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NJVollzG - Niedersächsisches Justizvollzugsgesetz
- Niedersachsen -

Vom 8. April 2014
(Nds. GVBl. Nr. 8 vom 24.04.2014 S. 106; 15.06.2017 S. 172 17, ber. S. 319; 20.05.2019 S. 88 19; 17.05.2022 S. 336 22; 22.09.2022 S. 593 22a i.K.)
Gl.-Nr.: 34210



Archiv 2007

Siehe Fn. *

Erster Teil
Gemeinsame Bestimmungen

§ 1 Anwendungsbereich

Dieses Gesetz regelt den Vollzug der Freiheitsstrafe, der Jugendstrafe und der Untersuchungshaft in den dafür bestimmten Anstalten des Landes Niedersachsen.

§ 2 Allgemeine Gestaltungsgrundsätze 17

(1) Das Leben im Vollzug soll den allgemeinen Lebensverhältnissen soweit wie möglich angepasst werden.

(2) Schädlichen Folgen des Freiheitsentzuges ist entgegenzuwirken.

(3) Der Vollzug der Freiheitsstrafe und der Jugendstrafe soll die Mitarbeitsbereitschaft der Gefangenen im Vollzug fördern, ihre Eigenverantwortung stärken und ihnen helfen, sich in das Leben in Freiheit einzugliedern. Die Einsicht der Gefangenen in das Unrecht ihrer Straftaten und ihre Bereitschaft, für deren Folgen einzustehen, sollen geweckt und gefördert werden.

§ 3 Rechtsstellung der Gefangenen

Die oder der Gefangene unterliegt den in diesem Gesetz vorgesehenen Beschränkungen ihrer oder seiner Freiheit. Soweit das Gesetz eine besondere Regelung nicht enthält, können ihr oder ihm die Beschränkungen auferlegt werden, die zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt erforderlich sind. Die Sicherheit der Anstalt umfasst auch den Schutz der Allgemeinheit vor Straftaten der Gefangenen

§ 4 Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

Von mehreren möglichen und geeigneten Maßnahmen ist diejenige zu treffen, die die Gefangene oder den Gefangenen voraussichtlich am wenigsten beeinträchtigt. Eine Maßnahme darf nicht zu einem Nachteil führen, der zu dem erstrebten Erfolg erkennbar außer Verhältnis steht. Sie ist nur so lange zu-lässig, bis ihr Zweck erreicht ist oder nicht mehr erreicht werden kann.

Zweiter Teil
Vollzug der Freiheitsstrafe

Erstes Kapitel
Allgemeine Vorschriften, Grundsätze

§ 5 Vollzugsziele

Im Vollzug der Freiheitsstrafe sollen die Gefangenen fähig werden, künftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen. Zugleich dient der Vollzug der Freiheitsstrafe dem Schutz der Allgemeinheit vor weiteren Straftaten.

§ 6 Mitwirkung der Gefangenen 17

(1) Gefangene sollen an der Erreichung des Vollzugszieles nach § 5 Satz 1 mitwirken. Ihre Bereitschaft hierzu ist zu wecken und zu fördern.

(2) Der oder dem Gefangenen sollen geeignete Maßnahmen angeboten werden, die sie oder ihn darin unterstützen, Verantwortung für ihre oder seine Straftat und deren Folgen zu übernehmen, sowie ihr oder ihm die Chance eröffnen, sich nach Verbüßung der Strafe in die Gesellschaft einzugliedern. Kann der Zweck einer solchen Maßnahme dauerhaft nicht erreicht werden, insbesondere weil die oder der Gefangene nicht hinreichend daran mitarbeitet, so soll diese Maßnahme beendet werden.

§ 7 Vollzug der Freiheitsstrafe in Einrichtungen für den Vollzug der Jugendstrafe 17

Wird die Freiheitsstrafe nach den Vorschriften des Jugendgerichtsgesetzes (JGG) in einer Einrichtung für den Vollzug der Jugendstrafe vollzogen, so gelten für den Vollzug der Freiheitsstrafe die Vorschriften des Vierten Teils.

Zweites Kapitel
Planung und Verlauf des Vollzuges

§ 8 Aufnahme in die Anstalt

(1) Bei der Aufnahme in die Anstalt wird die oder der Gefangene über ihre oder seine Rechte und Pflichten unterrichtet.

(2) Die oder der Gefangene und ihre oder seine Sachen werden durchsucht. Mit der oder dem Gefangenen wird unverzüglich ein Zugangsgespräch geführt. Sie oder er wird alsbald ärztlich untersucht.

(3) Während des Aufnahmeverfahrens dürfen andere Gefangene nicht anwesend sein. Erfordert die Verständigung mit der oder dem aufzunehmenden Gefangenen die Zuziehung einer Dolmetscherin oder eines Dolmetschers, so ist diese unverzüglich zu veranlassen. Ist die sofortige Verständigung mit der oder dem aufzunehmenden Gefangenen in ihrem oder seinem Interesse oder zur Gewährleistung der Sicherheit der Anstalt erforderlich, so können andere Gefangene zur Übersetzung herangezogen werden, wenn die Zuziehung einer Dolmetscherin oder eines Dolmetschers nach Satz 2 nicht rechtzeitig möglich ist.

§ 9 Vollzugsplanung 17

(1) Für die oder den Gefangenen ist eine Vollzugsplanung durchzuführen. Beträgt die Vollzugsdauer über ein Jahr, so ist ein Vollzugsplan zu erstellen, der Angaben mindestens über folgende Maßnahmen enthält:

  1. die Unterbringung im geschlossenen oder offenen Vollzug,
  2. die Verlegung in eine sozialtherapeutische Anstalt oder Abteilung,
  3. die Zuweisung zu Wohn- und anderen Gruppen, die der Erreichung des Vollzugszieles nach § 5 Satz 1 dienen,
  4. den Arbeitseinsatz sowie Maßnahmen der schulischen oder beruflichen Aus- oder Weiterbildung,
  5. besondere Hilfs- und Therapiemaßnahmen,
  6. Lockerungen des Vollzuges und
  7. notwendige Maßnahmen zur Vorbereitung der Entlassung.

(2) Nach der Aufnahme werden die zur Vorbereitung der Aufstellung des Vollzugsplans notwendigen Daten zur Persönlichkeit und zu den Lebensverhältnissen der oder des Gefangenen erhoben sowie die Ursachen und Folgen ihrer oder seiner Straftaten untersucht.

(3) Der Vollzugsplan ist in Einklang mit der Entwicklung der oder des Gefangenen und weiteren Erkenntnissen zur Persönlichkeit, insbesondere der Bereitschaft, an der Erreichung des Vollzugszieles nach § 5 Satz 1 mitzuarbeiten, fortzuschreiben. Hierfür sind im Vollzugsplan angemessene Fristen vorzusehen.

(4) Zur Vorbereitung der Aufstellung und Fortschreibung des Vollzugsplans werden Konferenzen mit den nach Auffassung der Vollzugsbehörde an der Vollzugsgestaltung maßgeblich Beteiligten durchgeführt.

(5) Die Vollzugsplanung wird mit der oder dem Gefangenen erörtert. Erfolgt die Vollzugsplanung in Form eines Vollzugsplans, so wird ihr oder ihm dieser in schriftlicher Form ausgehändigt.

§ 10 Verlegung, Überstellung, Ausantwortung

(1) Die oder der Gefangene kann abweichend vom Voll-streckungsplan in eine andere Anstalt verlegt werden, wenn

  1. hierdurch die Eingliederung in das Leben in Freiheit nach der Entlassung oder sonst die Erreichung des Vollzugszieles nach § 5 Satz 1 gefördert wird,
  2. sich während des Vollzuges herausstellt, dass die sichere Unterbringung der oder des Gefangenen auch in einer anderen Anstalt mit geringeren Sicherheitsvorkehrungen gewährleistet ist und durch die Verlegung die Erreichung des Vollzugszieles nach § 5 Satz 1 nicht gefährdet wird,
  3. ihr oder sein Verhalten oder Zustand eine Gefahr für die Sicherheit der Anstalt oder eine schwerwiegende Störung der Ordnung darstellt und diese durch die Verlegung abgewehrt wird,
  4. ohne Rücksicht auf ihr oder sein Verhalten oder ihren oder seinen Zustand eine Gefahr für die Sicherheit der Anstalt oder eine schwerwiegende Störung der Ordnung nicht anders abgewehrt werden kann,
  5. dies aus Gründen der Vollzugsorganisation oder aus einem anderen wichtigen Grund erforderlich ist.

(2) Die oder der Gefangene darf aus wichtigem Grund in eine andere Anstalt überstellt werden.

(3) Die oder der Gefangene kann mit ihrer oder seiner Zustimmung befristet dem Gewahrsam einer anderen Behörde überlassen werden, wenn diese zur Erfüllung ihrer Aufgaben darum ersucht (Ausantwortung). Die Ausantwortung ist auch ohne Zustimmung der oder des Gefangenen zulässig, wenn die ersuchende Behörde aufgrund einer Rechtsvorschrift das Erscheinen der oder des Gefangenen zwangsweise durchsetzen könnte. Die Verantwortung für die Sicherung des Gewahrsams und für das Vorliegen der Voraussetzungen des Satzes 2 trägt die ersuchende Behörde.

§ 11 Länderübergreifende Verlegungen

(1) Die oder der Gefangene kann mit Zustimmung des für Justiz zuständigen Ministeriums (Fachministerium) in eine Anstalt eines anderen Landes verlegt werden, wenn die in diesem Gesetz geregelten Voraussetzungen für eine Verlegung vorliegen und die zuständige Behörde des anderen Landes der Verlegung in die dortige Anstalt zustimmt. Dabei ist sicherzustellen, dass die nach diesem Gesetz erworbenen Ansprüche auf Arbeitsentgelt, Ausbildungsbeihilfe, Freistellung von der Arbeitspflicht und Ausgleichsentschädigung entweder durch das Land erfüllt oder in dem anderen Land anerkannt werden. § 40 Abs. 10 gilt entsprechend, soweit Ansprüche auf Freistellung von der Arbeitspflicht infolge der Verlegung nicht erfüllt werden können.

(2) Gefangene aus einer Anstalt eines anderen Landes können mit Zustimmung des Fachministeriums in eine Anstalt des Landes aufgenommen werden.

§ 12 Geschlossener und offener Vollzug

(1) Die oder der Gefangene wird im geschlossenen Vollzug untergebracht, wenn nicht nach dem Vollstreckungsplan eine Einweisung in den offenen Vollzug oder in eine Einweisungsanstalt oder Einweisungsabteilung vorgesehen ist.

(2) Die oder der Gefangene soll in eine Anstalt oder Abteilung des offenen Vollzuges verlegt werden, wenn sie oder er den besonderen Anforderungen des offenen Vollzuges genügt und namentlich nicht zu befürchten ist, dass sie oder er sich dem Vollzug der Freiheitsstrafe entzieht oder die Möglichkeiten des offenen Vollzuges zu Straftaten missbrauchen wird.

(3) Befindet sich eine Gefangene oder ein Gefangener im offenen Vollzug, so soll sie oder er in eine Anstalt oder Abteilung des geschlossenen Vollzuges verlegt werden, wenn sie oder er es beantragt oder den Anforderungen nach Absatz 2 nicht genügt oder es zur Erreichung des Vollzugszieles nach § 5 Satz 1 erforderlich ist.

§ 13 Lockerungen des Vollzuges

(1) Als Lockerung des Vollzuges kann zur Erreichung des Vollzugszieles nach § 5 Satz 1 mit Zustimmung der oder des Gefangenen namentlich angeordnet werden, dass die oder der Gefangene

  1. außerhalb der Anstalt regelmäßig einer Beschäftigung unter Aufsicht (Außenbeschäftigung) oder ohne Aufsicht Vollzugsbediensteter (Freigang) nachgehen darf,
  2. für eine bestimmte Tageszeit die Anstalt unter Aufsicht (Ausführung) oder ohne Aufsicht Vollzugsbediensteter (Ausgang) verlassen darf oder
  3. bis zu 21 Kalendertagen im Vollstreckungsjahr beurlaubt wird.

(2) Die Lockerungen nach Absatz 1 dürfen nur angeordnet werden, wenn nicht zu befürchten ist, dass die oder der Gefangene sich dem Vollzug der Freiheitsstrafe entzieht oder die Lockerungen zu Straftaten missbrauchen wird.

(3) Ausgang und Freigang sollen erst angeordnet werden, wenn hinreichende Erkenntnisse über die Gefangene oder den Gefangenen vorliegen, aufgrund derer verlässlich beurteilt werden kann, ob die Voraussetzungen des Absatzes 2 im Einzelfall gegeben sind; dabei sind die Vollzugsdauer und die Länge des davon bereits verbüßten Teils zu berücksichtigen. Urlaub soll erst angeordnet werden, wenn sich die oder der Gefangene im Ausgang oder Freigang bewährt hat.

(4) Die oder der zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilte Gefangene kann beurlaubt werden, wenn sie oder er sich einschließlich einer vorhergehenden Untersuchungshaft oder einer anderen Freiheitsentziehung zehn Jahre im Vollzug befunden hat oder wenn sie oder er in den offenen Vollzug verlegt worden ist; für Ausgang und Freigang gilt in der Regel eine Sperrfrist von acht Jahren.

(5) Der oder dem Gefangenen, die oder der sich für den offenen Vollzug eignet, aus besonderen Gründen aber in einer Anstalt oder Abteilung des geschlossenen Vollzuges untergebracht ist, können nach den für den offenen Vollzug geltenden Vorschriften Lockerungen gewährt werden.

(6) Durch den Urlaub wird die Strafvollstreckung nicht unterbrochen.

§ 14 Ausgang, Urlaub und Ausführung aus wichtigem Anlass

(1) Aus wichtigem Anlass kann die oder der Gefangene Ausgang erhalten oder bis zu sieben Tagen beurlaubt werden; der Urlaub aus anderem wichtigen Anlass als wegen einer lebens-gefährlichen Erkrankung oder wegen des Todes einer oder eines Angehörigen darf sieben Tage im Jahr nicht übersteigen. Kann Ausgang oder Urlaub aus den in § 13 Abs. 2 genannten Gründen nicht gewährt werden, so kann die Vollzugsbehörde die Gefangene oder den Gefangenen ausführen lassen.

(2) Die Lockerungen nach Absatz 1 werden nicht auf die Lockerungen nach § 13 angerechnet.

(3) Der oder dem Gefangenen kann zur Teilnahme an einem gerichtlichen Termin Ausgang oder Urlaub gewährt werden, wenn anzunehmen ist, dass sie oder er der Ladung folgt. Kann Ausgang oder Urlaub nicht gewährt werden, so soll die oder der Gefangene mit ihrer oder seiner Zustimmung ausgeführt werden. Auf Ersuchen eines Gerichts oder einer Staatsanwaltschaft wird die oder der Gefangene vorgeführt.

(4) Die oder der Gefangene darf auch ohne ihre oder seine Zustimmung ausgeführt werden, wenn dies aus besonderem Grund notwendig ist.

(5) § 13 Abs. 2 und 6 sowie § 15 gelten entsprechend.

§ 15 Weisungen, Aufhebung von Lockerungen 17 22

(1) Die Vollzugsbehörde kann der oder dem Gefangenen für Lockerungen Weisungen erteilen. Insbesondere kann die oder der Gefangene angewiesen werden,

  1. sich nur an von der Vollzugsbehörde bestimmten Orten aufzuhalten,
  2. sich nicht an bestimmten Orten aufzuhalten, insbesondere nicht in der Wohnung oder am Arbeitsplatz der oder des durch ihre oder seine Straftat Verletzten oder in einem bestimmten Umkreis dieser Orte,
  3. zu der oder dem durch ihre oder seine Straftat Verletzten oder zu sonstigen bestimmten Personen oder Gruppen keinen Kontakt aufzunehmen,
  4. keine alkoholischen Getränke oder andere berauschende Mittel zu sich zu nehmen und sich Alkohol- oder Suchtmittelkontrollen zu unterziehen, die nicht mit einem körperlichen Eingriff verbunden sind,
  5. sich zu bestimmten Zeiten bei einer bestimmten Stelle oder Person zu melden,
  6. sich von einer oder einem Vollzugsbediensteten oder einer anderen geeigneten Person begleiten zu lassen oder
  7. die für eine elektronische Überwachung ihres oder seines Aufenthaltsortes erforderlichen technischen Mittel ständig in betriebsbereitem Zustand bei sich zu führen und deren Funktionsfähigkeit nicht zu beeinträchtigen.

Bei der Erteilung von Weisungen sind die Interessen der oder des durch eine Straftat der oder des Gefangenen Verletzten sowie das Schutzinteresse gefährdeter Dritter zu berücksichtigen.

(2) Eine Weisung nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 7 ist nur zulässig, wenn

  1. die oder der Gefangene wegen einer in § 66 Abs. 3 Satz 1 des Strafgesetzbuchs (StGB) genannten Straftat verurteilt worden ist und
  2. die Weisung erforderlich ist, um die Gefangene oder den Gefangenen davon abzuhalten, gegen eine Weisung nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 1 oder 2 zu verstoßen.

Die Weisung erteilt die Anstaltsleiterin oder der Anstaltsleiter.

(3) Die Vollzugsbehörde erhebt und speichert bei einer Weisung nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 8 mithilfe der von der oder dem Gefangenen mitgeführten technischen Mittel automatisiert Daten über ihren oder seinen Aufenthaltsort sowie über etwaige Beeinträchtigungen der Datenerhebungen. Es ist sicherzustellen, dass innerhalb der Wohnung der oder des Gefangenen keine über den Umstand ihrer oder seiner Anwesenheit hinausgehenden Daten erhoben werden. Die Daten dürfen nur verändert, genutzt oder übermittelt werden, soweit dies

  1. zur Feststellung eines Verstoßes gegen eine Weisung nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 1 oder 2,
  2. zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für das Leben oder einer gegenwärtigen erheblichen Gefahr für die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung Dritter oder
  3. zur Verfolgung einer in § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB genannten Straftat

erforderlich und die Verarbeitung verhältnismäßig ist.

(4) Die Verarbeitung der Daten nach Absatz 3 Satz 3 Nr. 1 hat automatisiert zu erfolgen. Die nach Absatz 3 Satz 1 erhobenen Daten sind gegen unbefugte Kenntnisnahme besonders zu sichern. Die Daten sind spätestens zwei Monate nach ihrer Erhebung zu löschen, soweit sie nicht für einen der in Absatz 3 Satz 3 genannten Zwecke verarbeitet werden. Werden innerhalb der Wohnung über den Umstand der Anwesenheit der oder des Gefangenen hinausgehende Daten erhoben, so dürfen diese nicht geändert, genutzt oder übermittelt werden und sind unverzüglich zu löschen.

(5) Lockerungen können widerrufen werden, wenn die Vollzugsbehörde aufgrund nachträglich eingetretener Umstände berechtigt wäre, die Maßnahme zu versagen, die oder der Gefangene die Maßnahme missbraucht oder sie oder er den Weisungen nicht nachkommt.

(6) Lockerungen können mit Wirkung für die Zukunft zurückgenommen werden, wenn die Voraussetzungen für ihre Anordnung nicht vorgelegen haben.

§ 16 Begutachtung, Untersuchung 17 22

(1) Die Vollzugsbehörde ordnet an, dass sich die oder der Gefangene begutachten oder körperlich untersuchen lässt, wenn dies zur Feststellung der Voraussetzungen einer Verlegung in den offenen Vollzug nach § 12 Abs. 2 oder einer Lockerung nach § 13 Abs. 2 erforderlich ist. Die Erforderlichkeit ist in der Regel gegeben

  1. bei zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilten Gefangenen,
  2. bei Gefangenen, die wegen einer Straftat
    1. nach den § § 174 bis 180, 182, 211 oder 212 des StGB oder
    2. nach § 323a StGB verurteilt worden sind, soweit die im Rausch begangene Tat eine der in Buchstabe a genannten Taten ist,

    oder

  3. wenn Tatsachen die Annahme begründen, dass eine Abhängigkeit oder ein Missbrauch von Sucht- oder Arzneimitteln vorliegt.

In den Fällen des Satzes 2 Nrn. 1 und 2 sollen Sachverständige verschiedener Fachrichtungen an der Begutachtung beteiligt werden.

(2) Blutentnahmen oder andere körperliche Eingriffe sind zulässig, wenn sie von einer Ärztin oder einem Arzt vorgenommen werden und ein Nachteil für die Gesundheit der oder des Gefangenen nicht zu befürchten ist.

(3) Die Begutachtung oder körperliche Untersuchung bedarf der Zustimmung der oder des Gefangenen. Verweigert die oder der Gefangene die Zustimmung, so ist in der Regel der Schluss zu ziehen, dass die Voraussetzungen für die Verlegung in den offenen Vollzug oder die Anordnung der Lockerung nicht gegeben sind. Die oder der Gefangene ist hierauf bei der Anordnung nach Absatz 1 hinzuweisen.

(4) Blut und sonstige Körperzellen dürfen nur für den der Anordnung zugrunde liegenden Zweck verwendet werden. Für einen anderen vollzuglichen Zweck dürfen sie verwendet werden, wenn ihre Entnahme auch zu diesem Zweck zulässig wäre oder wenn die oder der Gefangene zustimmt. Liegt eine Zustimmung der oder des Gefangenen nicht vor, so ist sie oder er über die Verwendung zu einem anderen vollzuglichen Zweck zu unterrichten. Blut und sonstige Körperzellen sind unverzüglich zu vernichten, sobald sie für Zwecke nach Satz 1 oder 2 nicht mehr benötigt werden.

(5) Eine Begutachtung oder körperliche Untersuchung kann auch angeordnet werden, wenn dies für die Vorbereitung einer anderen vollzuglichen Entscheidung, insbesondere zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt, erforderlich ist. Die Absätze 2 bis 4 gelten entsprechend.

§ 17 Entlassungsvorbereitung

(1) Um die Entlassung vorzubereiten, sollen Lockerungen unter den Voraussetzungen des § 13 angeordnet werden.

(2) Eine Verlegung der oder des Gefangenen in den offenen Vollzug nach § 12 Abs. 2 soll unterbleiben, wenn diese die Vorbereitung der Entlassung beeinträchtigen würde.

(3) Innerhalb von drei Monaten vor der Entlassung kann zu deren Vorbereitung Sonderurlaub bis zu einer Woche gewährt werden. § 13 Abs. 2 und 6 sowie § 15 gelten entsprechend.

(4) Der Freigängerin und dem Freigänger (§ 13 Abs. 1 Nr. 1) kann innerhalb von neun Monaten vor der Entlassung Sonderurlaub bis zu sechs Tagen im Monat gewährt werden. § 13 Abs. 2 und 6 sowie § 15 gelten entsprechend. Absatz 3 Satz 1 findet keine Anwendung.

§ 18 Entlassungszeitpunkt

(1) Die oder der Gefangene soll am letzten Tag ihrer oder seiner Strafzeit möglichst frühzeitig, jedenfalls noch am Vormittag entlassen werden.

(2) Fällt das Strafende auf einen Sonnabend oder Sonntag, einen gesetzlichen Feiertag, den ersten Werktag nach Ostern oder Pfingsten oder in die Zeit vom 22. Dezember bis zum 2. Januar, so kann die oder der Gefangene an dem diesem Tag oder Zeitraum vorhergehenden Werktag entlassen werden, wenn dies nach der Länge der Strafzeit vertretbar ist und fürsorgerische Gründe nicht entgegenstehen.

(3) Der Entlassungszeitpunkt kann bis zu zwei Tagen vor-verlegt werden, wenn dringende Gründe dafür vorliegen, dass die oder der Gefangene zu ihrer oder seiner Eingliederung hierauf angewiesen ist.

Drittes Kapitel
Unterbringung, Kleidung, Verpflegung und Einkauf

§ 19 Unterbringung während der Arbeitszeit und Freizeit

(1) Gefangene arbeiten gemeinsam. Dasselbe gilt für schulische und berufliche Aus- und Weiterbildung sowie für arbeitstherapeutische Beschäftigung während der Arbeitszeit.

(2) Während der Freizeit kann sich die oder der Gefangene in Gemeinschaft mit anderen aufhalten.

(3) Die gemeinschaftliche Unterbringung während der Arbeitszeit und Freizeit kann eingeschränkt werden

  1. bis zu einer Dauer von zwei Monaten während der Erhebung und Untersuchung nach § 9 Abs. 2,
  2. wenn ein schädlicher Einfluss auf andere Gefangene zu befürchten ist oder
  3. wenn es die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt erfordert.

§ 20 Unterbringung während der Ruhezeit

(1) Die oder der Gefangene wird während der Ruhezeit allein in ihrem oder seinem Haftraum untergebracht. Mit ihrer oder seiner Zustimmung kann die oder der Gefangene auch gemeinsam mit anderen Gefangenen untergebracht werden, wenn eine schädliche Beeinflussung nicht zu befürchten ist.

(2) Ohne Zustimmung der betroffenen Gefangenen ist eine gemeinsame Unterbringung nur zulässig, sofern eine oder einer von ihnen hilfsbedürftig ist, für eine oder einen von ihnen eine Gefahr für Leben oder Gesundheit besteht oder die räumlichen Verhältnisse der Anstalt dies erfordern.

§ 21 Ausstattung des Haftraums und persönlicher Besitz

Die oder der Gefangene darf ihren oder seinen Haftraum mit Erlaubnis in angemessenem Umfang mit eigenen Sachen ausstatten. Die Erlaubnis kann versagt oder widerrufen werden, soweit Sachen die Übersichtlichkeit des Haftraumes oder in anderer Weise die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt beeinträchtigen.

§ 22 Kleidung

(1) Die oder der Gefangene trägt eigene Kleidung, wenn sie oder er für Reinigung und Instandsetzung auf eigene Kosten sorgt; anderenfalls trägt sie oder er Anstaltskleidung.

(2) Die Vollzugsbehörde kann das Tragen von Anstaltskleidung allgemein oder im Einzelfall anordnen, wenn dies aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt erforderlich ist.

§ 23 Anstaltsverpflegung

Gefangene sind gesund zu ernähren. Auf ärztliche Anordnung wird besondere Verpflegung gewährt. Der oder dem Gefangenen ist es zu ermöglichen, Speisevorschriften ihrer oder seiner Religionsgemeinschaft zu befolgen.

§ 24 Einkauf

(1) Die oder der Gefangene kann sich aus einem von der Vollzugsbehörde vermittelten Angebot Nahrungs- und Ge-nussmittel sowie Mittel zur Körperpflege kaufen. Es soll für ein Angebot gesorgt werden, das auf die Wünsche und Bedürfnisse der Gefangenen Rücksicht nimmt.

(2) Gegenstände, die die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt gefährden, sind vom Einkauf ausgeschlossen. In Anstaltskrankenhäusern und Krankenabteilungen kann der Einkauf einzelner Nahrungs- und Genussmittel auf ärztliche Anordnung allgemein untersagt oder eingeschränkt werden.

Viertes Kapitel
Besuche, Schriftwechsel, Telekommunikation und Pakete

§ 25 Recht auf Besuch 17 22

(1) Die oder der Gefangene darf nach vorheriger Anmeldung regelmäßig Besuch empfangen. Die Gesamtdauer beträgt mindestens zwei Stunden im Monat; Besuche von Kindern der oder des Gefangenen, die das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, werden bis zu einer Dauer von zwei Stunden nicht angerechnet.

(2) Besuche sollen darüber hinaus zugelassen werden, wenn sie die Erreichung des Vollzugszieles nach § 5 Satz 1 fördern oder persönlichen, rechtlichen oder geschäftlichen Angelegenheiten dienen, die nicht von der oder dem Gefangenen schriftlich erledigt, durch Dritte wahrgenommen oder bis zur Entlassung der oder des Gefangenen aufgeschoben werden können. Nach Satz 1 können auch mehrstündige unbeaufsichtigte Besuche (Langzeitbesuche) von Angehörigen im Sinne des Strafgesetzbuchs sowie von Personen, die einen günstigen Einfluss erwarten lassen, zugelassen werden, soweit die oder der Gefangene dafür geeignet ist.

(3) Bei der Festlegung der Dauer und Häufigkeit der Besuche sowie der Besuchszeiten sind auch die allgemeinen Lebensverhältnisse der Besucherinnen und Besucher, insbesondere diejenigen von Familien mit minderjährigen Kindern, zu berücksichtigen. Das Nähere regelt die Hausordnung.

(4) Zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt kann der Besuch einer Person von ihrer Durchsuchung abhängig gemacht und die Anzahl der gleichzeitig zu einem Besuch zugelassenen Personen beschränkt werden.

§ 26 Besuchsverbot 22

Besuche können untersagt werden,

  1. wenn die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt gefährdet würde,
  2. bei Besucherinnen und Besuchern, die nicht Angehörige der, des Gefangenen im Sinne des Strafgesetzbuchs sind, wenn zu befürchten ist, dass sie einen schädlichen Einfluss auf die Gefangene, den Gefangenen haben, ihre oder seine Eingliederung behindern würden oder wenn überwiegende Interessen der oder des durch eine Straftat der oder des Gefangenen Verletzten entgegenstehen.

§ 27 Besuche von Verteidigerinnen, Verteidigern, Rechtsanwältinnen, Rechtsanwälten, Notarinnen und Notaren 17

Besuche von Verteidigerinnen und Verteidigern sowie von Rechtsanwältinnen, Rechtsanwälten, Notarinnen und Notaren in einer die Gefangene oder den Gefangenen betreffenden Rechtssache sind ohne Beschränkungen hinsichtlich ihrer Dauer oder Häufigkeit zulässig. Die regelmäßigen Besuchszeiten legt die Vollzugsbehörde im Benehmen mit der Rechtsanwaltskammer in der Hausordnung fest. § 25 Abs. 4 gilt entsprechend. Eine inhaltliche Überprüfung der von der Verteidigerin oder dem Verteidiger mitgeführten Schriftstücke und sonstigen Unterlagen ist nicht zulässig. Abweichend von Satz 4 gilt § 30 Abs. 2 Sätze 2 bis 4 in den dort genannten Fällen entsprechend.

§ 28 Überwachung der Besuche

(1) Besuche dürfen offen überwacht werden. Die akustische Überwachung ist nur zulässig, wenn dies im Einzelfall zur Erreichung des Vollzugszieles nach § 5 Satz 1 oder zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt erforderlich ist.

(2) Die Vollzugsbehörde kann anordnen, dass für das Gespräch zwischen der oder dem Gefangenen und den Besucherinnen und Besuchern Vorrichtungen vorzusehen sind, die die körperliche Kontaktaufnahme sowie die Übergabe von Schriftstücken und anderen Gegenständen ausschließen, wenn dies zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder zur Abwendung einer schwerwiegenden Störung der Ordnung der Anstalt unerlässlich ist.

(3) Ein Besuch darf nach vorheriger Androhung abgebrochen werden, wenn Besucherinnen oder Besucher oder die oder der Gefangene gegen die Vorschriften dieses Gesetzes oder die aufgrund dieses Gesetzes getroffenen Anordnungen verstoßen. Der Besuch kann sofort abgebrochen werden, wenn dies unerlässlich ist, um eine Gefahr für die Sicherheit der Anstalt oder einen schwerwiegenden Verstoß gegen die Ordnung der Anstalt abzuwehren.

(4) Besuche von Verteidigerinnen und Verteidigern werden nicht überwacht.

(5) Gegenstände dürfen beim Besuch nur mit Erlaubnis übergeben werden. Dies gilt nicht für die bei dem Besuch

  1. einer Verteidigerin oder eines Verteidigers oder
  2. einer Rechtsanwältin, eines Rechtsanwalts, einer Notarin oder eines Notars zur Erledigung einer die Gefangene oder den Gefangenen betreffenden Rechtssache

übergebenen Schriftstücke und sonstigen Unterlagen. In den Fällen des Satzes 2 Nr. 2 kann die Übergabe aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt von der Erteilung einer Erlaubnis abhängig gemacht werden.

(6) Abweichend von den Absätzen 4 und 5 Satz 2 Nr. 1 gilt § 30 Abs. 2 Sätze 2 bis 4 in den dort genannten Fällen entsprechend.

§ 29 Recht auf Schriftwechsel

(1) Die oder der Gefangene hat das Recht, Schreiben abzusenden und zu empfangen. In dringenden Fällen kann der oder dem Gefangenen gestattet werden, Schreiben als Telefaxe aufzugeben.

(2) Schriftwechsel mit bestimmten Personen kann untersagt werden, wenn

  1. die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt gefährdet würde oder
  2. zu erwarten ist, dass der Schriftwechsel mit Personen, die nicht Angehörige der oder des Gefangenen im Sinne des Strafgesetzbuchs sind, einen schädlichen Einfluss auf die Gefangene oder den Gefangenen haben oder ihre oder seine Eingliederung behindern würde.

§ 30 Überwachung des Schriftwechsels 17

(1) Der Schriftwechsel darf überwacht werden, soweit es zur Erreichung des Vollzugszieles nach § 5 Satz 1 oder aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt erforderlich ist.

(2) Der Schriftwechsel der oder des Gefangenen mit der Verteidigerin oder dem Verteidiger wird nicht überwacht. Liegt dem Vollzug der Freiheitsstrafe eine Straftat nach § 129a, auch in Verbindung mit § 129b Abs. 1 StGB zugrunde, so gelten § 148 Abs. 2 und § 148a der Strafprozessordnung (StPO) entsprechend. Satz 2 gilt nicht, wenn sich die oder der Gefangene in einer Anstalt oder Abteilung des offenen Vollzuges befindet oder wenn ihr oder ihm Lockerungen nach § 13 Abs. 1 mit Ausnahme der Ausführung oder Sonderurlaub nach § 17 Abs. 3 gewährt worden sind und ein Grund, der die Vollzugsbehörde zum Widerruf oder zur Rücknahme ermächtigt, nicht vorliegt. Die Sätze 2 und 3 gelten auch, wenn gegen eine Gefangene oder einen Gefangenen im Anschluss an die dem Vollzug der Freiheitsstrafe zugrunde liegende Verurteilung eine Freiheitsstrafe wegen einer Straftat nach § 129a StGB, auch in Verbindung mit § 129b Abs. 1 StGB, zu vollstrecken ist.

(3) Nicht überwacht werden Schreiben der oder des Gefangenen an Volksvertretungen des Bundes und der Länder sowie an deren Mitglieder, wenn die Schreiben an die Anschriften dieser Volksvertretungen gerichtet sind und die Absender zutreffend angeben. Entsprechendes gilt für Schreiben an das Europäische Parlament und dessen Mitglieder, den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, den Europäischen Ausschuss zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe und die Daten-schutzbeauftragten des Bundes und der Länder. Schreiben der in den Sätzen 1 und 2 genannten Stellen, die an eine Gefangene oder einen Gefangenen gerichtet sind, werden nicht überwacht, wenn die Identität der Absender zweifelsfrei feststeht.

§ 31 Weiterleitung von Schreiben, Aufbewahrung

(1) Die oder der Gefangene hat Absendung und Empfang ihrer oder seiner Schreiben durch die Vollzugsbehörde vermitteln zu lassen, soweit nicht etwas anderes gestattet ist.

(2) Eingehende und ausgehende Schreiben sind unverzüglich weiterzuleiten.

(3) Die oder der Gefangene hat eingehende Schreiben unverschlossen zu verwahren, sofern nicht etwas anderes gestattet wird; sie oder er kann die Schreiben verschlossen zur Habe geben.

§ 32 Anhalten von Schreiben

(1) Schreiben können angehalten werden, wenn

  1. die Vollzugsziele oder die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt gefährdet würden,
  2. die Weitergabe in Kenntnis ihres Inhalts einen Straf- oder Bußgeldtatbestand verwirklichen würde,
  3. sie grob unrichtige oder erheblich entstellende Darstellungen von Anstaltsverhältnissen enthalten,
  4. sie grobe Beleidigungen enthalten,
  5. sie die Eingliederung anderer Gefangener gefährden können oder
  6. sie in Geheimschrift, unlesbar, unverständlich oder ohne zwingenden Grund in einer fremden Sprache abgefasst sind.

(2) Ist ein Schreiben angehalten worden, so wird das der oder dem Gefangenen mitgeteilt. Angehaltene Schreiben werden an die Absender zurückgegeben oder behördlich verwahrt, sofern eine Rückgabe unmöglich oder nicht geboten ist.

(3) Schreiben, deren Überwachung nach § 30 Abs. 2 und 3 ausgeschlossen ist, dürfen nicht angehalten werden.

§ 33 Telekommunikation 22

(1) In dringenden Fällen soll der oder dem Gefangenen gestattet werden, Telefongespräche zu führen. Für das Verbot, die akustische Überwachung und den Abbruch von Telefongesprächen gelten die §§ 26 und 28 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 und 4 entsprechend. Ist eine akustische Überwachung beabsichtigt, so ist dies der Gesprächspartnerin oder dem Gesprächspartner unmittelbar nach Herstellung der Verbindung durch die Vollzugsbehörde oder die Gefangene oder den Gefangenen mitzuteilen. Die oder der Gefangene ist rechtzeitig vor Beginn der Unterhaltung über die beabsichtigte Überwachung und die Mitteilungspflicht nach Satz 3 zu unterrichten. Die Unterhaltung kann zeitversetzt überwacht und zu diesem Zweck gespeichert werden.

(2) Der oder dem Gefangenen kann allgemein gestattet werden, Telefongespräche zu führen, wenn sie oder er sich mit zur Gewährleistung der Sicherheit und Ordnung der Anstalt von der Vollzugsbehörde erlassenen Nutzungsbedingungen einverstanden erklärt. Soweit die Nutzungsbedingungen keine abweichenden Regelungen enthalten, gilt Absatz 1 Sätze 2 bis 5 entsprechend.

(3) Die Zulassung einer anderen Form der Telekommunikation, insbesondere der Videotelefonie, in der Anstalt bedarf der Zustimmung des Fachministeriums; die oder der Gefangene hat keinen Anspruch auf Erteilung der Zustimmung. Hat das Fachministerium die Zustimmung erteilt, so kann die Vollzugsbehörde der oder dem Gefangenen allgemein oder im Einzelfall die Nutzung der zugelassenen Telekommunikationsform gestatten, wenn sicher-gestellt ist, dass hierdurch nicht die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt gefährdet wird und sich die oder der Gefangene mit den von der Vollzugsbehörde zu diesem Zweck erlassenen Nutzungsbedingungen einverstanden erklärt. Soweit die Nutzungsbedingungen keine abweichenden Regelungen enthalten, gelten für Telekommunikationsformen,

  1. die einem Besuch vergleichbar sind, Absatz 1 Sätze 2 bis 5,
  2. die einem Schriftwechsel vergleichbar sind, § 29 Abs. 2 sowie die § § 30 bis 32

entsprechend.

(4) Durch den Einsatz technischer Mittel kann verhindert werden, dass mittels einer innerhalb der Anstalt befindlichen Mobilfunkendeinrichtung unerlaubte Telekommunikationsverbindungen hergestellt oder aufrechterhalten werden. Der Telekommunikationsverkehr außerhalb des räumlichen Bereichs der Anstalt darf nicht beeinträchtigt werden.

§ 34 Pakete

(1) Die oder der Gefangene darf in angemessenem Umfang Pakete empfangen. Der Empfang jedes Paketes bedarf der Erlaubnis. Pakete dürfen Nahrungs- und Genussmittel sowie Gegenstände, die die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt gefährden, nicht enthalten. Pakete, für die keine Erlaubnis erteilt worden ist, sollen nicht angenommen werden.

(2) Angenommene Pakete sind in Gegenwart der oder des Gefangenen zu öffnen. Gegenstände nach Absatz 1 Satz 3 sind zur Habe zu nehmen, zurückzusenden oder, wenn es erforderlich ist, zu vernichten. Die Maßnahmen werden der oder dem Gefangenen mitgeteilt.

(3) Der Empfang von Paketen kann befristet untersagt werden, wenn dies wegen einer Gefährdung der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt unerlässlich ist.

(4) Der oder dem Gefangenen kann gestattet werden, Pakete zu versenden. Deren Inhalt kann aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt überprüft werden.

Fünftes Kapitel
Arbeit, Aus- und Weiterbildung

§ 35 Zuweisung

(1) Arbeit, arbeitstherapeutische Beschäftigung sowie Aus- und Weiterbildung dienen insbesondere dem Ziel, Fähigkeiten für eine Erwerbstätigkeit nach der Entlassung zu vermitteln, zu erhalten oder zu fördern.

(2) Die Vollzugsbehörde soll der oder dem Gefangenen wirtschaftlich ergiebige Arbeit oder, wenn dies der Vollzugsbehörde nicht möglich ist, eine angemessene Beschäftigung zuweisen und dabei ihre oder seine Fähigkeiten, Fertigkeiten und Neigungen berücksichtigen. Die Vollzugsbehörde kann der oder dem Gefangenen als Tätigkeit nach Satz 1 jährlich bis zu drei Monaten eine dem Anstaltsbetrieb dienende Tätigkeit (Hilfstätigkeit) zuweisen; mit Zustimmung der oder des Gefangenen kann die Hilfstätigkeit auch für einen längeren Zeitraum zugewiesen werden. Soweit die Vollzugsplanung dies vorsieht, soll der oder dem Gefangenen mit ihrer oder seiner Zustimmung statt einer Tätigkeit nach Satz 1 eine geeignete aus- oder weiterbildende Maßnahme zugewiesen werden.

(3) Ist die oder der Gefangene zu wirtschaftlich ergiebiger Arbeit nicht fähig, so soll ihr oder ihm eine geeignete arbeitstherapeutische Beschäftigung zugewiesen werden.

(4) Einer oder einem Gefangenen, die oder der die Regelaltersgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung erreicht hat, darf eine Tätigkeit nach den Absätzen 1 bis 3 nur mit ihrer oder seiner Zustimmung zugewiesen werden.

(5) Die zur Zuweisung einer Tätigkeit nach Absatz 2 Satz 2 oder 3 oder nach Absatz 4 erteilte Zustimmung kann widerrufen werden, jedoch nicht zur Unzeit. Durch den wirksamen Widerruf erlischt die Zuweisung.

§ 36 Freies Beschäftigungsverhältnis, Selbstbeschäftigung

(1) Der oder dem Gefangenen soll gestattet werden, einer Arbeit oder einer beruflichen Aus- oder Weiterbildung auf der Grundlage eines freien Beschäftigungsverhältnisses außerhalb der Anstalt nachzugehen, wenn dies im Rahmen der Vollzugsplanung dem Ziel dient, Fähigkeiten für eine Erwerbstätigkeit nach der Entlassung zu vermitteln, zu erhalten oder zu fördern, und nicht überwiegende Gründe des Vollzuges entgegenstehen. § 13 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 und § 15 bleiben unberührt.

(2) Der oder dem Gefangenen kann anstelle einer zugewiesenen Tätigkeit gestattet werden, selbständig einer Beschäftigung (Selbstbeschäftigung) nachzugehen. Für eine Selbstbeschäftigung außerhalb der Anstalt bleiben § 13 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 und § 15 unberührt. Die Gestattung der Selbstbeschäftigung kann davon abhängig gemacht werden, dass die Gefangenen den Kostenbeitrag nach § 52 Abs. 1 ganz oder teilweise monatlich im Voraus entrichten.

(3) Die Vollzugsbehörde kann verlangen, dass ihr aus den Tätigkeiten nach Absatz 1 oder 2 erzielte Einkünfte der oder des Gefangenen zur Gutschrift überwiesen werden.

§ 37 Abschlusszeugnis

Aus dem Abschlusszeugnis über eine aus- oder weiterbildende Maßnahme darf die Inhaftierung nicht erkennbar sein.

§ 38 Arbeitspflicht 17

(1) Die oder der Gefangene ist verpflichtet, eine ihr oder ihm zugewiesene Tätigkeit auszuüben.

(2) Maßnahmen nach § 9 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 sind während der Arbeitszeit zuzulassen, soweit dies im Rahmen der Vollzugsplanung zur Erreichung des Vollzugszieles nach § 5 Satz 1 erforderlich ist. Sonstige vollzugliche Maßnahmen sollen während der Arbeitszeit zugelassen werden, soweit dies im überwiegenden Interesse der oder des Gefangenen oder aus einem anderen wichtigen Grund erforderlich ist.

§ 39 Freistellung von der Arbeitspflicht 17

(1) Hat die oder der Gefangene ein Jahr lang eine zugewiesene Tätigkeit ausgeübt, so kann sie oder er beanspruchen, für die Dauer des jährlichen Mindesturlaubs nach § 3 Abs. 1 des Bundesurlaubsgesetzes von der Arbeitspflicht freigestellt zu werden; Zeiträume von unter einem Jahr bleiben unberücksichtigt. Die Freistellung kann nur innerhalb eines Jahres nach Entstehung des Freistellungsanspruchs in Anspruch genommen werden. Auf die Frist nach Satz 1 werden Zeiten,

  1. in denen die oder der Gefangene infolge Krankheit an ihrer oder seiner Arbeitsleistung gehindert war, mit bis zu sechs Wochen jährlich,
  2. in denen die oder der Gefangene Verletztengeld nach § 47 Abs. 6 des Siebten Buchs des Sozialgesetzbuchs erhalten hat,
  3. in denen die oder der Gefangene nach Satz 1 oder nach § 40 Abs. 5 von der Arbeitspflicht freigestellt war,
  4. die nach Absatz 3 auf die Freistellung angerechnet werden oder in denen die oder der Gefangene nach § 40 Abs. 6 beurlaubt war und
  5. in denen die oder der Gefangene eine angebotene Arbeit oder angemessene Beschäftigung während des Vollzuges der vorausgehenden Untersuchungshaft ausgeübt hat,

angerechnet. Zeiten, in denen die oder der Gefangene ihrer oder seiner Arbeitspflicht aus anderen Gründen nicht nachgekommen ist, können in angemessenem Umfang angerechnet werden. Erfolgt keine Anrechnung nach Satz 3 oder 4, so wird die Frist für die Dauer der Fehlzeit gehemmt. Abweichend von Satz 5 wird die Frist durch eine Fehlzeit unterbrochen, die unter Berücksichtigung des Vollzugszieles nach § 5 Satz 1 außer Verhältnis zur bereits erbrachten Arbeitsleistung steht.

(2) Der Zeitraum der Freistellung muss mit den betrieblichen Belangen vereinbar sein.

(3) Auf die Zeit der Freistellung wird Urlaub nach § 13 oder 14 Abs. 1 angerechnet, soweit er in die Arbeitszeit fällt und nicht wegen einer lebensgefährlichen Erkrankung oder des Todes Angehöriger gewährt worden ist.

(4) Der oder dem Gefangenen wird für die Zeit der Freistellung das Arbeitsentgelt oder die Ausbildungsbeihilfe fortgezahlt. Dabei ist der Durchschnitt der letzten drei abgerechneten Monate zugrunde zu legen.

(5) Urlaubsregelungen der Beschäftigungsverhältnisse außerhalb des Strafvollzuges bleiben unberührt.

§ 40 Anerkennung von Arbeit und Beschäftigung 17

(1) Übt die oder der Gefangene eine zugewiesene Arbeit oder angemessene Beschäftigung aus, so erhält sie oder er ein Arbeitsentgelt. Der Bemessung des Arbeitsentgelts sind neun vom Hundert der Bezugsgröße nach § 18 des Vierten Buchs des Sozialgesetzbuchs zugrunde zu legen (Eckvergütung).

(2) Das Arbeitsentgelt kann je nach Leistung der oder des Gefangenen und der Art der Arbeit gestuft werden. 275 vom Hundert der Eckvergütung dürfen nur dann unterschritten werden, wenn die Arbeitsleistungen der oder des Gefangenen den Mindestanforderungen nicht genügen.

(3) Übt die oder der Gefangene eine arbeitstherapeutische Beschäftigung aus, so erhält sie oder er ein Arbeitsentgelt, soweit dies der Art der Beschäftigung und der Arbeitsleistung entspricht. Nimmt die oder der Gefangene während der Arbeitszeit an im Vollzugsplan angegebenen Maßnahmen nach § 9 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 teil, so erhält sie oder er für die Dauer des Ausfalls der Arbeit eine Entschädigung in Höhe des Arbeitsentgelts. § 39 Abs. 4 Satz 2 gilt entsprechend.

(4) Die Höhe des Arbeitsentgeltes ist der oder dem Gefangenen schriftlich bekannt zu geben.

(5) Hat die oder der Gefangene zwei Monate lang zusammenhängend eine Arbeit oder eine angemessene oder arbeits-therapeutische Beschäftigung ausgeübt, so wird sie oder er auf Antrag einen Werktag von der Arbeitspflicht freigestellt (Freistellungstag); Zeiträume von weniger als zwei Monaten bleiben unberücksichtigt. Die Freistellung nach § 39 bleibt unberührt. Durch Zeiten, in denen die oder der Gefangene wegen Krankheit, Ausführung, Ausgang, Urlaub aus der Haft, Freistellung von der Arbeitspflicht oder aus sonstigen von ihr oder ihm nicht zu vertretenden Gründen ihrer oder seiner Arbeitspflicht nicht nachkommt, wird die Frist nach Satz 1 gehemmt. Fehlzeiten, die von der oder dem Gefangenen zu vertreten sind, unterbrechen die Frist.

(6) Auf Antrag kann der oder dem Gefangenen die Freistellung nach Absatz 5 in Form von Urlaub aus der Haft gewährt werden (Arbeitsurlaub). § 13 Abs. 2 bis 6 und § 15 gelten entsprechend.

(7) § 39 Abs. 2 und 4 gilt entsprechend.

(8) Wird kein Antrag auf einen Freistellungstag (Absatz 5 Satz 1) oder auf Arbeitsurlaub (Absatz 6 Satz 1) gestellt oder kann Arbeitsurlaub nicht gewährt werden, so wird der Freistellungstag auf den Entlassungszeitpunkt angerechnet.

(9) Eine Anrechnung nach Absatz 8 ist ausgeschlossen,

  1. soweit eine lebenslange Freiheitsstrafe vollstreckt wird oder die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet oder vorbehalten ist und ein Entlassungszeitpunkt noch nicht bestimmt ist,
  2. bei einer Aussetzung der Vollstreckung des Restes einer Freiheitsstrafe oder einer Sicherungsverwahrung zur Bewährung, soweit wegen des von der Entscheidung des Gerichts bis zur Entlassung verbleibenden Zeitraums eine Anrechnung nicht mehr möglich ist,
  3. wenn dies vom Gericht angeordnet wird, weil bei einer Aussetzung der Vollstreckung des Restes einer Freiheitsstrafe oder einer Sicherungsverwahrung zur Bewährung die Lebensverhältnisse der oder des Gefangenen oder die Wirkungen, die von der Aussetzung für sie oder ihn zu erwarten sind, die Vollstreckung bis zu einem bestimmten Zeitpunkt erfordern,
  4. wenn nach § 456a Abs. 1 StPO von der Vollstreckung abgesehen wird,
  5. wenn die oder der Gefangene im Gnadenwege aus der Haft entlassen wird.

(10) Soweit eine Anrechnung nach Absatz 9 ausgeschlossen ist, erhält die oder der Gefangene bei der Entlassung als Ausgleichsentschädigung zusätzlich 15 vom Hundert des Arbeitsentgelts. § 39 Abs. 4 Satz 2 gilt entsprechend. Der Anspruch entsteht erst mit der Entlassung; vor der Entlassung ist der Anspruch nicht verzinslich, abtretbar und vererblich. Ist eine Anrechnung nach Absatz 9 Nr. 1 ausgeschlossen, so wird die Ausgleichszahlung der oder dem Gefangenen bereits nach Verbüßung von jeweils zehn Jahren der lebenslangen Freiheitsstrafe, Freiheitsstrafe mit angeordneter oder vorbehaltener oder Sicherungsverwahrung zum Eigengeld gutgeschrieben, soweit sie oder er nicht vor diesem Zeitpunkt entlassen wird; § 57 Abs. 4 StGB gilt entsprechend.

§ 41 Anerkennung von Aus- und Weiterbildung 22

Nimmt die oder der Gefangene an einer zugewiesenen beruflichen Aus- oder Weiterbildung oder an zugewiesenem Unterricht teil, so erhält sie oder er eine Ausbildungsbeihilfe, soweit ihr oder ihm keine Leistungen zum Lebensunterhalt zustehen, die freien Personen aus solchem Anlass gewährt werden. Der Nachrang der Sozialhilfe nach § 2 Abs. 2 des Zwölften Buchs des Sozialgesetzbuchs bleibt unberührt. Für die Ausbildungsbeihilfe gilt im Übrigen § 40 mit Ausnahme des Absatzes 3 Satz 1 entsprechend.

§ 42 Einbehaltung von Beitragsteilen

Soweit die Vollzugsbehörde Beiträge an die Bundesagentur für Arbeit zu entrichten hat, hat sie von dem Arbeitsentgelt oder der Ausbildungsbeihilfe einen Betrag einzubehalten, der dem Anteil der oder des Gefangenen am Beitrag entspräche, wenn sie oder er diese Bezüge als Arbeitnehmerin oder Arbeitnehmer erhielte.

§ 43 Taschengeld 17

Der oder dem Gefangenen ist auf Antrag ein angemessenes Taschengeld zu gewähren, soweit sie oder er unverschuldet bedürftig ist. Das Taschengeld wird zu Beginn des Monats im Voraus gewährt. Gehen der oder dem Gefangenen im laufenden Monat Gelder zu, so werden diese bis zur Höhe des gewährten Taschengeldes einbehalten.

§ 44 Verordnungsermächtigung

Das Fachministerium wird ermächtigt, zur Durchführung der § § 40, 41 und 43 eine Verordnung über die Vergütungsstufen sowie die Bemessung des Arbeitsentgeltes, der Ausbildungsbeihilfe und des Taschengeldes zu erlassen.

Sechstes Kapitel
Gefangenengelder und Kostenbeteiligung

§ 45 Verwaltung der Gefangenengelder 17

(1) Die Ansprüche der oder des Gefangenen gegen das Land auf Arbeitsentgelt (§ 40), Ausbildungsbeihilfe (§ 41) und Taschengeld (§ 43) sowie die der Vollzugsbehörde nach § 36 Abs. 3 überwiesenen Ansprüche der oder des Gefangenen gegen Dritte aus einem freien Beschäftigungsverhältnis oder einer Selbstbeschäftigung werden nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen verwaltet, zu diesem Zweck auf gesonderten Konten als Hausgeld, Überbrückungsgeld oder Eigengeld gut-geschrieben und bestehen als Geldforderungen gegen das Land fort. Gleiches gilt für die Ansprüche der oder des Gefangenen gegen das Land auf Auszahlung des von ihr oder ihm in den Vollzug eingebrachten Bargeldes sowie für sonstige der Vollzugsbehörde zur Gutschrift für die oder den Gefangenen überwiesenen oder eingezahlten Gelder. Gelder, die der oder dem Gefangenen zur Verwendung während einer Lockerung ausgezahlt und nicht verbraucht werden, sind nach Beendigung der Lockerung dem Konto gutzuschreiben, von dem sie ausgezahlt worden sind.

(2) Die Befugnis der oder des Gefangenen, über ihre oder seine Guthaben auf den jeweiligen Konten zu verfügen, unterliegt während des Vollzuges den in diesem Kapitel geregelten Beschränkungen; Verfügungsbeschränkungen nach anderen Vorschriften dieses Gesetzes bleiben unberührt.

§ 46 Hausgeld 17

(1) Als Hausgeld gutgeschrieben werden Ansprüche

  1. auf Arbeitsentgelt oder Ausbildungsbeihilfe zu drei Siebteln,
  2. auf Taschengeld in voller Höhe,
  3. aus einem freien Beschäftigungsverhältnis oder einer Selbstbeschäftigung, die der Vollzugsbehörde zur Gutschrift für die Gefangene oder den Gefangenen überwiesen worden sind (§ 36 Abs. 3), zu einem angemessenen Teil sowie
  4. aus anderen regelmäßigen Einkünften, sofern die oder der Gefangene nicht zur Arbeit verpflichtet ist, zu einem angemessenen Teil.

(2) Auf das Hausgeldkonto darf bis zu zwölf Mal jährlich ein zusätzlicher Geldbetrag überwiesen oder eingezahlt werden. Die Summe dieser Beträge darf den zwölffachen Tagessatz der Eckvergütung nach § 40 Abs. 1 Satz 2 pro Jahr nicht übersteigen.

(3) Die Verfügung über das Guthaben auf dem Hausgeldkonto unterliegt keiner Beschränkung; es kann insbesondere für den Einkauf (§ 24) verwendet werden.

§ 47 Überbrückungsgeld 17

(1) Als Überbrückungsgeld gutgeschrieben werden Ansprüche

  1. auf Arbeitsentgelt oder Ausbildungsbeihilfe sowie
  2. aus einem freien Beschäftigungsverhältnis oder einer Selbstbeschäftigung, die der Vollzugsbehörde zur Gutschrift für die oder den Gefangenen überwiesen worden sind (§ 36 Abs. 3), zu einem angemessenen Teil,

soweit sie nicht als Hausgeld gutgeschrieben werden und soweit die nach Absatz 2 Satz 2 festgesetzte Höhe noch nicht erreicht ist. Wird die Befugnis, über das Hausgeld zu verfügen, disziplinarisch beschränkt oder entzogen (§ 95 Abs. 1 Nr. 2), so ist das in dieser Zeit anfallende Hausgeld dem Überbrückungsgeld hinzuzurechnen, auch soweit dadurch die nach Absatz 2 Satz 2 festgesetzte Höhe überschritten wird.

(2) Das Überbrückungsgeld soll den notwendigen Lebensunterhalt der oder des Gefangenen und ihrer oder seiner Unter-haltsberechtigten in den ersten vier Wochen nach der Entlassung sichern. Die Höhe des Überbrückungsgeldes wird von der Vollzugsbehörde festgesetzt.

(3) Das Guthaben auf dem Überbrückungsgeldkonto wird der oder dem Gefangenen bei der Entlassung ausgezahlt. Die Vollzugsbehörde kann es auch der Bewährungshelferin oder dem Bewährungshelfer oder einer mit der Entlassenenbetreuung befassten Stelle überweisen, die darüber entscheiden, wie das Geld innerhalb der ersten vier Wochen nach der Entlassung an die Gefangene oder den Gefangenen ausgezahlt wird. Das Geld ist vom sonstigen Vermögen gesondert zu halten. Mit Zustimmung der oder des Gefangenen kann das Überbrückungsgeld auch den Unterhaltsberechtigten überwiesen werden.

(4) Der oder dem Gefangenen kann gestattet werden, das Guthaben auf dem Überbrückungsgeldkonto für Ausgaben zu verwenden, die ihrer oder seiner Eingliederung oder dem Ausgleich eines durch ihre oder seine Straftaten verursachten Schadens dienen.

§ 48 Eigengeld

(1) Soweit Ansprüche der in § 45 Abs. 1 bezeichneten Art nicht als Hausgeld oder Überbrückungsgeld gutgeschrieben werden, werden sie als Eigengeld gutgeschrieben. § 40 Abs. 10 Satz 4 bleibt unberührt.

(2) Die Verwendung des Eigengeldes für den Einkauf (§ 24) ist ausgeschlossen. Verfügt die oder der Gefangene ohne Verschulden nicht über Hausgeld, so ist ihr oder ihm zu gestatten, in angemessenem Umfang vom Eigengeld einzukaufen.

(3) Hat das Überbrückungsgeld noch nicht die nach § 47 Abs. 2 Satz 2 festgesetzte Höhe erreicht, so ist die Verfügung über das Guthaben auf dem Eigengeldkonto in Höhe des Unterschiedsbetrages ausgeschlossen. § 47 Abs. 4 gilt entsprechend.

§ 49 Ersatzleistungen

Leistungen, die die Gefangenen als Ersatz für Arbeitsentgelt, Ausbildungsbeihilfe oder Einkünfte aus einem freien Beschäftigungsverhältnis oder einer Selbstbeschäftigung erhalten, werden wie die Leistungen behandelt, an deren Stelle sie treten.

§ 50 Abtretbarkeit, Pfändungsschutz

(1) Der Anspruch auf das Hausgeld ist nicht übertragbar.

(2) Der Anspruch auf Auszahlung des Überbrückungsgeldes ist unpfändbar. Erreicht es nicht die in § 47 Abs. 2 Satz 2 festgesetzte Höhe, so ist in Höhe des Unterschiedsbetrages auch der Anspruch auf Auszahlung des Eigengeldes nach § 48 Abs. 1 unpfändbar. Bargeld einer oder eines entlassenen Gefangenen, das an sie oder ihn zur Erfüllung der nach Satz 1 oder 2 unpfändbaren Ansprüche ausgezahlt worden ist, ist in den ersten vier Wochen nach der Entlassung in Höhe des Überbrückungsgeldes der Pfändung nicht unterworfen.

(3) Absatz 2 gilt nicht bei einer Pfändung wegen der in § 850d Abs. 1 Satz 1 der Zivilprozessordnung bezeichneten Unterhaltsansprüche. Der oder dem entlassenen Gefangenen ist jedoch so viel zu belassen, wie sie oder er für ihren oder seinen notwendigen Unterhalt und zur Erfüllung sonstiger gesetzlicher Unterhaltspflichten für die Zeit von der Pfändung bis zum Ablauf von vier Wochen seit der Entlassung bedarf.

§ 51 Durchsetzung von Ansprüchen des Landes

(1) Zur Durchsetzung eines Anspruches des Landes nach § 93 Abs. 1 Satz 1 oder § 121 des Strafvollzugsgesetzes (StVollzG) kann die Vollzugsbehörde gegen den Anspruch auf Auszahlung des Hausgeldes aufrechnen, soweit dieser den dreifachen Tagessatz der Eckvergütung nach § 40 Abs. 1 Satz 2 übersteigt.

(2) Die Durchsetzung von Ansprüchen des Landes hat zu unterbleiben, wenn dadurch die Erreichung des Vollzugszieles nach § 5 Satz 1 behindert würde.

§ 52 Kostenbeteiligung der Gefangenen

(1) Die Vollzugsbehörde beteiligt die oder den Gefangenen an den Kosten für ihre oder seine Unterkunft und Verpflegung durch Erhebung eines Kostenbeitrages in Höhe des Betrages, der nach den Vorschriften des Vierten Buchs des Sozialgesetzbuchs durchschnittlich zur Bewertung der Sachbezüge festgesetzt ist. Bei Selbstverpflegung entfallen die für die Verpflegung vorgesehenen Beträge. Für den Wert der Unterkunft ist die festgesetzte Belegungsfähigkeit maßgebend.

(2) Ein Kostenbeitrag nach Absatz 1 wird nicht erhoben, wenn die oder der Gefangene

  1. Arbeitsentgelt oder Ausbildungsbeihilfe erhält oder
  2. ohne Verschulden nicht arbeiten kann oder
  3. nicht arbeitet, weil sie oder er nicht zur Arbeit verpflichtet ist.

Hat die oder der Gefangene, die oder der ohne ihr oder sein Verschulden während eines zusammenhängenden Zeitraumes von mehr als einem Monat nicht arbeiten kann oder nicht arbeitet, weil sie oder er nicht zur Arbeit verpflichtet ist, auf diese Zeit entfallende Einkünfte, so hat sie oder er den Kostenbeitrag für diese Zeit bis zur Höhe der auf sie entfallenden Einkünfte zu entrichten. Der oder dem Gefangenen muss ein Betrag verbleiben, der der Eckvergütung nach § 40 Abs. 1 Satz 2 entspricht.

(3) An den Kosten des Landes für sonstige Leistungen kann die Vollzugsbehörde die Gefangene oder den Gefangenen durch Erhebung weiterer Kostenbeiträge in angemessener Höhe beteiligen. Dies gilt insbesondere

  1. für Lockerungen nach § 14 Abs. 1 und 3, soweit die Teilnahme am gerichtlichen Termin im überwiegenden Interesse der oder des Gefangenen liegt,
  2. für Leistungen auf dem Gebiet der Gesundheitsfürsorge, soweit das Fünfte Buch des Sozialgesetzbuchs, die Reichsversicherungsordnung und die aufgrund dieser Gesetze erlassenen Regelungen eine Kostenbeteiligung der oder des Versicherten zulassen und die besonderen Verhältnisse des Strafvollzuges einer Übertragung nicht entgegenstehen, sowie für ärztliche Behandlungen nach § 61,
  3. für die Aufbewahrung, Entfernung, Verwertung oder Vernichtung eingebrachter Sachen,
  4. für die Versorgung des Haftraums mit Strom für das Betreiben von Elektrogeräten, soweit diese Kosten über das zur Sicherstellung einer angemessenen Grundversorgung erforderliche Maß hinausgehen,
  5. für den Schriftwechsel, die Telekommunikation und den Paketverkehr der Gefangenen sowie
  6. für die Überlassung von Geräten der Unterhaltungs- und Informationselektronik.

Die Erhebung von Kostenbeiträgen nach Satz 2 Nr. 6 ist ausgeschlossen für die Überlassung von Hörfunk- und Fernsehgeräten, wenn die oder der Gefangene auf diese Geräte verwiesen wurde und soweit hierdurch eine angemessene Grundversorgung mit Hörfunk- und Fernsehempfang sichergestellt wird. Abweichend von den Sätzen 1 und 2 ist die oder der Gefangene an den Kosten des Landes zu beteiligen, soweit sie oder er aus einem privatrechtlichen Versicherungsvertrag einen Anspruch gegen den Versicherer auf Ersatz der Kosten hat.

(4) Das Fachministerium wird ermächtigt, durch Verordnung näher zu regeln, unter welchen Voraussetzungen und in welcher Höhe Kostenbeiträge nach Absatz 3 erhoben werden können. Für die Bemessung können pauschale Sätze festgelegt werden. Für einzelne Kostenbeiträge kann vorgesehen werden, dass die tatsächlich entstandenen Kosten in voller Höhe von den Gefangenen zu tragen sind.

(5) Von der Erhebung von Kostenbeiträgen ist abzusehen, soweit dies notwendig ist, um das Vollzugsziel nach § 5 Satz 1 nicht zu gefährden. Für Zeiten, in denen die oder der Gefangene unverschuldet bedürftig ist, soll von der Erhebung von Kostenbeiträgen abgesehen werden. Zur Durchsetzung eines Anspruchs nach Absatz 3 kann die Vollzugsbehörde gegen den Anspruch auf Hausgeld aufrechnen. Die Durchsetzung eines Beitragsanspruchs nach Absatz 1 zu Lasten der Ansprüche unterhaltsberechtigter Angehöriger ist unzulässig.

(6) Der Kostenbeitrag ist eine Justizverwaltungsabgabe, die von der Vollzugsbehörde erhoben wird. Für das gerichtliche Verfahren gelten die § § 109 bis 121 Abs. 4 StVollzG entsprechend.

Siebtes Kapitel
Religionsausübung

§ 53 Seelsorge

(1) Der oder dem Gefangenen darf eine religiöse Betreuung durch eine Seelsorgerin oder einen Seelsorger ihrer oder seiner Religionsgemeinschaft nicht versagt werden. Auf ihren oder seinen Wunsch ist ihr oder ihm zu helfen, mit einer Seelsorgerin oder einem Seelsorger ihrer oder seiner Religionsgemeinschaft in Verbindung zu treten.

(2) Die oder der Gefangene darf grundlegende religiöse Schriften besitzen. Sie dürfen ihr oder ihm nur bei grobem Missbrauch entzogen werden; auf Verlangen der oder des Gefangenen soll ihre oder seine Seelsorgerin oder ihr oder sein Seelsorger über den Entzug unterrichtet werden.

(3) Der oder dem Gefangenen sind sonstige Gegenstände des religiösen Gebrauchs in angemessenem Umfang zu belassen, soweit nicht überwiegende Gründe der Sicherheit der Anstalt entgegenstehen.

§ 54 Religiöse Veranstaltungen

(1) Die oder der Gefangene hat das Recht, am Gottesdienst und an anderen religiösen Veranstaltungen ihres oder seines Bekenntnisses in der Anstalt teilzunehmen.

(2) Die oder der Gefangene wird zu dem Gottesdienst oder zu religiösen Veranstaltungen einer anderen Religionsgemeinschaft zugelassen, wenn deren Seelsorgerin oder Seelsorger zustimmt.

(3) Die oder der Gefangene kann von der Teilnahme am Gottesdienst oder anderen religiösen Veranstaltungen ausgeschlossen werden, wenn dies aus überwiegenden Gründen der Sicherheit oder Ordnung geboten ist; die Seelsorgerin oder der Seelsorger soll vorher gehört werden.

§ 55 Weltanschauungsgemeinschaften

Für Angehörige weltanschaulicher Bekenntnisse gelten die § § 53 und 54 entsprechend.

Achtes Kapitel
Gesundheitsfürsorge

§ 56 Allgemeine Bestimmungen

(1) Die Vollzugsbehörde sorgt für die Gesundheit der oder des Gefangenen.

(2) Die oder der Gefangene hat die notwendigen Maßnahmen zum Gesundheitsschutz und zur Hygiene zu unterstützen.

§ 57 Medizinische Leistungen

(1) Die oder der Gefangene hat Anspruch auf Schutzimpfungen, medizinische Vorsorgeleistungen, Gesundheitsuntersuchungen und Krankenbehandlung. Eine Gefangene hat für ihre Kinder, die mit ihr in der Anstalt untergebracht sind und das sechste Lebensjahr nicht vollendet haben, auch Anspruch auf Kinderuntersuchungen.

(2) Krankenbehandlung umfasst

  1. ärztliche Behandlung einschließlich Psychotherapie als ärztliche und psychotherapeutische Behandlung,
  2. zahnärztliche Behandlung,
  3. Versorgung mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen, soweit diese nicht mit Rücksicht auf die Kürze des Freiheitsentzuges unverhältnismäßig ist, insbesondere weil die Behandlung bis zum voraussichtlichen Entlassungszeitpunkt nicht abgeschlossen werden kann,
  4. Versorgung mit Arznei-, Verband- und Heilmitteln,
  5. Versorgung mit Hilfsmitteln, soweit dies nicht mit Rücksicht auf die Kürze des Freiheitsentzuges unverhältnismäßig ist, und
  6. Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und ergänzende Leistungen.

Leistungen nach Satz 1 Nrn. 5 und 6 werden nur gewährt, soweit Belange des Vollzuges nicht entgegenstehen. Der Anspruch auf Leistungen nach Satz 1 Nr. 5 umfasst auch die ohne Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit der oder des Gefangenen verursachte notwendige Änderung, Instandsetzung und Ersatzbeschaffung von Hilfsmitteln sowie die Ausbildung in ihrem Gebrauch.

(3) Medizinische Vorsorgeleistungen umfassen die ärztliche Behandlung und Versorgung mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln nur nach Maßgabe des § 23 Abs. 1 des Fünften Buchs des Sozialgesetzbuchs. Für die Versorgung mit Hilfsmitteln gilt Absatz 2 Satz 1 Nr. 5, Sätze 2 und 3 entsprechend.

§ 58 Krankenbehandlung bei Urlaub oder Ausgang

Während des Urlaubs oder Ausgangs hat die oder der Gefangene gegen das Land nur einen Anspruch auf Krankenbehandlung in der für sie oder ihn zuständigen Anstalt; in Notfällen wird der oder dem Gefangenen Krankenbehandlung auch in der nächstgelegenen niedersächsischen Anstalt gewährt.

§ 59 Leistungen, Art und Umfang

Für Art und Umfang der in § 57 Abs. 1 genannten Leistungen gelten die Vorschriften des Fünften Buchs des Sozialgesetzbuchs und die aufgrund dieser Vorschriften getroffenen Regelungen entsprechend, soweit nicht in diesem Gesetz etwas anderes bestimmt ist. Nach dem Fünften Buch des Sozialgesetzbuchs von der Versorgung ausgeschlossene Arznei-, Heil- oder Hilfsmittel können der oder dem Gefangenen zur Verfügung gestellt werden, soweit dies medizinisch angezeigt ist.

§ 60 Ruhen der Ansprüche

Der Anspruch auf Leistungen nach § 57 ruht, soweit die oder der Gefangene aufgrund eines freien Beschäftigungsverhältnisses krankenversichert ist.

§ 61 Ärztliche Behandlung zur sozialen Eingliederung

Mit Zustimmung der oder des Gefangenen kann die Vollzugsbehörde ärztliche Behandlungen, namentlich Operationen oder prothetische Maßnahmen durchführen lassen, die die soziale Eingliederung fördern.

§ 62 Aufenthalt im Freien

Arbeitet die oder der Gefangene nicht im Freien, so wird ihr oder ihm täglich mindestens eine Stunde Aufenthalt im Freien ermöglicht, wenn die Witterung dies zu der festgesetzten Zeit zulässt.

§ 63 Überstellung, Verlegung

(1) Eine kranke Gefangene oder ein kranker Gefangener kann in ein Anstaltskrankenhaus oder in eine für die Behandlung der Krankheit besser geeignete Anstalt überstellt oder verlegt werden.

(2) Kann eine Krankheit in einer Anstalt oder einem Anstaltskrankenhaus nicht erkannt oder behandelt werden oder ist es nicht möglich, die Gefangene oder den Gefangenen rechtzeitig in ein Anstaltskrankenhaus zu überstellen oder zu verlegen, so ist sie oder er in ein Krankenhaus außerhalb des Vollzuges zu bringen.

Neuntes Kapitel
Freizeit

§ 64 Sport

Die oder der Gefangene erhält Gelegenheit, in der Freizeit Sport zu treiben.

§ 65 Zeitungen und Zeitschriften

(1) Die oder der Gefangene darf Zeitungen und Zeitschriften in angemessenem Umfang durch Vermittlung der Vollzugsbehörde beziehen.

(2) Ausgeschlossen sind Zeitungen und Zeitschriften, deren Verbreitung mit Strafe oder Geldbuße bedroht ist. Einzelne Ausgaben oder Teile von Zeitungen oder Zeitschriften können der oder dem Gefangenen vorenthalten werden, wenn sie das Vollzugsziel nach § 5 Satz 1 oder die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt erheblich gefährdeten.

§ 66 Hörfunk und Fernsehen

(1) Der oder dem Gefangenen wird nach Maßgabe der folgenden Absätze ermöglicht, am Hörfunk- und Fernsehempfang teilzunehmen.

(2) Die Vollzugsbehörde hat den Besitz eines Hörfunk- und Fernsehgerätes im Haftraum zu erlauben, wenn dadurch die Erreichung des Vollzugszieles nach § 5 Satz 1 oder die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt nicht gefährdet wird. In der Erlaubnis kann die oder der Gefangene darauf verwiesen werden, anstelle eigener von der Vollzugsbehörde überlassene Geräte zu verwenden; eine solche Bestimmung kann auch nachträglich getroffen werden. Die Erlaubnis kann zur Erreichung des Vollzugszieles nach § 5 Satz 1 oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt widerrufen werden.

(3) Soweit der oder dem Gefangenen ein Gerät im Haftraum nicht zur Verfügung steht, kann sie oder er am gemeinschaftlichen Hörfunk- und Fernsehempfang der Anstalt teilnehmen. Die Sendungen sind so auszuwählen, dass Wünsche und Bedürfnisse nach staatsbürgerlicher Information, Bildung und Unterhaltung angemessen berücksichtigt werden. Der Hörfunk- und Fernsehempfang soll vorübergehend ausgesetzt oder einzelnen Gefangenen vorübergehend untersagt werden, wenn dies zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt unerlässlich ist.

§ 67 Besitz von Gegenständen zur Fortbildung oder zur Freizeitbeschäftigung

(1) Die oder der Gefangene darf mit Erlaubnis der Vollzugsbehörde in angemessenem Umfang sonstige Geräte der Informations- und Unterhaltungselektronik, Bücher sowie andere Gegenstände zur Fortbildung oder zur Freizeitbeschäftigung besitzen. Die Erlaubnis ist zu versagen, wenn die Erreichung des Vollzugszieles nach § 5 Satz 1 oder die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt gefährdet würde. Die Erlaubnis kann unter den Voraussetzungen des Satzes 2 widerrufen werden.

(2) Im Übrigen gilt § 66 Abs. 2 Satz 2 für Geräte der Informations- und Unterhaltungselektronik entsprechend.

Zehntes Kapitel
Soziale Hilfen, durchgängige Betreuung

§ 68 Soziale Hilfen 17

(1) Soziale Hilfen sollen darauf gerichtet sein, die Gefangene oder den Gefangenen in die Lage zu versetzen, ihre oder seine Angelegenheiten selbst zu ordnen und zu regeln.

(2) Es ist Aufgabe der Vollzugsbehörden, darauf hinzuwirken, dass eine durchgängige Betreuung der Gefangenen sichergestellt ist, die ihnen auch nach der Entlassung hilft, in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen.

(3) Die Zusammenarbeit mit Stellen und Personen außerhalb des Vollzuges, die besonderen Möglichkeiten dieses Gesetzes für die Entlassungsvorbereitung sowie die Hilfe zur Entlassung sind auf die durchgängige Betreuung auszurichten.

(4) Die Vollzugsbehörden sollen darauf hinwirken, dass die zur durchgängigen Betreuung erforderlichen Informationen über die Gefangenen zwischen ihnen und den nach Absatz 3 zu beteiligenden Personen und Stellen außerhalb des Vollzuges ausgetauscht werden, soweit dies nach den für die jeweilige Behörde, Person oder Stelle geltenden Vorschriften über den Datenschutz zulässig ist. Die Vollzugsbehörden sind nach Maßgabe des Satzes 1 insbesondere verpflichtet, der für die Führungsaufsicht nach § 68a StGB zuständigen Aufsichtsstelle und den mit der Bewährungshilfe befassten Stellen die zur Vorbereitung und Durchführung der Führungsaufsicht und der Bewährungshilfe erforderlichen Informationen rechtzeitig vor der möglichen Entlassung der oder des Gefangenen zu übermitteln. Soweit für den Datenaustausch nach Satz 1 die Einwilligung der oder des Gefangenen erforderlich ist, soll sie oder er über die Vor- und Nachteile eines solchen Datenaustauschs aufgeklärt und ermutigt werden, die erforderliche Einwilligung zu erklären.

(5) Die Personen und Stellen außerhalb des Vollzuges, die in besonderer Weise geeignet sind, an der durchgängigen Betreuung mitzuwirken, sollen über die Vollzugsplanung unterrichtet werden und Gelegenheit erhalten, sich an der Vollzugsplanung zu beteiligen, soweit dies nach Absatz 4 zulässig ist.

§ 69 Hilfen im Vollzug 17 22

(1) Bei der Aufnahme wird die oder der Gefangene insbesondere dabei unterstützt, notwendige Maßnahmen für hilfsbedürftige Angehörige zu veranlassen und ihre oder seine Habe außerhalb der Anstalt sicherzustellen. Die oder der Gefangene ist über die Aufrechterhaltung einer Sozialversicherung zu beraten.

(2) Während des Vollzuges wird die oder der Gefangene insbesondere in dem Bemühen unterstützt, ihre oder seine Rechte und Pflichten wahrzunehmen, namentlich das Wahlrecht auszuüben sowie für Unterhaltsberechtigte zu sorgen. Gleiches gilt für den Ausgleich eines durch ihre oder seine Straftat verursachten Schadens. In geeigneten Fällen sollen der oder dem Gefangenen zur Durchführung von Maßnahmen zur Wiedergutmachung der Folgen ihrer oder seiner Straftat, insbesondere eines Täter-Opfer-Ausgleichs, Stellen und Einrichtungen außerhalb des Justizvollzuges benannt werden.

(3) Um die Entlassung vorzubereiten, ist die oder der Gefangene insbesondere bei der Ordnung der persönlichen, wirtschaftlichen und sozialen Angelegenheiten zu beraten. Die Beratung erstreckt sich auch auf die Benennung der für Sozialleistungen zuständigen Stellen. Die oder der Gefangene ist dabei zu unterstützen, Arbeit, Unterkunft und persönlichen Beistand für die Zeit nach der Entlassung zu finden. Ihr oder ihm werden Stellen und Einrichtungen außerhalb des Justizvollzuges benannt, die ihre oder seine berufliche und soziale Eingliederung begleiten und fördern können Bei vorzeitiger Entlassung einer oder eines Gefangenen unter Auflagen ist die Bewährungshilfe rechtzeitig zu beteiligen.

§ 70 Entlassungsbeihilfe

(1) Die oder der Gefangene erhält, soweit eigene Mittel nicht ausreichen, nach Maßgabe des Absatzes 2 eine Beihilfe zu den Reisekosten sowie eine Überbrückungsbeihilfe und erforderlichenfalls ausreichende Kleidung.

(2) Bei der Bemessung der Höhe der Überbrückungsbeihilfe sind die Dauer des Freiheitsentzuges, der persönliche Arbeitseinsatz der oder des Gefangenen und die Wirtschaftlichkeit ihrer oder seiner Verfügungen über Eigengeld und Hausgeld während der Strafzeit zu berücksichtigen. Die Überbrückungsbeihilfe kann ganz oder teilweise auch den Unterhaltsberechtigten überwiesen werden.

(3) Der Anspruch auf Beihilfe zu den Reisekosten und die ausgezahlte Reisebeihilfe sind unpfändbar. Für den Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe und für Bargeld nach Auszahlung einer Überbrückungsbeihilfe an die oder den Gefangenen gilt § 50 Abs. 2 Sätze 1 und 3 und Abs. 3 entsprechend.

Elftes Kapitel
Besondere Vorschriften für den Vollzug an weiblichen Gefangenen

§ 71 Leistungen bei Schwangerschaft und Mutterschaft

(1) Bei einer Schwangeren oder einer Gefangenen, die un-längst entbunden hat, ist auf ihren Zustand Rücksicht zu nehmen. Die Vorschriften des Mutterschutzgesetzes über die Gestaltung des Arbeitsplatzes und das Bestehen von Beschäftigungsverboten gelten in Bezug auf die Arbeitspflicht entsprechend.

(2) Die Gefangene hat während der Schwangerschaft, bei und nach der Entbindung Anspruch auf ärztliche Betreuung und auf Hebammenhilfe in der Anstalt. Zur ärztlichen Betreuung gehören insbesondere Untersuchungen zur Feststellung der Schwangerschaft sowie Vorsorgeuntersuchungen einschließlich der laborärztlichen Untersuchungen.

(3) Zur Entbindung ist die Schwangere in ein Krankenhaus außerhalb des Vollzuges zu bringen.

(4) Bei Schwangerschaftsbeschwerden und im Zusammenhang mit der Entbindung werden Arznei-, Verband- und Heilmittel geleistet.

(5) Für Leistungen nach den Absätzen 2 bis 4 gelten im Übrigen die Vorschriften der Reichsversicherungsordnung über Leistungen bei Schwangerschaft und Mutterschaft sowie die § § 58, 60 und 63 entsprechend, § 58 jedoch nicht für die Entbindung.

§ 72 Geburtsanzeige

In der Anzeige der Geburt an das Standesamt dürfen die Anstalt als Geburtsort des Kindes, das Verhältnis der anzeigenden Person zur Anstalt und die Gefangenschaft der Mutter nicht vermerkt sein.

§ 73 Mütter mit Kindern

(1) Ist das Kind einer Gefangenen noch nicht schulpflichtig, so kann es mit Zustimmung der aufenthaltsbestimmungsberechtigten Person in der Anstalt untergebracht werden, in der sich seine Mutter befindet, wenn dies seinem Wohle dient. Vor der Unterbringung ist das Jugendamt zu hören.

(2) Die Unterbringung erfolgt auf Kosten der für das Kind Unterhaltspflichtigen. Von der Geltendmachung des Kostenersatzanspruchs kann abgesehen werden, wenn hierdurch die gemeinsame Unterbringung von Mutter und Kind gefährdet würde.

Zwölftes Kapitel
Sicherheit und Ordnung

§ 74 Grundsatz

Das Verantwortungsbewusstsein der oder des Gefangenen für ein geordnetes Zusammenleben in der Anstalt ist zu wecken und zu fördern.

§ 75 Verhaltensvorschriften

(1) Die oder der Gefangene hat die rechtmäßigen Anordnungen der Vollzugsbediensteten zu befolgen.

(2) Die oder der Gefangene hat sich nach der Tageseinteilung der Anstalt (Arbeitszeit, Freizeit, Ruhezeit) zu richten. Sie oder er darf einen zugewiesenen Bereich nicht ohne Erlaubnis verlassen. Sie oder er darf durch ihr oder sein Verhalten gegenüber Vollzugsbediensteten, Mitgefangenen und anderen Personen das geordnete Zusammenleben nicht stören.

(3) Der Haftraum und die von der Vollzugsbehörde überlassenen Sachen sind in Ordnung zu halten und schonend zu behandeln.

(4) Die oder der Gefangene hat Umstände, die eine Gefahr für das Leben oder eine erhebliche Gefahr für die Gesundheit einer Person bedeuten, unverzüglich zu melden.

§ 76 Persönlicher Gewahrsam 19

(1) Die oder der Gefangene darf Sachen nur mit Erlaubnis der Vollzugsbehörde in Gewahrsam haben, annehmen oder abgeben. Für Sachen von geringem Wert kann die Vollzugsbehörde ihre Zustimmung allgemein erteilen.

(2) Eingebrachte Sachen, die die oder der Gefangene nicht in Gewahrsam haben darf, sind zu verwahren, sofern dies nach Art und Umfang möglich ist. Der oder dem Gefangenen wird Gelegenheit gegeben, die Sachen abzusenden, die während des Vollzuges und für die Entlassung nicht benötigt werden.

(3) Weigert sich die oder der Gefangene, eingebrachte Sachen, deren Aufbewahrung nach Art und Umfang nicht möglich ist, aus der Anstalt zu entfernen, so darf die Vollzugsbehörde diese Sachen außerhalb der Anstalt verwahren oder nach Maßgabe des Satzes 2 verwerten oder vernichten. Für die Voraussetzungen und das Verfahren der Verwertung und Vernichtung gilt § 28 des Niedersächsischen Polizei- und Ordnungsbehördengesetzes entsprechend.

(4) Aufzeichnungen und andere Gegenstände, die Kenntnisse über Sicherungsvorkehrungen der Anstalt vermitteln, dürfen von der Vollzugsbehörde vernichtet oder unbrauchbar gemacht werden.

§ 77 Durchsuchung

(1) Gefangene, ihre Sachen und die Hafträume dürfen durchsucht werden. Die Durchsuchung männlicher Gefangener darf nur von Männern, die Durchsuchung weiblicher Gefangener nur von Frauen vorgenommen werden. Satz 2 gilt nicht für das Absuchen mittels technischer Geräte ohne unmittelbaren körperlichen Kontakt. Das Schamgefühl ist zu schonen.

(2) Nur bei Gefahr im Verzuge oder auf Anordnung der Anstaltsleiterin oder des Anstaltsleiters im Einzelfall ist es zulässig, eine mit einer Entkleidung verbundene körperliche Durchsuchung vorzunehmen. Sie darf bei männlichen Gefangenen nur in Gegenwart von Männern, bei weiblichen Gefangenen nur in Gegenwart von Frauen erfolgen. Sie ist in einem geschlossenen Raum durchzuführen. Andere Gefangene dürfen nicht anwesend sein.

(3) Die Vollzugsbehörde kann allgemein anordnen, dass Gefangene bei der Aufnahme, nach Kontakten mit Besucherinnen und Besuchern und nach jeder Abwesenheit von der Anstalt nach Absatz 2 zu durchsuchen sind.

§ 78 Erkennungsdienstliche Maßnahmen 22

(1) Zur Sicherung des Vollzuges, zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt oder zur Identitätsfeststellung sind mit Kenntnis der oder des Gefangenen zulässig

  1. die Aufnahme von Lichtbildern,
  2. Stimmaufzeichnungen,
  3. Messungen des Körpers sowie
  4. die Feststellung äußerlicher körperlicher Merkmale.

(2) Die Erhebung, Speicherung, Veränderung, Nutzung und Übermittlung (§ 191 Abs. 2 Satz 2 Nrn. 1 bis 5) der biometrischen Daten von Fingern, Händen und Gesicht ist mit Kenntnis der oder des Gefangenen zulässig, wenn sie zur Erfüllung der Aufgaben nach Absatz 1 unerlässlich ist.

§ 79 Maßnahmen zur Identitätsfeststellung 22

Wenn es die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt erfordert, kann die oder der Gefangene verpflichtet werden, einen Ausweis mit den in § 78 Abs. 1 und 2 genannten Daten mit sich zu führen.

§ 79a Einsatz optischelektronischer Einrichtungen 22

(1) Bestimmte Bereiche der Anstalt dürfen mit Ausnahme von Hafträumen und medizinischen Behandlungsräumen durch Bildübertragungen und -aufzeichnungen mittels optischelektronischer Einrichtungen überwacht werden, soweit und solange dies zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt erforderlich und verhältnismäßig ist. Die Beobachtung einer oder eines bestimmten Gefangenen mittels optischelektronischer Einrichtungen ist nur nach Maßgabe der §§ 81 und 81a zulässig.

(2) Im Rahmen von Gefangenentransporten sind Bildübertragungen mittels optischelektronischer Einrichtungen einzelner Bereiche des Transportfahrzeuges zulässig, soweit dies zur Sicherung des Transportes oder des Vollzuges erforderlich und verhältnismäßig ist und überwiegende Interessen der betroffenen Personen nicht entgegenstehen.

(3) Bildübertragungen und -aufzeichnungen des öffentlich frei zugänglichen Raumes außerhalb der Anstalt mittels optischelektronischer Einrichtungen sind zulässig, soweit und solange dies zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt oder zur Sicherung des Vollzuges, insbesondere um Fluchtversuche sowie Überwürfe von Gegenständen auf das Anstaltsgelände zu verhindern, erforderlich und verhältnismäßig ist und schutzwürdige Interessen der betroffenen Personen nicht entgegenstehen.

(4) Den Einsatz optischelektronischer Einrichtungen nach den Absätzen 1 bis 3 ordnet die Anstaltsleiterin oder der Anstaltsleiter an.

(5) Die Überwachung mittels optischelektronischer Einrichtungen ist durch geeignete Hinweise erkennbar zu machen. Ein verdeckter Einsatz optischelektronischer Einrichtungen ist unzulässig.

(6) Die nach den Absätzen 1 und 3 gefertigten Bildaufzeichnungen sind unverzüglich, spätestens aber eine Woche nach ihrer Erhebung zu löschen. Die Vollzugsbehörde hat durch verfahrensrechtliche Vorkehrungen sicherzustellen, dass diese Frist eingehalten wird.

§ 80 Festnahmerecht 22

Eine Gefangene oder ein Gefangener, die oder der entwichen ist oder sich sonst ohne Erlaubnis außerhalb der Anstalt aufhält, kann durch die Vollzugsbehörde oder auf ihre Veranlassung hin festgenommen und in die Anstalt zurückgebracht werden.

§ 81 Besondere Sicherungsmaßnahmen 17 22

(1) Besondere Sicherungsmaßnamen sind:

  1. der Entzug oder die Vorenthaltung von Gegenständen,
  2. die Beobachtung der oder des Gefangenen, auch mittels optischelektronischer Einrichtungen,
  3. die Absonderung von anderen Gefangenen,
  4. der Entzug oder die Beschränkung des Aufenthalts im Freien,
  5. die Unterbringung in einem besonders gesicherten Haftraum ohne gefährdende Gegenstände,
  6. die Fesselung und
  7. die Befestigung mindestens der Hände und der Füße an einem Gegenstand mittels dafür vorgesehener Gurte oder anderer mechanischer Vorrichtungen (Fixierung).

(2) Gegen eine Gefangene oder einen Gefangenen kann eine besondere Sicherungsmaßnahme nach Absatz 1 Nrn. 1 bis 6 angeordnet werden, wenn nach ihrem oder seinem Verhalten oder aufgrund ihres oder seines seelischen Zustandes in erhöhtem Maße Fluchtgefahr oder die Gefahr von Gewalttätigkeiten gegen Personen oder Sachen oder die Gefahr der Selbsttötung oder der Selbstverletzung besteht und wenn die Maßnahme zur Abwendung der Gefahr unerlässlich ist. Eine Fixierung darf nur angeordnet werden, wenn, soweit und solange sie zur Abwendung einer gegenwärtigen Gefahr von erheblichen Gewalttätigkeiten gegen Personen, einer gegenwärtigen Gefahr der Selbsttötung oder einer gegenwärtigen Gefahr einer erheblichen Selbstverletzung unerlässlich ist.

(3) Eine Maßnahme nach Absatz 1 Nrn. 1 und 3 bis 5 ist auch zulässig, wenn sie zur Abwendung der Gefahr einer Befreiung oder einer erheblichen Störung der Ordnung der Anstalt unerlässlich ist.

(4) Bei einer Ausführung, Vorführung oder beim Transport ist die Fesselung nach Absatz 1 Nr. 6 auch dann zulässig, wenn konkrete Anhaltspunkte die Annahme begründen, dass die Beaufsichtigung nicht ausreicht, die Gefahr einer Flucht zu vermeiden oder zu beheben.

§ 81a Beobachtung 17 22

(1) Die Beobachtung mit optischelektronischen Einrichtungen ist nur in besonders dafür vorgesehenen Räumen und in besonders gesicherten Hafträumen ohne gefährdende Gegenstände zulässig. Dabei dürfen Bildaufzeichnungen angefertigt werden. Zur Abwehr einer Gefahr für das Leben der oder des Gefangenen dürfen zur Beobachtung auch optischelektronische Einrichtungen eingesetzt werden, die die Bildübertragungen und -aufzeichnungen automatisch verarbeiten. § 79a Abs. 4 bis 6 gilt entsprechend.

(2) Bei der Beobachtung ist das Schamgefühl der oder des Gefangenen zu schonen. Die Beobachtung des Toilettenbereichs ist unzulässig.

§ 82 Einzelhaft 17

(1) Die unausgesetzte Absonderung einer oder eines Gefangenen (Einzelhaft) ist nur zulässig, wenn dies aus Gründen, die in der Person der oder des Gefangenen liegen, unerlässlich ist.

(2) Einzelhaft von mehr als drei Monaten Gesamtdauer in einem Jahr bedarf der Zustimmung des Fachministeriums. Diese Frist wird nicht dadurch unterbrochen, dass die oder der Gefangene am Gottesdienst oder am Aufenthalt im Freien teilnimmt.

§ 83 Fesselung 22

Eine Fesselung nach § 81 Abs. 1 Nr. 6 darf nur an den Händen oder an den Füßen erfolgen. Eine von Satz 1 abweichende Art der Fesselung ist zulässig, wenn sie für die Gefangene oder den Gefangenen weniger belastend ist oder wenn eine der in § 81 Abs. 2 Satz 1 oder Abs. 4 genannten Gefahren nicht anders abgewendet werden kann. Die Fesselung wird zeitweise gelockert, soweit dies notwendig ist.

§ 84 Anordnung besonderer Sicherungsmaßnahmen nach § 81 Abs. 1 Nrn. 1 bis 6 17 22

(1) Besondere Sicherungsmaßnahmen ordnet die Anstaltsleiterin oder der Anstaltsleiter an. Die Anordnung ist schriftlich zu begründen.

(2) Bei Gefahr im Verzug können auch andere Justizvollzugsbedienstete besondere Sicherungsmaßnahmen vorläufig anordnen; Absatz 1 Satz 2 findet keine Anwendung. Die Entscheidung der Anstaltsleiterin oder des Anstaltsleiters ist unverzüglich einzuholen; Absatz 1 Satz 2 gilt entsprechend.

(3) Wird eine Gefangene oder ein Gefangener ärztlich behandelt oder beobachtet oder bildet ihr oder sein seelischer Zustand den Anlass der Maßnahme, so ist vor der Anordnung eine Ärztin oder ein Arzt zu hören. Ist dies wegen Gefahr im Verzuge nicht möglich, so wird die ärztliche Stellungnahme unverzüglich eingeholt.

(4) Die Anordnung ist unverzüglich zu widerrufen, wenn die Anordnungsvoraussetzungen nicht mehr vorliegen.

§ 85 Ärztliche Überwachung bei besonderen Sicherungsmaßnahmen nach § 81 Abs. 1 Nrn. 5 und 6 22

(1) Eine Gefangene oder ein Gefangener, die oder der in einem besonders gesicherten Haftraum ohne gefährdende Gegenstände untergebracht oder die oder der gefesselt ist, ist alsbald und in der Folge möglichst täglich von einer Ärztin oder einem Arzt aufzusuchen. Dies gilt nicht bei einer Fesselung während einer Ausführung, Vorführung oder eines Transportes.

(2) Eine Ärztin oder ein Arzt ist regelmäßig zu hören, solange der oder dem Gefangenen der tägliche Aufenthalt im Freien entzogen wird.

§ 85a Anordnung der Fixierung, Verfahren, ärztliche Überwachung 22

(1) Eine Fixierung von absehbar kurzfristiger Dauer ordnet die Anstaltsleiterin oder der Anstaltsleiter an; die Anordnung darf nur mit vorheriger Zustimmung einer Ärztin oder eines Arztes erfolgen und ist schriftlich zu begründen. Bei Gefahr im Verzug ist die schriftliche Begründung entbehrlich; sie ist unverzüglich nachzuholen. Die Fixierung darf ohne vorherige ärztliche Zustimmung angeordnet werden, wenn die Ärztin oder der Arzt nicht so rechtzeitig erreichbar ist, dass die gegenwärtige Gefahr einer Selbsttötung oder erheblichen Selbstverletzung noch abgewendet werden kann; die ärztliche Zustimmung ist unverzüglich einzuholen.

(2) Eine Fixierung von mindestens halbstündiger Dauer bedarf der vorherigen richterlichen Anordnung; den Antrag stellt die Vollzugsbehörde. Bei Gefahr im Verzug kann eine Fixierung nach Satz 1 vorläufig in entsprechender Anwendung des Absatzes 1 angeordnet werden; die richterliche Entscheidung ist unverzüglich zu beantragen. Einer richterlichen Entscheidung bedarf es in den Fällen des Satzes 2 nicht, wenn bereits zu Beginn der Fixierung abzusehen ist, dass die Entscheidung erst nach Wegfall des Grundes der Fixierung ergehen wird, oder die Fixierung vor Herbeiführung der richterlichen Entscheidung tatsächlich beendet und auch keine Wiederholung zu erwarten ist. Ist eine richterliche Anordnung oder Entscheidung beantragt und die Fixierung vor deren Erlangung beendet worden, so ist dies dem Gericht unverzüglich mitzuteilen. Für das gerichtliche Verfahren gelten die §§ 121a und 121b StVollzG.

(3) Die Anordnung einer Fixierung sowie der Beginn und das Ende ihrer Durchführung sind jeweils unverzüglich dem Fachministerium mitzuteilen.

(4) Die oder der Gefangene ist mit Beginn ihrer oder seiner Fixierung, im Fall des Absatzes 1 Satz 3 mit Erteilung der Zustimmung von einer Ärztin oder einem Arzt zu überwachen. Zu der oder dem Gefangenen ist ein ständiger und unmittelbarer Sichtkontakt zu halten; ihre oder seine Vitalfunktionen sind fortlaufend zu kontrollieren. Soweit die Ärztin oder der Arzt die Betreuung der oder des Gefangenen nach Satz 2 nicht selbst wahrnimmt, kann sie oder er die Betreuung Personen übertragen, die für die wahrzunehmenden Aufgaben qualifiziert sind. Die Fixierung ist unter Angabe der maßgeblichen Gründe für die Anordnung, der Art und Weise der Durchführung, der Dauer und der vorgenommenen ärztlichen Überwachung zu dokumentieren.

(5) Die Fixierung ist unverzüglich zu beenden, wenn ihre Voraussetzungen nicht mehr vorliegen.

(6) Nach Beendigung einer Fixierung, die nicht richterlich angeordnet oder genehmigt worden ist, hat die Vollzugsbehörde die Gefangene oder den Gefangenen auf ihr oder sein Recht nach § 102 hinzuweisen, die Zulässigkeit der durchgeführten Fixierung gerichtlich überprüfen zu lassen. Der Hinweis ist aktenkundig zu machen.

§ 86 Ersatz von Aufwendungen

Auf den Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen der Vollzugsbehörde, die die oder der Gefangene durch eine vorsätzliche oder grob fahrlässige Selbstverletzung oder eine Verletzung einer oder eines anderen Gefangenen verursacht hat, findet § 93 Abs. 1 Satz 1 StVollzG Anwendung.

Dreizehntes Kapitel
Unmittelbarer Zwang

§ 87 Allgemeine Voraussetzungen

(1) Justizvollzugsbedienstete dürfen zur Durchsetzung von rechtmäßigen Vollzugs- und Sicherungsmaßnahmen unmittelbaren Zwang anwenden, wenn der damit verfolgte Zweck nicht auf eine andere Weise erreicht werden kann.

(2) Gegen andere Personen als Gefangene darf unmittelbarer Zwang angewendet werden, wenn sie es unternehmen, Gefangene zu befreien oder in den Anstaltsbereich widerrechtlich einzudringen, oder wenn sie sich unbefugt darin aufhalten.

(3) Das Recht zu unmittelbarem Zwang aufgrund anderer Regelungen bleibt unberührt.

§ 88 Begriffsbestimmungen

(1) Unmittelbarer Zwang ist die Einwirkung auf Personen oder Sachen durch körperliche Gewalt, ihre Hilfsmittel und durch Waffen.

(2) Körperliche Gewalt ist jede unmittelbare körperliche Einwirkung auf Personen oder Sachen.

(3) Hilfsmittel der körperlichen Gewalt sind insbesondere Fesseln, Diensthunde sowie Reiz- und Betäubungsstoffe.

(4) Waffen sind die dienstlich zugelassenen Hieb- und Schusswaffen.

§ 89 Handeln auf Anordnung

(1) Wird unmittelbarer Zwang von Vorgesetzten oder einer sonst befugten Person angeordnet, so sind Justizvollzugsbedienstete verpflichtet, ihn anzuwenden, es sei denn, die Anordnung verletzt die Menschenwürde oder ist nicht zu dienstlichen Zwecken erteilt worden.

(2) Die Anordnung darf nicht befolgt werden, wenn dadurch eine Straftat begangen würde. Befolgen Justizvollzugs-bedienstete sie trotzdem, so trifft sie eine Schuld nur, wenn sie erkennen oder wenn es nach den ihnen bekannten Umständen offensichtlich ist, dass dadurch eine Straftat begangen wird.

(3) Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Anordnung haben die Justizvollzugsbediensteten den Anordnenden gegenüber vorzubringen, soweit das nach den Umständen möglich ist. Abweichende Vorschriften des allgemeinen Beamtenrechts über die Mitteilung solcher Bedenken an Vorgesetzte (§ 36 Abs. 2 und 3 des Beamtenstatusgesetzes) sind nicht anzuwenden.

§ 90 Androhung

Unmittelbarer Zwang ist vorher anzudrohen. Die Androhung darf nur dann unterbleiben, wenn die Umstände sie nicht zulassen oder unmittelbarer Zwang sofort angewendet werden muss, um eine rechtswidrige Tat, die den Tatbestand eines Strafgesetzes erfüllt, zu verhindern oder eine gegenwärtige Gefahr abzuwenden.

§ 91 Allgemeine Vorschriften für den Schusswaffengebrauch

(1) Schusswaffen dürfen nur gebraucht werden, wenn andere Maßnahmen des unmittelbaren Zwanges bereits erfolglos waren oder keinen Erfolg versprechen. Gegen Personen ist ihr Gebrauch nur zulässig, wenn der Zweck nicht durch Waffenwirkung gegen Sachen erreicht wird.

(2) Schusswaffen dürfen nur die dazu bestimmten Justiz-vollzugsbediensteten gebrauchen und nur, um angriffs- oder fluchtunfähig zu machen. Ihr Gebrauch unterbleibt, wenn dadurch erkennbar Unbeteiligte mit hoher Wahrscheinlichkeit gefährdet würden.

(3) Der Gebrauch von Schusswaffen ist vorher anzudrohen. Als Androhung gilt auch ein Warnschuss. Ohne Androhung dürfen Schusswaffen nur dann gebraucht werden, wenn das zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben erforderlich ist.

§ 92 Besondere Vorschriften für den Schusswaffengebrauch

(1) Gegen eine Gefangene oder einen Gefangenen dürfen Schusswaffen gebraucht werden,

  1. wenn sie oder er eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug trotz wiederholter Aufforderung nicht ablegt,
  2. wenn sie oder er eine Gefangenenmeuterei (§ 121 StGB) unternimmt oder
  3. um ihre oder seine Flucht zu vereiteln oder um sie oder ihn wiederzuergreifen.

Um die Flucht aus einer Anstalt oder Abteilung des offenen Vollzuges zu vereiteln, dürfen keine Schusswaffen gebraucht werden.

(2) Gegen andere Personen dürfen Schusswaffen gebraucht werden, wenn sie es unternehmen, Gefangene gewaltsam zu befreien oder gewaltsam in eine Anstalt einzudringen.

§ 93 Zwangsmaßnahmen auf dem Gebiet der Gesundheitsfürsorge 17 22 22a

(1) Eine medizinische Untersuchung und Behandlung ist ohne Einwilligung der oder des Gefangenen zulässig, um den Erfolg eines Selbsttötungsversuches zu verhindern. Eine Maßnahme nach Satz 1 ist auch zulässig, wenn von einer oder einem Gefangenen eine schwerwiegende Gefahr für das Leben oder die Gesundheit einer anderen Person ausgeht, die Maßnahme verhältnismäßig ist und

  1. die oder der Gefangene durch eine Ärztin oder einen Arzt über Notwendigkeit, Art, Umfang, Dauer, zu erwartende Folgen und Risiken der Maßnahme in einer ihrer oder seiner Auffassungsgabe und ihrem oder seinem Gesundheitszustand angemessenen Weise informiert wurde sowie
  2. der ernsthafte und ohne Ausübung von Druck unternommene Versuch einer Ärztin oder eines Arztes, eine Einwilligung oder, wenn die oder der Gefangene zur Einsicht in das Vorliegen der Gefahr und die Notwendigkeit der Maßnahme oder zum Handeln gemäß solcher Einsicht krankheitsbedingt nicht fähig ist, ein Einverständnis zu der Maßnahme zu erreichen, erfolglos geblieben ist.

(2) Eine medizinische Untersuchung und Behandlung sowie eine Zwangsernährung sind auch bei Lebensgefahr oder schwerwiegender Gefahr für die Gesundheit der oder des Gefangenen zulässig, soweit diese oder dieser zur Einsicht in das Vorliegen der Gefahr und die Notwendigkeit der Maßnahme oder zum Handeln gemäß solcher Einsicht krankheitsbedingt nicht fähig ist.

(3) Eine Maßnahme nach Absatz 2 darf nur angeordnet werden, wenn

  1. eine Patientenverfügung im Sinne des § 1827 Abs. 1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, deren Festlegungen auf die aktuelle Lebens- und Behandlungssituation zutreffen und gegen die Durchführung der Maßnahme gerichtet sind, nicht vorliegt,
  2. eine Information gemäß Absatz 1 Satz 2 Nr. 1 erfolgt ist,
  3. der entsprechend Absatz 1 Satz 2 Nr. 2 unternommene Versuch, ein Einverständnis zu erreichen, erfolglos geblieben ist,
  4. die Maßnahme zur Abwendung der Gefahr nach Absatz 2 geeignet, nach ihrer geplanten Art und Dauer einschließlich der Auswahl und Dosierung der Medikamente sowie der begleitenden Kontrollen erforderlich ist, weniger eingreifende Maßnahmen aussichtlos sind und
  5. der von der Maßnahme erwartete Nutzen die mit der Maßnahme verbundenen Belastungen und die durch das Unterlassen der Maßnahme möglichen Schäden deutlich überwiegt.

(4) Maßnahmen nach den Absätzen 1 und 2 dürfen nur auf Anordnung und unter Leitung einer Ärztin oder eines Arztes durchgeführt werden, unbeschadet der Leistung erster Hilfe für den Fall, dass eine Ärztin oder ein Arzt nicht rechtzeitig erreichbar und mit einem Aufschub Lebensgefahr verbunden ist. Die Anordnung bedarf in den Fällen des Absatzes 1 Satz 2 und des Absatzes 2 der Zustimmung einer Ärztin oder eines Arztes, die oder der nicht in der Anstalt tätig ist, in der die Freiheitsstrafe vollzogen wird, und der Anstaltsleiterin oder des Anstaltsleiters. Die Durchführung einer Maßnahme nach den Absätzen 1 oder 2 ist unter Angabe der Gründe für ihre Anordnung, ihres Zwangscharakters, der Art und Weise ihrer Durchführung, der vorgenommenen Kontrollen und der Überwachung der Wirksamkeit zu dokumentieren. Gleiches gilt für Erklärungen der oder des Gefangenen, die im Zusammenhang mit Zwangsmaßnahmen von Bedeutung sein können.

(5) Die Anordnung einer Maßnahme nach Absatz 1 Satz 2 oder Absatz 2 ist der oder dem Gefangenen vor ihrer Durchführung schriftlich bekannt zu geben. Dabei sind die Art und Dauer der Maßnahme einschließlich der Auswahl und Dosierung der Medikamente und der begleitenden Kontrollen sowie die Intensität der erforderlichen ärztlichen Überwachung anzugeben. Sie oder er ist darüber zu belehren, dass gegen die Anordnung bei Gericht um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht und auch Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt werden kann. Mit dem Vollzug einer Anordnung ist zuzuwarten, bis die oder der Gefangene Gelegenheit hatte, eine gerichtliche Entscheidung herbeizuführen.

(6) Bei Gefahr im Verzuge finden die Bestimmungen in Absatz 1 Satz 2 Nrn. 1 und 2, Absatz 3 Nrn. 2 und 3, Absatz 4 Satz 2 und Absatz 5 keine Anwendung.

(7) Die zwangsweise körperliche Untersuchung der oder des Gefangenen zum Gesundheitsschutz und zur Hygiene ist nur zulässig, wenn sie nicht mit einem körperlichen Eingriff verbunden ist. Sie bedarf der Anordnung einer Ärztin oder eines Arztes und ist unter deren oder dessen Leitung durchzuführen.

Vierzehntes Kapitel
Disziplinarmaßnahmen

§ 94 Voraussetzungen

(1) Verstößt eine Gefangene oder ein Gefangener schuldhaft gegen Pflichten, die ihr oder ihm durch dieses Gesetz oder aufgrund dieses Gesetzes auferlegt sind, so können gegen sie oder ihn Disziplinarmaßnahmen angeordnet werden.

(2) Von einer Disziplinarmaßnahme wird abgesehen, wenn es genügt, die Gefangene oder den Gefangenen zu verwarnen.

(3) Eine Disziplinarmaßnahme ist auch zulässig, wenn wegen derselben Verfehlung ein Straf- oder Bußgeldverfahren eingeleitet wird.

§ 95 Arten der Disziplinarmaßnahmen 17

(1) Die zulässigen Disziplinarmaßnahmen sind

  1. Verweis,
  2. die Beschränkung oder der Entzug der Verfügung über das Hausgeld und des Einkaufs bis zu drei Monaten,
  3. die Beschränkung oder der Entzug des Hörfunk- und Fernsehempfangs bis zu drei Monaten,
  4. die Beschränkung oder der Entzug der Gegenstände für eine Beschäftigung in der Freizeit oder der Teilnahme an gemeinschaftlichen Veranstaltungen bis zu vier Wochen,
  5. die getrennte Unterbringung während der Freizeit bis zu vier Wochen,
  6. der Entzug der zugewiesenen Arbeit oder Beschäftigung bis zu vier Wochen unter Wegfall der in diesem Gesetz geregelten Bezüge,
  7. Arrest bis zu vier Wochen.

(2) Arrest darf nur wegen schwerer oder mehrfach wiederholter Verfehlungen verhängt werden.

(3) Mehrere Disziplinarmaßnahmen können miteinander verbunden werden.

(4) Die Maßnahmen nach Absatz 1 Nrn. 3 bis 6 sollen möglichst nur angeordnet werden, wenn die Verfehlung mit den zu beschränkenden oder zu entziehenden Befugnissen im Zusammenhang steht. Dies gilt nicht bei einer Verbindung mit Arrest.

§ 96 Vollzug der Disziplinarmaßnahmen, Aussetzung zur Bewährung 17

(1) Disziplinarmaßnahmen werden in der Regel sofort vollstreckt.

(2) Eine Disziplinarmaßnahme kann ganz oder teilweise bis zu sechs Monaten zur Bewährung ausgesetzt werden.

(3) Arrest wird in Einzelhaft vollzogen. Die oder der Gefangene kann in einem besonderen Arrestraum untergebracht werden, der den Anforderungen entsprechen muss, die an einen zum Aufenthalt bei Tag und Nacht bestimmten Haftraum gestellt werden. Soweit nichts anderes angeordnet wird, ruhen die Befugnisse aus den § § 21, 22, 24, 35 und 64 bis 67.

§ 97 Disziplinarbefugnis

(1) Disziplinarmaßnahmen ordnet die Anstaltsleiterin oder der Anstaltsleiter an. Bei einer Verfehlung auf dem Weg in eine andere Anstalt zum Zweck der Verlegung oder Überstellung ist die Anstaltsleiterin oder der Anstaltsleiter der Bestimmungsanstalt zuständig.

(2) Das Fachministerium entscheidet, wenn sich die Verfehlung der oder des Gefangenen gegen die Anstaltsleiterin oder den Anstaltsleiter richtet.

(3) Disziplinarmaßnahmen, die gegen eine Gefangene oder einen Gefangenen in einer anderen Anstalt oder während einer Untersuchungshaft angeordnet worden sind, werden auf Ersuchen vollstreckt. § 96 Abs. 2 bleibt unberührt.

§ 98 Verfahren

(1) Der Sachverhalt ist zu klären. Die oder der Gefangene wird angehört. Vor der Anhörung wird ihr oder ihm eröffnet, welche Verfehlung ihr oder ihm zur Last gelegt wird. Gleichzeitig ist darauf hinzuweisen, dass es ihr oder ihm freisteht, sich zur Sache zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen. Die Einlassung der oder des Gefangenen und Beweiserhebungen werden schriftlich festgehalten.

(2) Bei schweren Verstößen soll die Anstaltsleiterin oder der Anstaltsleiter sich vor der Entscheidung in einer Konferenz mit Personen besprechen, die bei der Vollzugsgestaltung mitwirken. Vor der Anordnung einer Disziplinarmaßnahme gegen eine Gefangene oder einen Gefangenen, die oder der sich in ärztlicher Behandlung befindet, oder gegen eine Schwangere oder eine Gefangene, die unlängst entbunden hat, ist die Anstaltsärztin oder der Anstaltsarzt zu hören.

(3) Die Entscheidung wird der oder dem Gefangenen von der Anstaltsleiterin oder dem Anstaltsleiter mündlich eröffnet und mit einer kurzen Begründung schriftlich abgefasst. Die schriftliche Begründung wird der oder dem Gefangenen auf Verlangen ausgehändigt.

§ 99 Ärztliche Mitwirkung

(1) Bevor der Arrest vollzogen wird, ist die Anstaltsärztin oder der Anstaltsarzt zu hören. Während des Arrestes steht die oder der Gefangene unter ärztlicher Aufsicht.

(2) Der Vollzug des Arrestes unterbleibt oder wird unterbrochen, wenn die Gesundheit der oder des Gefangenen gefährdet würde.

Fünfzehntes Kapitel
Aufhebung von Verwaltungsakten, Beschwerderecht, gerichtlicher Rechtsschutz

§ 100 Aufhebung von Verwaltungsakten

Für den Widerruf und die Rücknahme von Verwaltungsakten nach diesem Gesetz gelten die Vorschriften des Niedersächsischen Verwaltungsverfahrensgesetzes über den Widerruf und die Rücknahme von Verwaltungsakten entsprechend, soweit dieses Gesetz eine besondere Regelung nicht enthält.

§ 101 Beschwerderecht

(1) Die oder der Gefangene erhält Gelegenheit, schriftlich und mündlich Wünsche, Anregungen und Beschwerden in eigenen Angelegenheiten bei der Vollzugsbehörde vorzubringen.

(2) Es ist zu gewährleisten, dass sich die oder der Gefangene in eigenen Angelegenheiten auch an Bedienstete der Aufsichtsbehörde wenden kann, die die Anstalt besichtigen.

§ 102 Gerichtlicher Rechtsschutz

Gegen eine Entscheidung oder sonstige Maßnahme zur Regelung einzelner Angelegenheiten oder ihre Ablehnung oder Unterlassung kann gerichtliche Entscheidung nach Maßgabe der § § 109 bis 121 Abs. 4 StVollzG beantragt werden.

Sechzehntes Kapitel
Sozialtherapeutische Anstalten

§ 103 Sozialtherapeutische Anstalten und Abteilungen

1Für die sozialtherapeutische Behandlung im Vollzug sind sozialtherapeutische Anstalten oder sozialtherapeutische Abteilungen in anderen Vollzugsanstalten einzurichten. Für sozialtherapeutische Abteilungen gelten die Vorschriften über die sozialtherapeutischen Anstalten entsprechend.

§ 104 Verlegung in eine sozialtherapeutische Anstalt

(1) Die oder der Gefangene, die oder der wegen

  1. einer Straftat nach den § § 174 bis 180 oder 182 StGB oder
  2. eines Verbrechens gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit oder die persönliche Freiheit oder nach den § § 250, 251, auch in Verbindung mit den § § 252 und 255, StGB

verurteilt worden ist, wird in eine sozialtherapeutische Anstalt verlegt, wenn die dortige Behandlung zur Verringerung einer erheblichen Gefährlichkeit der oder des Gefangenen für die Allgemeinheit angezeigt ist.

(2) Andere Gefangene können in eine sozialtherapeutische Anstalt verlegt werden, wenn der Einsatz der besonderen therapeutischen Mittel und sozialen Hilfen der Anstalt zur Erreichung des Vollzugszieles nach § 5 Satz 1 angezeigt ist.

(3) Die Verlegung soll zu einem Zeitpunkt erfolgen, der den Abschluss der Behandlung zum voraussichtlichen Entlassungszeitpunkt erwarten lässt.

(4) Die oder der Gefangene ist zurückzuverlegen, wenn der Zweck der Behandlung aus Gründen, die in der Person der oder des Gefangenen liegen, nicht erreicht werden kann. Die oder der Gefangene kann zurückverlegt werden, wenn sie oder er durch ihr oder sein Verhalten den Behandlungsverlauf anderer erheblich und nachhaltig stören.

(5) Die § § 10 und 11 bleiben unberührt.

§ 105 Urlaub zur Vorbereitung der Entlassung

(1) Die Vollzugsbehörde kann der oder dem Gefangenen nach Anhörung der Vollstreckungsbehörde zur Vorbereitung der Entlassung Sonderurlaub bis zu sechs Monaten gewähren. § 13 Abs. 2 und 6 gilt entsprechend.

(2) Der oder dem Gefangenen sollen für den Urlaub Weisungen erteilt werden. Sie oder er kann insbesondere angewiesen werden, sich einer bestimmten Betreuungsperson zu unterstellen und jeweils für kurze Zeit in die Anstalt zurückzukehren.

(3) § 15 Abs. 2 und 3 gilt entsprechend. Der Urlaub wird widerrufen, wenn dies für die Behandlung der oder des Gefangenen notwendig ist.

§ 106 Aufnahme auf freiwilliger Grundlage

(1) Eine frühere Gefangene oder ein früherer Gefangener kann auf Antrag vorübergehend wieder in die sozialtherapeutische Anstalt aufgenommen werden, wenn dadurch erheblichen Straftaten der in § 104 Abs. 1 genannten Art vorgebeugt werden kann. Die Aufnahme ist jederzeit widerruflich.

(2) Gegen die aufgenommene Person dürfen Maßnahmen des Vollzuges nicht mit unmittelbarem Zwang durchgesetzt werden. Im Übrigen finden die sonstigen Vorschriften dieses Teils entsprechende Anwendung.

(3) Auf ihren Antrag ist die aufgenommene Person unverzüglich zu entlassen.

Dritter Teil
Vollzug der Freiheitsstrafe bei angeordneter oder vorbehaltener Sicherungsverwahrung

§ 107 Weiteres Vollzugsziel

Bei angeordneter oder vorbehaltener Sicherungsverwahrung dient der Vollzug der Freiheitsstrafe neben den Vollzugszielen nach § 5 auch dem Ziel, die Gefährlichkeit der Gefangenen für die Allgemeinheit so zu mindern, dass die Vollstreckung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung oder deren Anordnung entbehrlich wird.

§ 108 Allgemeiner Gestaltungsgrundsatz

Der Vollzug der Freiheitsstrafe ist therapiegerichtet auszugestalten.

§ 109 Maßnahmen zur Erreichung der Vollzugsziele

(1) Abweichend von § 6 sind der oder dem Gefangenen die zur Erreichung der Vollzugsziele nach § 5 Satz 1 und § 107 erforderlichen Betreuungs- und sonstigen Maßnahmen unverzüglich anzubieten; die Bereitschaft der oder des Gefangenen, an der Erreichung der Vollzugsziele nach § 5 Satz 1 und § 107 mitzuwirken, ist fortwährend zu wecken und zu fördern.

(2) Zu den Betreuungsmaßnahmen nach Absatz 1 zählen insbesondere psychiatrische, psychotherapeutische und sozialtherapeutische Behandlungsmaßnahmen. Behandlungsmaß- nahmen müssen dem Stand der Wissenschaft entsprechen. Soweit standardisierte Behandlungsmaßnahmen nicht ausreichen oder keinen Erfolg versprechen, sind neue Behandlungsangebote zu entwickeln.

(3) Die Betreuung der oder des Gefangenen erfolgt durch Justizvollzugsbedienstete (§ 177), die verschiedenen Fachrichtungen angehören. Soweit geeignete Justizvollzugsbedienstete nicht vorhanden sind oder es aus anderen Gründen zur Erreichung der Vollzugsziele nach § 5 Satz 1 und § 107 erforderlich ist, sind beauftragte Personen oder Stellen (§ 178) oder sonstige Personen einzubeziehen. Bei der Durchführung der Behandlungsmaßnahmen wirken die in den Sätzen 1 und 2 genannten Personen oder Stellen in der Regel in enger Abstimmung zusammen, bei der Durchführung sonstiger Maßnahmen, soweit dies erforderlich ist.

(4) Die angebotenen oder durchgeführten wesentlichen Maßnahmen sind zu dokumentieren.

§ 110 Vollzugsplan 17

(1) Abweichend von § 9 Abs. 1 Satz 2 enthält der Vollzugsplan Angaben mindestens über folgende Maßnahmen:

  1. psychiatrische, psychotherapeutische oder sozialtherapeutische Behandlungsmaßnahmen,
  2. andere Einzel- oder Gruppenbehandlungsmaßnahmen,
  3. die Verlegung in eine sozialtherapeutische Anstalt oder Abteilung,
  4. die Zuweisung zu Wohn- oder anderen Gruppen, die der Erreichung der Vollzugsziele nach § 5 Satz 1 und § 107 dienen,
  5. Maßnahmen, die die Bereitschaft der oder des Gefangenen zur Mitwirkung an ihrer oder seiner Behandlung wecken und fördern sollen,
  6. den Arbeitseinsatz sowie Maßnahmen der schulischen oder beruflichen Aus- oder Weiterbildung,
  7. die Teilnahme an Freizeitangeboten,
  8. Maßnahmen zur Ordnung der persönlichen, wirtschaftlichen und sozialen Angelegenheiten,
  9. Lockerungen des Vollzuges,
  10. Maßnahmen zur Förderung von Außenkontakten und zur Vorbereitung eines geeigneten sozialen Empfangsraums und
  11. Maßnahmen zur Vorbereitung einer möglichen Entlassung und der durchgängigen Betreuung.

(2) Die Frist zur Fortschreibung des Vollzugsplans nach § 9 Abs. 3 Satz 2 soll jeweils sechs Monate nicht übersteigen.

§ 111 Urlaub zur Vorbereitung einer möglichen Entlassung

Abweichend von § 17 Abs. 3 Satz 1 kann der oder dem Gefangenen zur Vorbereitung einer möglichen Entlassung Sonderurlaub bis zu sechs Monaten gewährt werden. Der oder dem Gefangenen sollen für den Sonderurlaub Weisungen erteilt werden. Sie oder er kann für diesen Sonderurlaub insbesondere angewiesen werden, sich einer von der Vollzugsbehörde bestimmten Betreuungsperson zu unterstellen, sich in Einrichtungen außerhalb des Vollzuges aufzuhalten und jeweils für kurze Zeit in die Anstalt zurückzukehren. Der Sonderurlaub wird widerrufen, wenn dies für die Behandlung der oder des Gefangenen notwendig ist.

§ 111a Arbeitspflicht, Entschädigung 17

(1) Abweichend von § 38 Abs. 2 Satz 1 sind Maßnahmen nach § 110 Abs. 1 Nrn. 1, 2 und 5 während der Arbeitszeit zuzulassen, soweit dies im Rahmen der Vollzugsplanung zur Erreichung der Vollzugsziele nach § 5 Satz 1 oder § 107 erforderlich ist.

(2) § 40 Abs. 3 Satz 2 gilt mit der Maßgabe, dass die oder der Gefangene eine Entschädigung für die Teilnahme an einer nach Absatz 1 zugelassenen Maßnahme erhält.

§ 112 Verlegung in eine sozialtherapeutische Anstalt

(1) Abweichend von § 104 Abs. 1 ist eine Gefangene oder ein Gefangener in eine sozialtherapeutische Anstalt oder Abteilung zu verlegen, soweit dies zur Erreichung der Vollzugsziele nach § 5 Satz 1 und § 107 erforderlich ist.

(2) Bei der Bestimmung des voraussichtlichen Entlassungszeitpunktes nach § 104 Abs. 3 bleibt eine angeordnete oder vorbehaltene Sicherungsverwahrung außer Betracht.

§ 112a Nachgehende Betreuung

Die Vollzugsbehörde soll auf Antrag einer oder eines entlassenen Gefangenen vorübergehend Hilfestellung gewähren, soweit diese nicht durch eine andere Stelle sichergestellt ist und die Eingliederung gefährdet ist.

§ 112b Verbleib und Aufnahme auf freiwilliger Grundlage

(1) Eine frühere Gefangene oder ein früherer Gefangener darf auf Antrag vorübergehend in Anstalten der Landesjustizverwaltung verbleiben oder ist wieder aufzunehmen, wenn die Eingliederung gefährdet ist. Der Verbleib oder die Aufnahme ist jederzeit widerruflich.

(2) Gegen verbliebene oder aufgenommene Person dürfen Maßnahmen des Vollzuges nicht mit unmittelbarem Zwang durchgesetzt werden. Im Übrigen finden die sonstigen Vorschriften dieses Teils entsprechende Anwendung.

(3) Auf ihren Antrag ist die verbliebene oder aufgenommene Person unverzüglich zu entlassen.

§ 112c Anwendung von Vorschriften des Zweiten Teils

(1) Für den Vollzug der Freiheitsstrafe bei angeordneter oder vorbehaltener Sicherungsverwahrung gelten die Vorschriften des Zweiten Teils nur, soweit in den Vorschriften dieses Teils nichts anderes bestimmt ist.

(2) Bei der Ausübung von Ermessen und der Ausfüllung von Beurteilungsspielräumen ist auch zu berücksichtigen, inwieweit die jeweilige Maßnahme geeignet ist, die Bereitschaft der oder des Gefangenen, an der Erreichung der Vollzugsziele nach § 5 Satz 1 und § 107 mitzuwirken, zu wecken und zu fördern.

Vierter Teil
Vollzug der Jugendstrafe

Erstes Kapitel
Allgemeine Vorschriften, Grundsätze

§ 113 Vollzugsziele

Im Vollzug der Jugendstrafe sollen die Gefangenen vor allem fähig werden, künftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen. Der Vollzug der Jugendstrafe dient auch dem Schutz der Allgemeinheit vor weiteren Straftaten.

§ 114 Gestaltung und Mitwirkung

(1) Der Vollzug ist erzieherisch zu gestalten. Zur Erreichung des Vollzugszieles nach § 113 Satz 1 ist die oder der Gefangene in der Entwicklung von Fähigkeiten und Fertigkeiten sowie der Bereitschaft zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Lebensführung in Achtung der Rechte anderer zu fördern. Die Förderung der oder des Gefangenen ist insbesondere auf soziales Lernen und die Ausbildung von Fähigkeiten und Kenntnissen, die einer künftigen beruflichen Integration dienen, auszurichten. Auf die besonderen altersbedingten Bedürfnisse und Empfindlichkeiten der oder des Gefangenen ist Rücksicht zu nehmen.

(2) Die oder der Gefangene ist verpflichtet, an der Erreichung des Vollzugszieles nach § 113 Satz 1 mitzuwirken und die ihr oder ihm zu diesem Zweck erteilten rechtmäßigen Anordnungen der Vollzugsbehörde zu befolgen.

(3) Die Rechte der Personensorgeberechtigten sind bei der Planung und Gestaltung des Vollzuges zu berücksichtigen. Die Vollstreckungsleiterin oder der Vollstreckungsleiter ist über die wesentlichen vollzuglichen Entscheidungen zu unterrichten.

§ 115 Ausnahme vom Jugendstrafvollzug

Wird nach den Vorschriften des Jugendgerichtsgesetzes eine Ausnahme vom Jugendstrafvollzug angeordnet, so gelten für den Vollzug der Jugendstrafe die Vorschriften des Zweiten Teils.

Zweites Kapitel
Planung und Verlauf des Vollzuges

§ 116 Aufnahme in die Anstalt

Die Personensorgeberechtigten und das Jugendamt werden unverzüglich von der Aufnahme unterrichtet. Im Übrigen gilt § 8 entsprechend.

§ 117 Erziehungs- und Förderplan 17

(1) Für die oder den Gefangenen ist ein Erziehungs- und Förderplan unter besonderer Berücksichtigung der Gestaltungsgrundsätze nach § 114 zu erstellen. Der Erziehungs- und Förder-plan enthält mindestens Angaben über folgende Maßnahmen:

  1. die Unterbringung im geschlossenen oder offenen Vollzug,
  2. die Verlegung in eine sozialtherapeutische Anstalt oder Abteilung,
  3. die Zuweisung zu Wohn- und anderen Gruppen, die der Erreichung des Vollzugszieles nach § 113 Satz 1 dienen,
  4. Maßnahmen der schulischen oder beruflichen Aus- oder Weiterbildung sowie den Arbeitseinsatz,
  5. die Teilnahme an Freizeit- und Sportangeboten,
  6. besondere Erziehungs-, Förder- und Therapiemaßnahmen,
  7. Lockerungen des Vollzuges und
  8. notwendige Maßnahmen zur Vorbereitung der Entlassung.

(2) Nach der Aufnahme werden die zur Vorbereitung der Aufstellung des Erziehungs- und Förderplans notwendigen Daten zur Persönlichkeit und zu den Lebensverhältnissen der oder des Gefangenen erhoben sowie die Ursachen und Folgen ihrer oder seiner Straftaten untersucht.

(3) Der oder dem Gefangenen wird das Ziel ihres oder seines Aufenthalts in der Anstalt verdeutlicht. Der beabsichtigte Inhalt des Erziehungs- und Förderplans wird mit der oder dem Gefangenen erörtert. Sie oder er ist zu Anregungen und Vorschlägen zu ermutigen. Diese sollen berücksichtigt werden, soweit dies mit den Vollzugszielen des § 113 vereinbar ist.

(4) Die Personensorgeberechtigten sollen im Rahmen der Vorbereitung des Erziehungs- und Förderplans Gelegenheit zu Anregungen und Vorschlägen erhalten. Absatz 3 Satz 4 gilt entsprechend.

(5) Der Erziehungs- und Förderplan ist in Einklang mit der Entwicklung der oder des Gefangenen und weiteren Erkenntnissen zur Persönlichkeit jeweils spätestens nach vier Monaten fortzuschreiben. Absatz 3 Sätze 2 bis 4 und Absatz 4 gelten entsprechend.

(6) Zur Vorbereitung der Aufstellung und Fortschreibung des Erziehungs- und Förderplans werden Konferenzen mit den nach Auffassung der Vollzugsbehörde an der Vollzugsgestaltung maßgeblich Beteiligten durchgeführt.

(7) Der Erziehungs- und Förderplan und seine Fortschreibungen werden mit der oder dem Gefangenen erörtert sowie den Personensorgeberechtigten auf Verlangen bekannt gegeben und mit ihnen erörtert. Der Erziehungs- und Förderplan wird der oder dem Gefangenen und den Personensorgeberechtigten in schriftlicher Form ausgehändigt.

§ 118 Unterrichtung über Verlegung oder Überstellung

Die Personensorgeberechtigten und das Jugendamt werden über die Verlegung der oder des Gefangenen unterrichtet. Dies gilt auch für Überstellungen, soweit dies mit Rücksicht auf die Dauer der Überstellung angezeigt ist.

§ 119 Entlassungsvorbereitung

(1) Die Personensorgeberechtigten werden von der bevorstehenden Entlassung der oder des Gefangenen unterrichtet und sollen an der Entlassungsvorbereitung beteiligt werden.

(2) Außer in den Fällen des § 17 kann der oder dem Gefangenen nach Anhörung der Vollstreckungsleiterin oder des Vollstreckungsleiters auch Sonderurlaub zur Teilnahme an langfristigen Wiedereingliederungsmaßnahmen bis zu sechs Monaten gewährt werden. § 13 Abs. 2 und 6 sowie § 15 Abs. 2 und 3 gelten entsprechend. Der oder dem Beurlaubten sollen Weisungen erteilt werden. Sie oder er kann insbesondere angewiesen werden, sich einer von der Anstalt bestimmten Betreuungsperson zu unterstellen und jeweils für kurze Zeit in die Anstalt zurückzukehren.

Drittes Kapitel
Unterbringung und Kleidung

§ 120 Unterbringung

(1) Wohngruppen dienen der Förderung sozialen Lernens. Sie sind so zu gestalten, dass die Gefangenen vor wechselseitigen Übergriffen geschützt werden. Die oder der Gefangene soll in einer Wohngruppe untergebracht werden, wenn sie oder er hierfür geeignet ist.

(2) Eine Einschränkung der gemeinschaftlichen Unterbringung während der Arbeitszeit und Freizeit ist außer in den Fällen des § 19 Abs. 3 auch zulässig, wenn dies aus erzieherischen Gründen angezeigt ist.

(3) Die oder der Gefangene wird während der Ruhezeit allein in ihrem oder seinem Haftraum untergebracht. Mit ihrer oder seiner Zustimmung kann die oder der Gefangene auch gemeinsam mit anderen Gefangenen untergebracht werden, wenn eine schädliche Beeinflussung nicht zu befürchten ist. Ohne Zustimmung der betroffenen Gefangenen ist eine gemeinsame Unterbringung nur zulässig, sofern eine oder einer von ihnen hilfsbedürftig ist oder für eine oder einen von ihnen eine Gefahr für Leben oder Gesundheit besteht. Darüber hinaus ist eine gemeinsame Unterbringung nur vorübergehend aus zwingenden Gründen zulässig.

§ 121 Ausstattung des Haftraums und persönlicher Besitz

Außer in den Fällen des § 21 kann die Erlaubnis zur Ausstattung des Haftraums auch für die Sachen versagt oder widerrufen werden, die das Erreichen des Vollzugszieles nach § 113 Satz 1 gefährden.

§ 122 Kleidung

(1) Die oder der Gefangene trägt Anstaltskleidung.

(2) Die Vollzugsbehörde kann der oder dem Gefangenen erlauben, eigene Kleidung zu tragen, wenn sie oder er für Reinigung und Instandsetzung auf eigene Kosten sorgt und Belange der Sicherheit und Ordnung der Anstalt nicht entgegenstehen.

Viertes Kapitel
Besuche, Schriftwechsel, Telekommunikation und Pakete

§ 123 Besuche, Schriftwechsel, Telekommunikation und Pakete 17

(1) Familiäre und sonstige der Erreichung des Vollzugszieles nach § 113 Satz 1 dienliche Kontakte der oder des Gefangenen sind zu fördern, soweit eine schädliche Beeinflussung der oder des Gefangenen nicht zu befürchten ist.

(2) Abweichend von § 25 Abs. 1 Satz 2 beträgt die Gesamtdauer des Besuchs mindestens sechs Stunden im Monat.

(3) Besuche sollen darüber hinaus zugelassen werden, wenn sie die Erreichung des Vollzugszieles nach § 113 Satz 1 fördern oder persönlichen, rechtlichen oder geschäftlichen Angelegenheiten dienen, die nicht von der oder dem Gefangenen schriftlich erledigt, durch Dritte wahrgenommen oder bis zur Entlassung aufgeschoben werden können. § 25 Abs. 2 Satz 2 gilt entsprechend.

(4) Besuche von bestimmten Personen können außer in den Fällen des § 26 auch untersagt werden, wenn die Personensorgeberechtigten es beantragen oder wenn es aus erzieherischen Gründen erforderlich ist. Satz 1 gilt für den Schriftwechsel, die Telekommunikation und den Paketverkehr entsprechend.

(5) Besuche können außer in den Fällen des § 28 Abs. 3 auch abgebrochen werden, wenn von Besucherinnen oder Besuchern ein schädlicher Einfluss auf die oder den Gefangenen ausgeübt wird. Satz 1 gilt für die Telekommunikation entsprechend.

(6) Für Beistände nach § 69 JGG sind die für Verteidigerinnen und Verteidiger geltenden Vorschriften dieses Gesetzes über Besuche und Schriftwechsel ent-sprechend anzuwenden. Für Besuche von Angehörigen der Gerichtshilfe, der Jugendgerichtshilfe, der Bewährungshilfe und der Führungsaufsichtsstellen gilt § 27 Sätze 1 bis 3 entsprechend.

Fünftes Kapitel
Aus- und Weiterbildung, Arbeit, Gesundheitsfürsorge und Freizeit

§ 124 Zuweisung, Arbeitspflicht 17

(1) Aus- und Weiterbildung, Arbeit sowie arbeitstherapeutische Beschäftigung dienen insbesondere dem Ziel, Fähigkeiten für eine Erwerbstätigkeit nach der Entlassung zu vermitteln, zu erhalten oder zu fördern.

(2) Die Vollzugsbehörde soll der oder dem Gefangenen unter besonderer Berücksichtigung des § 114 Abs. 1 Satz 3 vorrangig schulische und berufliche Orientierungs-, Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen zuweisen. Soweit eine solche Zuweisung nach Maßgabe des Erziehungs- und Förderplans nicht vorgesehen ist, soll die Vollzugsbehörde ihr oder ihm statt einer Tätigkeit nach Satz 1 wirtschaftlich ergiebige Arbeit oder, wenn dies der Vollzugsbehörde nicht möglich ist, eine angemessene Beschäftigung zuweisen und dabei ihre oder seine Fähigkeiten, Fertigkeiten und Neigungen berücksichtigen. Die Vollzugsbehörde kann der oder dem Gefangenen als Tätigkeit nach Satz 2 auch eine Hilfstätigkeit zuweisen.

(3) Ist die oder der Gefangene zu wirtschaftlich ergiebiger Arbeit nicht fähig, so soll ihr oder ihm eine geeignete arbeitstherapeutische Beschäftigung zugewiesen werden.

(4) Die oder der Gefangene ist verpflichtet, eine ihr oder ihm zugewiesene Tätigkeit auszuüben. Maßnahmen nach § 117 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 sind während der Arbeitszeit zuzulassen, soweit dies im Rahmen des Erziehungs- und Förderplans zur Erreichung des Vollzugszieles nach § 113 Satz 1 erforderlich ist. Sonstige vollzugliche Maßnahmen sollen zugelassen werden, soweit dies im überwiegenden Interesse der oder des Gefangenen oder aus einem anderen wichtigen Grund erforderlich ist. § 40 Abs. 3 Satz 2 gilt mit der Maßgabe, dass die oder der Gefangene eine Entschädigung für die Teilnahme an den nach Satz 2 zugelassenen vollzuglichen Maßnahmen erhält.

§ 125 Aus- und Weiterbildungsangebote

Schulische und berufliche Aus- und Weiterbildungsangebote sind von der Vollzugsbehörde in ausreichendem Umfang bereitzustellen und möglichst so zu gestalten, dass sie von Gefangenen auch dann sinnvoll genutzt werden können, wenn wegen der Kürze des Freiheitsentzuges ein Abschluss bis zur Entlassung nicht erreichbar ist. Im Rahmen der durchgängigen Betreuung ist darauf hinzuwirken, dass der oder dem Gefangenen die Fortsetzung der im Jugendstrafvollzug begonnenen Aus- oder Weiterbildungsmaßnahmen nach der Entlassung außerhalb der Anstalt ermöglicht wird.

§ 126 Freiwilliger Verbleib im Jugendstrafvollzug

(1) Nach der Entlassung kann der oder dem Gefangenen im Rahmen der durchgängigen Betreuung auf Antrag gestattet werden, eine im Jugendstrafvollzug begonnene Maßnahme des Erziehungs- und Förderplans abzuschließen. Hierfür oder aus fürsorgerischen Gründen kann sie oder er im Einzelfall höchstens drei Monate über den Entlassungszeitpunkt hinaus in der Anstalt verbleiben, sofern es deren Belegungssituation zulässt. Der Antrag und die Gestattung sind jederzeit widerruflich.

(2) Maßnahmen nach Absatz 1 sind unzulässig, wenn sie nach allgemeinen Vorschriften der Zustimmung der Personen-sorgeberechtigten bedürften und diese nicht erteilt wird.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 dürfen Maßnahmen des Vollzuges nicht mit unmittelbarem Zwang durchgesetzt werden. Im Übrigen finden die sonstigen Vorschriften dieses Teils entsprechende Anwendung.

(4) Wird der Antrag widerrufen oder eine notwendige Zustimmung der Personensorgeberechtigten nicht erteilt, so ist die betroffene Person unverzüglich zu entlassen.

§ 127 Gesundheitsfürsorge

(1) Die oder der minderjährige Gefangene hat über die Ansprüche nach § 57 hinaus auch Anspruch auf Leistungen zur Verhütung von Zahnerkrankungen in entsprechender Anwendung des § 22 Abs. 1 bis 3 des Fünften Buchs des Sozialgesetzbuchs.

(2) Bei der Anwendung des § 57 Abs. 2 Satz 3 kann ein Verschulden der oder des Gefangenen im Einzelfall unberücksichtigt bleiben.

(3) Vor ärztlichen Eingriffen bei der oder dem Gefangenen sind die Rechte ihrer oder seiner Personensorgeberechtigten zu beachten. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf deren Aufklärung und Einwilligung.

§ 128 Freizeit, Sport

(1) Die Vollzugsbehörde hat für ein ausreichendes Freizeit- und Sportangebot zu sorgen.

(2) Die oder der Gefangenen ist zur Nutzung der Freizeitangebote aufzufordern; aus erzieherischen Gründen kann sie oder er dazu verpflichtet werden. Sie oder er soll insbesondere an Veranstaltungen der Fortbildung, an Freizeitgruppen und Gruppengesprächen teilnehmen. Sie oder er soll dazu angehalten werden, eine Bücherei zu nutzen sowie den verantwortungsvollen Umgang mit neuen Medien zu erlernen, soweit dies mit der Sicherheit der Anstalt vereinbar ist.

(3) Dem Sport kommt im Jugendstrafvollzug besondere Bedeutung zu. Die oder der Gefangene erhält Gelegenheit, das Sportangebot zu nutzen. Ihre oder seine Bereitschaft hierzu ist zu wecken und zu fördern.

Sechstes Kapitel 17
Schusswaffengebrauch, Maßnahmen bei Pflichtverstößen, Beschwerderecht, gerichtlicher Rechtsschutz

§ 129 Besondere Vorschriften für den Schusswaffengebrauch

Für den Schusswaffengebrauch gegen eine Gefangene oder einen Gefangenen gilt § 92 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 entsprechend mit der Maßgabe, dass Schusswaffen nur zur Abwehr einer durch die Benutzung der Waffe oder des gefährlichen Werkzeugs verursachten gegenwärtigen Gefahr für Leben oder Gesundheit gebraucht werden dürfen; § 92 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 und 3 findet keine Anwendung.

§ 130 Erzieherische Maßnahmen und Disziplinarmaßnahmen 17

(1) Verstößt die oder der Gefangene schuldhaft gegen Pflichten, die ihr oder ihm durch dieses Gesetz oder aufgrund dieses Gesetzes auferlegt sind, so kann unmittelbar auf die Pflichtverletzung eine Maßnahme angeordnet werden, die geeignet ist, ihr oder ihm ihr oder sein Fehlverhalten bewusst zu machen. Als Maßnahmen kommen namentlich Weisungen und Auflagen in Betracht.

(2) Reichen Maßnahmen nach Absatz 1 nicht aus, so können gegen die oder den Gefangenen Disziplinarmaßnahmen angeordnet werden. § 94 Abs. 1 und 2 findet keine Anwendung. § 95 Abs. 1 Nr. 7 gilt entsprechend mit der Maßgabe, dass Arrest nur bis zu zwei Wochen zulässig ist. § 96 Abs. 2 gilt entsprechend mit der Maßgabe, dass die Aussetzung von Disziplinarmaßnahmen zur Bewährung nur bis zu drei Monaten zulässig ist.

§ 131 Beschwerderecht der Personensorgeberechtigten

§ 101 Abs. 1 gilt für die Personensorgeberechtigten der oder des Gefangenen entsprechend.

§ 131a Gerichtlicher Rechtsschutz 17

Gegen eine Maßnahme zur Regelung einzelner Angelegenheiten auf dem Gebiet der Jugendstrafe kann gerichtliche Entscheidung nach Maßgabe des § 92 JGG beantragt werden.

Siebtes Kapitel
Entsprechende Anwendung von Vorschriften des Zweiten und Dritten Teils

§ 132 Entsprechende Anwendung von Vorschriften des Zweiten und Dritten Teils 17

(1) Für den Vollzug der Jugendstrafe gelten die Vorschriften des Zweiten Teils entsprechend, soweit in den Vorschriften dieses Teils nichts anderes bestimmt ist.

(2) Ist die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten, gelten die Vorschriften des Dritten Teils entsprechend, soweit in den Vorschriften dieses Teils nichts anderes bestimmt ist. § 7 Abs. 3 des JGG bleibt unberührt.

(3) Bei der Ausübung von Ermessen und der Ausfüllung von Beurteilungsspielräumen sind im Jugendstrafvollzug die Vollzugsziele nach § 113 sowie die Gestaltungsgrundsätze nach § 114 besonders zu beachten.

Fünfter Teil
Vollzug der Untersuchungshaft

Erstes Kapitel
Allgemeine Vorschriften, Grundsätze

§ 133 Zweck der Untersuchungshaft

Der Vollzug der Untersuchungshaft dient dem Zweck, den in den gesetzlichen Haftgründen zum Ausdruck kommenden Gefahren zu begegnen.

§ 134 Zuständigkeiten

(1) Die Vollzugsbehörde ist für alle im Vollzug der Untersuchungshaft zu treffenden Entscheidungen und sonstigen Maßnahmen zuständig, soweit nicht die Zuständigkeit des Gerichts vorgesehen ist. Das Gericht kann sich in jeder Lage des Strafverfahrens durch schriftliche Erklärung gegenüber der Vollzugsbehörde die Zuständigkeit für in deren Zuständigkeit fallende Entscheidungen und sonstige Maßnahmen allgemein oder im Einzelfall widerruflich vorbehalten.

(2) Soweit in den Vorschriften dieses Teils nichts anderes bestimmt ist, ist das Gericht zuständig für Entscheidungen und sonstige Maßnahmen, die der Abwehr einer Verdunkelungsgefahr dienen.

(3) Das Gericht kann, soweit es für Entscheidungen und sonstige Maßnahmen nach den Vorschriften dieses Teils zu-ständig ist, seine Zuständigkeit bis zur Erhebung der öffentlichen Klage ganz oder teilweise schriftlich und widerruflich auf die Staatsanwaltschaft übertragen. In den Fällen des Absatzes 1 Satz 2 ist eine Übertragung ausgeschlossen.

(4) Die Staatsanwaltschaft kann sich, soweit ihr die Zuständigkeit nach Absatz 3 übertragen wurde, zur Durchführung von Maßnahmen der Hilfe der Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft bedienen. Die Ermittlungspersonen unterliegen insoweit den Weisungen der Staatsanwaltschaft. Die von ihnen getroffenen Maßnahmen gelten als solche der Staatsanwaltschaft.

(5) Das Gericht kann, soweit es für Entscheidungen und sonstige Maßnahmen nach den Vorschriften dieses Teils zuständig ist, seine Zuständigkeit in jeder Lage des Strafverfahrens ganz oder teilweise schriftlich und widerruflich auf die Vollzugsbehörde übertragen, soweit dies der Zweck der Untersuchungshaft zulässt. Eine Übertragung der Zuständigkeit nach Satz 1 bedarf der widerruflichen Zustimmung der Vollzugsbehörde.

(6) In dringenden Fällen kann die Staatsanwaltschaft oder die Vollzugsbehörde vorläufige Entscheidungen und sonstige Maßnahmen treffen. Diese bedürfen der unverzüglichen Genehmigung der zuständigen Stelle.

§ 134a Gericht, Staatsanwaltschaft und Ermittlungspersonen

(1) Gericht im Sinne der Vorschriften dieses Teils ist das für die Haftprüfung (§ 117 StPO) zuständige Gericht. Handelt es sich bei dem Gericht nach Satz 1 nicht um ein Gericht des Landes Niedersachsen, so ist Gericht im Sinne der Vorschriften dieses Teils das Amtsgericht, in dessen Bezirk sich die oder der Gefangene in Untersuchungshaft befindet; Überstellungen berühren die gerichtliche Zuständigkeit nicht. Einzelne Maßnahmen trifft die oder der Vorsitzende; dies gilt nicht für Entscheidungen nach § 134 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1.

(2) Staatsanwaltschaft im Sinne der Vorschriften dieses Teils ist die Staatsanwaltschaft, die in dem der Inhaftierung der oder des Gefangenen zugrunde liegenden Strafverfahren die Ermittlungen führt. Handelt es sich bei der Staatsanwaltschaft nach Satz 1 nicht um eine Staatsanwaltschaft des Landes Niedersachsen, so finden die Vorschriften dieses Teils über Zuständigkeiten der Staatsanwaltschaft für Maßnahmen nach diesem Gesetz keine Anwendung.

(3) Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft im Sinne der Vorschriften dieses Teils sind die in § 1 Satz 1 Nr. 2 der Verordnung über die Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft vom 2. Oktober 1997 (Nds. GVBl. S. 423; 1998 S. 485), geändert durch Verordnung vom 25. Januar 2005 (Nds. GVBl. S. 46), genannten Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten des Landes Niedersachsen; § 1 Satz 2 der Verordnung über die Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft gilt insoweit entsprechend.

§ 134b Zusammenarbeit der beteiligten Stellen

Das Gericht, die Staatsanwaltschaft und die Vollzugsbehörde treffen ihre Entscheidungen und sonstigen Maßnahmen unter Beachtung der Belange des der Inhaftierung der oder des Gefangenen zugrunde liegenden Strafverfahrens sowie der Sicherheit und Ordnung der Anstalt. Sie unterrichten sich gegenseitig unverzüglich über Umstände, deren Kenntnis erforderlich ist, um die Untersuchungshaft ihrem Zweck entsprechend zu vollziehen, Möglichkeiten der Haftvermeidung zu ergreifen sowie die Sicherheit und Ordnung der Anstalt zu wahren und über Umstände, die das der Inhaftierung der oder des Gefangenen zugrunde liegende Strafverfahren betreffen können. Handelt es sich bei dem für die Haftprüfung (§ 117 StPO) zuständigen Gericht nicht um ein Gericht des Landes Niedersachsen oder werden die Ermittlungen in dem der Inhaftierung der oder des Gefangenen zugrunde liegenden Strafverfahren nicht von einer Staatsanwaltschaft des Landes Niedersachsen geführt, so sind auch diese Stellen entsprechend Satz 2 zu unterrichten.

§ 135 Rechtsstellung der Gefangenen

(1) Gefangene gelten als unschuldig.

(2) Soweit dieses Gesetz eine besondere Regelung nicht enthält, können der oder dem Gefangenen über § 3 Satz 2 hinaus Beschränkungen auferlegt werden, die der Zweck der Untersuchungshaft erfordert.

Zweites Kapitel
Vollzugsverlauf

§ 136 Aufnahme in die Anstalt

Für die Aufnahme gilt § 8 entsprechend, Absatz 3 Satz 3 jedoch mit der Maßgabe, dass der Zweck der Untersuchungshaft nicht gefährdet werden darf.

§ 137 Verlegung, Überstellung, Ausantwortung

(1) Die oder der Gefangene kann in eine andere Anstalt verlegt oder überstellt werden, wenn es zur Erreichung des Zwecks der Untersuchungshaft erforderlich ist. Im Übrigen gilt § 10 Abs. 1 Nrn. 2 bis 5 und Abs. 2 entsprechend.

(2) Vor der Entscheidung über eine Verlegung oder Überstellung soll die für die Aufnahme vorgesehene Vollzugsbehörde gehört werden.

(3) Der oder dem Gefangenen soll vor ihrer oder seiner Verlegung oder Überstellung Gelegenheit gegeben werden, Angehörige oder eine Vertrauensperson zu benachrichtigen, soweit der Zweck der Untersuchungshaft oder die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt dadurch nicht gefährdet wird.

(4) § 10 Abs. 3 gilt entsprechend mit der Maßgabe, dass die Ausantwortung der Zustimmung des Gerichts bedarf.

§ 138 Ausführung

(1) Aus wichtigem Anlass kann die oder der Gefangene auf ihren oder seinen Antrag mit Zustimmung des Gerichts auf eigene Kosten ausgeführt werden.

(2) Die oder der Gefangene darf auch ohne ihre oder seine Zustimmung ausgeführt werden, wenn dies aus besonderem Grund notwendig ist.

§ 139 Beendigung der Untersuchungshaft

Ist die Entlassung angeordnet, so ist die oder der Gefangene unverzüglich aus der Haft zu entlassen, es sei denn, es ist in anderer Sache eine richterlich angeordnete Freiheitsentziehung zu vollziehen.

Drittes Kapitel
Verhinderung von Kontakten, Unterbringung, Kleidung und Einkauf

§ 140 Verhinderung von Kontakten

Die Vollzugsbehörde hat zu verhindern, dass die oder der Gefangene mit anderen Gefangenen und Sicherungsverwahrten in Verbindung treten kann, die der Täterschaft, Teilnahme, Begünstigung, Strafvereitelung oder Hehlerei bezüglich derselben Tat verdächtigt werden oder bereits abgeurteilt worden sind oder als Zeugen in Betracht kommen; Ausnahmen bedürfen der Zustimmung des Gerichts.

§ 141 Unterbringung

(1) Die oder der Gefangene wird während der Ruhezeit allein in ihrem oder seinem Haftraum untergebracht. Mit ihrer oder seiner Zustimmung kann die oder der Gefangene auch gemeinsam mit anderen Gefangenen untergebracht werden, wenn eine schädliche Beeinflussung nicht zu befürchten ist. Ohne Zustimmung der betroffenen Gefangenen ist eine gemeinsame Unterbringung zulässig, sofern eine oder einer von ihnen hilfsbedürftig ist oder für eine oder einen von ihnen eine Gefahr für Leben oder Gesundheit besteht. Darüber hinaus ist eine gemeinsame Unterbringung nur vorübergehend aus zwingenden Gründen zulässig.

(2) Der oder dem Gefangenen wird Gelegenheit gegeben, sich außerhalb der Ruhezeit in Gemeinschaft mit anderen Gefangenen aufzuhalten.

(3) Soweit es der Zweck der Untersuchungshaft oder die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt erfordert, kann der gemeinschaftliche Aufenthalt außerhalb der Ruhezeit ausgeschlossen oder eingeschränkt werden.

§ 142 Ausstattung des Haftraums und persönlicher Besitz, Kleidung und Einkauf 17

(1) Die oder der Gefangene darf ihren oder seinen Haftraum in angemessenem Umfang mit eigenen Sachen ausstatten, die ihr oder ihm mit Zustimmung oder auf Vermittlung der Vollzugsbehörde überlassen worden sind.

(2) Die oder der Gefangene darf eigene Kleidung, eigene Wäsche und eigenes Bettzeug benutzen, wenn sie oder er für Reinigung und Instandsetzung auf eigene Kosten sorgt; anderenfalls erhält sie oder er Kleidung, Wäsche oder Bettzeug von der Vollzugsbehörde.

(3) Die oder der Gefangene kann sich aus einem von der Vollzugsbehörde vermittelten Angebot regelmäßig in angemessenem Umfang Nahrungs- und Genussmittel sowie Gegenstände des persönlichen Bedarfs kaufen. Die Ausgaben für Einkäufe sollen monatlich den 30-fachen Tagessatz der Eckvergütung (§ 40 Abs. 1 Satz 2) nicht übersteigen. Es soll für ein Angebot gesorgt werden, das auf Wünsche und Bedürfnisse der Gefangenen Rücksicht nimmt.

(4) Soweit es der Zweck der Untersuchungshaft oder die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt erfordert, können

  1. die Rechte aus Absatz 1 eingeschränkt,
  2. die Rechte aus Absatz 2 ausgeschlossen oder eingeschränkt und
  3. Gegenstände vom Einkauf ausgeschlossen werden.

§ 24 Abs. 2 Satz 2 gilt entsprechend.

Viertes Kapitel
Besuche, Schriftwechsel, Telefongespräche und Pakete

§ 143 Recht auf Besuch, Zulassung 17

(1) Zum Besuch bei der oder dem Gefangenen wird nur zugelassen, wer über eine Besuchserlaubnis verfügt; im Übrigen gilt für das Recht der oder des Gefangenen auf Besuch § 25 Abs. 1 bis 3 entsprechend.

(2) Über die Besuchserlaubnis entscheidet das Gericht. Es kann die Besuchserlaubnis versagen oder von der Befolgung von Weisungen abhängig machen, wenn es der Zweck der Untersuchungshaft oder die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt erfordert. Bei nachträglichem Eintreten oder Bekanntwerden solcher Umstände kann das Gericht die Besuchserlaubnis ganz oder teilweise widerrufen oder zurücknehmen. Auch bei Vorliegen einer Besuchserlaubnis kann die Vollzugsbehörde den Besuch einer Person zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt von ihrer Durchsuchung abhängig machen und die Zahl der gleichzeitig zu einem Besuch zugelassenen Personen beschränken; insoweit findet § 134 Abs. 1 Satz 2 keine Anwendung.

§ 144 Überwachung von Besuchen

(1) Besuche dürfen offen überwacht werden. Die akustische Überwachung ist nur zulässig, wenn dies im Einzelfall wegen des Zwecks der Untersuchungshaft oder zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt erforderlich ist. § 28 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) Abweichend von § 134 Abs. 5 Satz 1 ist die Übertragung der Zuständigkeit für die Entscheidung über die akustische Überwachung zur Abwehr einer Verdunkelungsgefahr auf die Vollzugsbehörde ausgeschlossen. Wird die Durchführung der akustischen Überwachung zur Abwehr einer Verdunkelungsgefahr auf die Vollzugsbehörde übertragen, so hat das Gericht dieser zuvor schriftlich mitzuteilen, auf welche Umstände bei der Überwachung besonders zu achten ist.

(3) Die Kosten für Übersetzungsdienste und Sachverständige, die zur Überwachung hinzugezogen werden, übernimmt die Staatskasse nur in angemessenem Umfang.

(4) Gegenstände dürfen beim Besuch nur mit Erlaubnis der Vollzugsbehörde, die der Zustimmung des Gerichts bedarf, übergeben werden. Die Erlaubnis zur Übergabe von Nahrungs- und Genussmitteln in geringer Menge bedarf nicht der Zustimmung des Gerichts; die Vollzugsbehörde kann anordnen, dass die Nahrungs- und Genussmittel durch ihre Vermittlung beschafft werden.

(5) Ein Besuch darf nach vorheriger Androhung abgebrochen werden, wenn

  1. aufgrund des Verhaltens der Besucherinnen oder Besucher oder der oder des Gefangenen eine Gefährdung des Zwecks der Untersuchungshaft droht oder
  2. Besucherinnen oder Besucher oder die oder der Gefangene gegen die Vorschriften dieses Gesetzes oder die aufgrund dieses Gesetzes getroffenen Anordnungen verstoßen.

Der Besuch kann sofort abgebrochen werden, wenn dies unerlässlich ist, um den Zweck der Untersuchungshaft zu gewährleisten oder eine Gefahr für die Sicherheit der Anstalt oder einen schwerwiegenden Verstoß gegen die Ordnung der Anstalt abzuwehren. Über den Abbruch des Besuchs entscheidet die Stelle, die die Überwachung durchführt; insoweit findet § 134 Abs. 1 bis 5 keine Anwendung.

§ 145 Recht auf Schriftwechsel

(1) Die oder der Gefangene hat das Recht, Schreiben abzusenden und zu empfangen. In dringenden Fällen kann der oder dem Gefangenen gestattet werden, Schreiben als Telefaxe aufzugeben.

(2) Die Kosten des Schriftverkehrs trägt die oder der Gefangene. Bei einer oder einem bedürftigen Gefangenen kann die Vollzugsbehörde auf Antrag Kosten ganz oder teilweise übernehmen.

§ 146 Überwachung des Schriftwechsels

(1) Der Schriftwechsel wird überwacht. § 30 Abs. 3 gilt entsprechend.

(2) Die oder der Gefangene hat Absendung und Empfang ihrer oder seiner Schreiben durch die Vollzugsbehörde vermitteln zu lassen. Diese leitet die Schreiben unverzüglich an die für die Überwachung ihres gedanklichen Inhalts (Textkontrolle) zuständige Stelle weiter; die Vollzugsbehörde darf von dem gedanklichen Inhalt der Schreiben keine Kenntnis nehmen.

(3) Die Textkontrolle wird vom Gericht durchgeführt; § 134 Abs. 4 und 5 findet keine Anwendung.

(4) Die Kosten für Übersetzungsdienste und Sachverständige, die zur Überwachung hinzugezogen werden, übernimmt die Staatskasse nur in angemessenem Umfang.

§ 147 Anhalten von Schreiben

(1) Schreiben können vom Gericht angehalten werden, soweit es der Zweck der Untersuchungshaft oder die Sicherheit oder Ordnung einer Anstalt erfordert; § 134 Abs. 5 findet keine Anwendung. Im Übrigen gilt § 32 Abs. 1 Nrn. 2 bis 6 entsprechend. Wird ein Schreiben nicht angehalten, so ist es unverzüglich weiterzuleiten.

(2) Ist ein Schreiben angehalten worden, so wird das der oder dem Gefangenen mitgeteilt. Hiervon kann solange abgesehen werden, wie es der Zweck der Untersuchungshaft oder die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt erfordert.

(3) Angehaltene Schreiben werden an die Absender zurückgegeben oder von der anhaltenden Stelle verwahrt, sofern eine Rückgabe unmöglich oder nicht geboten ist.

§ 148 Telefongespräche

(1) Die oder der Gefangene kann mit Erlaubnis der Vollzugsbehörde, die der Zustimmung des Gerichts bedarf, Telefongespräche durch Vermittlung der Vollzugsbehörde führen. Die Erlaubnis kann versagt werden, wenn der Zweck der Untersuchungshaft, die Sicherheit, die Ordnung oder die räumlichen, personellen oder organisatorischen Verhältnisse der Anstalt es erfordern.

(2) Die Erlaubnis kann unter den in Absatz 1 Satz 2 genannten Voraussetzungen von der Befolgung von Weisungen abhängig gemacht werden. § 143 Abs. 2 Satz 3, § 144 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2, 3 und 5, § 145 Abs. 2 sowie § 33 Abs. 1 Sätze 3 und 4 und Abs. 4 gelten entsprechend.

§ 149 Verkehr mit Verteidigerinnen und Verteidigern, der Führungsaufsichtsstelle sowie der Bewährungs- und Gerichtshilfe

(1) Die Verteidigerinnen und Verteidiger der oder des Gefangenen dürfen diese oder diesen ohne Erlaubnis, ohne Beschränkungen hinsichtlich Dauer oder Häufigkeit und unüberwacht besuchen; § 27 Satz 2 gilt entsprechend. Die Vollzugsbehörde kann den Besuch davon abhängig machen, dass sich die Verteidigerin oder der Verteidiger durchsuchen lässt. Eine Kenntnisnahme des gedanklichen Inhalts der von der Verteidigerin oder dem Verteidiger mitgeführten Schriftstücke und sonstigen Unterlagen ist unzulässig; für deren Übergabe bedürfen sie keiner Erlaubnis. Schriftwechsel ist ohne Erlaubnis, unbeschränkt und unüberwacht zulässig, insbesondere dürfen Schreiben nicht geöffnet werden. § 148 Abs. 2 und § 148a StPO gelten fort; sie gelten für die Fälle entsprechend, dass gegen die oder den Gefangenen wegen einer Straftat nach § 129a, auch in Verbindung mit § 129b Abs. 1, StGB Überhaft vorgemerkt ist. Telefongespräche dürfen mit Erlaubnis des Gerichts durch Vermittlung der Vollzugsbehörde unüberwacht geführt werden. § 143 Abs. 2 Sätze 2 und 3, § 145 Abs. 2 sowie § 33 Abs. 4 gelten entsprechend. Auch bei Vorliegen einer Erlaubnis kann die Vollzugsbehörde die Vermittlung des Gesprächs vorüber-gehend ablehnen, soweit die räumlichen, personellen und organisatorischen Verhältnisse der Anstalt es erfordern. § 134 Abs. 1, 2, 4 und 5 findet keine Anwendung.

(2) Für den Verkehr einer oder eines Gefangenen, die oder der unter Bewährungs- oder Führungsaufsicht steht oder über die oder den ein Bericht der Gerichtshilfe angefordert ist, mit der Bewährungshelferin oder dem Bewährungshelfer, der oder dem Bediensteten der Führungsaufsichtsstelle oder der Gerichtshilfe gilt Absatz 1 entsprechend.

§ 150 Pakete

(1) Die oder der Gefangene darf mit Erlaubnis der Vollzugsbehörde, die der Zustimmung des Gerichts bedarf, in angemessenem Umfang Pakete empfangen sowie Pakete versenden.

(2) Eingehende Pakete dürfen Nahrungs- und Genussmittel sowie Gegenstände, die den Zweck der Untersuchungshaft oder die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt gefährden, nicht enthalten. Pakete, für die keine Erlaubnis erteilt worden ist, sollen nicht angenommen werden. Angenommene Pakete sind von der Vollzugsbehörde in Gegenwart der oder des Gefangenen zu öffnen. Nahrungs- und Genussmittel sowie Gegenstände, die die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt gefährden, sind von der Vollzugsbehörde zur Habe zu nehmen, zurückzusenden oder, wenn es erforderlich ist, zu vernichten. Gegenstände, die den Zweck der Untersuchungshaft gefährden können, leitet die Vollzugsbehörde unverzüglich an das Gericht weiter. Das Gericht entscheidet, ob die Gegenstände an die oder den Gefangenen ausgehändigt werden oder ob mit ihnen nach Satz 4 verfahren wird. Die jeweils veranlassten Maßnahmen werden der oder dem Gefangenen von der zuständigen Stelle mitgeteilt. Hiervon kann auf Anordnung des Gerichts vor-übergehend abgesehen werden, soweit es der Zweck der Untersuchungshaft erfordert.

(3) Der Inhalt ausgehender Pakete kann von der Vollzugsbehörde wegen des Zwecks der Untersuchungshaft oder aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt überprüft werden. Für Gegenstände, die die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt gefährden, gilt Absatz 2 Satz 4 entsprechend. Gegenstände, die den Zweck der Untersuchungshaft gefährden können, leitet die Vollzugsbehörde unverzüglich an das Gericht weiter. Das Gericht entscheidet, ob die Gegenstände abgesendet werden oder ob mit ihnen nach Absatz 2 Satz 4 verfahren wird. Absatz 2 Sätze 7 und 8 gilt entsprechend.

(4) Auf in ein- und ausgehenden Paketen enthaltene Schreiben finden abweichend von den Absätzen 2 und 3 die auch sonst für Schreiben geltenden Vorschriften dieses Teils Anwendung.

(5) Der Empfang von Paketen kann befristet untersagt werden

  1. vom Gericht, wenn es der Zweck der Untersuchungshaft erfordert,
  2. von der Vollzugsbehörde, wenn es wegen einer Gefährdung der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt unerlässlich ist.

(6) Für die Kosten des Paketverkehrs gilt § 145 Abs. 2 entsprechend.

(7) § 134 Abs. 1, 2, 4 und 5 findet keine Anwendung.

§ 151 Gegenstände in Schreiben

Enthält ein Schreiben offenkundig einen Gegenstand, so darf es von der Vollzugsbehörde geöffnet werden. Für die Behandlung des Gegenstandes gilt § 150 Abs. 2 Sätze 4 bis 8, Abs. 3 Sätze 2 bis 4 und Abs. 7 entsprechend. Auf das Schreiben finden im Übrigen die auch sonst für Schreiben geltenden Vorschriften dieses Teils Anwendung; insbesondere ist eine Textkontrolle durch die Vollzugsbehörde unzulässig.

Fünftes Kapitel
Beschäftigung, Bildungsmaßnahmen, Freizeit

§ 152 Beschäftigung, Bildungsmaßnahmen 17

(1) Die oder der Gefangene ist nicht zur Arbeit verpflichtet.

(2) Ihr oder ihm soll auf Antrag nach Möglichkeit der Vollzugsbehörde Arbeit oder eine angemessene Beschäftigung in der Anstalt angeboten werden, soweit der Zweck der Untersuchungshaft nicht entgegensteht.

(3) Für die Ausübung einer angebotenen Arbeit oder angemessenen Beschäftigung erhält die oder der Gefangene ein Arbeitsentgelt. § 40 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 und 4 sowie die § § 42 und 44 gelten entsprechend.

(4) Einer oder einem geeigneten Gefangenen soll Gelegenheit zum Erwerb oder zur Verbesserung schulischer oder beruflicher Kenntnisse gegeben werden, soweit es die Möglichkeiten der Vollzugsbehörde und die besonderen Bedingungen der Untersuchungshaft zulassen. Nimmt die oder der Gefangene an einer Maßnahme der Vollzugsbehörde nach Satz 1 teil, so gilt § 41 entsprechend.

§ 152a Freistellung 17

(1) Hat die oder der Gefangene ein Jahr lang eine angebotene Tätigkeit ausgeübt, so kann sie oder er beanspruchen, für die Dauer des jährlichen Mindesturlaubs nach § 3 Abs. 1 des Bundesurlaubsgesetzes freigestellt zu werden; Zeiträume von unter einem Jahr bleiben unberücksichtigt. Die Freistellung kann nur innerhalb eines Jahres nach Entstehung des Freistellungsanspruchs in Anspruch genommen werden. Auf die Frist nach Satz 1 werden Zeiten,

  1. in denen die oder der Gefangene infolge Krankheit an ihrer oder seiner Arbeitsleistung gehindert war, mit bis zu sechs Wochen jährlich,
  2. in denen die oder der Gefangene Verletztengeld nach § 47 Abs. 6 des Siebten Buchs des Sozialgesetzbuchs erhalten hat,
  3. in denen die oder der Gefangene nach Satz 1 freigestellt war,

angerechnet. Zeiten, in denen die oder der Gefangene die angebotene Tätigkeit aus anderen Gründen nicht ausgeübt hat, können in angemessenem Umfang angerechnet werden. Erfolgt keine Anrechnung nach Satz 3 oder 4, so wird die Frist für die Dauer der Fehlzeit gehemmt.

(2) § 39 Abs. 2 und 4 gilt entsprechend.

§ 153 Freizeit

Für die Gestaltung der Freizeit der oder des Gefangenen gelten die § § 64 bis 67 entsprechend mit der Maßgabe, dass die sich daraus ergebenden Rechte auch eingeschränkt oder ausgeschlossen werden können, soweit es der Zweck der Untersuchungshaft erfordert.

Sechstes Kapitel
Gesundheitsfürsorge und soziale Hilfen

§ 154 Gesundheitsfürsorge

(1) Für die Gesundheitsfürsorge gelten die § § 56, 57, 59, 62 und 63 entsprechend. Das Fachministerium wird ermächtigt, durch Verordnung zu regeln, unter welchen Voraussetzungen und in welcher Höhe die oder der Gefangene in entsprechender Anwendung des § 52 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 an den Kosten für Leistungen auf dem Gebiet der Gesundheitsfürsorge beteiligt werden kann.

(2) Der oder dem Gefangenen kann nach Anhörung der Anstaltsärztin oder des Anstaltsarztes oder der Anstaltszahnärztin oder des Anstaltszahnarztes gestattet werden, auf eigene Kosten weiteren ärztlichen oder zahnärztlichen Rat hinzuzuziehen. Die Konsultation soll in der Anstalt erfolgen.

§ 155 Soziale Hilfen

Für soziale Hilfen gelten § 68 Abs. 1 und § 69 Abs. 1 und 2 Sätze 1 und 3 unter Berücksichtigung des Zwecks der Untersuchungshaft entsprechend mit der Maßgabe, dass sich die Hilfe auch auf die Vermeidung der weiteren Untersuchungshaft erstrecken soll.

Siebtes Kapitel
Sicherheit und Ordnung der Anstalt, unmittelbarer Zwang, Disziplinarmaßnahmen

§ 156 Sicherheit und Ordnung der Anstalt, unmittelbarer Zwang, Disziplinarmaßnahmen 17

(1) Für die Sicherheit und Ordnung der Anstalt sowie den unmittelbaren Zwang gelten die § § 74 bis 93 entsprechend. Das Gericht kann Einzelhaft zur Abwehr einer Verdunkelungsgefahr anordnen; eine Übertragung der Zuständigkeit auf die Vollzugsbehörde ist ausgeschlossen.

(2) Für die Disziplinarmaßnahmen gelten die § § 94 bis 96 Abs. 3 Satz 2 und die § § 97 bis 99 entsprechend. § 96 Abs. 3 Satz 3 gilt entsprechend mit der Maßgabe, dass die Befugnisse der oder des Gefangenen aus § 142 Abs. 1 bis 3 und den § § 152 und 153 ruhen, soweit nichts anderes angeordnet wird.

(3) Durch die Anordnung und den Vollzug einer Disziplinarmaßnahme darf die Verteidigung und die Verhandlungsfähigkeit der oder des betroffenen Gefangenen nicht beeinträchtigt werden. Eine Disziplinarmaßnahme kann ganz oder zum Teil auch während einer der Untersuchungshaft unmittelbar nachfolgenden Strafhaft vollzogen werden.

Achtes Kapitel
Junge Gefangene

§ 157 Anwendungsbereich

An jungen Gefangenen wird die Untersuchungshaft nach den Vorschriften dieses Kapitels vollzogen. Junge Gefangene sind zur Tatzeit Jugendliche und Heranwachsende im Sinne des Jugendgerichtsgesetzes, die das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, sowie zur Tatzeit Heranwachsende, die 21, aber noch nicht 24 Jahre alt sind und für die nach den Vorschriften des Jugendgerichtsgesetzes der Vollzug der Untersuchungshaft nach den für den Vollzug an Jugendlichen geltenden Vorschriften angeordnet worden ist.

§ 158 Gestaltung des Vollzuges

(1) Der Vollzug soll erzieherisch gestaltet werden. Die oder der junge Gefangene soll in der Entwicklung von Fähigkeiten und Fertigkeiten sowie in der Bereitschaft zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Lebensführung in Achtung der Rechte anderer gefördert werden. Dem dienen altersgemäße Beschäftigungs-, Bildungs- und Freizeitmöglichkeiten sowie sonstige entwicklungsfördernde Maßnahmen. Die Bereitschaft zur Teilnahme ist zu wecken und zu fördern. § 114 Abs. 1 Sätze 3 und 4 gilt entsprechend.

(2) Die oder der junge Gefangene ist verpflichtet, die ihr oder ihm aus erzieherischen Gründen erteilten rechtmäßigen Anordnungen zu befolgen.

(3) Die Personensorgeberechtigten sind von der Inhaftierung, dem jeweiligen Aufenthaltsort und der bevorstehenden Entlassung zu unterrichten, soweit sie noch keine Kenntnis darüber haben; über vorübergehende Veränderungen des Aufenthaltsortes während des Vollzuges sind die Personensorgeberechtigten nur zu unterrichten, soweit dies mit Rücksicht auf die Dauer des anderweitigen Aufenthaltes der oder des jungen Gefangenen angezeigt ist. Sie sind auf Antrag oder bei Bedarf über grundlegende Fragen der Vollzugsgestaltung zu unterrichten; gleichzeitig soll ihnen Gelegenheit gegeben werden, hierzu Anregungen zu geben. Diese sind nach Möglichkeit zu berücksichtigen.

§ 159 Unterbringung

Für die Unterbringung der oder des jungen Gefangenen gilt § 120 entsprechend mit der Maßgabe, dass eine Unterbringung in einer Wohngruppe, eine gemeinschaftliche Unterbringung während der Arbeitszeit und Freizeit sowie eine gemeinsame Unterbringung während der Ruhezeit ausgeschlossen oder eingeschränkt werden können, wenn es der Zweck der Untersuchungshaft erfordert.

§ 160 Besuche, Schriftwechsel, Telefongespräche und Pakete 17

(1) Die Gesamtdauer des Besuchs beträgt mindestens sechs Stunden im Monat.

(2) Unbeschadet der Vorschriften des Vierten Kapitels können Besuche von bestimmten Personen auch untersagt werden, wenn die Personensorgeberechtigten es beantragen oder wenn es aus erzieherischen Gründen erforderlich ist. Satz 1 gilt entsprechend für den Schriftwechsel, die Telefongespräche und den Paketverkehr.

(3) Für den Verkehr mit Betreuungspersonen, Erziehungsbeiständen und Personen, die Aufgaben der Jugendgerichtshilfe wahrnehmen, gilt § 149 Abs. 1 entsprechend.

§ 161 Schulische und berufliche Aus- und Weiterbildung, Arbeit, Selbstbeschäftigung

(1) Die oder der junge Gefangene kann aus erzieherischen Gründen zur Teilnahme an schulischen oder beruflichen Orientierungs-, Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen, zur Arbeit, angemessenen oder arbeitstherapeutischen Beschäftigung verpflichtet werden. Ihr oder ihm kann eine Selbstbeschäftigung in der Anstalt gestattet werden. Der Teilnahme an schulischen oder beruflichen Orientierungs-, Aus- oder Weiterbildungsmaßnahmen soll Vorrang eingeräumt werden, soweit diese Maßnahmen der künftigen beruflichen Integration der oder des jungen Gefangenen dienlich sind. § 36 Abs. 3, § 40 Abs. 1 bis 4, § § 41, 42 und 44 gelten entsprechend.

(2) Auf einem gesonderten Konto werden für die junge Gefangene oder den jungen Gefangenen gutgeschrieben

  1. vier Siebtel von Ansprüchen auf Ausbildungsbeihilfe oder Arbeitsentgelt sowie
  2. ein angemessener Teil des Anspruchs aus einer Selbstbeschäftigung, der der Vollzugsbehörde zur Gutschrift für die junge Gefangene oder den jungen Gefangenen entsprechend § 36 Abs. 3 überwiesen worden ist.

Das Guthaben wird der oder dem jungen Gefangenen bei der Entlassung ausgezahlt. Der Anspruch auf das Guthaben ist nicht übertragbar.

§ 162 Gesundheitsfürsorge

(1) Für die Gesundheitsfürsorge der jungen Gefangenen gelten die § § 56, 57, 59, 62 und 63 sowie § 154 Abs. 2 entsprechend. Das Fachministerium wird ermächtigt, durch Verordnung zu regeln, unter welchen Voraussetzungen und in welcher Höhe die oder der junge Gefangene in entsprechender Anwendung des § 52 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 an den Kosten für Leistungen auf dem Gebiet der Gesundheitsfürsorge beteiligt werden kann.

(2) Die oder der minderjährige Gefangene hat über die Ansprüche nach § 57 hinaus auch Anspruch auf Leistungen zur Verhütung von Zahnerkrankungen in entsprechender Anwendung des § 22 Abs. 1 bis 3 des Fünften Buchs des Sozialgesetzbuchs.

(3) Bei der Anwendung des § 57 Abs. 2 Satz 3 kann ein Verschulden der oder des jungen Gefangenen im Einzelfall unberücksichtigt bleiben.

(4) Vor ärztlichen Eingriffen bei der oder dem jungen Gefangenen sind die Rechte ihrer oder seiner Personensorgeberechtigten zu beachten. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf deren Aufklärung und Einwilligung.

§ 163 Besondere Vorschriften für den Schusswaffengebrauch

Für den Schusswaffengebrauch gegen eine junge Gefangene oder einen jungen Gefangenen gilt § 92 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 entsprechend mit der Maßgabe, dass Schusswaffen nur zur Abwehr einer durch die Benutzung der Waffe oder des gefährlichen Werkzeugs verursachten gegenwärtigen Gefahr für Leben oder Gesundheit gebraucht werden dürfen; § 92 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 und 3 findet keine Anwendung.

§ 164 Erzieherische Maßnahmen und Disziplinarmaßnahmen 17

(1) Verstößt die oder der junge Gefangene schuldhaft gegen Pflichten, die ihr oder ihm durch dieses Gesetz oder aufgrund dieses Gesetzes auferlegt sind, so gilt § 130 Abs. 1 entsprechend.

(2) Reichen Maßnahmen nach Absatz 1 nicht aus, so können gegen die junge Gefangene oder den jungen Gefangenen Disziplinarmaßnahmen angeordnet werden.

(3) Für die Disziplinarmaßnahmen gelten § 94 Abs. 3, § 95 Abs. 1 Nrn. 1 bis 6 und Abs. 2 bis 4, § 96 Abs. 1 und 3 Sätze 1 und 2, § § 97 bis 99 sowie 156 Abs. 3 entsprechend. § 95 Abs. 1 Nr. 7 gilt entsprechend mit der Maßgabe, dass Arrest nur bis zu zwei Wochen zulässig ist. § 96 Abs. 2 gilt entsprechend mit der Maßgabe, dass die Aussetzung von Disziplinarmaßnahmen zur Bewährung nur bis zu drei Monaten zulässig ist. § 96 Abs. 3 Satz 3 gilt entsprechend mit der Maßgabe, dass die Befugnisse der oder des jungen Gefangenen aus § 142 Abs. 1 bis 3 und den § § 153 und 161 ruhen, soweit nichts anderes angeordnet wird. Die Personensorgeberechtigten sollen von der Entscheidung unterrichtet werden.

§ 165 Beschwerderecht der Personensorgeberechtigten

§ 101 Abs. 1 gilt für die Personensorgeberechtigten der oder des jungen Gefangenen entsprechend.

§ 166 Ergänzende Anwendung der Vorschriften der übrigen Kapitel dieses Teils

Die Vorschriften der übrigen Kapitel dieses Teils sind anzuwenden, soweit in diesem Kapitel nichts anderes bestimmt ist.

Neuntes Kapitel
Rechtsbehelfe

§ 167 Antrag auf gerichtliche Entscheidung

(1) Gegen eine Maßnahme der Vollzugsbehörde oder der Staatsanwaltschaft zur Regelung einzelner Angelegenheiten auf dem Gebiet des Vollzuges der Untersuchungshaft kann gerichtliche Entscheidung beantragt werden. Mit dem Antrag kann auch die Verpflichtung zum Erlass einer abgelehnten oder unterlassenen Maßnahme begehrt werden.

(2) Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist nur zulässig, wenn die Antragstellerin oder der Antragsteller geltend macht, durch die Maßnahme oder ihre Ablehnung oder Unterlassung in ihren oder seinen Rechten verletzt zu sein.

(3) Über den Antrag entscheidet das Gericht nach § 134a Abs. 1 Sätze 1 und 2.

(4) Im Übrigen finden § 111 Abs. 1, § § 112, 114, 115, 120 und 121 Abs. 1 bis 4 StVollzG entsprechende Anwendung. Für den Vornahmeantrag gilt § 113 StVollzG entsprechend mit der Maßgabe, dass der Antrag auf gerichtliche Entscheidung schon nach sechs Wochen seit dem Antrag auf Vornahme der Entscheidung gestellt werden kann.

(5) Gegen die gerichtliche Entscheidung steht den Beteiligten die Beschwerde zu. Für das Beschwerdeverfahren gelten im Übrigen die Vorschriften der Strafprozessordnung entsprechend.

§ 168 Anfechtung gerichtlicher Entscheidungen

(1) Gegen eine Maßnahme des Gerichts zur Regelung einzelner Angelegenheiten auf dem Gebiet des Vollzuges der Untersuchungshaft oder ihre Ablehnung oder Unterlassung ist die Beschwerde zulässig, wenn die Beschwerdeführerin oder der Beschwerdeführer geltend macht, durch die Maßnahme oder ihre Ablehnung oder Unterlassung in ihren oder seinen Rechten verletzt zu sein. Abweichend von Satz 1 steht die Beschwerde auch der Vollzugsbehörde und der Staatsanwaltschaft zu. Für das Beschwerdeverfahren gelten im Übrigen die Vorschriften der Strafprozessordnung entsprechend.

(2) Die Vollzugsbehörde kann bis zur Beschwerdeentscheidung die zur Wahrung der Sicherheit oder Ordnung erforderlichen Maßnahmen treffen.

Zehntes Kapitel
Ergänzende Anwendung von Vorschriften des Zweiten Teils und der Strafprozessordnung

§ 169 Ergänzende Anwendung von Vorschriften des Zweiten Teils und der Strafprozessordnung

(1) Für den Vollzug der Untersuchungshaft gelten die Vorschriften des Zweiten Teils über die Vorführung (§ 14 Abs. 3 Satz 3), die Anstaltsverpflegung (§ 23), die Gutschrift als Eigengeld (§ 48 Abs. 1 Satz 1), die Religionsausübung (§ § 53 bis 55), die Besonderheiten des Vollzuges an weiblichen Gefangenen (§ § 71 bis 73), die Aufhebung von Verwaltungsakten (§ 100) sowie die Beschwerde (§ 101) entsprechend.

(2) Bei der Ausübung von Ermessen und der Ausfüllung von Beurteilungsspielräumen sind im Untersuchungshaftvollzug der Zweck der Untersuchungshaft nach § 133 sowie die weiteren in § 134b genannten Gesichtspunkte besonders zu beachten.

(3) Auf die den Vollzug der Untersuchungshaft betreffenden gerichtlichen Entscheidungen mit Ausnahme der Entscheidungen nach § 134 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 finden die Vorschriften der Strafprozessordnung entsprechende Anwendung, soweit in diesem Gesetz nichts anderes bestimmt ist.

Sechster Teil
Vollzugsorganisation, Datenschutz, Übergangs- und Schlussbestimmungen

Erstes Kapitel
Vollzugsorganisation

Erster Abschnitt
Zweckbestimmung und Ausstattung der Anstalten, Unterbringung und Trennung

§ 170 Einrichtung von Anstalten und Abteilungen

(1) Die in § 1 genannten freiheitsentziehenden Maßnahmen werden in Anstalten der Landesjustizverwaltung vollzogen.

(2) Für die einzelnen Vollzugsarten (Freiheitsstrafe, Jugendstrafe, Untersuchungshaft an jungen Gefangenen und Untersuchungshaft an sonstigen Untersuchungsgefangenen), für den Vollzug an Frauen und Männern sowie für den Vollzug der Freiheitsstrafe an jungen Verurteilten sind jeweils gesonderte Anstalten oder Abteilungen einzurichten.

§ 171 Vollzug in den Anstalten und Abteilungen

(1) Der Vollzug an Frauen und Männern erfolgt in den dafür vorgesehenen gesonderten Anstalten oder Abteilungen.

(2) Die einzelnen Vollzugsarten werden jeweils in den dafür bestimmten gesonderten Anstalten oder Abteilungen vollzogen. Abweichend von Satz 1 kann der Vollzug an einer oder einem jungen Gefangenen auch in einer Jugendarrestanstalt erfolgen. Darüber hinaus kann der Vollzug einer Vollzugsart in einer für eine andere Vollzugsart bestimmten Anstalt oder Abteilung erfolgen,

  1. sofern eine Gefangene oder ein Gefangener hilfsbedürftig ist oder für eine oder einen von ihnen eine Gefahr für Leben oder Gesundheit besteht,
  2. um einer oder einem Gefangenen die Teilnahme an vollzuglichen Maßnahmen in einer anderen Anstalt oder Abteilung zu ermöglichen,
  3. aus dringenden Gründen der Vollzugsorganisation oder
  4. mit Zustimmung der oder des Gefangenen.

Betrifft die Abweichung von Satz 1 eine Untersuchungsgefangene oder einen Untersuchungsgefangenen, so bedarf es der Zustimmung des nach den Vorschriften des Fünften Teils zu-ständigen Gerichts; § 134 Abs. 3 Satz 1 und Abs. 6 gilt entsprechend.

§ 172 Getrennte Unterbringung

(1) Frauen und Männer sind während und außerhalb der Ruhezeit getrennt voneinander unterzubringen. Hiervon kann außerhalb der Ruhezeit abgewichen werden, um der oder dem Gefangenen die Teilnahme an vollzuglichen Maßnahmen in einer anderen Anstalt oder Abteilung zu ermöglichen.

(2) Personen, an denen unterschiedliche Vollzugsarten zu vollziehen sind, sind während und außerhalb der Ruhezeit getrennt voneinander unterzubringen. Liegen die Voraussetzungen der Vorschriften des Zweiten bis Fünften Teils für eine gemeinsame Unterbringung während der Ruhezeit vor, so darf abweichend von Satz 1 eine gemeinsame Unterbringung während der Ruhezeit erfolgen,

  1. sofern eine Gefangene oder ein Gefangener hilfsbedürftig ist oder für eine oder einen von ihnen eine Gefahr für Leben oder Gesundheit besteht,
  2. wenn dies vorübergehend aus zwingenden Gründen der Vollzugsorganisation erforderlich ist, oder
  3. mit Zustimmung der betroffenen Gefangenen.

Liegen die Voraussetzungen der Vorschriften des Zweiten bis Fünften Teils für die gemeinschaftliche Unterbringung außerhalb der Ruhezeit vor, so darf abweichend von Satz 1 eine gemeinschaftliche Unterbringung außerhalb der Ruhezeit unter den Voraussetzungen des § 171 Abs. 2 Satz 3 erfolgen.

(3) Betrifft die Abweichung von Absatz 1 Satz 1 oder von Absatz 2 Satz 1 eine Untersuchungsgefangene oder einen Untersuchungsgefangenen, so gilt § 171 Abs. 2 Satz 4 entsprechend.

§ 173 Gestaltung, Differenzierung und Organisation der Anstalten

Die Anstalten sind vom Fachministerium und von den Vollzugsbehörden so zu gestalten und zu differenzieren, dass Ziele und Aufgaben des Vollzuges gewährleistet werden. Personelle Ausstattung, sachliche Mittel und Organisation der Anstalten sind hieran auszurichten.

§ 174 Belegungsfähigkeit und Ausgestaltung der Räume 17

(1) Das Fachministerium setzt die Belegungsfähigkeit sowie die Zahl der Einzel- und Gemeinschaftshafträume für jede Anstalt fest.

(2) Räume für den Aufenthalt während der Ruhe- und Freizeit sowie Gemeinschafts- und Besuchsräume müssen zweck-entsprechend ausgestaltet und für eine gesunde Lebensführung ausreichend mit Heizung, Lüftung, Boden- und Fensterfläche ausgestattet sein. In Gemeinschaftshafträumen befindliche Sanitärbereiche sind baulich vollständig abzutrennen. Die Größe der Gemeinschaftshafträume muss für die darin untergebrachten Gefangenen unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles zumutbar sein. Besuchsräume sind kindgerecht auszugestalten.

Zweiter Abschnitt
Wahrnehmung der Aufgaben der Vollzugsbehörden

§ 175 Zuständigkeit

(1) Die Anstalt ist als Vollzugsbehörde für die Entscheidungen und sonstigen Maßnahmen nach diesem Gesetz zuständig, soweit nicht etwas anderes bestimmt ist.

(2) Das Fachministerium kann bestimmte vollzugliche Aufgaben anstaltsübergreifend einer nachgeordneten Stelle übertragen.

§ 176 Anstaltsleitung

(1) Die Anstaltsleiterin oder der Anstaltsleiter trägt die Verantwortung für den gesamten Vollzug in der Anstalt, vertritt die Anstalt in den ihr als Vollzugsbehörde obliegenden Angelegenheiten nach außen und regelt die Geschäftsverteilung innerhalb der Anstalt. Die Befugnis, eine mit einer Entkleidung verbundene körperliche Durchsuchung, besondere Sicherungsmaßnahmen und Disziplinarmaßnahmen anzuordnen, darf sie oder er nur mit Zustimmung des Fachministeriums anderen Justizvollzugsbediensteten übertragen.

(2) Die Anstaltsleiterin oder der Anstaltsleiter und ihre oder seine Vertreterinnen oder Vertreter müssen hauptamtlich tätig sein und in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis zum Land stehen. Sie werden vom Fachministerium bestellt.

§ 177 Aufgabenwahrnehmung durch Justizvollzugsbedienstete

(1) Die Wahrnehmung der Aufgaben der Vollzugsbehörden wird Justizvollzugsbeamtinnen und Justizvollzugsbeamten übertragen. Aus besonderen Gründen kann die Wahrnehmung der Aufgaben auch anderen Beamtinnen und Beamten, sonstigen Justizvollzugsbediensteten oder nebenamtlich in einer Anstalt beschäftigten Personen übertragen werden.

(2) Im Jugendstrafvollzug und im Untersuchungshaftvollzug an jungen Gefangenen sollen Justizvollzugsbedienstete eingesetzt werden, die für den Umgang mit jungen Menschen besonders geeignet sind. Die Eignung ist durch entsprechende Fortbildungen zu fördern.

§ 178 Beauftragung

Fachlich geeignete und zuverlässige natürliche Personen, juristische Personen des öffentlichen oder privaten Rechts oder sonstige Stellen können beauftragt werden, Aufgaben für die Vollzugsbehörde wahrzunehmen, soweit dabei keine Entscheidungen oder sonstige in die Rechte der Gefangenen oder anderer Personen eingreifende Maßnahmen zu treffen sind. Eine Übertragung von vollzuglichen Aufgaben zur eigenverantwortlichen Wahrnehmung ist ausgeschlossen.

§ 179 Seelsorge

(1) Seelsorgerinnen und Seelsorger werden im Einvernehmen mit der jeweiligen Religionsgemeinschaft im Hauptamt bestellt oder vertraglich verpflichtet.

(2) Wenn die geringe Zahl der Angehörigen einer Religionsgemeinschaft eine Seelsorge nach Absatz 1 nicht rechtfertigt, ist die seelsorgerische Betreuung auf andere Weise zuzulassen.

(3) Mit Zustimmung der Vollzugsbehörde dürfen die Anstaltsseelsorgerinnen und Anstaltsseelsorger freie Seelsorgehelferinnen und Seelsorgehelfer und für Gottesdienste sowie für andere religiöse Veranstaltungen Seelsorgerinnen und Seelsorger von außen zuziehen.

§ 180 Ärztliche Versorgung

(1) Die ärztliche Versorgung ist in der Regel durch hauptberuflich in der Anstalt tätige Ärztinnen und Ärzte sicherzustellen.

(2) Die Pflege der Kranken soll von Personen ausgeübt werden, die eine Erlaubnis nach dem Krankenpflegegesetz besitzen. Solange solche Personen nicht zur Verfügung stehen, können auch Bedienstete des allgemeinen Vollzugsdienstes eingesetzt werden, die anderweitig in der Krankenpflege ausgebildet sind.

§ 181 Zusammenarbeit 17

(1) Im Strafvollzug ist insbesondere mit den Behörden und Stellen der Entlassenen- und Straffälligenhilfe, der Bewährungshilfe, den Aufsichtsstellen für die Führungsaufsicht, den Agenturen für Arbeit, den Einrichtungen für berufliche Bildung, den Trägern der Sozialversicherung und der Sozialhilfe, Gesundheits-, Ausländer- und Polizeibehörden, Sucht- und Schuldnerberatungsstellen, Ausländer- und Integrationsbeauftragten sowie Hilfeeinrichtungen anderer Behörden und den Verbänden der freien Wohlfahrtspflege eng zusammenzuarbeiten. Die Vollzugsbehörden sollen mit Personen und Vereinen zusammenarbeiten, deren Einfluss die Eingliederung der Gefangenen sowie die Durchführung von Maßnahmen zur Wiedergutmachung der Folgen ihrer Straftaten fördern kann.

(2) Im Jugendstrafvollzug ist über die in Absatz 1 Satz 1 genannten Stellen hinaus insbesondere mit Schulen und Schulbehörden, der öffentlichen und freien Jugendhilfe sowie den Jugendämtern eng zusammenzuarbeiten.

(3) Im Untersuchungshaftvollzug gelten die Absätze 1 und 2 entsprechend, soweit Zweck und Eigenart der Untersuchungshaft die Zusammenarbeit erfordern.

§ 182 Interessenvertretung der Gefangenen

Den Gefangenen soll ermöglicht werden, Vertretungen zu wählen. Diese können in Angelegenheiten von gemeinsamem Interesse, die sich ihrer Eigenart und der Zweckbestimmung der Anstalt nach für eine Mitwirkung eignen, Vorschläge und Anregungen an die Vollzugsbehörde herantragen. Die Vorschläge und Anregungen sollen mit der Vertretung erörtert werden.

§ 183 Hausordnung

(1) Die Anstaltsleiterin oder der Anstaltsleiter erlässt eine Hausordnung.

(2) In die Hausordnung sind namentlich Regelungen aufzunehmen über

  1. die Besuchszeiten, Häufigkeit und Dauer der Besuche,
  2. die Arbeitszeit, Freizeit und Ruhezeit sowie
  3. die Gelegenheit, Anträge und Beschwerden anzubringen, oder sich an eine Vertreterin oder einen Vertreter der Aufsichtsbehörde zu wenden.

(3) Ein Abdruck der Hausordnung ist allgemein zugänglich auszuhängen und auf Verlangen auszuhändigen.

Dritter Abschnitt
Aufsicht und Vollstreckungsplan

§ 184 Aufsicht

(1) Das Fachministerium führt die Aufsicht über die Vollzugsbehörden.

(2) Es kann sich Entscheidungen über Verlegungen vorbehalten oder solche Entscheidungen oder bestimmte Aufsichtsbefugnisse auf ihm nachgeordnete Stellen übertragen. Im Fall der Übertragung wird das Fachministerium oberste Aufsichtsbehörde.

(3) Richterliche Entscheidungen im Rahmen des Untersuchungshaftvollzuges unterliegen nicht der Aufsicht.

§ 185 Vollstreckungsplan

Das Fachministerium regelt die örtliche und sachliche Zuständigkeit der Vollzugsbehörden nach allgemeinen Merkmalen in einem Vollstreckungsplan. Der Vollstreckungsplan sieht darüber hinaus vor, in welchen Fällen die für den Strafvollzug zuständige Vollzugsbehörde durch ein Einweisungsverfahren bestimmt wird und welche Stelle in einem solchen Verfahren die Einweisungsentscheidung trifft.

Vierter Abschnitt
Beiräte

§ 186 Bildung der Beiräte

(1) Bei den Anstalten sind Beiräte zu bilden.

(2) Das Nähere regelt das Fachministerium durch Verordnung. Die Verordnung enthält insbesondere Regelungen zur Anzahl der Beiratsmitglieder sowie über deren Berufung und Abberufung. Justizvollzugsbedienstete sowie Bedienstete des Fachministeriums dürfen nicht Mitglied eines Beirats sein.

(3) Sind in einer Anstalt auch Sicherungsverwahrte untergebracht, so ist dies in der Verordnung nach Absatz 2 insbesondere bei der Bestimmung der Anzahl der Beiratsmitglieder zu berücksichtigen.

§ 187 Aufgaben und Befugnisse der Beiräte

(1) Der Beirat wirkt bei der Gestaltung des Vollzuges durch Anregungen und Verbesserungsvorschläge mit. Er kann Gefangene unterstützen, soweit dies mit den Zielen des Vollzuges oder dem Zweck der Untersuchungshaft im Einklang steht; er kann Strafgefangenen bei der Eingliederung nach der Entlassung helfen.

(2) Der Beirat kann namentlich Wünsche, Anregungen und Beanstandungen entgegennehmen. Er kann sich über die Unterbringung, Beschäftigung, berufliche Bildung, Verpflegung, ärztliche Versorgung, Betreuung, Förderung oder Therapie der Gefangenen unterrichten sowie die Anstalt und ihre Abteilungen besichtigen.

(3) Der Beirat kann Gefangene in ihren Räumen aufsuchen. Aussprache und Schriftwechsel werden nicht überwacht. Der Besuch der oder des Untersuchungsgefangenen, das Aufsuchen in ihren oder seinen Räumen und Telefongespräche mit ihr oder ihm bedürfen der Erlaubnis des nach den Vorschriften des Fünften Teils zuständigen Gerichts. Dieses kann die Erlaubnis versagen, wenn der Zweck der Untersuchungshaft es erfordert. § 134 Abs. 3 Satz 1 gilt entsprechend.

§ 188 Pflicht zur Verschwiegenheit

Die Mitglieder des Beirats sind verpflichtet, außerhalb ihrer Tätigkeit über alle Angelegenheiten, die ihrer Natur nach vertraulich sind, besonders über Namen und Persönlichkeit der Gefangenen, Verschwiegenheit zu bewahren. Dies gilt auch nach Beendigung ihrer Tätigkeit.

Fünfter Abschnitt
Evaluation

§ 189 Evaluation 22

(1) Die im Vollzug eingesetzten Maßnahmen, namentlich Therapien und Methoden zur Förderung der Gefangenen, sind vom Fachministerium und den Vollzugsbehörden in Zusammenarbeit mit Einrichtungen der Forschung im Hinblick auf ihre Wirksamkeit wissenschaftlich zu überprüfen. Dabei sind alters- und geschlechtsspezifische Besonderheiten des Vollzuges zu berücksichtigen, soweit dies für die Aussagekraft der Untersuchung von Bedeutung ist. Die Ergebnisse der Überprüfung sind für die Zwecke der Strafrechtspflege nutzbar zu machen. Auf Grundlage der gewonnenen Erkenntnisse sind Konzepte für den Einsatz vollzuglicher Maßnahmen zu entwickeln und fortzuschreiben. Auch im Übrigen sind die Erfahrungen mit der Ausgestaltung des Vollzuges durch dieses Gesetz sowie der Art und Weise der Anwendung der Vorschriften dieses Gesetzes zu überprüfen.

(2) Zu diesen Zwecken sind landesweit von den einzelnen Vollzugsbehörden aussagefähige und auf Vergleichbarkeit angelegte Daten zu erheben, die eine Feststellung und Bewertung der Erfolge und Misserfolge des Vollzuges, insbesondere im Hinblick auf Rückfallhäufigkeiten, sowie die gezielte Erforschung der hierfür verantwortlichen Faktoren ermöglichen. Entsprechende Daten für Bereiche außerhalb des räumlichen Geltungsbereiches dieses Gesetzes sind einzubeziehen und zu vergleichen, soweit solche Daten für das Fachministerium zugänglich sind.

Zweites Kapitel 22
Datenschutz

§ 190 Anwendung datenschutzrechtlicher Vorschriften 22

(1) Die Vorschriften dieses Gesetzes über die Verarbeitung personenbezogener Daten finden Anwendung, wenn die Datenverarbeitung zum Zwecke der Verhütung, Ermittlung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten oder der Strafvollstreckung, einschließlich des Schutzes vor und der Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit, erfolgt; insoweit dient das Gesetz der Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/680 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die zuständigen Behörden zum Zwecke der Verhütung, Ermittlung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten oder der Strafvollstreckung sowie zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung des Rahmenbeschlusses 2008/977/JI des Rates (ABl. EU Nr. L 119 S. 89; 2018 Nr. L 127 S. 9; 2021 Nr. L 74 S. 36). 2Auf die Verarbeitung zu den Zwecken des Satzes 1 finden die Vorschriften des Niedersächsischen Datenschutzgesetzes (NDSG) nur Anwendung, soweit in diesem Gesetz ausdrücklich auf sie verwiesen wird.

(2) Soweit dieses Gesetz besondere Rechtsvorschriften über die Verarbeitung personenbezogener Daten enthält, gehen diese den Vorschriften dieses Kapitels vor.

(3) Erfolgt die Datenverarbeitung im Anwendungsbereich der Datenschutz-Grundverordnung, so gelten ausschließlich deren Bestimmungen sowie die diese Verordnung ergänzenden Regelungen des Niedersächsischen Datenschutzgesetzes.

§ 191 Begriffsbestimmungen 22

(1) Personenbezogene Daten im Sinne dieses Gesetzes sind alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person (betroffene Person) beziehen. Als identifizierbar gilt eine natürliche Person, deren Identität direkt oder indirekt, insbesondere mittels Zuordnung zu einer Kennung wie einem Namen, zu einer Kennnummer, zu Standortdaten, zu einer Online-Kennung oder zu einem oder mehreren besonderen Merkmalen, die Ausdruck der physischen, physiologischen, genetischen, psychischen, wirtschaftlichen, kulturellen oder sozialen Wesensgleichheit dieser natürlichen Person sind, festgestellt werden kann.

(2) Datenverarbeitung ist die Erhebung, Speicherung, Veränderung, Nutzung, Übermittlung, Einschränkung der Verarbeitung und Löschung personenbezogener Daten mit oder ohne Hilfe automatisierter Verfahren. 2Im Einzelnen bezeichnet

  1. "Erhebung" das Erfassen, Abfragen, Auslesen und sonstige Beschaffen von Daten,
  2. "Speicherung" das Aufbewahren von Daten zur späteren Verwendung,
  3. "Veränderung" das inhaltliche Umgestalten von Daten,
  4. "Nutzung" jedes sonstige Verwenden von Daten einschließlich der Herstellung eines die Inhalte der einzelnen Daten unverändert lassenden neuen Zusammenhangs zwischen Daten (Kombination),
  5. "Übermittlung" das Bekanntgeben oder sonstige Bereitstellen von Daten an Dritte,
  6. "Einschränkung der Verarbeitung" das Kennzeichnen gespeicherter Daten mit dem Ziel, ihre weitere Verarbeitung nur noch zu bestimmten Zwecken zu gestatten,
  7. "Löschung" das Vernichten und Unkenntlichmachen von Daten.

(3) Im Übrigen bezeichnet

  1. "besondere Kategorien personenbezogener Daten"
    1. Daten, aus denen die rassische oder ethnische Herkunft, politische Meinungen, religiöse oder weltanschauliche Überzeugungen oder die Gewerkschaftszugehörigkeit hervorgehen,
    2. genetische Daten,
    3. biometrische Daten zur eindeutigen Identifizierung einer natürlichen Person,
    4. Gesundheitsdaten und
    5. Daten zum Sexualleben und zur sexuellen Orientierung;
  2. "genetische Daten" personenbezogene Daten zu den ererbten oder erworbenen genetischen Eigenschaften einer betroffenen Person, die eindeutige Informationen über die Physiologie oder die Gesundheit dieser Person liefern und insbesondere aus der Analyse einer biologischen Probe dieser Person gewonnen wurden,
  3. "biometrische Daten" mit speziellen technischen Verfahren gewonnene personenbezogene Daten zu den physischen, physiologischen oder verhaltenstypischen Merkmalen einer betroffenen Person, die die eindeutige Identifizierung dieser Person ermöglichen oder bestätigen, wie Gesichtsbilder oder daktyloskopische Daten,
  4. "Gesundheitsdaten" personenbezogene Daten, die sich auf die körperliche oder geistige Gesundheit einer betroffenen Person, einschließlich der Erbringung von Gesundheitsdienstleistungen, beziehen und aus denen Informationen über deren Gesundheitszustand hervorgehen,
  5. "unrichtige Daten" mit den tatsächlichen Gegebenheiten nicht oder nicht mehr übereinstimmende Daten,
  6. "unvollständige Daten" das Gesamtbild nicht umfänglich abbildende Daten,
  7. "Anonymisierung" das Verändern personenbezogener Daten derart, dass diese nicht mehr oder nur mit einem unverhältnismäßig großen Aufwand an Zeit, Kosten und Arbeitskraft einer betroffenen Person zugeordnet werden können,
  8. "Pseudonymisierung" das Verändern personenbezogener Daten in einer Weise, dass diese ohne das Hinzuziehen zusätzlicher Informationen nicht mehr einer betroffenen Person zugeordnet werden können, wobei die zusätzlichen Informationen gesondert aufbewahrt werden und technischen und organisatorischen Maßnahmen unterliegen müssen, die gewährleisten, dass die personenbezogenen Daten nicht einer betroffenen Person zugewiesen werden,
  9. "Profiling" jede Art der automatisierten Verarbeitung personenbezogener Daten, die darin besteht, dass diese personenbezogenen Daten verwendet werden, um bestimmte persönliche Aspekte, die sich auf eine natürliche Person beziehen, zu bewerten, insbesondere um Aspekte bezüglich der Arbeitsleistung, der wirtschaftlichen Lage, der Gesundheit, der persönlichen Vorlieben, der Interessen, der Zuverlässigkeit, des Verhaltens sowie des Aufenthaltsorts oder Ortswechsel dieser natürlichen Person zu analysieren oder vorherzusagen,
  10. "Dateisystem" jede strukturierte Sammlung personenbezogener Daten, die nach bestimmten Kriterien zugänglich sind, unabhängig davon, ob diese Sammlung zentral, dezentral oder nach funktionalen oder geografischen Gesichtspunkten geordnet geführt wird und ob die Daten in Papierform oder in elektronischer Form vorgehalten werden,
  11. "Verantwortlicher" die zuständige Behörde, die allein oder gemeinsam mit anderen über die Zwecke und Mittel der Verarbeitung von personenbezogenen Daten entscheidet,
  12. "Auftragsverarbeiter" eine natürliche oder juristische Person, Behörde, Einrichtung oder andere Stelle, die personenbezogene Daten im Auftrag des Verantwortlichen verarbeitet,
  13. "Empfänger" eine natürliche oder juristische Person, Behörde, Einrichtung oder andere Stelle, der personenbezogene Daten übermittelt werden, unabhängig davon, ob es sich bei ihr um einen Dritten handelt oder nicht; Behörden, die im Rahmen eines bestimmten Untersuchungsauftrags nach dem Unionsrecht oder anderen Rechtsvorschriften personenbezogene Daten erhalten, gelten nicht als Empfänger; die Verarbeitung dieser Daten durch die genannten Behörden erfolgt im Einklang mit den geltenden Datenschutzvorschriften gemäß den Zwecken der Verarbeitung,
  14. "öffentliche Stellen" Behörden, Organe der Rechtspflege und andere öffentlich-rechtlich organisierte Einrichtungen
    1. des Bundes, der bundesunmittelbaren Körperschaften, der Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts sowie deren Vereinigungen ungeachtet ihrer Rechtsform,
    2. eines Landes, einer Gemeinde, eines Gemeindeverbandes oder sonstiger der Aufsicht des Landes unterstehender juristischer Personen des öffentlichen Rechts sowie deren Vereinigungen ungeachtet ihrer Rechtsform,
    3. eines Mitgliedstaates der Europäischen Union

    sowie die durch die Europäische Konvention zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe und durch das Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe legitimierten Stellen,

  15. "nicht öffentliche Stellen" natürliche und juristische Personen, Gesellschaften und andere Personenvereinigungen des privaten Rechts, soweit sie nicht unter die Nummer 14 fallen; nimmt eine nicht öffentliche Stelle hoheitliche Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahr, ist sie insoweit öffentliche Stelle im Sinne dieses Gesetzes.

§ 192 Grundsätze der Datenverarbeitung 17 22

(1) Die Vollzugsbehörde als Verantwortlicher schützt das Recht jeder natürlichen Person, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung ihrer personenbezogenen Daten zu bestimmen.

(2) Die Datenverarbeitung ist an dem Ziel auszurichten, so wenige personenbezogene Daten wie möglich zu verarbeiten. Sobald und soweit es mit dem Verarbeitungszweck vereinbar ist, ist vorrangig eine Anonymisierung, ansonsten eine Pseudonymisierung der gespeicherten personenbezogenen Daten vorzunehmen; die Pflicht zur Löschung bleibt unberührt.

(3) Bei der Verarbeitung personenbezogener Daten ist so weit wie möglich danach zu unterscheiden, ob diese auf Tatsachen oder auf persönlichen Einschätzungen beruhen.

(4) Für die Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten gilt § 25 Abs. 3 NDSG.

(5) Für eine ausschließlich auf einer automatisierten Verarbeitung personenbezogener Daten beruhenden Entscheidung gilt § 29 NDSG.

§ 193 Datenerhebung 22

(1) Personenbezogene Daten dürfen erhoben werden, soweit deren Kenntnis für die Vollzugsbehörde zur Erfüllung der ihr nach diesem Gesetz oder aufgrund dieses Gesetzes obliegenden Aufgaben erforderlich und verhältnismäßig ist.

(2) Personenbezogene Daten sind bei der betroffenen Person mit ihrer Kenntnis zu erheben.

(3) Die Datenerhebung über Gefangene bei Dritten ist zulässig, wenn

  1. eine Rechtsvorschrift dies vorsieht oder zwingend voraussetzt,
  2. Angaben der betroffenen Person überprüft werden müssen,
  3. die Daten aus allgemein zugänglichen Quellen entnommen werden können, soweit nicht schutzwürdige Interessen der betroffenen Person entgegenstehen, oder
  4. es zur Abwehr einer Gefahr für Leib, Leben oder die persönliche Freiheit, zur Erreichung der Vollzugsziele nach § 5 oder zur Abwehr einer drohenden Gefahr für die Sicherheit der Anstalt erforderlich ist.

(4) Personenbezogene Daten über Personen, die nicht Gefangene sind, dürfen bei Gefangenen oder sonstigen Dritten nur erhoben werden, wenn sie für die Erreichung der Vollzugsziele nach § 5, die Sicherheit der Anstalt oder die Sicherung des Vollzuges einer Freiheitsentziehung unerlässlich sind und die Erhebung schutzwürdige Interessen der betroffenen Personen nicht beeinträchtigt.

§ 194 Datenspeicherung, -veränderung und -nutzung 22

(1) Die Speicherung, Veränderung und Nutzung personenbezogener Daten ist zulässig, soweit und solange es zur Aufgabenerfüllung der Vollzugsbehörde erforderlich und verhältnismäßig ist und wenn die Daten zu diesem Zweck erhoben worden sind. Erlangt die Vollzugsbehörde rechtmäßig Kenntnis von personenbezogenen Daten, ohne sie erhoben zu haben, so darf sie die Daten nur zu den Zwecken speichern, verändern oder nutzen, zu denen sie sie hätte erheben dürfen. Die Zweckbestimmung ist bei der Speicherung festzulegen.

(2) Die Speicherung, Veränderung und Nutzung für andere Zwecke ist zulässig, wenn die Daten auch für die geänderten Zwecke nach diesem Gesetz hätten erhoben werden dürfen.

(3) Eine Speicherung, Veränderung und Nutzung für andere Zwecke liegt nicht vor, wenn die personenbezogenen Daten zur Durchführung vollzugsbehördliche Maßnahmen betreffender Verfahren des gerichtlichen Rechtsschutzes oder zur Wahrnehmung von Aufsichts- und Kontrollbefugnissen, zur Rechnungsprüfung oder zur Durchführung von Organisationsuntersuchungen gespeichert, verändert oder genutzt werden.

§ 195 Datenübermittlung 22

(1) Die Übermittlung personenbezogener Daten an öffentliche und nicht öffentliche Stellen ist zulässig, soweit dies zur Aufgabenerfüllung der Vollzugsbehörde oder zu Zwecken der Verhütung, Ermittlung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten oder der Strafvollstreckung, einschließlich des Schutzes vor und der Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit erforderlich und verhältnismäßig ist. Besondere Kategorien personenbezogener Daten dürfen an öffentliche Stellen nur übermittelt werden, soweit dies zur Abwehr von erheblichen Gefahren für Leib oder Leben der oder des Gefangenen oder Dritter erforderlich ist. An nicht öffentliche Stellen dürfen diese Daten nur übermittelt werden, soweit dies zur Abwehr von erheblichen Gefahren für Leib oder Leben der oder des Gefangenen oder Dritter unerlässlich ist. Für die Übermittlung an nicht öffentliche Stellen gilt im Übrigen § 30 Abs. 1 NDSG.

(2) Für die Übermittlung personenbezogener Daten an Drittländer und internationale Organisationen gelten die § § 46 bis 49 NDSG.

(3) Die Verantwortung für die Zulässigkeit der Übermittlung trägt die übermittelnde Stelle. Erfolgt die Übermittlung auf Ersuchen einer öffentlichen Stelle, so trägt diese abweichend von § 191 Abs. 3 Nr. 11 die Verantwortung. In diesem Fall prüft die übermittelnde Stelle nur, ob das Übermittlungsersuchen im Rahmen der Aufgaben der empfangenden Stelle liegt, es sei denn, dass besonderer Anlass zur Prüfung der Zulässigkeit der Übermittlung besteht.

(4) Für die Gewährleistung des Datenschutzes bei Übermittlungen und sonstiger Bereitstellung gilt § 32 Abs. 1, 2, 4 und 5 NDSG. Hat die Vollzugsbehörde personenbezogene Daten nach § 197 Abs. 1 Nr. 1 gelöscht, nach § 198 Abs. 1 in der Verarbeitung eingeschränkt oder nach § 199 berichtigt, so hat sie dies Empfängern, denen sie diese Daten übermittelt hat, unverzüglich mitzuteilen. Der Empfänger hat diese Daten zu löschen, in ihrer Verarbeitung einzuschränken oder zu berichtigen. Empfänger, die dem Anwendungsbereich dieses Gesetzes nicht unterliegen, sind zur Löschung, Einschränkung der Verarbeitung oder Berichtigung aufzufordern.

§ 196 Zweckbindung 22

(1) Die übermittelten personenbezogenen Daten dürfen nur zu dem Zweck verarbeitet werden, zu dessen Erfüllung sie übermittelt worden sind. Öffentliche Stellen dürfen die Daten für andere Zwecke verarbeiten, wenn sie ihr auch für diese Zwecke hätten übermittelt werden dürfen. Die Vollzugsbehörde hat nicht öffentliche Stellen zu verpflichten, die Bindung an den Übermittlungszweck einzuhalten.

(2) Unterliegt der Empfänger nicht dem Anwendungsbereich dieses Gesetzes, so ist die Übermittlung nur zulässig, wenn nach den für ihn geltenden Bestimmungen die Einhaltung der in Absatz 1 Sätze 1 und 2 geregelten Zweckbindung in vergleichbarer Weise gewährleistet ist.

§ 197 Löschung 17 22

(1) Personenbezogene Daten sind unverzüglich zu löschen, wenn

  1. ihre Verarbeitung unzulässig ist,
  2. ihre Kenntnis für die Aufgabenerfüllung der Vollzugsbehörde nicht mehr erforderlich ist oder
  3. sie zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung, der die Vollzugsbehörde unterliegt, gelöscht werden müssen.

(2) Die Erforderlichkeit der weiteren Speicherung personenbezogener Daten ist in angemessener Frist, die zwei Jahre nicht überschreiten darf, zu überprüfen. Die Frist beginnt hinsichtlich personenbezogener Daten über Gefangene mit der Entlassung oder Verlegung der oder des Gefangenen, in sonstigen Fällen mit der Erhebung der personenbezogenen Daten.

(3) Personenbezogene Daten über die Gefangene oder den Gefangenen sind spätestens fünf Jahre nach der letzten Entlassung der oder des Gefangenen zu löschen. Wird bei einer zur Bewährung ausgesetzten Reststrafe die Dauer der Bewährungszeit durch Beschluss eines Gerichts über die in Satz 1 genannte Frist hinaus verlängert, so tritt an die Stelle dieser Frist der Ablauf der Bewährungszeit. Personenbezogene Daten über Personen, die nicht Gefangene sind, sind spätestens mit der Entlassung der oder des Gefangenen zu löschen, im Zusammenhang mit der oder dem die Daten gespeichert worden sind.

(4) Die Vollzugsbehörde hat durch verfahrensrechtliche Vorkehrungen sicherzustellen, dass die Fristen der Absätze 2 und 3 eingehalten werden.

(5) Soweit die Vollzugsbehörde im Vollzug der Untersuchungshaft von einer nicht nur vorläufigen Einstellung des Verfahrens, einer unanfechtbaren Ablehnung der Eröffnung des Hauptverfahrens oder einem rechtskräftigen Freispruch Kenntnis erlangt, hat sie die personenbezogenen Daten über die Gefangene oder den Gefangenen unverzüglich zu löschen.

§ 198 Einschränkung der Verarbeitung 22

(1) Anstatt die personenbezogenen Daten zu löschen, hat die Vollzugsbehörde deren Verarbeitung einzuschränken, wenn

  1. Grund zu der Annahme besteht, dass die Löschung schutzwürdige Interessen der betroffenen Person beeinträchtigen würde, oder
  2. die Daten zu Beweiszwecken in behördlichen oder gerichtlichen Verfahren, die der Verhütung, Ermittlung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten oder der Strafvollstreckung, einschließlich des Schutzes vor und der Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit, dienen, weiter gespeichert werden müssen.

(2) Die Vollzugsbehörde hat in angemessener Frist, die zwei Jahre nicht überschreiten darf, zu überprüfen, ob der Zweck, der der Löschung der Daten entgegenstand, fortbesteht. Die Frist zur Überprüfung beginnt mit dem Zeitpunkt der Einschränkung der Verarbeitung. Die Vollzugsbehörde hat durch verfahrensrechtliche Vorkehrungen sicherzustellen, dass die Frist nach Satz 1 eingehalten wird.

(3) In ihrer Verarbeitung nach Absatz 1 eingeschränkte Daten dürfen nur zu dem Zweck, der ihrer Löschung entgegenstand, verarbeitet werden. Die Einschränkung der Verarbeitung endet, wenn die oder der Gefangene erneut zum Vollzug einer der in § 1 genannten freiheitsentziehenden Maßnahmen aufgenommen wird.

(4) In der Verarbeitung eingeschränkte personenbezogene Daten sind als solche zu kennzeichnen. Bei automatisierten Dateisystemen ist technisch sicherzustellen, dass eine Einschränkung der Verarbeitung eindeutig erkennbar ist und eine Verarbeitung entgegen Absatz 3 Satz 1 nicht möglich ist.

§ 198a (aufgehoben) 17 22

§ 199 Behandlung unrichtiger Daten 22

Die Vollzugsbehörde hat unrichtige Daten unverzüglich zu berichtigen. Sofern eine Berichtigung nicht möglich ist, sind die Daten zu löschen. Bei Aussagen oder persönlichen Einschätzungen betrifft die Frage der Richtigkeit nicht deren Inhalt, sondern lediglich die Tatsache, dass diese Aussage oder Einschätzung abgegeben worden ist. Wenn die Richtigkeit oder Unrichtigkeit der Daten nicht festgestellt werden kann, hat eine Einschränkung der Verarbeitung zu erfolgen. Eine Verarbeitung dieser Daten ist unzulässig; § 198 Abs. 4 gilt entsprechend. Die Vollzugsbehörde hat die betroffene Person zu unterrichten, bevor sie die Einschränkung wieder aufhebt.

§ 200 Schutz besonderer Daten 22

(1) Besondere Kategorien personenbezogener Daten sowie personenbezogene Daten, die anlässlich der Überwachung des Besuchs, des Schriftwechsels, der Telekommunikation oder des Paketverkehrs erhoben werden, dürfen in der Anstalt nicht allgemein bekannt gegeben werden. Andere personenbezogene Daten über die Gefangene oder den Gefangenen dürfen innerhalb der Anstalt allgemein bekanntgegeben werden, soweit dies für ein geordnetes Zusammenleben in der Anstalt erforderlich ist und Bestimmungen dieses Gesetzes nicht entgegenstehen.

(2) Die in § 203 Abs. 1 Nrn. 1, 2 und 6 StGB genannten Personen unterliegen auch gegenüber der Vollzugsbehörde der Schweigepflicht über personenbezogene Daten, die ihnen von einer oder einem Gefangenen als Geheimnis anvertraut worden oder über eine Gefangene oder einen Gefangenen sonst bekannt geworden sind. Dies gilt nicht, soweit die Kenntnis der Daten zur Abwehr von erheblichen Gefahren für Leib oder Leben der oder des Gefangenen oder Dritter erforderlich ist; in diesen Fällen haben sie sich gegenüber der Anstaltsleiterin oder dem Anstaltsleiter oder einer oder einem von ihr oder ihm beauftragten Justizvollzugsbediensteten zu offenbaren. In Bezug auf personenbezogene Daten besonderer Kategorien besteht eine Offenbarungspflicht nach Satz 2 nur, soweit die Kenntnis der Daten zur Erreichung der dort genannten Zwecke unerlässlich ist. Sonstige Offenbarungspflichten und -befugnisse bleiben unberührt. Die oder der Gefangene ist bei der Aufnahme in die Anstalt über die nach den Sätzen 2 und 3 bestehenden Offenbarungspflichten in schriftlicher Form zu unterrichten.

(3) Die nach Absatz 2 offenbarten Daten dürfen nur für den Zweck, für den sie offenbart wurden, verarbeitet werden. Für einen anderen Zweck dürfen sie nur verarbeitet werden, wenn die Voraussetzungen für die Offenbarung auch für diesen Zweck vorgelegen hätten.

(4) Sofern Ärztinnen, Ärzte, Psychologinnen oder Psychologen außerhalb des Vollzuges mit der Untersuchung oder Behandlung von Gefangenen beauftragt werden, gilt Absatz 2 mit der Maßgabe entsprechend, dass die beauftragte Person auch zur Unterrichtung der in der Anstalt für die entsprechende Untersuchung oder Behandlung zuständigen Person befugt ist.

§ 201 Technischer und organisatorischer Schutz der Daten 22

(1) Die oder der einzelne Justizvollzugsbedienstete darf personenbezogene Daten nur zur Erfüllung der ihr oder ihm im Rahmen der Geschäftsverteilung obliegenden Aufgaben nach Maßgabe der Vorschriften dieses Gesetzes verarbeiten.

(2) Über jede Gefangene und jeden Gefangenen sind die zugehörigen personenbezogenen Daten jeweils in einem Dateisystem zu sammeln. Von der Anstaltsärztin oder dem Anstaltsarzt über die Gefangene oder den Gefangenen erhobene oder ihr oder ihm sonst bekannt gewordene Gesundheitsdaten sind in einem von dem Dateisystem nach Satz 1 getrennten Dateisystem zu sammeln. Die personenbezogenen Daten, die

  1. Berufspsychologinnen und Berufspsychologen mit staatlich anerkannter wissenschaftlicher Abschlussprüfung oder
  2. staatlich anerkannten Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern oder staatlich anerkannten Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen

im Rahmen einer Therapie von der oder dem Gefangenen anvertraut worden sind oder die ihnen sonst bekannt geworden sind, sind in einem weiteren getrennten Dateisystem zu sammeln.

(3) Die Vollzugsbehörde hat die nach diesem Gesetz erhobenen personenbezogenen Daten durch technische und organisatorische Maßnahmen nach Maßgabe der §§ 34 bis 36 und 38 bis 45 NDSG zu schützen und zu sichern. § 45 Abs. 3 Satz 2 Nr. 9 NDSG gilt mit der Maßgabe, dass an die Stelle der Pflichten des Verantwortlichen nach den §§ 25, 27 und 28 NDSG die Pflichten der Vollzugsbehörde nach den §§ 192 und 197 dieses Gesetzes treten.

§ 202 Erteilung allgemeiner Informationen zur Datenverarbeitung 22

Die Vollzugsbehörde hat der oder dem Gefangenen und anderen betroffenen Personen Informationen in allgemeiner und verständlicher Form zur Verfügung zu stellen über

  1. die Zwecke, für die die personenbezogenen Daten verarbeitet werden,
  2. die im Hinblick auf die Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten bestehenden Rechte der betroffenen Personen auf Auskunft, Berichtigung, Löschung und Einschränkung der Verarbeitung,
  3. den Namen und die Kontaktdaten der Vollzugsbehörde und die Kontaktdaten der oder des jeweils zugehörigen behördlichen Datenschutzbeauftragten und
  4. das Recht, die Landesbeauftragte oder den Landesbeauftragten für den Datenschutz anzurufen, sowie deren oder dessen Kontaktdaten.

§ 203 Benachrichtigung bei Datenverarbeitung ohne Kenntnis der betroffenen Person 22

(1) Die Vollzugsbehörde hat die betroffene Person über eine ohne ihre Kenntnis vorgenommene Erhebung personenbezogener Daten oder eine Übermittlung von Daten zu Zwecken, zu denen sie nicht erhoben worden sind, unter Angabe dieser Daten zu benachrichtigen. Diese Benachrichtigung enthält neben den in § 202 genannten Angaben die folgenden weiteren Angaben:

  1. die Rechtsgrundlage der Verarbeitung,
  2. die für die Daten geltenden Löschfristen oder, falls dies nicht möglich ist, die Kriterien für die Festlegung dieser Dauer,
  3. die Empfänger der personenbezogenen Daten und
  4. erforderlichenfalls weitere Informationen.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 kann die Vollzugsbehörde die Benachrichtigung aufschieben, einschränken oder unterlassen, soweit und solange diese

  1. die Erfüllung der Vollzugsziele nach § 5,
  2. Verfahren zum Zweck der Verhütung, der Ermittlung, der Aufdeckung oder der Verfolgung von Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten oder der Strafvollstreckung,
  3. die öffentliche oder nationale Sicherheit oder
  4. die Rechte einer anderen Person

gefährden würde und das Interesse an der Vermeidung dieser Gefahren das Informationsinteresse der betroffenen Person überwiegt. Die Gründe für die Entscheidung nach Satz 1 sind zu dokumentieren.

(3) Bezieht sich die Benachrichtigung auf die Übermittlung personenbezogener Daten an die Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder, den Bundesnachrichtendienst, den Militärischen Abschirmdienst und, soweit die Sicherheit des Bundes berührt wird, andere Behörden des Bundesministeriums der Verteidigung, so ist sie nur mit Zustimmung dieser Stellen zulässig. Satz 1 gilt entsprechend für Benachrichtigungen über Daten, die der Vollzugsbehörde von einer der in Satz 1 genannten Behörden übermittelt worden sind.

(4) In den Fällen des Absatzes 2 gilt § 204 Abs. 4 und 5 entsprechend.

§ 204 Auskunft 22

(1) Die Vollzugsbehörde hat betroffenen Personen auf Antrag Auskunft zu erteilen über

  1. die personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind, und die Kategorie, zu der sie gehören,
  2. die verfügbaren Informationen über die Herkunft der Daten,
  3. die Zwecke der Verarbeitung und deren Rechtsgrundlage,
  4. die Empfänger oder die Kategorien von Empfängern, gegenüber denen die Daten offengelegt worden sind,
  5. die für die Daten geltenden Löschfristen oder, falls dies nicht möglich ist, die Kriterien für die Festlegung dieser Dauer,
  6. das Bestehen eines Rechts auf Berichtigung, Löschung oder Einschränkung der Verarbeitung der Daten durch die Vollzugsbehörden,
  7. das Recht, die Landesbeauftragte oder den Landesbeauftragten für den Datenschutz anzurufen, sowie
  8. die Kontaktdaten der oder des Landesbeauftragten für den Datenschutz.

(2) Absatz 1 gilt nicht für personenbezogene Daten, die ausschließlich zu Zwecken der Datensicherung oder der Datenschutzkontrolle verarbeitet werden, wenn eine Verarbeitung zu anderen Zwecken durch geeignete technische und organisatorische Maßnahmen ausgeschlossen ist und die Auskunftserteilung einen unverhältnismäßig großen Aufwand erfordern würde.

(3) Von der Auskunftserteilung ist abzusehen, wenn die betroffene Person keine Angaben macht, die das Auffinden der Daten ermöglichen, und deshalb der für die Erteilung der Auskunft erforderliche Aufwand außer Verhältnis zu dem von der betroffenen Person geltend gemachten Informationsinteresse steht.

(4) Die Vollzugsbehörde kann unter den Voraussetzungen des § 203 Abs. 2 und 3 die Auskunft aufschieben, einschränken oder unterlassen.

(5) Die Vollzugsbehörde hat die betroffene Person über das Absehen von oder die Einschränkung einer Auskunft unverzüglich schriftlich zu unterrichten. Dies gilt nicht, wenn bereits die Erteilung dieser Informationen zu einer Gefährdung im Sinne des § 203 Abs. 2 führen würde oder eine der in § 203 Abs. 3 genannten Stellen nicht zugestimmt hat. ie Unterrichtung nach Satz 1 ist zu begründen, es sei denn, dass die Mitteilung der Gründe den mit dem Absehen von oder der Einschränkung der Auskunft verfolgten Zweck gefährden würde.

(6) Wird die betroffene Person nach Absatz 5 über das Absehen von der Auskunft oder deren Einschränkung unterrichtet, so kann sie ihr Auskunftsrecht auch über die Landesbeauftragte oder den Landesbeauftragten für den Datenschutz ausüben. Die Vollzugsbehörde hat die betroffene Person über diese Möglichkeit sowie darüber zu unterrichten, dass sie die Landesbeauftragte oder den Landesbeauftragten für den Datenschutz anrufen oder gerichtlichen Rechtsschutz suchen kann. Macht die betroffene Person von ihrem Recht nach Satz 1 Gebrauch, ist die Auskunft auf ihr Verlangen der oder dem Landesbeauftragten für den Datenschutz zu erteilen. Die oder der Landesbeauftragte für den Datenschutz hat die betroffene Person darüber zu unterrichten, dass alle erforderlichen Prüfungen erfolgt sind oder eine Überprüfung durch sie oder ihn stattgefunden hat. Diese Mitteilung kann die Information enthalten, ob datenschutzrechtliche Verstöße festgestellt wurden, darf jedoch keine Rückschlüsse auf den Erkenntnisstand der Vollzugsbehörde zulassen, soweit diese keiner weitergehenden Auskunft zustimmt. Die Vollzugsbehörde darf die Zustimmung nur soweit und solange verweigern, wie sie nach Absatz 4 von der Erteilung einer Auskunft absehen oder diese einschränken kann. Die oder der Landesbeauftragte für den Datenschutz unterrichtet die betroffene Person über ihr Recht auf gerichtlichen Rechtsschutz.

(7) ie Auskunft kann auch durch die Gewährung von Einsicht oder die Aushändigung von Kopien oder Ausdrucken erteilt werden. Dabei ist das Interesse der oder des Gefangenen und der anderen betroffenen Per son an einer bestimmten Form der Auskunftserteilung zu berücksichtigen.

(8) Die Vollzugsbehörde dokumentiert die Gründe für Entscheidungen nach den Absätzen 3 und 4.

§ 205 Rechte auf Berichtigung und Löschung sowie Einschränkung der Verarbeitung 22

(1) Die betroffene Person hat das Recht, die unverzügliche Berichtigung sie betreffender unrichtiger Daten von der Vollzugsbehörde zu verlangen. Für die Berichtigung gilt § 199. Die betroffene Person kann zudem die Vervollständigung unvollständiger personenbezogener Daten verlangen, wenn dies unter Berücksichtigung der Verarbeitungszwecke angemessen ist.

(2) Die betroffene Person hat das Recht, die unverzügliche Löschung sie betreffender Daten von der Vollzugsbehörde zu verlangen, wenn die Voraussetzungen des § 197 Abs. 1 vorliegen. Unter den Voraussetzungen des § 198 Abs. 1 hat die Vollzugsbehörde statt der Löschung der Daten deren Verarbeitung einzuschränken; § 198 Abs. 2 und 3 findet Anwendung.

(3) Die Vollzugsbehörde hat die betroffene Person über ein Absehen von der Berichtigung oder Löschung nach den Absätzen 1 und 2 oder über die an die Stelle der Berichtigung oder Löschung tretende Einschränkung der Verarbeitung schriftlich zu unterrichten. Dies gilt nicht, wenn bereits die Erteilung dieser Informationen zu einer Gefährdung im Sinne des § 203 Abs. 2 führen würde oder eine der in § 203 Abs. 3 genannten Stellen nicht zugestimmt hat. Die Unterrichtung nach Satz 1 ist zu begründen, es sei denn, dass die Mitteilung der Gründe den mit dem Absehen von der Unterrichtung verfolgten Zweck gefährden würde. § 204 Abs. 6 und 8 gilt entsprechend.

§ 206 Verfahren über die Ausübung der Rechte der betroffenen Person 22

(1) Die Vollzugsbehörde hat mit betroffenen Personen unter Verwendung einer klaren und einfachen Sprache in präziser, verständlicher und leicht zugänglicher Form zu kommunizieren. Unbeschadet besonderer Formvorschriften soll sie bei der Beantwortung von Anträgen grundsätzlich die für den Antrag gewählte Form verwenden.

(2) Bei Eingang von Anträgen zur Ausübung der Betroffenenrechte hat die Vollzugsbehörde die betroffene Person unverzüglich schriftlich darüber in Kenntnis zu setzen, wie mit dem Antrag verfahren wird.

(3) Informationen nach § 202, Benachrichtigungen nach speziellen Rechtsvorschriften und nach § 42 NDSG sowie die Bearbeitung von Anträgen nach den §§ 204 und 205 erfolgen für die betroffene Person unentgeltlich. Bei offenkundig unbegründeten oder exzessiven Anträgen der betroffenen Person nach den §§ 204 und 205 kann die Vollzugsbehörde entweder eine angemessene Gebühr auf der Grundlage des Verwaltungsaufwands verlangen oder sich weigern, aufgrund des Antrags tätig zu werden. In diesem Fall trägt die Vollzugsbehörde die Beweislast für den offenkundig unbegründeten oder exzessiven Charakter des Antrags.

(4) Hat die Vollzugsbehörde begründete Zweifel an der Identität der betroffenen Person, die die Anträge nach § 204 oder 205 gestellt hat, so kann sie bei der betroffenen Person zusätzliche Informationen oder Nachweise anfordern, die zur Bestätigung ihrer Identität erforderlich sind.

§ 207 Ergänzende Anwendung des Niedersächsischen Datenschutzgesetzes 22

(1) Für die sonstigen Rechte der betroffenen Person gelten die §§ 54 bis 56 NDSG.

(2) Für die Aufgaben und Befugnisse der Aufsichtsbehörde und Datenschutzbeauftragten gelten die §§ 57 und 58 NDSG.

(3) Für Ordnungswidrigkeiten und Straftaten gelten die §§ 59 und 60 NDSG.

Drittes Kapitel 22
Übergangs- und Schlussbestimmungen

§ 208 Übergangsbestimmungen 22

Bis für die einzelnen Vollzugsarten eine Verordnung über die Vergütungsstufen sowie die Bemessung des Arbeitsentgeltes, der Ausbildungsbeihilfe und des Taschengeldes in Kraft tritt, gelten die die jeweilige Vollzugsart betreffenden Vorschriften des Strafvollzugsgesetzes über die Bemessung des Arbeitsentgeltes und der Ausbildungsbeihilfe sowie die Strafvollzugsvergütungsordnung vom 11. Januar 1977 (BGBl. I S. 57), geändert durch Artikel 6 des Gesetzes vom 13. Dezember 2007 (BGBl. I S. 2894), in der jeweils geltenden Fassung fort.

§ 209 Einschränkung von Grundrechten 22

Durch dieses Gesetz werden die Grundrechte aus Artikel 2 Abs. 2 Sätze 1 und 2 (körperliche Unversehrtheit und Freiheit der Person), Artikel 6 Abs. 3 (Elternrecht) und Artikel 10 Abs. 1 (Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis) des Grundgesetzes eingeschränkt.



Neubekanntmachung des Niedersächsischen Justizvollzugsgesetzes
- Niedersachsen -

Vom 8. April 2014
(Nds. GVBl. Nr. 8 vom 24.04.2014 S. 106)



Aufgrund des Artikels 4 des Gesetzes zur Neuregelung des Vollzuges der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung in Niedersachsen vom 12. Dezember 2012 (Nds. GVBl. S. 566) wird nachstehend der Wortlaut des Niedersächsischen Justizvollzugsgesetzes vom 14. Dezember 2007 (Nds. GVBl. S. 720) in der nunmehr geltenden Fassung unter Berücksichtigung

des Artikels 1 des Gesetzes vom 20. Februar 2009 (Nds. GVBl. S. 32),

des Artikels 20 des Gesetzes vom 25. März 2009 (Nds. GVBl. S. 72) und

des Artikels 2 des Gesetzes vom 12. Dezember 2012 (Nds. GVBl. S. 566)

bekannt gemacht

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