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3.6.4 Anforderungen an Gebäude, Räume, Einrichtungen und Arbeitsmittel; Abstände
3.6.4.1 Sicherheitsabstände
Auf Grund der Brand- und Explosionsgefahren in der pyrotechnischen Fertigung müssen Sicherheitsabstände zwischen den Gebäuden bzw. zwischen Gebäuden und Plätzen vorhanden sein.
Gefährliche Gebäude oder Plätze müssen in Abhängigkeit von der Gefahrgruppe und der Masse der Explosivstoffe, von der Lage, der Anordnung, der Bauart und vorhandenen Schutzwällen voneinander und von ungefährlichen Gebäuden oder Plätzen und von Gebäuden oder Plätzen des ungefährlichen Betriebsteils einen Sicherheitsabstand aufweisen.
Die Sicherheitsabstände von Gebäuden der Pyrotechnik bemessen sich nach den Vorschriften in §§ 17, 78a sowie Anlage 2 der UVV "Explosivstoffe - Allgemeine Vorschrift" (BGV B5) sowie der Zweiten Verordnung zum Sprengstoffgesetz.
Für Lagergebäude gelten die Zweite Verordnung zum Sprengstoffgesetz und die Sprengstofflager-Richtlinie 220 "Richtlinie Bauweise und Einrichtung der Lager für pyrotechnische Sätze und Gegenstände".
Für Trockengebäude und für Fertigungsgebäude von Gasgeneratoren siehe § 17 in Verbindung mit Anlage 2 der UVV "Explosivstoffe - Allgemeine Vorschrift" (BGV B5), für alle übrigen Gebäude siehe § 78a der vorstehend genannten Unfallverhütungsvorschrift.
Dabei ist für Trockengebäude die Tabelle 1 der Anlage 2 der UVV "Explosivstoffe - Allgemeine Vorschrift" (BGV B5) anzuwenden. Werden jedoch ausschließlich brandgefährliche Sätze oder Gegenstände der Gefahrgruppen 1.3 oder 1.4 entsprechend der vorgenannten BG-Vorschrift getrocknet, sind die Tabellen 5 bzw. 6 anzuwenden.
3.6.4.2 Einzelgebäude und gesonderte Räume
UVV "Explosivstoffe - Allgemeine Vorschrift" (BGV B5) § 78a Abs. 4
Einzelgebäude müssen vorhanden sein für das
Gesonderte Räume, die den Anforderungen der Nummern 1.3 und 2.2 der Anlage 1 der UVV "Explosivstoffe - Allgemeine Vorschrift" (BGV B5) genügen, müssen vorhanden sein für das
Abb. 9: Modernes Trockengebäude in Kreuzform (4 Räume in Ausblasebauart durch Widerstandswände getrennt)
Abb. 10: Abstellgebäude für Sätze
3.6.4.3 Bauweisen von Gebäuden
Bei der Auslegung von Gebäuden mit Brand- oder Explosionsgefahr ist in Abhängigkeit von der Gefährdung eine geeignete Bauweise nach Anlage 1 der UVV "Explosivstoffe - Allgemeine Vorschrift" (BGV B5) zu wählen. Dabei müssen die Auswirkungen von außen (Akzeptor) und innen (Masse und Art des Explosivstoffes und Verfahren) berücksichtigt werden.
Bauarten und Bauteile von gefährlichen Gebäuden sind in § 14 in Verbindung mit Anlage 1 der UVV "Explosivstoffe - Allgemeine Vorschrift" (BGV B5) geregelt. Für Räume in gefährlichen Gebäuden ist § 15 in Verbindung mit Anlage 1 maßgebend.
Bei der Auslegung von Gebäuden mit Explosionsgefahr hat sich die Ausführung als Gebäude in Ausblasebauart mit schwerer Dachausführung bewährt.
Dächer von Gebäuden in Ausblasebauart mit leichter Dachausführung müssen so aufgelegt sein, dass sie bei einer Explosion nicht ins Innere des Gebäudes fallen können. Dies wird z.B. erreicht, wenn unter dem Dach Unterzüge aus Stahlrohr angebracht werden. Solche Unterzüge haben sich in der Praxis bewährt, da sie infolge ihres geringen Widerstandes nicht fortgeschleudert werden.
Abb. 11: Typisches Reihengebäude in Ausblasebauart mit schwerer Dachausführung
Abb. 12: Gebäude in Ausblasebauart mit wirksamen Splitterschutz
3.6.4.4 Einrichtungen, Geräte, Reinigung
UVV "Grundsätze der Prävention" (ab 1/2004) (BGV A1) § 18 Abs. 1
UVV "Explosivstoffe - Allgemeine Vorschrift" (BGV B5) § 22 Abs. 1
3.6.4.4.1 Elektrostatische Aufladung
UVV "Explosivstoffe - Allgemeine Vorschrift" (BGV B5) § 50
Abb. 13: Erdungsmaßnahmen an Heizkörper und Fußboden
Abb. 14: Blitzschutz und Erdungsmaßnahmen an Gebäudeeinrichtungen
Grundsätzlich muss vor Arbeitsbeginn der Ableitwiderstand der Versicherten mit Hilfe geeigneter Geräte überprüft werden, sofern mit Sätzen sowie Anzündeinheiten und Gasgeneratoren, die durch elektrischen Ladungsausgleich entzündet werden können, umgegangen wird.
Arbeitsplätze müssen so eingerichtet sein, dass keine gefährlichen Aufladungen, die zu einer Anzündung führen können, auftreten. Behältnisse für Sätze müssen aus einem nichtmetallischen, elektrostatisch leitfähigem Werkstoff gefertigt sein und eine glatte Oberfläche haben.
Je nach Empfindlichkeit von Sätzen gegenüber elektrostatischer Entladung können besondere Maßnahmen erforderlich sein, wie Luftbefeuchtung, Erdung aller Anlagenteile, Erdung von Personen über Armbänder, leitfähiges Schuhwerk und Arbeitskleidung. Siehe BG-Regel "Vermeidung von Zündgefahren infolge elektrostatischer Aufladungen" (BGR 132, bisherige ZH 1/200).
Siehe auch DIN VDE 0166 "Errichten elektrischer Anlagen in durch explosionsgefährliche Stoffe gefährdeten Bereichen".
Abb. 15: Persönliche Erdungsmaßnahmen ("Armband") gegen elektrostatische Aufladung
3.6.4.4.2 Tische und Gestelle
In Räumen, in denen mit losem Satz gearbeitet wird oder Satzstaub auftreten kann, müssen Arbeitstische und Gestelle aus nichtbrennbarem Werkstoff, aus Hartholz oder anderem Holz, das mit einem zugelassenen Feuerschutzmittel getränkt oder gestrichen ist, bestehen.
Um die Schutzwirkung des Feuerschutzmittels zu gewährleisten, sollen die Tränkung oder der Anstrich in angemessenen zeitlichen Abständen erneuert werden.
Arbeitstische müssen eine glatte, fugenlose Tischfläche aufweisen. So weit Arbeitstische beschichtet sind, darf sich kein Satz zwischen Tischfläche und Beschichtung ansammeln können.
Abb. 16: Beispielhafter Arbeitsplatz mit ortsfestem Gesichtsschutz (Gefährdung durch Flammen)
3.6.4.4.3 Handgeführte Geräte und Werkzeuge
UVV "Explosivstoffe - Allgemeine Vorschrift" (BGV B5) § 60
Diese Werkzeuge haben z.B. eine solche Oberflächenbeschaffenheit oder bestehen aus solchen Werkstoffen, dass sie Explosivstoffe, Roh- oder Hilfsstoffe nicht in gefährlicher Weise aufnehmen oder mit ihnen reagieren können.
Geräte, die mit Chloraten, Perchloraten oder anderen starken Oxidationsmitteln in Berührung kommen, dürfen z.B. nicht aus saugfähigem Holz (Weichholz) bestehen.
Geräte werden zweckmäßig außerhalb gefährlicher Räume an Tafeln angebracht, die das Fehlen von Geräten einwandfrei erkennen lassen.
Geräte und Werkzeuge für das Herstellen, Be- und Verarbeiten der Sätze von Hand dürfen nicht aus funkenreißendem Metall, Porzellan, Steinzeug oder ähnlichem Material bestehen.
Insbesondere bei den empfindlichen Sätzen der Gefahrgruppen 1.1-1 und 1.1-2 sind Reib- und Schlagbeanspruchungen durch die Geräte und Werkzeuge auszuschließen.
Messer und Scheren sind zum Schneiden von Stoppinen und Anzündschnüren allerdings zulässig.
Abb. 17: Ortsfeste Staubsauganlage in der Airbag-Treibsatzfertigung
Abb. 18: Abstellbox für Satzabfälle und pyrotechnische Reststoffe außerhalb von Gebäuden
3.6.4.4.4 Reinigungsarbeiten
UVV "Explosivstoffe - Allgemeine Vorschrift" (BGV B5) § 71
Bei Arbeiten mit Staubanfall ist das regelmäßige Reinigen der Räume, Arbeits- und Betriebseinrichtungen eine wesentliche Voraussetzung für sicheres Arbeiten. Reinigungsverfahren und -fristen sind in einer Betriebsanweisung festzulegen.
UVV "Explosivstoffe - Allgemeine Vorschrift" (BGV B5) § 39 Abs. 1
Eine Betriebsanweisung ist vom Unternehmer an die Versicherten gerichtet. Sie regelt das Verhalten im Betrieb zur Vermeidung von Unfall- und Gesundheitsgefahren und dient als Grundlage für Unterweisungen.
In den Betriebsanweisungen werden z.B. festgelegt:
Ziel der Betriebsanweisungen ist es, dass Stoffe so verwendet und Tätigkeiten so ausgeführt werden, dass keine gefährlichen Reaktionen auftreten können.
Hinsichtlich Betriebsanweisungen siehe auch § 20 Gefahrstoffverordnung und Technische Regeln Gefahrstoffe TRGS 555 "Betriebsanweisung und Unterweisung nach § 20 GefStoffV". Über die vorstehenden beispielhaften Aufzählungen hinaus werden in den speziellen Unfallverhütungsvorschriften weitere verfahrens- und stoffspezifischen Festlegungen getroffen.
Fallen während der Arbeit größere Mengen entzündlichen Staubes an, ist das Reinigen auch während der laufenden Arbeitsschicht durchzuführen. Die Reinigung sollte vorzugsweise durch feuchtes Aufwischen erfolgen. Kleine Mengen losen Satzes dürfen auch trocken aufgenommen werden.
Darüber hinaus ist zu beachten, dass bestimmte Sätze in gefährlicher Weise mit Wasser reagieren können, z.B.:
Sätze.
Bei der Reinigung mit Staubsaugern und Staubsauganlagen sind die Anforderungen des Merkblattes "Einsatz von Staubsaugern in explosivstoffgefährdeten Bereichen" (T 036) der Berufsgenossenschaft der chemischen Industrie zu beachten.
3.6.4.4.5 Dichtungsstoffe, Schmiermittel
UVV "Explosivstoffe - Allgemeine Vorschrift" (BGV B5) § 6 Abs. 1
Der Unternehmer hat dafür zu sorgen, dass nur solche Schmiermittel verwendet werden, die nicht in gefährlicher Weise mit Sätzen reagieren können. Dies gilt insbesondere bei der Verarbeitung azid-, chlorat- und perchlorathaltiger Sätze.
Einer Entzündung durch Wärme, Reibung, Schlag oder Druckerhöhung kann z.B. entgegengewirkt werden, indem nur Dichtwerkstoffe, Filtermaterialien und Schmieröle verwendet werden, die Explosivstoffe nicht in gefährlicher Weise aufnehmen oder mit diesen reagieren können. Solche Schmiermittel sind Lösungen anorganischer Salze, z.B. Kaliumcarbonat oder Dikaliumphosphat, Chlortrifluorethylen-Polymeröle.
3.6.5 Personenzahl und Massen
UVV "Explosivstoffe - Allgemeine Vorschrift" (BGV B5) § 42
UVV "Explosivstoffe - Allgemeine Vorschrift" (BGV B5) § 43
UVV "Explosivstoffe - Allgemeine Vorschrift" (BGV B5) § 78a Abs. 1 bis 3
3.6.5.1 In gefährlichen Gebäuden, Räumen und auf gefährlichen Plätzen dürfen sich nur die Personen aufhalten, die aus fertigungstechnischen Gründen dort tätig sein müssen.
Um die Gefährdung zu minimieren, sind vom Unternehmer Vorgaben für die höchstzulässigen Massen von Sätzen, Halberzeugnissen und Gegenständen, sowie die Zahl der Personen in den jeweiligen Räumen in den Tabellen 1 und 2 der Anlage 3 der UVV "Explosivstoffe - Allgemeine Vorschrift" (BGV B5) einzuhalten.
3.6.5.2 Räume oder Gebäude dürfen im Rahmen der Höchstmasse nur mit der Masse belegt werden, für die die Trennwände der Räume als Widerstandswände wirken. Andernfalls ist die Masse zu reduzieren.
3.6.5.3 Befinden sich in einem Raum oder Gebäude Sätze oder Gegenstände verschiedener Gruppen, sind die zulässigen Höchstmassen der Sätze der einzelnen Gruppen so weit zu reduzieren, dass die Summe der Prozentsätze der Satzmasse die Zahl 100 nicht übersteigt. Dabei sind die Gruppen 1.1-1 bis 1.1-3 zu einer Gruppe (1.1) zusammenzufassen und die Höchstmasse der gefährlichsten Gruppe zu Grunde zu legen.
Wird z.B. die maximal zulässige Höchstmasse einer Gefahrgruppe um 20 % unterschritten, dann darf mit 20 % der zulässigen Höchstmasse einer anderen Gefahrgruppe ergänzt werden.
Beispiel aus Anlage 3, Tabelle 1 der UVV "Explosivstoffe - Allgemeine Vorschrift" (BGV B5) Abschnitt II A, 1a "Einfüllen von Hand" Gefahrgruppe 1.1-10,4 kg = 80 % Gefahrgruppe 1.1-20,1 kg = 20 % (100 % = 0,5 kg 1.1-1 *) oder Gefahrgruppe 1.1-30,1 kg = 20 % (100 % = 0,5 kg 1.1-1*) oder Gefahrgruppe 1.36,0 kg = 20 % (100 % = 30 kg 1.3) Wird z.B. bei drei Sätzen verschiedener Gruppen die Höchstmenge einer Gruppe um 40 % unterschritten, so können diese 40 % durch z.B. je 20 % der Höchstmenge der anderen Satzgruppen ersetzt (aufgefüllt) werden. Dabei sind ebenfalls die Gruppen 1.1-1 bis 1.1-3 zu einer Gruppe (1.1) zusammenzufassen und die Höchstmasse der gefährlichsten Gruppe zu Grunde zu legen. Beispiel aus Anlage 3, Tabelle 1 der UVV "Explosivstoffe - Allgemeine Vorschrift" (BGV B5) Abschnitt II A, 1a "Einfüllen von Hand" Gefahrgruppe 1.1-10,3 kg = 60 % Gefahrgruppe 1.1-20,1 kg = 20 % (100 % = 0,5 kg 1.1-1) Gefahrgruppe 1.1-30,1 kg = 20 % (100 % = 0,5 kg 1.1-1) Hinsichtlich der zulässigen Höchstmasse siehe auch § 42 Abs. 1 der UVV "Explosivstoffe - Allgemeine Vorschrift" (BGV B5). |
3.6.5.4 Abweichungen von festgelegten Massen und Personenzahlen sind mit Zustimmung der für den Arbeitsschutz zuständigen Behörde und der Berufsgenossenschaft z.B. dann möglich, wenn vollautomatisch unter Fernbedienung oder "unter Sicherheit" gearbeitet wird und die Bauweise und die Abstände der Gebäude die größeren Satzmassen zulassen.
Eine gleichwertige Sicherheit kann auch durch Verfahren gegeben sein, bei denen Komponenten des Satzes in den Gegenstand einzeln eingefüllt und anschließend maschinell "unter Sicherheit" gemischt werden (Hülsen- oder 2-Komponentenmischverfahren).
In Zweifelsfällen sind die Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) oder das Wehrwissenschaftliche Institut für Werk-, Explosiv- und Betriebsstoffe (WIWEB, vormals BICT) zu hören.
3.6.5.5 Die für die Räume festgesetzte Personenzahl und die Masse der Sätze sowie die Masse der Sätze in Halberzeugnissen und Gegenständen sind den Aufsichtführenden vom Unternehmer schriftlich bekannt zu geben. Unternehmer und Aufsichtführende haben dafür zu sorgen, dass Personenzahlen und Massen nicht überschritten werden.
Abb. 19: Kennzeichnung der maximalen Belegungsmasse
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