Rettung (vom Gesetzgeber vorgegeben?)
Schutz gegen die Umgebung

Bereitstellung von Mitteln zum Schutz von Menschen in Not gegen (extreme) Umgebungsbedingungen

Hohe bzw. tiefe Temperaturen, Starkwind, Tiere usw. können Personen durch Gefahren wie Unterkühlung, Hitzschlag usw. gefährden
  • Es wird eine bewohnbare Umgebung bereitgestellt, die Personen gegen die erwarteten Bedingungen hinsichtlich Temperaturen, Wind, Sonneneinstrahlung usw. schützt, ...
Verhindern des Ertrinkens

Bereitstellung von Mitteln zur Ermöglichung des Überlebens im Wasser bis zur Rettung

Personen im Wasser sind durch Ertrinken und Unterkühlung gefährdetEs werden Mittel bereitgestellt, um
  • das Ertrinken von (bewusstlosen wie auch bei Bewusstsein befindlichen) Personen im Wasser zu verhindern
  • die Rettung aus dem Wasser zu ermöglichen bzw. zu unterstützen?
Überleben auf See

Bereitstellung von Mitteln für das Überleben auf See

Personen in Not sind durch Verhungern, Verdursten oder Verletzungen gefährdet

Personen an Bord sind durch die Folgen von Verletzungen gefährdet

Es werden Mittel bereitgestellt, um
  • Menschen ausreichend mit Wasser zu versorgen
  • Menschen ausreichend mit Kalorien zu versorgen
  • medizinische Erstversorgung von Verletzungen zu ermöglichen
  • dies alles während der erwarteten Zeitdauer bis zur Rettung zu gewährleisten

Bereich: Kapitel II2 SOLAS

Übergeordnete allgemeine funktionale Anforderungen

BeschreibungBegründungLeistung
Begrenzung und Löschung jeden Brandes im Raum seiner EntstehungBrand und Explosion gefährden Personen an Bord. Verringerung der Möglichkeit einer Brandausbreitung
  • Begrenzung des Brandes auf den Brandabschnitt seiner Entstehung für einen vorgegebenen Zeitraum
  • Begrenzung des Brandes durch passive und/oder aktive Mittel
  • Bereitstellung von Mitteln zum Feuerlöschen

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Beispiel des Verfahrens für die Entwicklung funktionaler AnforderungenAnhang 3

Allgemeines

1 Dieser Anhang stellt ein Beispiel des Verfahrens für die Entwicklung funktionaler Anforderungen mit ausführlichen Erläuterungen zur Verfügung.

2 Die Entwicklung funktionaler Anforderungen ist die nächste Stufe im Verfahren der Entwicklung zielgerichteter Normen, die der Festlegung des Ziels folgt.

3 Die Entwicklung funktionaler Anforderungen umfasst drei Stufen:

  1. Bestimmung, Einstufung und Auswahl der relevanten Gefahren;
  2. Entwicklung risikoeindämmender Funktionen und der erwarteten Leistung; und
  3. Formulierung funktionaler Anforderungen einschließlich Beschreibung, Begründung und erwarteter Leistung.

4 Die Bestimmung und die Einstufung der Gefahr sowie die anschließende Auswahl der relevanten Gefahren werden als Voraussetzung für die Entwicklung aller funktionalen Anforderungen angesehen. Gefahren sind alle Situationen, die das Potential haben, das menschliche Leben, die Gesundheit, das Eigentum oder die Umwelt zu bedrohen. Die Bestimmung einer Gefahr kann auf verschiedene Weise vorgenommen werden, z.B. system- oder prozessbedingt, und kann mit unterschiedlichen Detaillierungsgraden durchgeführt werden, was normalerweise zu unterschiedlichen Detaillierungsgraden der anschließend entwickelten risikoeindämmenden Funktionen führt. Verfahren und weitere Anleitungen über die Bestimmung der Gefahr sind in den Revised guidelines for Formal Safety Assessment (FSA) for use in the IMO rulemaking process (FSA-Guidelines) (MSC-MEPC.2/Circ.12/Rev.2) angegeben.

5 Gefahren, die als relevant ausgewählt wurden, sind anschließend zu verwenden, um risikoeindämmende Funktionen zu entwickeln. Fehlende Gefahren und Funktionen könnten möglicherweise zu Lücken in den Vorgaben der Stufe IV (Vorschriften und Regeln) und Stufe V (branchenübliche Praxis und Normen) führen und damit die Stufe I (Ziele) nicht erfüllen.

6 Die erwartete Leistung wird bzw. die erwarteten Leistungen werden für jede der risikoeindämmenden Funktionen entwickelt, welche die zu erreichende Wirksamkeit angibt. Dies liefert die Kriterien für die Überprüfung der Einhaltung des Ziels, muss Teil der funktionalen Anforderungen sein und muss so präzise wie möglich formuliert sein. Wenn die erwartete Leistung quantifiziert wird, wird empfohlen, andere Normen (z.B. Funktionsanforderungen und Leistungsanforderungen für die Bewertung von Leitsystemen für die Evakuierung (MSC/Rundschreiben 1167)) und leicht zugängliche wissenschaftliche Erkenntnisse und, im Fall von bestehenden IMO-Vorschriften, die Leistung, die explizit und implizit in ihnen enthalten sind, zu berücksichtigen.

7 Es wird als notwendig angesehen, genau anzugeben, unter welchen Bedingungen die erwartete Leistung erfüllt sein muss (z.B. wurde die erwartete Leistung eines Betriebsmittels für einen bestimmten Temperaturbereich entwickelt). Wenn diese Bedingungen für eine Gruppe risikoeindämmender Funktionen (oder alle) relevant sind, wird es als notwendig angesehen, diese im einleitenden Text zusammenzufassen.

8 Der letzte Schritt bei der Formulierung der funktionalen Anforderungen ist, die Begründung, die risikoeindämmenden Funktionen und die erwartete Leistung einzubeziehen.

9 Das nachfolgende Beispiel dient nur zur Veranschaulichung.

Beispiel: Wie sind funktionale Anforderungen zu entwickeln

Im folgenden Beispiel werden Rettungsmittel und -vorrichtungen verwendet.

Stufe I (Ziele)

Im Zusammenhang mit diesem Beispiel könnte das "Ziel" wie folgt definiert werden:

Das menschliche Leben während und nach einem Notfall zu retten und zu erhalten.

Um die Gefahr umfänglich zu bestimmen, ist das Ziel wie folgt interpretiert worden:

  1. während und nach ... zu retten und zu erhalten ist so zu interpretieren, dass die funktionalen Anforderungen die Zeit umfassen sollen, die mit dem Notfall beginnt und mit dem Erreichen eines Zufluchtsortes endet;
  2. menschliches Leben bezieht sich auf alle Personen an Bord des Schiffes;
  3. Notfälle sind Situationen infolge von Zwischenfällen oder Unfällen, wie zum Beispiel Kollision, Berührung, Brand und Explosion, Grundberührung, Untergang oder das Überbordfallen einer Person usw.;
  4. ...

Ferner ist das Ziel nicht auf Betriebs-, Umgebungs- oder Wetterbedingungen begrenzt.

Gefahrenbestimmung

Alle Gefahren sind für den betrachteten Sachverhalt zu bestimmen und zu bewerten oder, falls eine solche Aufstellung bereits vorhanden ist, sorgfältig zu überprüfen.

In diesem Beispiel gibt es zwei übergeordnete Gefahren zur Betrachtung:

  1. Personen an Bord sind gezwungen, das Schiff zu verlassen, weil es kein sicherer Ort mehr ist (beispielsweise wegen Brand, Explosion, Sinken); oder
  2. Person bzw. Personen über Bord.

Zur Unterstützung der Bestimmung von zugehörigen Gefahren wird für vorstehenden Unterabsatz .1 die folgende allgemeine, übergeordnete Ereignis-Reihenfolge vorgegeben:

  1. Unfall;
  2. Bewertung der Situation (ist das Schiff noch ein sicherer Ort?);
  3. Alarm;
  4. Flucht (vom Schiff zu einem Ort zur Schiffsaufgabe);
  5. Schiffsaufgabe;
  6. Überleben auf See;
  7. Zufluchtsort.

Von diesen stehen nur die Ereignisse "Bewertung der Situation", "Alarm", "Schiffsaufgabe" und "Überleben auf See" im Zusammenhang mit den derzeitigen IMO-Vorschriften für Lebensrettung und werden weiterbehandelt.

Für jedes dieser Ereignisse können zugehörige detaillierte Gefahren bestimmt werden 1), beispielsweise:

In Abhängigkeit von den Zielvorgaben kann eine genauere Untersuchung durchgeführt werden, z.B. die unterschiedlichen Phasen der Schiffsaufgabe wie Vorbereitung von Rettungseinrichtungen, Einbooten usw.

Dieser Schritt muss durch Einstufung und Auswahl der für die Charakterisierung der Sicherheit relevanten Gefahren abgeschlossen sein und muss deshalb für die Entwicklung der funktionalen Anforderungen, die erwartete Leistung und die betreffenden Regeln berücksichtigt werden.

Es wird darauf hingewiesen, dass

  1. jede Gefahr durch mehr als eine Funktion und umgekehrt eingedämmt werden kann; und
  2. einige dieser eindämmenden Funktionen nicht Teil der IMO-Regeln zu Rettungsmitteln sind, z.B. Flucht vom Schiff, Übermittlung von Notfall-Alarmen, und deshalb nicht weiter betrachtet werden.

Erarbeitung risikoeindämmender Funktionen

Auf der Grundlage dieser Liste der Gefahren sind eindämmende Funktionen beispielsweise:

Detaillierte GefahrenEindämmende Funktionen
Bewertung der Situation
Mangel an Informationen
  • Informationen, die den Schiffszustand beschreiben
  • Mittel für die Bereitstellung von Informationen
  • Ausbildung und Übungen
Fehlerhafte Informationen
  • Ausbildung und Übungen
  • Mittel für die Bereitstellung von Informationen
Zu langsame Bewertung
  • Ausbildung und Übungen
  • Mittel für eine Beschleunigung der Bewertung
Falsche Bewertung
  • Ausbildung und Übungen
  • Bewertungsunterstützung (System)
Schiffsaufgabe
Kein sicherer Ort für Personen
  • Bereich für das Sammeln vor dem Verlassen des Schiffes
  • Sicherer Ort (z.B. Überlebensfahrzeug)
  • Aktivieren von Schutzorten für Personen (Nachrichtenübermittlung mit dem sicheren Ort)
  • Schutz vor Schäden (unfallartig, umgebungsbedingt)
  • Alternative Möglichkeit bzw. Reservekapazität (von Hilfsmitteln)
  • Ersatzteile (für Hilfsmittel)
  • Inspektion und Instandhaltung
Nichterreichbarkeit eines sicheren Ortes innerhalb eines angemessenen Zeitraums
  • Überlebensfahrzeug bzw. sicherer Ort mitgeführt an Bord
  • Leicht zu verwenden bzw. vorzubereiten
  • Ausbildung und Übungen
  • Antrieb bzw. Manövrierbarkeit
Schiffsaufgabeeinrichtungen nicht ausreichend bzw. nicht betriebsfähig
  • Ausreichend für das Schiff
  • Ausreichend für das Einsatzgebiet
  • Betriebsfähig unter ungünstigen Verhältnissen
Unfall während des Verlassens des Schiffes
  • Ausbildung und Übungen
  • Ausreichendes Einbooten
  • Fehlertolerante Ausführung
  • Schutz der Personen während des Verlassens des Schiffes
Überleben auf See
Unterkühlung
  • Schutz vor niedriger Temperatur (angemessene Temperatur)
  • Schutz vor Regen, Feuchtigkeit und Wind
Überwärmung
  • Schutz vor hoher Temperatur
    (angemessene Temperatur)
Sonnenstich
  • Schatten
Mangelnde medizinische Behandlung
  • Verabreichung von Medikamenten
Giftige Atmosphäre
  • Konzentration giftiger Gase niedrig halten
  • Ausreichend Sauerstoff
Verlust lebenswichtiger Funktionen
  • Wasserversorgung
  • Lebensmittelversorgung
  • Aktivitäten zum Stimulieren lebenswichtiger Funktionen ermöglichen
Störfall bzw. Unfall im Zusammenhang mit dem sicheren Ort (Sinken, Kentern, Brand, Explosion, Grundberührung)
  • Stabilität, Seetüchtigkeit
  • Leckstabilität
  • Antrieb, Manövrierbarkeit
  • Ersatzteile
  • Verhütung eines Brandes oder einer Explosion (Kapitel II-2 SOLAS)
  • Ausbildung und Übungen
Nicht rechtzeitig gerettet
  • Alarmierung von Schiffen, Luftfahrzeugen und der Küste
  • Führen der Schiffe und Luftfahrzeuge zum Standort
  • Unterstützung zum Auffinden (akustisch, visuell)

Diese Liste enthält risikoeindämmende Funktionen, die mehrere Gefahren betreffen, z.B. Ausbildung und Übungen. Darüber hinaus können einige der risikoeindämmenden Funktionen zu übergeordneten Funktionen zusammengefasst werden.

Auf der Grundlage der vorstehenden Liste sind die folgenden risikoeindämmenden Funktionen entwickelt worden:

Funktionale Anforderungen

Um das Sicherheitsziel einzuhalten, müssen Rettungsmittel und -vorrichtungen eine bestimmte Leistungsfähigkeit haben. Diese Leistungsanforderungen bilden die Kriterien für den Nachweis der Erfüllung des Ziels und müssen Teil der funktionalen Anforderungen sein.

Die Entwicklung der funktionalen Anforderungen, einschließlich der erwarteten Leistung, wird im Folgenden für eine ausgewählte risikoeindämmende Funktion dargestellt:

Mittel für die Sicherheit und Überlebensfähigkeit aller Personen nach der Schiffsaufgabe sind bereitzustellen.

Mit zugehöriger erwarteter Leistung 2):

Stufe IV (Vorschriften und Regeln)

Zur Veranschaulichung könnten die folgenden Anforderungen der Stufe IV (Vorschriften und Regeln) angewendet werden:

Um die erwartete Leistung der funktionalen Anforderung "lebenswichtige Funktionen aufrechterhalten" zu erfüllen, finden die folgenden Regeln der Stufe IV Anwendung:

________

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Bekanntmachung des Rundschreibens des Schiffssicherheitsausschusses MSC der IMO MSC.1/ Rundschreiben 1394/Rev.2, "Allgemeine Richtlinien für die Entwicklung zielorientierter Schiffbaunormen der IMO", in deutscher Sprache

Vom 23. November 2021
(VkBl. Nr. 23 vom 15.12.2021 S. 1133)

Az.: 11-3-0

Durch die Dienststelle Schiffssicherheit der BG Verkehr wird hiermit das Rundschreiben des Schiffssicherheitsausschusses MSC der IMO MSC.1/Rundschreiben 1394/ Rev.2, "Allgemeine Richtlinien für die Entwicklung zielorientierter Schiffbaunormen der IMO", in deutscher Sprache amtlich bekannt gemacht.

1) Diese Auflistung ist rein exemplarisch und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

2) Für quantitative Werte werden Platzhalter verwendet.

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