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Regelwerk, Biotechnololgie, Technische Regeln, TRBA

Beschluss 606 Biologische Arbeitsstoffe mit sensibilisierenden Wirkungen
Beschluss des Ausschusses für Biologische Arbeitsstoffe (ABAS)

Stand: März 2003
(BArbBl. Heft 3/2003 S. 66; 24.6.2008 GMBl. S. 818 aufgehoben)



Der Ausschuss für biologische Arbeitsstoffe (ABAS) hat zur Konkretisierung der Verordnung über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei Tätigkeiten mit biologischen Arbeitsstoffen folgende Erkenntnisse ermittelt und Regelungen beschlossen

1 Anwendungsbereich

Dieser Beschluss gilt für Tätigkeiten mit biologischen Arbeitsstoffen mit sensibilisierenden Wirkungen

2 Gefährdungsbeurteilung

Bei der Gefährdungsbeurteilung nach BioStoffV sind neben der Infektionsgefährdung und dem toxischen Potential auch die sensibilisierenden Wirkungen biologischer Arbeitsstoffe zu berücksichtigen. Sensibilisierende Wirkungen können unabhängig vom Infektionspotential und toxischen Wirkungen auftreten, d.h. auch bei biologischen Arbeitsstoffen der Risikogruppe 1, bei denen es unwahrscheinlich ist, dass sie beim Menschen eine Infektionserkrankung verursachen können (die Zuordnung zu einer Risikogruppe bezieht sich ausschließlich auf das Infektionspotential).

Unter Sensibilisierung wird die Verstärkung der Empfindlichkeit des Immunsystems gegenüber einer körperfremden, exogenen Substanz (Allergen) verstanden. Bei erneutem Allergenkontakt kann eine allergische Erkrankung auftreten.

Nur für einige Pilz- und Bakterienarten sowie wenige Parasiten sind allergische Krankheiten beschrieben worden. Es handelt sich in der Regel um allergische Atemwegserkrankungen. Hautsensibilisierende Wirkungen werden vereinzelt diskutiert, sind bislang aber nicht ausreichend gesichert. Untersuchungen zu Dosis-Wirkungs-Beziehungen für sensibilisierende Wirkungen liegen nicht in ausreichendem Umfang vor, so dass derzeit keine gesundheitsbasierten Grenzwerte angegeben werden können.

Einige thermophile Actinomyceten, z.B. Saccharopolyspora rectivirgula (Micropolyspora faeni) und Thermoactinomyces vulgaris sowie Pilze haben ein sensibilisierendes Potenzial. Das von Pilzen wird allgemein als gering eingeschätzt (TRBA 460). Auch nicht lebensfähige Actinomyceten und Pilze (abgestorbene Zellen oder Hyphenbruchstücke) oder ihre Bestandteile (z.B. Proteine) können sensibilisierend wirken. Insbesondere kann längerfristige Exposition gegenüber sensibilisierenden biologischen Arbeitsstoffen in hoher Konzentration, vor allem bei bestehender Veranlagung (Atopie), zu einer Sensibilisierung bis hin zu schwerwiegenden allergischen Erkrankungen führen.

In der TRGS 907 "Verzeichnis sensibilisierender Stoffe" und der dazu gehörigen Begründung werden nicht einzelne biologische Arbeitsstoffe als sensibilisierend aufgeführt, sondern es erfolgen "Sammeleinträge" zu "Schimmelpilzhaltiger Staub" und "Strahlenpilzhaltiger Staub". In der TRBA 460 "Einstufung von Pilzen in Risikogruppen" sind einzelne Pilze unter einer Fußnote mit A -mögliche allergene Wirkungen (gemäß Anhang III der EG-Richtlinie 2000/54/EG) gekennzeichnet. Pilze, deren sensibilisierende Wirkungen in der Liste nicht ausgewiesen werden, sind nicht automatisch ohne sensibilisierendes Potenzial.

Bei gezielten Tätigkeiten nach § 2 Abs. 5 BioStoffV ist die Spezies des biologischen Arbeitsstoffes bekannt und die Tätigkeiten sind auf diesen ausgerichtet. Solche Tätigkeiten können in Bereichen der Forschung (vgl. Tabelle 1) oder in einzelnen Fällen in der Abfallwirtschaft (Einsatz definierter Kulturen zur Kompostierung) -Bedeutung haben.

Schimmelpilze und Actinomyceten treten überall da auf, wo organisches Material und für sie geeignete Vermehrungsbedingungen vorhanden sind. Tätigkeiten mit solchen Materialien zählen zu den nicht gezielten Tätigkeiten nach § 2 Abs. 5 BioStoffV. Bei diesen ist in der Regel die Spezies nicht bekannt. Darüber hinaus treten häufig Mischexpositionen auf, bei denen auch andere Allergene (z.B. Tierhaare, Mehle, Pflanzenbestandteile) bedeutsam sind. Die TRGS 907 "Verzeichnis sensibilisierender Stoffe" und die Begründungen (Sammeleinträge "Schimmelpilzhaltiger Staub" und "Strahlenpilzhaltiger Staub") sowie die Schutzmaßnahmen der TRGS 540 berücksichtigen diese Mischexposition und sind bei der Gefährdungsbeurteilung heranzuziehen.

In der Tabelle 1 sind Bereiche mit beispielhaften Tätigkeiten aufgeführt, für die nach gegenwärtigem Kenntnisstand eine Gefährdung durch sensibilisierende biologische Arbeitsstoffe und ein Risiko für allergische Atemwegserkrankungen bestehen kann. Auf ein Vorkommen weisen insbesondere ein typischer Geruch (muffig-faulig, erdig oder pilzähnlich) sowie sichtbarer Pilzbefall (Pilzrasen), z.B. auf Getreide, Heu, Futter, Holz, Lebensmitteln, Papier hin. In der Tabelle sind auch Bereiche benannt, in denen Gefährdungen durch andere Allergene überwiegen können. Darüber hinaus kann auch in Bereichen, die nicht in der Tabelle genannt sind, Pilzbefall auftreten, wenn geeignete Wachstumsbedingungen gegeben sind.

3 Schutzmaßnahmen

3.1 Tätigkeiten in betroffenen Arbeitsbereichen (vgl. Tab. 1) sind grundsätzlich möglichst expositionsarm durchzuführen (Minimierungsgebot des § 10 Abs. 6 BioStoffV)

3.2 Spezielle Schutzmaßnahmen sind für einzelne Bereiche in der Tabelle des Anhangs aufgeführt. Für einige Bereiche/Branchen z.B. Abfallwirtschaft oder Backbetriebe, gibt es bereits Technische Regeln oder branchenspezifische BG-Schriften, welche die erforderlichen Schutzmaßnahmen beschreiben. Auf diese wird in der Tabelle verwiesen.

Quellennachweis

TRBA 100Schutzmaßnahmen für gezielte und nicht gezielte Tätigkeiten mit biologischen Arbeitsstoffen in Laboratorien. BArbBl. 4/02, S. 122-127
TRBA 210Abfallsortieranlagen: Schutzmaßnahmen. BArbBl. 6/99, S. 77-81. 1. Änderung BArbBl. 8/01, S. 79
TRBA 211Biologische Abfallbehandlungsanlagen: Schutzmaßnahmen. BArbBl. 8/01, S. 83-89
TRBA 230Landwirtschaftliche Nutztierhaltung. BArbBl. 6/00, S. 57-58
TRBA 400Handlungsanleitung zur Gefährdungsbeurteilung bei Tätigkeiten mit biologischen Arbeitsstoffen. BArbBl. 8/01, S. 89-99
TRBA 460Einstufung von Pilzen in Risikogruppen. BArbBl. 10/ 02, S. 78-84
TRBA 500Allgemeine Hygienemaßnahmen: Mindestanforderungen. BArbBl. 6/99, S. 8 1-82
TRGS 540Sensibilisierende Stoffe, BArbBl. 2/00, S. 73-78
TRGS 553Holzstaub. BArbBl. 3/99, S. 21-25, zuletzt geändert BArbBl. 3/02, S. 70
TRGS 907Verzeichnis sensibilisierender Stoffe (Bekanntmachung des BMA nach § 52 Abs. 3 Gefahrstoffverordnung) und Beschluss des AGS: Begründung zur Bewertung von Stoffen als sensibilisierend. BArbBl. 12/ 97, S. 65-67 mit Änderungen BArbBl. 2/00, S. 90-92
BGI 581Merkblatt für Fahrerkabinen mit Anlagen zur Atemluftversorgung auf Erdbaumaschinen und Spezialmaschinen des Tiefbaus. Hrsg. Tiefbau-BG. Fassung 08.02
BGI 583Biologische Arbeitsstoffe bei der Bodensanierung. Hrsg. Tiefbau-BG München. Fassung 12.99
BGI 634Einstufung biologischer Arbeitsstoffe: Pilze. Hrsg. BG der chemischen Industrie. Fassung 08.02
BGI 805Tätigkeiten mit biologischen Arbeitsstoffen in der Metallindustrie. Hrsg. Vereinigung der Metall-Berufsgenossenschaften. Fassung 10.01
BGI 762Keimbelastung wassergemischter Kühlschmierstoffe. Hrsg. Süddeutsche Metall-BG Mainz Fassung 1.00.
BGR 143Umgang mit Kühlschmierstoffen. Fassung 7.94
BGR 210Vermeidung von Atemwegserkrankungen in Backbetrieben. Hrsg. Fachausschuss "Nahrungs- und Genussmittel" der BGZ, Fassung 7.01

Beitragssammlung "Luftbefeuchtung", BG Druck und Papierverarbeitung

Gefährdungsbeurteilungen im Gartenbau. Handlungshilfe und Möglichkeiten der Umsetzung in die Praxis. Hrsg. Gartenbau-Berufsgenossenschaft Kassel. Fassung 8.00

Leitfaden zur Beurteilung der Arbeitsbedingungen gemäß Arbeitsschutzgesetz (Gefährdungsbeurteilung). Hrsg. Landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft Berlin. Fassung 12.00

Biologische Arbeitsstoffe in Land-, Forstwirtschaft und Gartenbau. In: Sicherheit und Gesundheitsschutz in der Land- und Forstwirtschaft - Arbeitsblätter für Unterweisungen-. Hrsg. Landwirtschaftlicher Berufsgenossenschaft Berlin. Prinz Factory AG Berlin. Ausgabe 10.2002, S. 33-36

Weiterführende Literatur:

Barrot, R.: Schimmelpilze - ihre gesundheitliche Bedeutung im Berufsleben. Teil 2: Gesundheitsbeeinträchtigungen, Grenz- und Richtwerte, Beurteilungsempfehlungen. Ergo-Med 24 (2000), S. 146-155

D'Amato, G.; Spieksma, F. Th. M.: Aerobiologic and clinical aspects of mould allergy in Europa. Position paper. Allergy 50 (1995), S. 870-877

Gravesen, D.; Frisvad, J.C.; Samson, R.A.: Microfungi. Munksgaard 1994. ISBN 87-16-1 1436-1

Helbling, A.; Reese, G.; Horner, W.E.; Lehrer, S.B.: Aktuelles zur Pilzsporen-Allergie. Schweiz. Med. Wschr. 124 (1994), S. 885-892

Schappler-Scheele, B.; Schürmann, W.; Hartung, J. Missel, Th.; Schröder, Gb.; Benning, H.; Weber, J.: Untersuchungen der gesundheitlichen Gefährdung von Arbeitnehmern der Abfallwirtschaft in Kompostierungsanlagen. Bremerhaven: Wirtschaftsverl. NW 1999. (Schriftenreihe der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin: Forschung, Fb 844) ISBN 3-89701-357-6

Schmidt, M.: Exogen-allergische Alveolitis. Allergologie 18 (1995), S. 579-581

Sennekamp, H.-J: Exogen-allergische Alveolitis. Hrsg. Dustri-Verlag, München-Deisenhofen, 1998

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zum Beschluss 606 Anhang

Tabelle Bereiche mit möglicher Gefährdung durch sensibilisierende biologische Arbeitsstoffe und empfohlene Schutzmaßnahmen

Arbeitsbereiche/Branchen Vorkommen/Tätigkeiten Zusätzliche technische/organisatorische Schutzmaßnahmen
Landwirtschaft/GartenbauTätigkeiten mit mikrobiell besiedeltem GutKeine Verwendung von verschimmeltem Heu, Stroh oder Futtermitteln, keine Einlagerung von feuchtem Heu, Stroh oder Getreide, Trocknung feuchten Erntegutes, Mechanisierung der Fütterung und Entmistung, Verwendung staubarmer Futtermittel, staubarme Stallreinigung, Minimierung durch bauliche und lüftungstechnische Maßnahmen Verwendung von Atemschutz (mindestens FFP 2) bei sichtbarem Pilzbefall. TRBA 230 "Landwirtschaftliche Nutztierhaltung" sollte entsprechend erweitert werden.
Archive/ Bibliotheken/ MuseenTätigkeiten mit mikrobiell besiedeltem Gut, Restaurierung, Entstauben und Reinigen der BeständeTRBA 240 "Schutzmaßnahmen bei Tätigkeiten mit mikrobiell kontaminiertem Archivgut"
Raumlufttechnische (RLT) AnlagenWartungs- und Instandhaltungsarbeiten an/in RLT-AnlagenAnlagen müssen dem Stand der Technik entsprechen. Regelmäßige Reinigung und ggf. Desinfektion unter Einhaltung geeigneter Arbeitsschutzmaßnahmen. ArbeitsstättenV, Beitragssammlung "Luftbefeuchtung" der BG Druck und Papierverarbeitung
Spanabhebende MetallbearbeitungTätigkeiten mir keimbelasteten wassergemischten KühlschmierstoffenSchutzmaßnahmen der BGI 762 "Keimbelastung wassergemischter Kühlschmierstoffe" und BGR 143 "Umgang mit Kühlschmierstoffen"
HolzwirtschaftArbeitsplätze mit Anfall oder Verarbeitung von Baumrinden, Sägespänen, Lagerung, Transport und Verarbeitung von verschimmeltem HolzGeeignete trockene Lagerung von Schnittholz, lüftungstechnische Maßnahmen
PapierherstellungErzeugung von Holzschnitzeln bei der ZellstoffherstellungLüftungstechnische Maßnahmen
AbfallwirtschaftAbfallsortierung, Kompostierung, mechanisch-biologische Abfallbehandlung thermische MüllverbrennungsanlagenSchutzmaßnahmen der TRBA 210 "Abfallsortieranlagen: Schutzmaßnahmen" und TRBA 211 "Biologische Abfallbehandlungs anlagen: Schutzmaßnahmen" TRBA "Thermische Abfallbehandlungsanlagen" liegt im Entwurf vor.
LebensmittelindustrieKäseerzeugung, -reifung und verpackung (Waschen von Käselaiben, auch gezielter Einsatz von Edelschimmelkulturen) Entfernen von Schimmel auf geräucherten bzw. luftgetrockneten FleischwarenMinimierungsgebot durch bauliche und lüftungstechnische Maßnahmen
ForschungslaboratorienGezielte und nicht gezielte Tätigkeiten mit Pilzen oder Actinomyceten (Forschungsarbeiten, Untersuchung von Proben)Expositionsminimierende und weitere Arbeitsschutzmaßnahmen entsprechend TRBA 100 "Schutzmaßnahmen für gezielte und nicht gezielte Tätigkeiten mir biologischen Arbeitsstoffen in Laboratorien", z.B. Sicherheitswerkbank, aerosolarme Zentrifugation, ggf. Atemschutz
BodensanierungEintrag organischer Substanzen (Rindenmulch, Stroh, Kompost), Transport/Umlagerung von BodenmaterialSchutzmaßnahmen der BGI 583 "Biologische Arbeitsstoffe bei der Bodensanierung"
Transport und LagerungVerschimmeltes Transportgut und verschimmelte RohmaterialienGeeignete trockene Transport- und Lagerbedingungen, Staubminimierung, bei staubenden Tätigkeiten PSA, ggf. lüftungstechnische Maßnahmen
GebäudesanierungSanierung schimmelpilzbefallener bzw. taubenkotverunreinigter GebäudeStaubminimierung, Schutzkleidung, ggf. Atemschutz, Hygieneplan