Druck- und LokalversionFür einen individuellen Ausdruck passen Sie bitte die
Einstellungen in der Druckvorschau Ihres Browsers an.
Regelwerk
Frame öffnen

VerkLG - Verkehrsleistungsgesetz
Gesetz zur Sicherung von Verkehrsleistungen

Vom 23. Juli 2004
(BGBl. I S. 1865; 31.10.2006 S. 2407; 07.08.2013 S. 3113 13; 31.08.2015 S. 1474 15; 24.05.2016 S. 1217 16; 26.07.2016 S. 1843 16a; 12.12.2019 S. 2510 19; 02.03.2023 Nr. 56 23; 15.07.2024 Nr. 236 24)
Gl.-Nr.: 930-13




Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:

§ 1 Zweck VV

(1) Zweck dieses Gesetzes ist die Sicherung von ausreichenden Verkehrsleistungen

  1. im Rahmen der Amtshilfe des Bundes bei einer Naturkatastrophe oder einem besonders schweren Unglücksfall, einschließlich eines terroristischen Anschlags,
  2. bei einer wirtschaftlichen Krisenlage, durch die die Versorgung mit Gütern des lebenswichtigen Bedarfs gestört ist,
  3. zur Unterstützung der Streitkräfte bei Einsätzen auf Grund internationaler Vereinbarungen oder im Rahmen der Zusammenarbeit mit den Vereinten Nationen oder
  4. im Rahmen der Notfallbewältigung auf Grund internationaler Vereinbarungen

für den Fall, dass der Bedarf nach diesen Verkehrsleistungen auf andere Weise nicht, nicht rechtzeitig oder nur mit unverhältnismäßigen Mitteln gedeckt werden kann.

(2) Eine Unterstützung verbündeter Streitkräfte mit Verkehrsleistungen ist nur bei gemeinsamen Maßnahmen mit deutschen Streitkräften zulässig.

§ 2 Anwendung VV 13 15

(1) Leistungen im Sinne dieses Gesetzes dürfen nur angefordert werden, wenn

  1. im Fall des § 1 Absatz 1 Nummer 1 das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur entschieden hat,
  2. in den Fällen des § 1 Absatz 1 Nummer 2 bis 4 die Bundesregierung durch Beschluss festgestellt hat,

dass die Voraussetzungen nach § 1 vorliegen.

(2) Sind die Voraussetzungen des § 1 entfallen, hat

  1. das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur seine Entscheidung nach Absatz 1 Nummer 1 oder
  2. die Bundesregierung ihre Feststellung nach Absatz 1 Nummer 2

aufzuheben. Satz 1 gilt auch, wenn der Bundestag die Aufhebung einer Entscheidung oder einer Feststellung verlangt.

(3) Die Maßnahmen nach den Absätzen 1 und 2 sind im Bundesanzeiger zu veröffentlichen.

§ 3 Leistungsarten VV

(1) Für den in § 1 genannten Zweck können folgende Leistungen angefordert werden:

  1. einmalige oder wiederkehrende Beförderungen von Gütern und Personen (Verkehrsleistungen),
  2. die Überlassung von Verkehrsmitteln und -anlagen zum Gebrauch, zum Mitgebrauch oder zu anderer Nutzung, die mit diesen Verkehrsmitteln und -anlagen möglich sind,
  3. die Benutzung der Verkehrsinfrastruktur einschließlich der Ausrüstung, der Informations- und Kommunikationssysteme.

(2) Im Sinne dieses Gesetzes gelten als

  1. Verkehrsleistungen auch die mit ihnen verbundenen Nebenleistungen, insbesondere der Betrieb von Umschlaganlagen, Speditionsleistungen im Sinne des § 453 des Handelsgesetzbuchs und Leistungen der Lagerei im Sinne des § 467 des Handelsgesetzbuchs, soweit sie dem Verkehr dienen,
  2. Verkehrsmittel auch die Ausrüstung einschließlich der Informations- und Kommunikationssysteme,
  3. Verkehrsanlagen auch Umschlag- und Speditionsanlagen sowie Anlagen von Unternehmen der Lagerei, soweit sie dem Verkehr dienen,
  4. Verkehrsinfrastruktur auch die für den Betrieb der Verkehrswege notwendigen Einrichtungen.

§ 4 Leistungspflichtige VV 13 15

(1) Zu Leistungen nach diesem Gesetz können verpflichtet werden:

  1. Verkehrs- und Verkehrsinfrastrukturunternehmen, mit Ausnahme der Bergbahnunternehmen,
  2. Reeder oder Ausrüster von Seeschiffen, die die Bundesflagge führen,
  3. sonstige Eigentümer und Besitzer von Verkehrsmitteln oder von Verkehrsinfrastruktur, wenn diese Verkehrsmittel und diese Verkehrsinfrastruktur zum Betrieb eines Unternehmens gehören.

(2) Im Sinne dieses Gesetzes gelten als Verkehrsunternehmen auch Betreiber von Umschlaganlagen, Speditionsunternehmen im Sinne des § 453 des Handelsgesetzbuchs sowie Unternehmen der Lagerei im Sinne des § 467 des Handelsgesetzbuchs und Betreiber von Informations- und Kommunikationssystemen, soweit sie dem Verkehr dienen.

(3) Verkehrsunternehmen, die einer gesetzlichen Betriebs- und Beförderungspflicht unterliegen, können nur mit Zustimmung des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Stadtentwicklung zu Leistungen herangezogen werden, soweit Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaften nicht entgegenstehen.

§ 5 Verpflichtungsbescheid VV 13

(1) Leistungen nach § 3 werden von der nach § 7 Abs. 2 zuständigen Behörde durch Verpflichtungsbescheid angefordert. Der Verpflichtungsbescheid ist zuzustellen.

(2) Widerspruch und Anfechtungsklage gegen einen Verpflichtungsbescheid nach Absatz 1 haben keine aufschiebende Wirkung.

§ 6 Leistungsdauer VV

Verkehrsleistungen im Sinne dieses Gesetzes dürfen nur auf bestimmte Zeit, längstens für die Dauer von drei Monaten, angefordert werden. Wiederholte Anforderungen gleicher Leistungen sind im Anschluss an die bisherige Anforderung nur dann zulässig, wenn dies unumgänglich ist; Satz 1 gilt entsprechend.

§ 7 Anforderungsberechtigte Behörde, koordinierende Behörde, zuständige Behörde, Leistungsempfänger VV 13 16 16a 19 23 24

(1) Folgende Bundesbehörden können zur Erfüllung ihrer Aufgaben in ihrem Zuständigkeitsbereich für sich selbst oder für einen anderen Leistungsempfänger eine der in § 3 Absatz 1 genannten Leistungen anfordern (anforderungsberechtigte Behörde):

  1. Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, auch für Hilfsorganisationen und bei Katastrophenhilfeersuchen der Länder im Rahmen der Amtshilfe,
  2. Leitung der Bundesanstalt Technisches Hilfswerk,
  3. Bundespolizeipräsidium,
  4. Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr, für die Streitkräfte einschließlich der verbündeten Streitkräfte,
  5. Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung,
  6. Robert Koch-Institut,
  7. Paul-Ehrlich-Institut,
  8. Deutsche Bundesbank,
  9. Bundesamt für Strahlenschutz,
  10. Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle,
  11. Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung.

Die anforderungsberechtigte Behörde richtet ihre Anforderung an die koordinierende Behörde.

(1a) Koordinierende Behörde ist das Bundesamt für Logistik und Mobilität. Die koordinierende Behörde legt fest, welcher Verkehrsträger die Verkehrsleistung zu erbringen hat, und übermittelt die Anforderung an die zuständige Behörde nach Absatz 2.

(2) Zuständige Behörden für den Erlass eines Verpflichtungsbescheides nach Übermittlung der Anforderung durch die koordinierende Behörde sind

  1. das Bundesamt für Logistik und Mobilität auf dem Gebiet des Straßenverkehrs,
  2. die Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt auf dem Gebiet der Seeschifffahrt und der Binnenschifffahrt,
  3. das Luftfahrt-Bundesamt auf dem Gebiet der Luftfahrt,
  4. das Eisenbahn-Bundesamt auf dem Gebiet des Eisenbahnverkehrs.

(3) Soweit eine Zustellung des Verpflichtungsbescheides im Ausland erforderlich ist, erfolgt diese auf Ersuchen der zuständigen Behörde nach Absatz 2 durch die zuständige diplomatische oder konsularische Vertretung der Bundesrepublik Deutschland. Die völkerrechtliche Verpflichtung, die Gesetze und sonstigen Rechtsvorschriften, Einsprüche des Empfangsstaates sowie die zwischen dem Entsendestaat und dem Empfangsstaat in Kraft befindlichen internationalen Übereinkünfte zu beachten, bleibt unberührt.

(4) Leistungsempfänger ist die anforderungsberechtigte Behörde nach Absatz 1, soweit nicht in den Sätzen 2 und 3 etwas anderes bestimmt ist. Werden Leistungen für die in § 1 Abs. 1 bezeichneten Zwecke angefordert, so kann die zuständige Behörde denjenigen als Leistungsempfänger bestimmen, dem die genannten Verkehrsmittel zum Gebrauch überlassen oder für den die Verkehrsleistungen erbracht werden sollen. Im Fall des § 1 Abs. 2 ist Leistungsempfänger der ausländische Staat, für dessen Streitkräfte die Leistungen angefordert werden.

§ 8 Auskunftspflicht VV

(1) Wer nach § 4 Abs. 1 zur Leistung verpflichtet werden kann, hat den nach § 7 Abs. 2 zuständigen Behörden auf Verlangen die für den in § 1 Abs. 1 genannten Zweck erforderlichen Auskünfte, auch über Planungen für die Herstellung oder Änderung von Verkehrsanlagen und Verkehrsinfrastruktur, zu erteilen.

(2) Der Auskunftspflichtige kann die Auskunft auf solche Fragen verweigern, deren Beantwortung ihn selbst oder einen der in § 383 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 der Zivilprozessordnung bezeichneten Angehörigen der Gefahr strafrechtlicher Verfolgung oder eines Verfahrens nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten aussetzen würde.

(3) Nach Absatz 1 erlangte Einzelangaben über natürliche oder juristische Personen dürfen nur für den in § 1genannten Zweck und nur unter Beachtung der Vorschriften Bundesdatenschutzgesetzes verwendet werden.

§ 8a Besondere Leistungspflichten der Eisenbahnen des Bundes 13 15

Eisenbahnen des Bundes können vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur auf Kosten des Bundes zu nicht nachholbaren Maßnahmen verpflichtet werden, die bei einer Störung der Infrastruktur im Fall des § 1 zur Wiederherstellung und zum grundlegenden Betrieb der Schieneninfrastruktur erforderlich sind.

§ 9 Entschädigung VV 13

Leistungen nach diesem Gesetz sind von dem Leistungsempfänger in entsprechender Anwendung der §§ 20 bis 33 mit Ausnahme des § 21 Satz 2 des Bundesleistungsgesetzes zu entschädigen. Im Fall des § 7 Abs. 4 Satz 3 richtet sich der Anspruch ausschließlich gegen den Leistungsempfänger. Auf die Festsetzung der Entschädigung und die Verjährung von Ansprüchen sind die §§ 34, 49 bis 65 des Bundesleistungsgesetzes entsprechend anzuwenden.

§ 10 Härteausgleich VV 13

(1) Wird durch eine Maßnahme auf Grund dieses Gesetzes dem Betroffenen ein Vermögensnachteil zugefügt, der nicht nach § 9 Satz 1 abzugelten ist, ist eine Entschädigung in Geld zu gewähren. § 9 Satz 3 ist entsprechend anzuwenden.

(2) Zur Leistung der Entschädigung ist der Leistungsempfänger verpflichtet.

§ 11 Zustellungen VV 13

Die Vorschriften des Verwaltungszustellungsgesetzes gelten mit der Maßgabe, dass in dringenden Fällen, soweit es für die Erfüllung der in § 1 genannten Zwecke erforderlich ist, die Zustellung auch

  1. in schriftlicher, fernschriftlicher oder elektronischer Form ohne die Einhaltung der hierfür geltenden Bestimmungen des Verwaltungszustellungsgesetzes oder
  2. durch mündliche oder fernmündliche Mitteilung, durch Presse, Rundfunk (Hörfunk und Fernsehen), Funkspruch oder in einer sonstigen ortsüblichen und geeigneten Weise erfolgen kann. In diesen Fällen gilt die Zustellung mit dem auf die Bekanntgabe folgenden Tag als bewirkt.

§ 7 Absatz 3 bleibt unberührt.

§ 12 Verwaltungsvorschriften 15

Das Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Stadtentwicklung erlässt die zur Ausführung notwendigen Verwaltungsvorschriften.

§ 13 Bußgeldvorschriften

(1) Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig

  1. einer vollziehbaren Anordnung nach § 5 Abs. 1 Satz 1 zuwiderhandelt oder
  2. entgegen § 8 Abs. 1 eine Auskunft nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig erteilt.

(2) Die Ordnungswidrigkeit kann in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 mit einer Geldbuße bis zu dreißigtausend Euro, in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 mit einer Geldbuße bis zu zehntausend Euro geahndet werden.

§ 14 Strafvorschriften VV

Mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

  1. eine in § 13 Abs. 1 Nr. 1 bezeichnete Handlung beharrlich wiederholt oder
  2. eine in § 13 Abs. 1 bezeichnete vorsätzliche Handlung begeht und dabei eine außergewöhnliche Mangellage bei der Versorgung mit Verkehrsleistungen ausnutzt, um bedeutende Vermögensvorteile zu erlangen.

§ 15 Zuständige Verwaltungsbehörde bei Ordnungswidrigkeiten VV 13

Verwaltungsbehörde im Sinne des § 36 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten ist die in § 7 Abs. 2 genannte zuständige Behörde.

§ 16 Aufhebung von Rechtsvorschriften Es werden aufgehoben

  1. § 10 des Seeaufgabengesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 26. Juli 2002 (BGBl. I S. 2876), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 25. Juni 2004 (BGBl. I S. 1389) geändert worden ist,
  2. die Verordnung über die Beförderungsleistungen durch Seeschiffe in wirtschaftlichen Krisenlagen vom 29. Mai 1974 (BGBl. I S. 1257), zuletzt geändert durch Artikel 331 der Verordnung vom 25. November 2003 (BGBl. I S. 2304).

§ 17 Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am Tage nach der Verkündung in Kraft. Die verfassungsmäßigen Rechte des Bundesrates sind gewahrt.

Das vorstehende Gesetz wird hiermit ausgefertigt. Es ist im Bundesgesetzblatt zu verkünden.

Begründung

I. Allgemeines


  1. Eine ausreichende Versorgung der Bevölkerung, der Wirtschaft und der Streitkräfte mit Verkehrsleistungen ist in Krisen, insbesondere im Bündnis-, Spannungs- und im Verteidigungsfall sowie auf Grund internationaler Vereinbarungen erforderlich. Es gehört daher zu den Aufgaben des Staates, diese ausreichende Versorgung mit lebenswichtigen Verkehrsleistungen auch in Notsituationen sicherzustellen.
    Das Verkehrssicherstellungsgesetz vom 24. August 1965 (BGBl. I S. 927) in der Fassung der Bekanntmachung vom 8. Oktober 1968 (BGBl. I S: 1081) ist die gesetzliche Grundlage für staatliche Eingriffe, den Verkehr an die besonderen Verhältnisse eines Spannungs-, Bündnis- oder eines Verteidigungsfalles anzupassen.
    Die zur Zeit auf dem Gebiet des Verkehrs bestehenden rechtlichen Grundlagen reichen aber nicht aus, um eine ausreichende Versorgung mit Verkehrsleistungen bei Naturkatastrophen, Kernreaktorunfällen, wirtschaftlichen Krisenlagen und terroristischen Anschlägen, insbesondere durch biologische oder chemische Waffen oder die Unterstützung der Streitkräfte - und der Bündnispartner - mit Verkehrsleistungen bei friedensunterstützenden Maßnahmen auf der Grundlage internationaler Vereinbarungen sowie im Rahmen der Zusammenarbeit mit den Vereinten Nationen sicherzustellen.
    Um dieses Ziel zu erreichen, sind ergänzende Regelungen erforderlich.
    Mit dem Gesetz werden alle Verkehrsbereiche in der Luft, auf den Schienen, zu Wasser und auf der Straße erfasst.
    Außerdem enthält das Gesetz weitere Regelungen zur Ausfüllung der mit Bund obliegenden Amtshilfepflichten nach Artikel 35 des Grundgesetzes. Damit der Bund seiner Pflicht zur Amtshilfe bei Katastrophen und Unglücksfällen, die eine länderübergreifende Gefahr darstellen, nachkommen kann, ist diese Hilfepflicht durch gesetzliche Regelungen zu unterstützen. Nach § 10 des Seeaufgabengesetzes und der dazu ergangenen Rechtsverordnung vom 29. Mai 1974 können Unternehmen der Seeschifffahrt in einer wirtschaftlichen Krisenlage zu Verkehrsleistungen verpflichtet werden. Diese Regelung soll nunmehr einheitlich auf alle Verkehrsträger ausgedehnt werden. Das Verkehrsleistungsgesetz ergänzt das Verkehrssicherstellungsgesetz, das nur für Zwecke der Verteidigung Regelungen enthält.
  2. Die sich aus internationalen Verträgen (z.B. VN, NATO und EU) oder auf Grund internationaler Vereinbarungen ergebenden Verpflichtungen erfordern die Fähigkeit zur weiträumigen Verlegung von Kräften der Bundeswehr und der verbündeten Streitkräfte. Die dafür erforderlichen Maßnahmen müssen im Rahmen eines wirksamen Krisenmanagements zeitgerecht und effektiv durchgeführt werden. Beispielhaft hierfür sind die Beteiligungen der deutschen Streitkräfte an Operationen auf dem Balkan sowie im Zusammenhang mit den Anschlägen am 11. September 2001. Die dazu notwendigen Verkehrsleistungen können nur im geringen Umfang mit den vorhandenen militärischen Mitteln erbracht werden. Fehlende Verkehrsleistungen müssen im Allgemeinen auf dem zivilen Verkehrsmarkt zusätzlich beschafft werden. Dabei unterliegen die Streitkräfte der anderen beteiligten Staaten den gleichen Zwängen wie die Bundeswehr. Wegen dieser Abhängigkeit von der Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft des Weltmarktes müssen die rechtlichen Grundlagen verbessert werden, um auch die Planungssicherheit der Bundeswehr zu erhöhen.
    Dabei erfordert das inzwischen erheblich erweiterte militärische Aufgaben- und Einsatzspektrum bei geringeren eigenen Ressourcen der Streitkräfte verstärkte zivile Unterstützungsleistungen. Zwangsmaßnahmen können auch bei einer wirtschaftlichen Krisenlage, Naturkatastrophen, Kernreaktorunfällen oder anderen großflächigen Gefahrenlagen zur Evakuierung und zur Versorgung der Bevölkerung mit erforderlichen Wirtschaftsgütern, sowie für den Transport von Futtermitteln notwendig werden. Dies gilt auch bei terroristischen Anschlägen, z.B. Anschlägen mit chemischen und biologischen Stoffen.
  3. Die Ministerrichtlinien der NATO für die zivile Notfallplanung fordern bereits seit 1994 von den Mitgliedstaaten, ihre innerstaatlichen Rechtsvorschriften den Erfordernissen einer Krise auch im unteren Krisenspektrum anzupassen.
    Die Bundesrepublik hat anlässlich des Washingtoner Gipfeltreffens der Staats- und Regierungschefs der NATO 1999 sowie bei den Gipfeltreffen der EU-Mitgliedstaaten 1999 in Köln und Helsinki und 2000 in Nizza die Zusage gegeben, sich im Rahmen von Konfliktlösungen verstärkt einzubringen. Dies gilt auch für humanitäre Einsätze auf Grund internationaler Verpflichtungen.
    Das Gesetz setzt diese Forderung und Zusage konsequent um.
  4. Die Vorsorgepflicht des Staates gebietet es deshalb, für die genannten Zwecke Eingriffsmöglichkeiten durch Gesetz vorzusehen. Andernfalls kann nicht gewährleistet werden, dass erforderliche Transportkapazitäten zu einem bestimmten Zeitpunkt und an einem bestimmten Ort in allen Fällen in dem erforderlichen Umfang verlässlich bereitgestellt werden können. Dies gilt vor allem für spezielle Verkehrsmittel wie z.B. Ro/Ro-Schiffe, Wagen der Eisenbahnen, Tieflader oder Großraumflugzeuge. Dabei muss insbesondere auch die ggf. langfristige Bindung der Transportmittel durch Verträge im gewerblichen Verkehr berücksichtigt werden, die eine Heranziehung ohne rechtliche Grundlage erschwert oder unmöglich macht.
    Das Gesetz schließt damit eine Lücke in der staatlichen Notfallvorsorge.
  5. Das Gesetz stellt sicher, dass zivile Fahrzeuge erst dann durch die öffentliche Hand herangezogen werden können, wenn der Bedarf an Verkehrsleistungen nicht auf andere Weise gedeckt werden kann, d. h., wenn die Möglichkeiten des Marktes nicht mehr ausreichen (§ 1 Abs. 1).
  6. Die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes zur Regelung des Luftverkehrs bzw. des Verkehrs für die Eisenbahnen des Bundes ergibt sich aus Artikel 73 Nr. 6 und Artikel 73 Nr. 6a des Grundgesetzes. Zur Wahrung der Rechtseinheit kann sich der Bund nach Artikel 74 Abs. 1 Nr. 1, 11, 21, 22 und 23 in Verbindung mit Artikel 72 des Grundgesetzes auf das Recht zur konkurrierenden Gesetzgebung stützen. Die zu regelnden Krisenlagen, insbesondere Naturkatastrophen, Kernreaktorunfälle, Anschläge durch biologische und chemische Waffen und auch die Unterstützung verbündeter Streitkräfte haben in der Regel länderübergreifende Auswirkungen, die eine bundeseinheitliche Regelung zur Erhaltung einer funktionsfähigen Rechtsgemeinschaft zwingend erforderlich machen.

II. Kosten

Durch das Verkehrsleistungsgesetz werden für den Bund keine zusätzlichen Kosten entstehen. Die zuständigen Behörden können auf vorhandene jeweilige Vorsorgemaßnahmen, die sie für eine ausreichende Versorgung mit lebenswichtigen Verkehrsleistungen für andere Notsituationen (z.B. für Verteidigungszwecke) getroffen haben, zurückgreifen.

Für die Wirtschaft und für die Allgemeinheit entstehen keine Kosten.

Die im Anwendungsfall entstehenden Kosten lassen sich im Voraus nicht abschätzen, weil sie von dem Umfang der Verpflichtungen abhängen.

Auswirkungen auf Einzelpreise und auf das Preisniveau,

insbesondere auf das Verbraucherpreisniveau, sind erst bei Anwendung des Gesetzes möglich, die dann von den gegebenen Umständen abhängen.

III. Im Einzelnen

Zu § 1 - Zweck des Gesetzes

Absatz 1 definiert den Zweck des Gesetzes.

Die Anforderung von Verkehrsleistungen bei einer Naturkatastrophe oder einem besonders schweren Unglücksfall dient ausschließlich der Ausfüllung der dem Bund obliegenden Amtshilfepflichten gemäß Artikel 35 des Grundgesetzes. Anforderungen bei einer wirtschaftlichen Krisenlage sind dann möglich, wenn die Versorgung mit Gütern des lebenswichtigen Bedarfs nicht nur vorübergehend gestört ist oder anhaltende Störungen unmittelbar bevorstehen. Verkehrsleistungen können durch staatliche Stellen nur angefordert werden, wenn der Bedarf auf andere Weise nicht rechtzeitig oder nur mit unverhältnismäßigen Mitteln gedeckt werden kann. Damit wird den Grundsätzen des Übermaßverbots Rechnung getragen. Eine Bedarfsdeckung ist auf andere Weise nicht möglich, wenn eine quantitative Mangellage bei geeigneten Transportmitteln vorliegt. Der Fall, dass der Bedarf an Verkehrsleistungen nur mit unverhältnismäßigen Mitteln gedeckt werden kann, ist dann gegeben, wenn die geldwerte Gegenleistung nicht im Rahmen der im privaten Geschäftsbereich üblichen Gegenleistung liegt. Aufschläge geringerer Art sind noch üblich. Die Frage, wann die Preissituation einen Eingriff nach dem Gesetz rechtfertigt, kann nur situationsabhängig unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und des Leistungspflichtigen beantwortet werden.

Zu § 2 - Anwendung

§ 2 fordert einen Beschluss der Bundesregierung vor Anforderung der Leistung. Durch die Anwendungsvorschrift wird sichergestellt, dass die Leistungsanforderung dem Zweck des Gesetzes entspricht und auch dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung trägt.

Um eine unverzügliche Anwendung des Gesetzes zu ermöglichen, ist die Regelung des Absatzes 3 erforderlich.

Zu § 3 - Leistungsarten

Absatz 1 enthält einen abschließenden Katalog der für den in § 1 genannten Zweck erforderlichen Leistungen. Die Ermächtigung nach Nummer 1 dient der Sicherstellung von Verkehrsleistungen.

Nummer 2 ermöglicht über die Anforderung von Verkehrsleistungen hinaus auch die Anforderung von Verkehrsmitteln und -anlagen zum Gebrauch. Unter "Gebrauch bzw. Mitgebrauch" ist der bestimmungsgemäße Gebrauch zu verstehen. Unter anderer "Nutzung" sind alle Nutzungsarten zu verstehen, die mit Verkehrsmitteln und -anlagen möglich sind; z.B. Tankschiff als Tanklager, Nummer 3 ermöglicht auch die Einbeziehung der Informations- und Kommunikationssysteme, die notwendiger Bestandteil zum Aufbau und Betrieb moderner Transportketten sind.

Absatz 2 definiert Verkehrsleistungen, -mittel, -anlagen und -infrastruktur im Sinne dieses Gesetzes.

Zu § 4 - Leistungspflichtige

In Absatz 1 wird bestimmt, welche Unternehmen durch dieses Gesetz verpflichtet werden können (Nr. 1 und Nr. 2).

Bergbahnunternehmen können nicht zu Leistungen nach diesem Gesetz herangezogen werden, da die Länder ihre Befugnis zur Gesetzgebung wahrgenommen haben (s. Art. 74 Nr. 23 GG).

In Nr. 3 wird ausgeschlossen, dass eine Inanspruchnahme außerhalb des Geschäftsbetriebes erfolgt. Weil die Verkehrswirtschaft sich zunehmend geleaster Verkehrs- und Kommunikationsmittel bedient, sind unter Eigentümer und Besitzer von Verkehrsmitteln auch die Unternehmen zu verstehen, die Verkehrsmittel z.B. vermieten oder gemietet haben (Leasing), sowie der Werkverkehr.

Absatz 2 erweitert den Begriff "Verkehrsunternehmen". Dabei wird die Entwicklung, die das System "Verkehr" in den letzten Jahren genommen hat und in einem integrierten Verkehrssystem voraussichtlich weiter erfahren wird, berücksichtigt. Danach werden Transporte zunehmend nicht mehr über einen Verkehrsträger allein abgewickelt; vielmehr werden mehr und mehr Transportketten unter Einbeziehung verschiedener Verkehrsträger gebildet. Es ist deshalb konsequent, die Umschlags- und Speditionsunternehmen sowie Unternehmen der Lagerei - soweit sie dem Verkehr dienen - den Verkehrsunternehmen gleichzustellen (Abs. 2). Gleichgestellt werden auch Betreiber von Informationssystemen. Moderner und reibungsloser Transport ist heute nicht nur eine Frage der Verkehrsleistung an sich. Zur Verkehrsleistung und damit zur Verkehrsabwicklung gehört heute unbestritten die Logistik, die durch Informationssysteme unterstützt wird. Da diese Systeme zum Teil als Fremdleistungen von den eigentlichen Verkehrsunternehmen "eingekauft" werden, ist es notwendig, auch diese Unternehmen in den Kreis der Verkehrsunternehmen mit einzubeziehen. Die Informationssysteme selbst sind zugleich als "Nebenleistungen" im Sinne des § 3 Absatz 2 Nr. 2 und 3 anzusehen. Als Verkehrsanlagen sind z.B. Bahnhöfe, Flughäfen, Häfen und sonstige ortsfeste Einrichtungen zu verstehen.

Zu § 5 - Verpflichtungsbescheid

Absatz 1 bestimmt, dass Leistungen nach § 3 Absatz 1 nur durch Verpflichtungsbescheid angefordert werden können. Der Verpflichtungsbescheid ist zuzustellen.

Die Effektivität von Maßnahmen zur Sicherung der Versorgung hängt bei dem in § 1 genannten Zweck von ihrer unverzüglichen Durchführung ab. Da an diesem Ziel ein Allgemeininteresse besteht, lässt Absatz 2 die aufschiebende Wirkung von Widersprüchen gegen die in dieser Vorschrift genannten Verfügungen entfallen.

Zu § 6 - Leistungsdauer

Mit der Befristung wird der Zeitraum der Leistungsanforderung begrenzt, um in die wirtschaftliche Betätigungsfreiheit des Leistungspflichtigen so wenig wie möglich einzugreifen. Es handelt sich um eine Maximalfrist, die nicht regelmäßig auszuschöpfen ist und die im übrigen im Einzelfall sachlich nachvollziehbar sein muss. Anschlussanforderungen können in bestimmten Fällen notwendig sein, z.B. wenn andere Leistungspflichtige nicht verfügbar sind oder sich die Leistungsdauer und der Umfang vergrößern. Die Regelung stellt sicher, dass dies nur nach einer erneuten Prüfung der tatsächlichen Gegebenheiten zulässig ist.

Zu § 7 - Bedarfsträger, zuständige Behörde, Leistungsempfänger

Die Trennung von zuständiger Behörde und Bedarfsträger soll sicherstellen, dass die Eingriffe nicht in das Ermessen des an der Leistung unmittelbar Interessierten gestellt werden.

Absatz 2 bestimmt die zuständige Behörde.

Die für den Zweck des § 1 durchzuführenden Maßnahmen, wie die Einsatzunterstützung der Streitkräfte (§ 1 Abs. 1 Nr. 2) oder im Falle einer wirtschaftlichen Krisenlage (§ 1 Abs. 1 Nr. 1), sind Bundesangelegenheit. Dies gilt auch für die Vorsorge für andere Notsituationen im Sinne des Artikels 35 GG. Daher werden ausschließlich Bundesbehörden als zuständige Behörde für die Anforderung von Leistungen bestimmt (Absatz. 2).

Bei divergierenden Anforderungen wird interministeriell entschieden.

Die Regelung in Absatz 3 ist notwendig, da nach dem Völkerrecht diplomatische und konsularische Vertretungen Hoheitsakte auf fremdem Hoheitsgebiet nur mit Zustimmung des Gastlandes vornehmen können.

Der Bedarfsträger ist in der Regel der Leistungsempfänger (Absatz 1). Dies hat zur Folge, dass der Bedarfsträger denjenigen, der die Verkehrsleistungen zu erbringen hat bzw. erbracht hat, gemäß § 9 entschädigen muss.

Zu § 8 - Auskunftspflicht

Absatz 1 gibt den zuständigen Behörden die Befugnis, die zur Vorbereitung der Durchführung und zur Durchführung dieses Gesetzes erforderlichen Auskünfte einzuholen. Dies sind insbesondere Daten über Art und Umfang von Bestandsmaterial und über die Anzahl von Beschäftigten. der auskunftspflichtigen Unternehmen. Eine abschließende Aufzählung der Auskünfte ist nicht möglich, da die Erfordernisse zur Auskunftserteilung an die jeweilige Notsituation anzupassen sind.

Zu § 9 - Entschädigung

Für die Abgeltung von Verkehrsleistungen sind die Vorschriften des Bundesleistungsgesetzes zur Entschädigung entsprechend anwendbar. Danach ist der Leistungsempfänger zur Entschädigung verpflichtet.

Durch die entsprechende Anwendung der §§ 20 bis 33 des Bundesleistungsgesetzes soll bei vergleichbaren Leistungen auf Grund des Bundesleistungsgesetzes einerseits und des Verkehrsleistungsgesetzes andererseits eine gleiche Behandlung der Entschädigung erreicht werden. Dies gilt sowohl für die Festsetzung der Entschädigung als auch für die Verjährung.

Zu § 10 - Härteausgleich

Die Härteklausel ergänzt die Entschädigungsregelung des § 9.

Die Vorschrift ist dem § 21 Satz 2 Bundesleistungsgesetz nachgebildet.

Während dieser lediglich für unmittelbare Nachteile einer Maßnahme einen Ausgleich unbilliger Härte vorsieht, ist nach dieser Vorschrift jeder durch eine Maßnahme dieses Gesetzes hervorgerufene Vermögensnachteil auszugleichen.

Zu § 11 - Zustellungen

Diese Vorschrift entspricht den Vorschriften des Verwaltungszustellungsgesetzes des Bundes. Damit besteht die Möglichkeit, gerade in besonderen Notsituationen auf schnellstem Wege rechtswirksame Maßnahmen zu treffen.

Zu § 12 - Verwaltungsvorschriften

Durch Verwaltungsvorschriften ist das einheitliche Verwaltungshandeln der Bundesbehörden sicherzustellen.

Zu § 13 - Bußgeldvorschriften und § 14 Strafvorschriften

Die Vorschriften enthalten einen differenzierten Sanktionskatalog für Verstöße gegen Pflichten, die sich aus diesem Gesetz ergeben. Je nach Bedeutung der verletzten Pflichten und dem Schweregrad des Verstoßes kann eine Ordnungswidrigkeit (§ 13) oder eine Straftat (§ 14) vorliegen.

Zu § 15 - Zuständige Verwaltungsbehörden bei Ordnungswidrigkeiten

Wegen der Sachnähe und Bündelung von Kompetenzen bieten sich die in § 7 genannten Behörden an.

Zu § 16 - Aufhebung von Rechtsvorschriften

Der Regelungsinhalt des § 10 Seeaufgabengesetzes und der darauf beruhenden Rechtsverordnung ist durch dieses Gesetz abgedeckt.

UWS Umweltmanagement GmbHENDEFrame öffnen