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DGUV Information 213-032 - Gefahrstoffe im Gesundheitsdienst
Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) Information
(Ausgabe 10/2010; 01/2021)
Archiv: 10/2010
bisher:
BGI/GUV-I 8596
So vielfältig wie die Arbeitsplätze im Gesundheitsdienst sind, so vielfältig ist auch die Palette der Gefahrstoffe, die dort bei den diversen Tätigkeiten zum Einsatz kommen. Eine wichtige Voraussetzung für das Ergreifen wirkungsvoller Schutzmaßnahmen ist das Wissen um die möglichen Gefahren, die von diesen Gefahrstoffen ausgehen. Diese DGUV Information leistet hierzu einen Beitrag.
Für Tätigkeiten mit Gefahrstoffen existieren umfangreiche Vorschriften. Die normativen Vorgaben zum Inverkehrbringen und zu Tätigkeiten mit Gefahrstoffen sind heute weitgehend auf europäischer Ebene reguliert und in den nationalen Gesetzen, Verordnungen und weiteren Regeln spezifiziert. Hierzu zählen insbesondere die Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) und die Technischen Regeln für Gefahrstoffe (TRGS). Einen Überblick über die Regelwerke gibt Anhang 2. Die DGUV Information fasst zudem die Vorschriften und die Regelungen der arbeitsmedizinischen Vorsorge und des Mutterschutzes für die gesundheitsdienstlichen Tätigkeiten zusammen und stellt sie verständlich dar.
Die DGUV Information richtet sich an Einrichtungen des Gesundheitsdienstes. Apotheken zählen dazu und Unternehmen der humanmedizinischen Versorgung, deren Beschäftigte bestimmungsgemäß
Einrichtungen der Veterinärmedizin können die in dieser DGUV Information enthaltenen Ausführungen als Orientierung heranziehen, sofern die Tätigkeiten vergleichbar sind. Die TRGS 525 "Gefahrstoffe in Einrichtungen der medizinischen Versorgung" umfasst auch die Veterinärmedizin.
Die DGUV Information
Die DGUV Information richtet sich an
Die DGUV Information gibt Hilfestellung beim Erkennen von Gefährdungen und bei der Umsetzung von Schutzmaßnahmen. Sie beschäftigt sich nicht mit Gefährdungen durch biologische Stoffe, ionisierende und nicht ionisierende Strahlung. Einen Gesamtüberblick über diese und weitere Gefährdungsarten sowie Schutzmaßnahmen im Gesundheitsdienst bietet die DGUV Information 207-019 "Gesundheitsdienst". Fachbegriffe aus dem Gefahrstoffrecht erläutert das "Begriffsglossar zu den Regelwerken der Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV), der Biostoffverordnung (BioStoffV) und der Gefahrstoffverordnung (GefStoffV)" (s. Literaturverzeichnis).
Die Kapitel 1 bis 9 erläutern die Regelungen, die in allen Bereichen des Gesundheitsdienstes anzuwenden sind, in denen mit Gefahrstoffen gearbeitet wird. Die Kapitel 10 bis 23 enthalten ergänzende fachspezifische Hinweise zu Gefährdungen und Schutzmaßnahmen bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen, die grundsätzlich im Gesundheitsdienst anzutreffen sind. Dabei werden Gefahrstoffgruppen wie Desinfektionsmittel in allen Tätigkeitsfeldern eingesetzt, andere wie Inhalationsanästhetika nur in speziellen. Tabelle 1 gibt einen Überblick über die Gefahrstoffgruppen, die für die Gefährdungsbeurteilung in der jeweiligen Branche von Bedeutung sind.
Die DGUV Information bietet eine Hilfestellung bei der Gefahrstoffbetrachtung, sie entbindet aber nicht von ergänzenden, eigenen arbeitsplatzbezogenen Ermittlungen und Gefährdungsbeurteilungen. Informationsquellen für angrenzende Tätigkeitsfelder sind in Anhang 3 zusammengestellt.
Diese DGUV Information wurde von folgenden Projektbeteiligten in den DGUV-Sachgebieten "Gefahrstoffe" und "Gesundheitsdienst" erarbeitet:
Tabelle 1: Übersicht Gefahrstoffgruppen und Tätigkeitsfelder im Gesundheitsdienst
1 Verantwortung und Pflichten bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen
Verantwortung des Arbeitgebers, Fachkunde
Der Arbeitgeber oder die zuständige Führungskraft sind für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Beschäftigten bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen verantwortlich. Sie müssen organisatorisch sicherstellen, dass die einschlägigen Arbeitsschutzvorschriften umgesetzt werden. Wesentlich sind:
Die TRGS 400 "Gefährdungsbeurteilung für Tätigkeiten mit Gefahrstoffen" konkretisiert die Verantwortung in einem eigenen Abschnitt "Organisation und Verantwortung". Einzelne Aufgaben nach GefStoffV können gemäß § 13 DGUV Vorschrift 1 "Grundsätze der Prävention" an zuverlässige und fachkundige Personen übertragen werden. Die Übertragung muss schriftlich erfolgen und die übertragenen Pflichten und die Befugnisse der verpflichteten Person konkret definieren.
Die Fachkunde für die Gefährdungsbeurteilung nach GefStoffV setzt sich aus der beruflichen Qualifikation und der spezifischen fachlichen Kompetenz in Bezug auf Arbeitsschutz und Gefahrstoffe zusammen. Die notwendigen Kompetenzen sind dabei abhängig von der Art und Komplexität der zu beurteilenden Tätigkeiten sowie von dem Umfang und der Qualität der bestehenden Vorinformationen (wenn z.B. eine Handlungsempfehlung zu Desinfektionsarbeiten vorliegt). Der Arbeitgeber kann die fachkundige Durchführung der Gefährdungsbeurteilung auch auf mehrere Personen verteilen oder sich extern fachkundig beraten lassen. Fehlende fachliche Kompetenzen können in entsprechenden Fortbildungsveranstaltungen erworben werden (s. DGUV Grundsatz 313-003 "Grundanforderungen an spezifische Fortbildungsmaßnahmen als Bestandteil der Fachkunde zur Durchführung der Gefährdungsbeurteilung bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen").
Ein geeignetes Arbeitsschutzmanagement hilft dem Arbeitgeber, die rechtlich verbindlichen Aufgaben im Unternehmen umzusetzen. Die Handlungshilfe in Anhang 4 zeigt am Beispiel Gefahrstoffe, wie eine Aufgaben- und Rollenverteilung geregelt werden kann.
Bei der Übertragung der Arbeitgeberpflichten auf eine nachgeordnete Ebene verbleibt die Gesamtverantwortung immer bei dem Arbeitgeber. Er bleibt verantwortlich für die Organisation (klare Regeln für den Betrieb aufstellen, Maßnahmen und Anordnungen treffen und umsetzen), Auswahl des Personals (persönliche und fachliche Qualifikationen) und die Aufsicht (überprüfen, ob die geplante Organisation funktioniert und ob die beauftragte Person geeignet ist).
Pflichten der Beschäftigten
Auch die Beschäftigten sind verpflichtet, nach ihren Möglichkeiten sowie gemäß der Weisung und Unterweisung des Arbeitgebers für ihre Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit Sorge zu tragen. Zu den Pflichten der Beschäftigten gehört es:
Mitwirkung der betrieblichen Interessenvertretung
Den betrieblichen Interessenvertretungen stehen umfangreiche Mitbestimmungs- und Beteiligungsrechte im Arbeits- und Gesundheitsschutz und bei der Unfallverhütung zu. Dies beginnt bei der Auswahl von Arbeitsstoffen, -mitteln und -verfahren und umfasst auch den Umgang und die Auswahl geeigneter Schutzmaßnahmen. Daher empfiehlt es sich, diese Themen gemeinsam mit der betrieblichen Interessenvertretung der Beschäftigten unter Berücksichtigung der individuellen betrieblichen Belange zu regeln. Rechtsnormen und Informationsquellen hierzu finden sich im Literaturverzeichnis.
2 Definition von Gefahrstoffen
Gefahrstoffe erkennt man in der Regel an der Kennzeichnung auf der Verpackung. Für die Kennzeichnung und Verpackung gelten die Vorschriften der Verordnung (EG) 1272/2008 (CLP-Verordnung). Die Gefahrenklassen geben die Art der Gefährdung wieder. Stoffe und Gemische sind gefährlich, wenn sie mindestens einer der folgenden Gefahrenklassen zugeordnet werden können.
Tabelle 2: Gefahrenklassen nach CLP-Verordnung
Gefahrenklassen |
1. Physikalische Gefahren |
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2. Gesundheitsgefahren |
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3. Umweltgefahren |
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4. Weitere Gefahren |
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Arzneimittel sind von den gefahrstoffrechtlichen Kennzeichnungs- und Verpackungsvorschriften der CLP-Verordnung ausgenommen, wenn es sich um Produkte für den Endverbraucher handelt.
Für sie gelten die Zulassungs- oder Registrierungsverfahren nach dem Arzneimittelgesetz (AMG). Sie können jedoch im Hinblick auf die Tätigkeit ebenso Gefahrstoffe darstellen.
Daher gilt auch für diese Produkte die GefStoffV, nicht jedoch deren Kennzeichnungsvorschriften.
Analog sind die Regelungen für kosmetische Mittel und Medizinprodukte.
Da unterhalb bestimmter Konzentrationsgrenzen die Kennzeichnungspflicht entfällt, können auch Desinfektionsmittel ohne Kennzeichnung auf der Verpackung Gefahrstoffe enthalten. Eine Definition von Gefahrstoffen gibt folgende Tabelle.
Tabelle 3: Definition von Gefahrstoffen
Definition | Beispiele | ||||
Stoffe und Gemische mit gefährlichen Eigenschaften | Als entzündbar gekennzeichnetes Aceton oder ein als ätzend gekennzeichnetes Reinigungsmittel | ||||
Stoffe, Gemische, Erzeugnisse, die explosionsfähig sind | Ausströmendes Propan-Butan-Gasgemisch (explosionsfähiges Gemisch aus brennbaren Gasen und Luft) | ||||
Stoffe, Gemische, Erzeugnisse, aus denen bei der Herstellung oder Verwendung Gefahrstoffe freigesetzt werden können | Verdunstung von Glutaraldehyd aus dem Desinfektionsmittel. Chirurgische Rauchgase, die durch das Verfahren entstehen. Lachgas oder volatile Anästhetika, die Patienten und Patientinnen ausatmen | ||||
Sonstige Arbeitsstoffe mit gefährlichen physikalisch-chemischen, chemischen oder toxischen Eigenschaften | Wasser bzw. Feuchtarbeit kann die Haut vorschädigen. Flüssiger Stickstoff 1 ist wegen der Kälte- und Verdampfungsgefahr (Sauerstoffmangel) ein Gefahrstoff. | ||||
Stoffe mit Arbeitsplatzgrenzwert | Gips-, Papier-, Kunststoffstäuben 2 | ||||
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3 Durchführung der Gefährdungsbeurteilung
Die Beurteilung der von Gefahrstoffen ausgehenden Gefährdungen ist Bestandteil einer Gesamt-Gefährdungsbeurteilung nach dem ArbSchG (s. GDA-Leitlinie "Gefährdungsbeurteilung und Dokumentation). Die Art und Weise, wie die Gefährdungsbeurteilung bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen durchgeführt werden kann, ist in der TRGS 400 "Gefährdungsbeurteilung für Tätigkeiten mit Gefahrstoffen" detailliert beschrieben. Ein Ablaufschema gemäß TRGS 400 ist in Anhang 5 dargestellt. In der Checkliste in Anhang 6 sind Fragen aufgeführt, die der oder die Arbeitsschutzverantwortliche für die Durchführung der Gefährdungsbeurteilung beantworten muss.
Unterschieden werden inhalative (durch Einatmen), dermale (durch Hautkontakt), orale (durch Schlucken) und physikalisch-chemische Gefährdungen (z.B. Brand- und Explosionsgefährdungen) und sonstige durch Gefahrstoffe bedingten Gefährdungen. Auf eine Betrachtung der oralen Exposition kann nach TRGS 525 meist verzichtet werden, da diese in den medizinischen Einrichtungen erfahrungsgemäß keine Rolle spielt.
In der Gefährdungsbeurteilung werden die Schutzmaßnahmen festgelegt. Dies betrifft auch die Entscheidung, ob oder unter welchen Bedingungen besonders schutzbedürftige Beschäftigtengruppen (Jugendliche, schwangere und stillende Frauen) im jeweiligen Arbeitsbereich tätig sein dürfen. Nach ArbSchG umfasst die Gefährdungsbeurteilung die Beurteilung der Arbeitsbedingungen aller Arbeitsplätze in Hinsicht auf eine mögliche Schwangerschaft und Stillzeit (s. Kap. 9). Die Gefährdungsbeurteilung ist daher von dem Arbeitgeber vor Beginn der Tätigkeiten mit Gefahrstoffen vorzunehmen.
Das Ergebnis der Gefährdungsbeurteilung muss dokumentiert werden. Auf Informationsquellen als Bestandteil der Gefährdungsbeurteilung (z.B. auf Handlungsempfehlungen) ist in der Dokumentation zu verweisen. Speziell für die Einrichtung zutreffende Angaben oder geringe Abweichungen von den Angaben in Handlungsempfehlungen sind zu ergänzen. Die getroffenen Entscheidungen müssen nachvollziehbar sein.
Die Gefährdungsbeurteilung muss regelmäßig aktualisiert werden. Anlässe können die Einführung neuer Arbeitsstoffe oder -verfahren, vermehrtes Vorkommen von Arbeits- oder Beinahe-Unfällen, erhöhter Krankenstand, Grenzwertabsenkungen, Neueinstufungen von Gefahrstoffen oder Änderungen in der Gesetzgebung sein.
Informationen zu Tätigkeiten mit Gefahrstoffen im Unternehmen sollten möglichst mehrere Jahrzehnte lang aufbewahrt werden. Bei möglichen späteren Erkrankungen von Beschäftigten kann so recherchiert werden, mit welchen Gefahrstoffen früher Tätigkeiten ausgeführt wurden. Dies gilt auch für betriebsärztliche Unterlagen zur Vorsorge wegen Gefahrstoffexpositionen, die zu Berufskrankheiten führen können (s. zusätzliche Informationspflichten in Kap. 7). Wenn betriebsärztliche Vorsorge nach Arbeitsmedizinischer Vorsorgeverordnung (ArbMedVV) notwendig ist, muss der Arbeitgeber eine Vorsorgekartei führen. Eine Kopie der Vorsorgekartei ist dem Beschäftigten nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses auszuhändigen. Die Angaben sind anschließend zu löschen, es sei denn, dass andere Rechtsvorschriften vorrangig zu berücksichtigen sind. Betriebsärzte und Betriebsärztinnen orientieren sich am ärztlichen Berufsrecht und der Arbeitsmedizinischen Regel (AMR) 6.1. Die gesetzlichen Aufbewahrungsfristen für betriebsärztliche Unterlagen betragen nach dieser Regel mindestens zehn Jahre, bei krebserzeugenden Stoffen der Kategorie 1A und 1B betragen sie 40 Jahre.
4 Ermittlung von Gefährdungen
Alle im Betrieb verwendeten chemischen Arbeitsstoffe müssen zunächst erfasst werden. Die weitere Ermittlung zeigt, ob es sich dabei um Gefahrstoffe handelt. Außer den stoffbezogenen Informationen sind Art und Umfang der Verwendung der Gefahrstoffe am Arbeitsplatz zu erheben und in dem Gefahrstoffverzeichnis zu dokumentieren. Zu der Ermittlung gehört auch die Beschaffung weiterer Informationen, zum Beispiel zur Exposition, zu Substitutionsmöglichkeiten oder zu Schutzmaßnahmen. Eine systematische Erfassung ist die Basis für ein gutes Gefahrstoffmanagement. Ziel muss grundsätzlich sein, Gefahrstoffe zu reduzieren, indem nicht benötigte Gefahrstoffe identifiziert und entsorgt werden oder so weit wie möglich durch geeignetere Produkte ersetzt werden.
4.1 Stoffbezogene Informationen
Sicherheitsrelevante Grundinformationen wie das Sicherheitsdatenblatt und die Verpackungskennzeichnung stellt die Lieferantenfirma zur Verfügung. Die Verpackungen gefährlicher Stoffe müssen europaweit standardisiert nach der CLP-Verordnung gekennzeichnet sein. Die Art der Gefährdung geben die Gefahrenpiktogramme, die Signalwörter ("Gefahr" und "Achtung") und die Gefahrenhinweise, sogenannte H-Sätze und EUH-Sätze (hazard statements), wieder. Die Bedeutung der einzelnen H-Sätze wird in den fachspezifischen Kapiteln 10 bis 23 erläutert. Über Einstufung und Kennzeichnung der H-Sätze informiert die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) auf ihrer Homepage. Welche Schutzmaßnahmen erforderlich sind, sagen die Sicherheitshinweise, sogenannte P-Sätze (precautionary statements). Diese sind allgemein gehalten und die konkreten Schutzmaßnahmen daher auf Basis der P-Sätze festzulegen. In Abhängigkeit von der Art der Tätigkeiten sind einzelne P-Sätze gegebenenfalls nicht relevant.
Das Sicherheitsdatenblatt ist die wichtigste Informationsquelle für die Gefährdungsbeurteilung.
Es muss den Anforderungen der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 (REACH-Verordnung) entsprechen.
Häufig werden Sicherheitsdatenblätter und auch Produktdatenblätter oder technische Merkblätter im Internet bereitgestellt.
Für Apotheken bietet der Bundesverband des pharmazeutischen Großhandels (Phagro) Sicherheitsdatenblätter verschiedener Lieferfirmen in einem Internetportal an (www.phagrosdb.de). Bei der Recherche zu identischen Stoffen oder Produkten ist grundsätzlich das Sicherheitsdatenblatt der eigenen Lieferantenfirma als Informationsquelle zu beachten.
Erhält der Arbeitgeber kein Sicherheitsdatenblatt, muss er sich die notwendigen Informationen selbst beschaffen oder bestimmte Gefährdungen als vorhanden unterstellen und die entsprechenden Maßnahmen festlegen.
Alternativ wird empfohlen, nur Stoffe oder Gemische zu verwenden, für die die Lieferantenfirma die erforderlichen Informationen bereitstellt.
Aus der REACH-Verordnung gibt sich für die Anwender und die Anwenderinnen die Verpflichtung, Sicherheitsdatenblätter bis zu zehn Jahre nach der letzten Verwendung der Stoffe im Betrieb zur Verfügung zu halten (s. auch TRGS 400).
Datenbanken für Stoffinformationen |
Für stoffbezogene Recherchen eignen sich zum Beispiel Stoffinformationen der Bundesländer und der Unfallversicherungsträger, z.B.:
GESTIS-Stoffdatenbank, www.dguv.de Webcode: d11892 Gefahrstoffsuche bei GiSChem, www.gischem.de Gefahrstoffdatenbank der Länder (GDL) www.gefahrstoffinfo.de |
Auch wenn kein Sicherheitsdatenblatt zur Verfügung gestellt werden muss, zum Beispiel für Gemische, die selbst kein Gefahrstoff sind, oder für Fertigarzneimittel und Kosmetika, sind Lieferantenfirmen verpflichtet, die für die Gefährdungsbeurteilung notwendigen verfügbaren und sachdienlichen Informationen bereitzustellen.
Als Informationsquellen können zum Beispiel Fach- oder Gebrauchsinformationen für Fertigarzneimittel dienen.
Anhand dieser Informationen können zum Beispiel Apotheker und Apothekerinnen sowie Ärzte und Ärztinnen Auskunft über Gefährdungen geben.
Für Arzneistoffe als Ausgangsstoffe der Fertigarzneimittel lassen sich häufig Sicherheitsdatenblätter bei den Herstellerfirmen von Laborchemikalien recherchieren.
Weitere Informationen zu Arzneistoffen halten auch die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung bereit (s. Kap. 13).
4.2 Tätigkeitsbezogene Informationen
Um beurteilen zu können, ob eine Gefährdung vorliegt, sind die notwendigen Angaben zur Verwendung von Gefahrstoffen am Arbeitsplatz zu erheben. Hierbei sind auch Tätigkeiten mit sonstigen gefährlichen Arbeitsstoffen zu beachten wie:
Betrachtet werden müssen alle Arbeitsvorgänge und Betriebszustände. Dazu gehören auch Reinigungs- und Wartungsarbeiten, Instandsetzungsarbeiten und die Beseitigung von vorhersehbaren Betriebsstörungen, die zu erhöhten Gefahrstoffexpositionen oder Brand- und Explosionsgefährdungen führen können. Im Rettungsdienst können zudem Gefahrstoffe über Patienten und Patientinnen eingebracht werden, z.B. durch Kontamination der Kleidung oder bei einer Intoxikation. In die Ermittlung sind auch Hinweise der Beschäftigten oder der betrieblichen Interessenvertretung auf mögliche gesundheitliche Beeinträchtigungen und Schlussfolgerungen aus der arbeitsmedizinischen Vorsorge einzubeziehen. Zu prüfen ist auch, ob für vergleichbare Tätigkeiten Alternativen mit einer geringeren Gefährdung existieren und ob Erkenntnisse über die Wirksamkeit von Schutzmaßnahmen vorliegen. Für die Erfassung arbeitsplatzbezogener Angaben bieten die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung Erfassungsbögen und Arbeitsblätter im PDF-Format an (z.B. www.bgwonline.de/erfassungsbogen-gefahrstoffe).
4.3 Handlungsempfehlungen
Für viele Standardtätigkeiten im Gesundheitsdienst gibt es branchen- oder tätigkeitsspezifische Handlungsempfehlungen zur Unterstützung bei der Gefährdungsbeurteilung und Festlegung von Schutzmaßnahmen.
Man unterscheidet folgende Arten von Handlungsempfehlungen: |
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Handlungsempfehlungen können die Durchführung der Gefährdungsbeurteilung vereinfachen (s. Anhang 5). Die Handlungsempfehlungen müssen aber auf Aktualität und Anwendbarkeit hin überprüft werden.
Kriterien zur Überprüfung ihrer Eignung finden sich in der TRGS 400. Zudem ist ein Abgleich der Inhalte der Empfehlung mit den arbeitsplatzbezogenen Tätigkeiten und Schutzmaßnahmen vorzunehmen.
Pflichten wie das Vorhalten von Sicherheitsdatenblättern, das Führen eines Gefahrstoffverzeichnisses, die Unterweisung, die arbeitsmedizinische Vorsorge und die Kontrolle der Wirksamkeit von Schutzmaßnahmen bleiben unabhängig hiervon erhalten.
Die vorliegende DGUV Information kann selbst als branchenspezifische Hilfestellung dienen. Für Tätigkeiten im Krankenhaus oder in der Apotheke ist das Informationsportal "Sicheres Krankenhaus" (www.sichereskrankenhaus.de) hilfreich. Brancheninformationen stehen zudem auf den Internetseiten der Unfallkassen und der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) zur Verfügung. Eine Übersicht von Gefahrstoffinformationen zu den Tätigkeitsfeldern der bei der BGW versicherten Betriebe findet sich auf der Webseite der BGW (www.bgwonline.de/goto/uebersicht-gefahrstoffe).
4.4 Gefahrstoffverzeichnis
Das Gefahrstoffverzeichnis gibt eine Übersicht über Art und Menge der in den verschiedenen Arbeitsbereichen eingesetzten Gefahrstoffe. Es muss mindestens folgende Angaben enthalten:
Das Gefahrstoffverzeichnis kann ergänzt um weitere Informationen als Grundlage der Gefährdungsbeurteilung dienen. Je nach den Erfordernissen im Unternehmen können Art der Erfassung und Erweiterungen über die Pflichtangaben hinausgehen. In vielen Unternehmen hat sich ein Gefahrstoffverzeichnis bewährt, das einen deutlichen Bezug zur Tätigkeit herstellt. Ein Beispiel für ein (erweitertes) Gefahrstoffverzeichnis enthält Anhang 7. Musterformulare und Hilfestellungen zur Erstellung eines Gefahrstoffverzeichnisses sind auf den Internetseiten der Unfallversicherungsträger (z.B. www.bgwonline.de/formulargefahrstoffverzeichnis) oder der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin zu finden. Gefahrstoffe, die nur zu einer geringen Gefährdung der Beschäftigten führen (s. Kap. 5.5), müssen nicht in das Verzeichnis aufgenommen werden. Arzneistoffe, Arzneimittel und Antiseptika sind aufzunehmen, wenn von einer Gefährdung auszugehen ist (s. auch TRGS 525, Kap. 13).
Das Gefahrstoffverzeichnis ist auf dem aktuellen Stand zu halten.
Es kann in Papierform oder elektronisch geführt werden.
Beispiele für Gestaltungsmöglichkeiten in unterschiedlichen Arbeitsbereichen:
Kleinbetriebe: Eine arbeitsbereichsbezogene Sammlung der Sicherheitsdatenblätter in einem Ordner mit Ergänzung der Mengenbereiche ist ausreichend.
Desinfektionsarbeitsplätze: Der Desinfektionsmitteleinsatzplan kann das Gefahrstoffverzeichnis ergänzen. Liegt eine Registrier- oder Zulassungsnummer als Bestandteil der Kennzeichnung von Biozidprodukten gemäß ChemBiozidMeldeV vor, ist diese anzugeben (TRGS 525). Lager: Sicherheitsrelevante Dokumente wie das Gefahrstoffverzeichnis möglichst außerhalb des Lagers aufbewahren. Sinnvoll ist ggf. ein Lagerplan mit Angabe der Lagerklassen und der zugehörigen Lagermenge (TRGS 510). Apotheken: Das Warenverzeichnis ist ausreichend, wenn die gefahrstoffrechtlich geforderten Informationen enthalten sind (TRGS 525). Zudem bieten Fachverlage Branchenhilfen mit Muster-Gefahrstoffverzeichnissen und Muster-Betriebsanweisungen an, die mit wenigen Ergänzungen übernommen werden können. |
5 Beurteilung von Gefährdungen
Sind Handlungsempfehlungen anwendbar, kann die Gefährdungsbeurteilung mit einem Abgleich abgeschlossen werden. Anderenfalls müssen die mit den Tätigkeiten verbundenen Gefährdungen anhand der zuvor ermittelten Stoffeigenschaften und der Expositionssituation individuell beurteilt werden (s. Anhang 5). Dabei sind Art, Ausmaß und Dauer der Gefährdung zu bewerten.
5.1 Gefährdung durch Einatmen von Gefahrstoffen
Eine gesundheitliche Gefährdung ist dann möglich, wenn gefährliche Stoffe in Form von Gasen, Dämpfen, Aerosolen oder Stäuben in der Luft im Atembereich der Beschäftigten vorhanden sind. Auch Stoffe, die eine Sensibilisierung der Atemwege hervorrufen (H334) sind zu betrachten.
Methoden zur Beurteilung der Höhe und Dauer der inhalativen Exposition und zur Kontrolle der Wirksamkeit von Schutzmaßnahmen beschreibt die TRGS 402. Sie benennt auch die Arten von Luftgrenzwerten, die zur Beurteilung herangezogen werden können. Besondere Bedeutung hat der Arbeitsplatzgrenzwert (AGW). Er gibt an, bei welcher Konzentration eines Stoffes akute oder chronische schädliche Auswirkungen auf die Gesundheit im Allgemeinen nicht zu erwarten sind. Der AGW bezieht sich auf einen Zeitraum von acht Stunden, wobei zusätzlich maximal zulässige Expositionsspitzen mit einer festgelegten Dauer von Kurzzeitwertphasen zu beachten sind. Da immer wieder Grenzwerte für einzelne Stoffe abgesenkt werden (Beispiel: Ethanol von 960 mg/m3 auf 380 mg/m3), müssen die jeweils aktuell gültigen AGWs beachtet werden. Die AGWs werden in der TRGS 900 bekannt gemacht.
Gemische können verschiedene Lösemittel wie Ethanol, 2-Propanol oder Xylol enthalten. Die AGWs für die Einzelstoffe liegen zum Teil bei mehreren zehn bis mehreren hundert Milligramm pro Kubikmeter Luft. Bei der Bewertung der inhalativen Gefährdung ist dann zwar die Grenzwerteinhaltung für die Einzelstoffe problemlos möglich, aber in der Summe, bei ungünstigen betrieblichen Rahmenbedingungen, liefern die Lösemittel einen nicht zu vernachlässigenden Beitrag zur Gesamtbelastung. Dies kann dazu führen, dass der Summengrenzwert (Bewertungsindex s. TRGS 402, TRGS 900) überschritten wird.
Für die individuelle Beurteilung der Exposition sind vorzugsweise nichtmesstechnische Ermittlungsmethoden anzuwenden. Dies können die Übertragung von Ergebnissen vergleichbarer Tätigkeiten (z.B. Handlungsempfehlungen) oder der Einsatz geeigneter Expositionsmodelle (GESTIS-Stoffenmanager®, Einfaches Maßnahmenkonzept Gefahrstoffe (EMKG), Berechnungsverfahren s. BIA-Report) sein. Im Unterschied zu den Handlungsempfehlungen liefern Expositionsmodelle jedoch keine Angaben zu branchenbezogenen Schutzmaßnahmen. Alternativ können messtechnische Methoden genutzt werden. Gefahrstoffmessungen können auch notwendig sein, um die Wirksamkeit der getroffenen Schutzmaßnahmen, zum Beispiel die Einhaltung von AGWs, zu überprüfen.
Ergebnis der Beurteilung muss immer eine Aussage dazu sein, ob die getroffenen Schutzmaßnahmen ausreichend sind oder nicht. Wenn Luftgrenzwerte nach TRGS 402 existieren, muss deren Einhaltung nachgewiesen sein. Die Beurteilung muss auch Festlegungen zur Überprüfung der Wirksamkeit der Schutzmaßnahmen enthalten. Bei Stoffen ohne Luftgrenzwert muss die Tätigkeit oder das Verfahren zumindest dem Stand der Technik entsprechen. Der Stand der Technik wird in der TRGS 460 beschrieben und dort anhand verschiedener Beispiele erläutert. Bei Tätigkeiten mit sensibilisierenden Stoffen geben die TRBA/ TRGS 406 und die TRGS 907 Hinweise zur Gefährdungsbeurteilung und zur Festlegung von Schutzmaßnahmen.
5.2 Gefährdung durch Hautkontakt mit Gefahrstoffen
Die Gefährdung durch Hautkontakt ist nach den Kriterien der TRGS 401 zu beurteilen. Eine Gefährdung ist möglich bei:
Im Gesundheitsdienst spielt die Feuchtarbeit eine wichtige Rolle. Sie wird daher in Kapitel 10 gesondert thematisiert.
Bei Tätigkeiten mit hautgefährdenden, hautresorptiven oder hautsensibilisierenden Gefahrstoffen bietet die Gefährdungsmatrix nach TRGS 401 eine praktische Hilfestellung. Sie steht für Stoffe mit Kennzeichnung nach der CLP-Verordnung auf den Seiten der DGUV zur Verfügung (www.dguv.de, webcode d160116). Hautgefährdend sind zum Beispiel Stoffe oder Produkte, die Verätzungen oder Reizungen der Haut (H314, H315) verursachen, allergische Hautreaktionen (H317) auslösen oder bei wiederholtem Kontakt zu spröder oder rissiger Haut (EUH066) führen. Außer der Haut können auch Schleimhäute und die Augen (H318, H319) geschädigt werden. Hautresorptive Stoffe können sowohl über eine vorgeschädigte als auch die intakte Haut aufgenommen werden. Zusätzlich ist eine Aufnahme über die Gas-Dampf-Phase beziehungsweise über Aerosole möglich. Es sind hautresorptive Stoffe zu berücksichtigen, die Organerkrankungen verursachen (H310, H311, H312) oder Eigenschaften wie krebserzeugend, keimzellmutagen oder reproduktionstoxisch aufweisen. Maßgeblich für die Beurteilung ist neben den intrinsischen Stoffeigenschaften auch das Ausmaß des Hautkontaktes (z.B. klein- oder großflächige Benetzung, längerer oder wiederholter Kontakt).
5.3 Brand- und Explosionsgefährdung
Hinweise zur Beurteilung der Brand- und Explosionsgefährdung geben die TRGS 720, 721, 722 und 800. Brände und Explosionen können in Einrichtungen des Gesundheitswesens vor allem durch entzündbare Gase (H220, H221), Aerosole (H222, H223), Dämpfe oder Flüssigkeiten (H224, H225, H226) und Stoffe mit brandfördernden oder oxidierenden Eigenschaften verursacht werden. Physikalisch-chemische Gefährdungen können beispielsweise bei großflächigen Stoffverteilungen (z.B. Versprühen, Streichen, Tränken), beim Öffnen von dicht verschlossenen Behältern (Überdruck) oder bei Ab- und Umfüllvorgängen entstehen. Bei der Beurteilung der Brand- und Explosionsgefährdung müssen insbesondere folgende Eigenschaften berücksichtigt werden: Flammpunkt, Entzündbarkeit, obere/untere Explosionsgrenze, Dampfdruck, Selbstentzündungstemperatur (s. Sicherheitsdatenblatt Abschnitt 9). Zudem sind mögliche Zündquellen zu ermitteln und die Gefährdung zu dokumentieren.
5.4 Sonstige Gefährdung
Die Beurteilung von sonstigen Gefährdungen durch zum Beispiel Trockeneis oder flüssigen Stickstoff und die Festlegung geeigneter Schutzmaßnahmen muss im Einzelfall mithilfe der Ermittlung nach Kapitel 4 erfolgen. Zu berücksichtigen ist auch die mögliche erhöhte Aufnahme von Gefahrstoffen als Folge von Stich- oder Schnittverletzungen, zum Beispiel durch kontaminierte Nadeln oder Kanülen an Laborautomaten.
5.5 Tätigkeiten mit geringer Gefährdung
Ergibt sich aus der Gefährdungsbeurteilung aufgrund der Arbeitsbedingungen für bestimmte Tätigkeiten eine nur geringe Gefährdung, hat der Gesetzgeber Erleichterungen bei den Pflichten und Schutzmaßnahmen vorgesehen. Was Tätigkeiten mit geringer Gefährdung sind, lässt sich nicht allgemeingültig angeben. Die Rahmenbedingungen geben die GefStoffV und die TRGS 400 vor. Die inhalativen und dermalen Beiträge sowie die physikalisch-chemischen Eigenschaften sind differenziert zu betrachten. Die Einschätzung muss individuell durch eine fachkundige Person vorgenommen werden. Nur so kann der Arbeitgeber entscheiden, ob bei Tätigkeiten eine Gesundheitsgefährdung mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann.
Die differenzierte Gefährdungsbeurteilung einer regelmäßig durchgeführten Desinfektion großer Flächen mit quartären Ammoniumverbindungen könnte beispielsweise ergeben, dass die Gefährdung bezüglich der dermalen Gefährdung nicht gering ist:
Beispiele für Tätigkeiten mit geringer Gefährdung sind in Anhang 8 zusammengestellt. Weitere finden sich auch in TRGSen sowie in Informationen der Arbeitsschutzinstitutionen. Folgende Kriterien können grundsätzlich für die Einschätzung der inhalativen und dermalen Exposition herangezogen werden:
Inhalative Exposition
Eine niedrige inhalative Exposition kann nach TRGS 400 und TRGS 402 gegeben sein, wenn zum Beispiel
Dermale Exposition
Für die Beurteilung einer geringen Gefährdung durch Hautkontakt kann die Gefährdungsmatrix nach TRGS 401 herangezogen werden. Tätigkeiten mit geringer Gefährdung aus der Gefährdungsmatrix (www.dguv.de, webcode d160116) sind zum Beispiel:
Zudem darf keine Gefährdung durch Feuchtarbeit vorliegen.
Brandgefährdung
Bei Tätigkeiten mit entzündbaren Stoffen kann von einer geringen Brandgefährdung ausgegangen werden, wenn die Wahrscheinlichkeit einer Brandentstehung, die Geschwindigkeit der Brandausbreitung, die dabei freiwerdenden Stoffe und die damit verbundene Gefährdung vergleichbar sind mit der Verwendung von zum Beispiel Klebstoff im Büro.
Erleichterungen
Bei Tätigkeiten mit geringer Gefährdung entfallen folgende Pflichten und Schutzmaßnahmen:
Grundlegende Maßnahmen einer guten Arbeitspraxis sind jedoch immer umzusetzen.
6 Schutzmaßnahmen
Schutzziel für den Arbeitgeber muss gemäß GefStoffV sein, Gefährdungen der Gesundheit und der Sicherheit der Beschäftigten bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen auszuschließen. Ist dies nicht möglich, sind die Gefährdungen auf ein Minimum zu reduzieren. Diesen Geboten hat der Arbeitgeber durch die Festlegung und Anwendung geeigneter Schutzmaßnahmen Rechnung zu tragen.
Die GefStoffV und die TRGS 500 geben allgemeingültige Hinweise für die Festlegung von Schutzmaßnahmen unabhängig von der konkreten Tätigkeit. Spezifische Schutzmaßnahmen für einzelne Gefahrstoffgruppen sind in den Kapiteln 10 bis 23 genannt. Welche Maßnahmen notwendig sind, wird im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung für den konkreten Arbeitsplatz entschieden.
Die Auswahl von Schutzmaßnahmen erfolgt in der Regel nach einem Stufenprinzip: Allgemeine Schutzmaßnahmen sind immer anzuwenden (gute Arbeitspraxis), darüber hinaus erforderliche zusätzliche Schutzmaßnahmen sind in Abhängigkeit von den besonderen Gefahrstoffeigenschaften zu berücksichtigen. Die Maßnahmen sind fortlaufend an den Stand der Technik anzupassen (TRGS 460).
Abb. 1 Stufenprinzip der Schutzmaßnahmen
Rangfolge der Schutzmaßnahmen
Die Rangfolge folgt dabei dem STOP-Prinzip, das heißt: Substitution, technische Maßnahmen, organisatorische Maßnahmen, persönliche Schutzmaßnahmen.
6.1 Persönliche Schutzausrüstungen
Selbst wenn die technischen und organisatorischen Maßnahmen ausgeschöpft sind, kann aufgrund der chemischen Belastung durch Hautkontakt oder durch Einatmen der Einsatz von Persönlichen Schutzausrüstungen (PSA) bei vielen Tätigkeiten notwendig sein. Im Gesundheitsdienst werden am häufigsten Schutzhandschuhe eingesetzt, aber auch Schutzkittel, Overalls, Schürzen und Schutzbrillen.
Schutzhandschuhe werden aus hygienischen Gründen und zum Schutz vor Infektionen getragen. Handschuhe zum Schutz vor Chemikalien (Chemikalienschutzhandschuhe) müssen bei Tätigkeiten mit Reinigungs- und Desinfektionsmitteln, Arzneistoffen oder Arzneimitteln, Lösemitteln und Laborchemikalien verwendet werden. Da Chemikalienschutzhandschuhe an diversen Arbeitsplätzen zum Einsatz kommen, gibt der folgende Abschnitt übergreifende Informationen zu ihrer Verwendung und Auswahl. Spezifische Angaben zu den einzelnen Gefahrstoffgruppen finden sich in dem jeweiligen Kapitel.
Um einen optimalen Schutz zu gewährleisten, müssen Handschuhe immer auf sichtbare Schäden überprüft werden, zum Beispiel auf mögliche Risse, Materialveränderungen, Verhärtungen oder Quellungen im Handschuhmaterial. Es dürfen nur intakte Handschuhe verwendet werden. Dabei ist auch das Mindesthaltbarkeitsdatum der Handschuhe nach Herstellerangaben zu beachten (s. Verordnung (EU) 2016/425).
Eine Kontaminationsgefahr bei der Verwendung von Mehrwegschutzhandschuhen besteht vor allem beim Ausziehen von Schutzhandschuhen, da die Haut mit der Außenseite der Handschuhe in Berührung kommen kann. Das sichere An- und Ausziehen von Chemikalienschutzhandschuhen ist daher zu unterweisen und mit den Beschäftigten zu üben. Die DGUV Information 212-007 "Chemikalienschutzhandschuhe" und Kurzfilme der DGUV (www.dguv.de, Webcode: d111060) veranschaulichen das sichere An- und Ausziehen von Schutzhandschuhen und können für Unterweisungen und Betriebsanweisungen genutzt werden.
Für die jeweilige Tätigkeit sind stets geeignete Handschuhe auszuwählen und diese in der Betriebsanweisung oder einem kombinierten Handschuh-/Hautschutzplan zu dokumentieren. Nur so ist der notwendige Schutz gewährleistet. Medizinische Einmalhandschuhe oder andere Handschuhe sind grundsätzlich keine Chemikalienschutzhandschuhe, wenn sie nicht der Norm DIN EN ISO 374 "Schutzhandschuhe gegen gefährliche Chemikalien und Mikroorganismen" entsprechen. Sie dürfen deshalb nicht bei Tätigkeiten mit Chemikalien eingesetzt werden.
Auswahl geeigneter Schutzhandschuhe
Bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen dürfen nur Chemikalienschutzhandschuhe der Kategorie III mit CE-Kennzeichen, vierstelliger Prüfnummer und dem Erlenmeyerkolben als Symbol verwendet werden (s. Abb. 2). Sie müssen den einschlägigen Vorschriften und Normen (VO EU 2016/425, DIN EN ISO 374, DIN EN 16523-1) entsprechen.
Gefahrstoffe können gegebenenfalls das Handschuhmaterial durchdringen (Permeation) oder es aufquellen lassen (Degradation). Informationen hierzu sind im Sicherheitsdatenblatt zu den Gefahrstoffen zu finden oder bei der Chemikalien- oder Handschuhlieferfirma zu erfragen. Die Auswahl und die maximale Tragedauer der Handschuhe müssen daher abgestimmt auf die verwendeten Arbeitsstoffe und auf das vorgesehene Arbeitsverfahren erfolgen. Einen Universalhandschuh für alle Tätigkeiten im Gesundheitsdienst gibt es nicht. So sind für feinmechanische Tätigkeiten zum Beispiel in der Mikroskopie mit Probenträgern Handschuhstärken von 0,1 mm geeignet, da sie ein ausreichendes Fingerspitzengefühl ermöglichen. Stärkere Chemikalienschutzhandschuhe werden dagegen für eher grobmechanische Tätigkeiten mit intensivem Chemikalienkontakt eingesetzt und bieten in der Regel einen besseren Schutz bei Tätigkeiten von längerer Dauer. Auch die notwendige Länge des Handschuhschaftes hängt vom Arbeitsverfahren ab. Zudem müssen die Handschuhe bequem zu tragen sein und in passenden Größen vorliegen. Ist bei einem oder einer Mitarbeitenden eine Sensibilisierung gegenüber Handschuhinhaltsstoffen bekannt, ist dies bei der Handschuhauswahl zu berücksichtigen.
Weitere Anforderungen und Hinweise enthalten die TRGS 401, die DGUV Information 212-007 "Chemikalienschutzhandschuhe" und die DGUV Regel 112-195 "Benutzung von Schutzhandschuhen".
Abb. 2 Kennzeichnung von Chemikalienschutzhandschuhen; Quelle: DIN EN ISO 374-1:2018-10
Die TRGS 401 gibt zum Beispiel folgendes Vorgehen bei der Handschuhauswahl vor:
Oft fallen an Arbeitsplätzen Arbeiten mit Chemikalien an, die innerhalb von einer Minute erledigt sind. Aufgrund dieser sehr kurzen Expositionszeit kann man in den allermeisten Fällen die Permeation durch die Handschuhe vernachlässigen und folgende Empfehlung geben: Werden diese Tätigkeiten mit chemischen Produkten durchgeführt, bei denen es sich nicht um krebserzeugende, keimzellmutagene, reproduktionstoxische (CMR-)Substanzen (z.B. kein Formaldehyd) handelt und die die Handschuhe nachweislich nicht auflösen oder erkennbar aufquellen lassen, können dafür auch medizinische Nitril-Einmalhandschuhe eingesetzt werden. Durch das Tragen dieser im Gesundheitsdienst immer verfügbaren Handschuhe kann ein vollkommen ungeschützter Hautkontakt vermieden werden. Dies gilt ausschließlich für folgende konkrete Anwendungsfälle:
Anschließend sind die Handschuhe zu entsorgen.
Weiter gilt zu beachten, dass Schutzhandschuhe nicht länger als erforderlich getragen werden dürfen. Um ein Aufquellen der Haut durch das Schwitzen in feuchtigkeitsundurchlässigen Schutzhandschuhen zu verhindern, müssen bei längeren Handschuhtragezeiten die Handschuhe gewechselt werden. Die Häufigkeit des Handschuhwechsels ist in der Gefährdungsbeurteilung festzulegen. In der TRGS 401 wird ein mindestens stündlicher Handschuhwechsel oder das Verwenden von Unterziehhandschuhen aus Baumwolle oder aus anderen Geweben mit entsprechenden Eigenschaften (Saugfähigkeit und Hautverträglichkeit) empfohlen (s. auch Anhang 10).
Bitte beachten Sie: Schutzhandschuhe schützen nicht nur, es können auch Gefährdungen von ihnen ausgehen. Manche Beschäftigte reagieren allergisch auf verschiedene Inhaltsstoffe in Schutzhandschuhen. Wichtige Informationen zu diesem Thema finden Sie in Kapitel 10.
6.2 Hautschutz
Dem Schutz der Haut muss eine hohe Beachtung beigemessen werden. Für Bereiche mit Hautgefährdung sind Hautschutzpläne in Zusammenarbeit mit dem Betriebsarzt oder der Betriebsärztin zu erstellen und konsequent umzusetzen. Zum systematischen Hautschutz gehören der richtige Hautschutz, die richtige Hautreinigung und die richtige Hautpflege. Hautschutzmittel sind vor Arbeitsbeginn und während der Arbeit aufzutragen. Zur Reinigung sind milde, pH-hautneutrale Handwaschpräparate einzusetzen und nach Arbeitsende sind Hautpflegemittel zu verwenden. Hilfestellungen enthält Anhang 11.
Hautschutzmittel schützen nicht vor Einwirkungen ätzender, akut toxischer, sensibilisierender und hautresorptiver, keimzellmutagener, krebserzeugender und reproduktionstoxischer Gefahrstoffe sowie organischer Lösemittel beziehungsweise Gemische, die organische Lösemittel enthalten.
Bei der Auswahl der Persönlichen Schutzausrüstungen ist eine mögliche Wechselwirkung von Hautschutz- und Hautpflegemitteln und Handschuhen zu berücksichtigen. So kann etwa die Schutzwirkung von Chemikalienschutzhandschuhen durch Hautschutzmittel beeinträchtigt werden.
Hinweise zu Einsatz und Auswahl von Hautschutzmitteln geben die TRGS 401 und die DGUV Information 212-017 "Auswahl, Bereitstellung und Benutzung von beruflichen Hautmitteln".
6.3 Brand- und Explosionsschutz
In Einrichtungen des Gesundheitswesens wird regelmäßig eine Vielzahl unterschiedlicher brennbarer Stoffe (z.B. Desinfektionsmittel, Lösemittel, Gase) verwendet, die mit einer Brand- oder Explosionsgefahr verbunden sind. In Krankenhäusern und Pflegeheimen befinden sich viele Menschen, die in ihrer Mobilität eingeschränkt sind und sich im Gefahrenfall nicht aus eigener Kraft in Sicherheit bringen können. Zudem halten sich hier regelmäßig viele ortsunkundige Personen auf. Deshalb muss der richtigen Handhabung von Gefahrstoffen und dem vorbeugenden Brand- und Explosionsschutz besondere Bedeutung beigemessen werden.
Der Arbeitgeber hat gemäß GefStoffV auf Grundlage einer Gefährdungsbeurteilung Maßnahmen zum Schutz der Beschäftigten und sonstigen Personen gegen physikalischechemische Einwirkungen, insbesondere Brand- und Explosionsgefährdungen zu treffen. Die Technischen Regeln für Gefahrstoffe (TRGS) der Reihen 700 und 800 konkretisieren diese Vorgaben. Weitere Informationen über sicherheitstechnische Festlegungen zum Brand- und Explosionsschutz geben:
Grundlegende Maßnahmen zum Brand- und Explosionsschutz
Individuelle Maßnahmen zum Brand- und Explosionsschutz bei Tätigkeiten mit typischen Gefahrstoffen sind in den Kapiteln 19 "Entzündbare Flüssigkeiten" und 20 "Medizinische Gase" und in den Kapiteln zu den einzelnen Gefahrstoffgruppen beschrieben.
6.4 Lagerung, innerbetrieblicher Transport und Entsorgung
Abb. 3 Kunststoff-Kanister UN-codiert mit Prägestempel, BAM-Zulassung Herstellungszeitraum: Okt. 2016
In Einrichtungen des Gesundheitsdienstes werden Gase (z.B. medizinischer Sauerstoff), Flüssigkeiten (z.B. Desinfektionsmittel, konzentrierte saure und alkalische Reinigungsmittel) und feste Stoffe in unterschiedlich großen Mengen gelagert und zu den Einsatzorten im Betrieb transportiert. Außerdem müssen Abfälle mit teilweise gefährlichen Eigenschaften (z.B. bei Therapieabbruch anfallende Zytostatika) regelmäßig entsorgt werden. Der Arbeitgeber darf diese Tätigkeiten nur unterwiesenen Beschäftigen übertragen, die vertraut sind mit den bei der Lagerung, Beförderung und Entsorgung von Gefahrstoffen anfallenden Tätigkeiten, den dabei auftretenden Gefährdungen und den erforderlichen Schutzmaßnahmen. Ausführliche Informationen zu Transport, Lagerung und Entsorgung von Gefahrstoffen finden sich in Eickmann U., Halsen G., Heinemann A., Wegscheider W.: "Chemische Gefährdungen im Gesundheitsdienst - Hilfestellungen für die Praxis" (weitere Informationen s. Anhang 3).
Aufbewahrung und Lagerung
Je nach Bedarf und Zweckmäßigkeit werden Gefahrstoffe in Einrichtungen des Gesundheitsdienstes entweder direkt am Arbeitsplatz oder in unmittelbarer Nähe (z.B. im Stationszimmer) oder zentral in einem separaten Lagerbereich (z.B. Sicherheitsschrank oder Gefahrstofflager) aufbewahrt. Bei der Lagerung von Gefahrstoffen können sich verschiedene Gefährdungen durch die Eigenschaften und den Aggregatzustand der gelagerten Gefahrstoffe, die Menge der gelagerten Gefahrstoffe, die Art der Lagerung, die Tätigkeiten bei der Lagerung, die Zusammenlagerung mit anderen (Gefahr-)Stoffen, die Arbeits- und Umgebungsbedingungen (Raumgröße, klimatische Verhältnisse, äußere Einwirkungen und Lagerdauer) und die Bauweise des Lagers ergeben.
Abb. 4 Eimer zum Flaschentransport
Produktbezogene Hinweise zur Lagerung von Gefahrstoffen finden sich u. a. in Sicherheitsdatenblättern in Abschnitt 7 "Handhabung und Lagerung". Die TRGS 510 nennt weitere Schutzmaßnahmen in Abhängigkeit von den Eigenschaften und Mengen der zu lagernden Stoffe. Für Apotheken gibt es eine Handlungshilfe auf der Homepage der BGW ("Lagerung von Gefahrstoffen in der Apotheke").
Schutzmaßnahmen (Auswahl):
Hinweise zur Aufbewahrung und Lagerung von entzündbaren Flüssigkeiten (z.B. Aceton, Isopropanol) sind in Kapitel 19 beschrieben.
Innerbetrieblicher Transport
Beim Transport von Gefahrstoffen können Gefährdungen durch Gase, Dämpfe oder Spritzer entstehen, insbesondere der Transport größerer Mengen kann zu Gefährdungen führen. Wenn der Transport ausschließlich innerbetrieblich stattfindet und ein Transport in Fahrzeugen auf einer für die Öffentlichkeit frei zugänglichen Straße auf dem Betriebsgelände ausscheidet (z.B. Straßen in innerstädtischen Krankenhäusern), sind die Vorschriften zum Transport gefährlicher Güter (Gefahrgutrecht) nicht zu beachten. Die erforderlichen Schutzmaßnahmen ergeben sich dann aus der Gefährdungsbeurteilung. Für den Transport von Gefahrstoffen in Laborbereichen finden sich Hinweise zu Schutzmaßnahmen in der TRGS 526, für den Transport in Lagern können Schutzmaßnahmen anhand der TRGS 510 abgeleitet werden. Das Fachwissen-Portal der BG RCI (www.bgrci.de) thematisiert auch den angrenzenden Bereich des Gefahrguttransportes auf der Straße (s. auch "Patientenproben richtig versenden", www.bgwonline.de/media/BGW09-19-011).
Schutzmaßnahmen (Auswahl):
Entsorgung
In Einrichtungen des Gesundheitsdienstes fallen Abfälle in unterschiedlicher Art, Menge und Größe an: von Tageszeitungen über Glasflaschen, mehr oder weniger geleerte Desinfektionsmittelbehälter, gebrauchte Spritzen, Kanülen bis hin zu Medikamentenresten. Bei der Entsorgung der teilweise als gefährlich einzustufenden Abfälle sind sowohl die Belange des Umweltschutzes wie auch die des Arbeitsschutzes zu berücksichtigen. Jede gesundheitsdienstliche Einrichtung ist - unabhängig von ihrer Betriebsgröße - für die ordnungsgemäße Entsorgung ihrer Abfälle verantwortlich. Zu den gefährlichen Abfällen zählen z.B. gesundheitsgefährdende, umweltgefährdende, explosionsfähige oder brennbare Stoffe. Krankenhäuser müssen ab einem jährlichen Aufkommen von mehr als zwei Tonnen gefährlichen Abfalls einen Betriebsbeauftragten oder eine -beauftragte für Abfall bestellen, der oder die für die Aufstellung eines Entsorgungsplans verantwortlich ist. Der Plan legt fest, welcher Abfall in welches Abfallbehältnis entsorgt werden muss und wo sich die nach Abfallarten gekennzeichneten Behältnisse befinden.
Schutzmaßnahmen (Auswahl):
Weitere Hinweise zu den Schutzmaßnahmen enthalten die BGW-Schrift "Abfallentsorgung - Informationen zur sicheren Entsorgung von Abfällen aus dem Gesundheitsdienst" und die "Vollzugshilfe zur Entsorgung von Abfällen aus Einrichtungen des Gesundheitsdienstes" der Länderarbeitsgemeinschaft Abfall (www.lagaonline.de). Die TRGS 526 informiert über Sammlung und Transport von Abfällen aus medizinischen Laboratorien.
6.5 Überwachung der Wirksamkeit
Die Wirksamkeit der Schutzmaßnahmen ist regelmäßig zu überprüfen. Einzelheiten hierzu beschreiben die TRGS 400 und TRGS 500. Die technischen Einrichtungen zum Schutz vor einatembaren Stäuben, zum Beispiel Lüftungs- und Absaugeinrichtungen müssen spätestens nach einem Jahr überprüft werden. Regelmäßig geprüft werden muss auch, ob die festgelegten Schutzmaßnahmen am Arbeitsplatz umgesetzt werden, beispielsweise die Absaugung eingeschaltet und bei Bedarf nachgeführt wird oder die Handschuhe verwendet und zeitgerecht gewechselt werden. Die Akzeptanz der getroffenen Maßnahmen bei den Beschäftigten ist daher im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung immer zu berücksichtigen. Ergeben sich aus der Überprüfung oder der arbeitsmedizinischen Vorsorge Hinweise auf eine nicht ausreichende Wirksamkeit der Schutzmaßnahmen, ist die Gefährdungsbeurteilung zu wiederholen. Festgestellte Mängel müssen schnellstmöglich beseitigt werden. Das Ergebnis der Wirksamkeitsprüfungen ist zu dokumentieren.
6.6 Notfallmaßnahmen
Für den Fall des Eintretens einer Betriebsstörung, eines Unfalles oder Notfalles mit unbeabsichtigter Freisetzung von Stoffen muss der Arbeitgeber im Vorfeld entsprechende Notfallmaßnahmen festlegen (s. auch TRGS 500). Hierzu zählen die Bereitstellung von Warngeräten zur Anzeige einer erhöhten Gefährdung (z.B. Sauerstoffsensor in Lagerräumen für flüssigen Stickstoff), Sicherheitsübungen in regelmäßigen Abständen zur schnellstmöglichen Wiederherstellung des Normalzustandes, Maßnahmen der Ersten Hilfe, Sicherstellung der Rettungskette, die Bereitstellung geeigneter Schutzausrüstungen und Bindemitteln zur Beseitigung verschütteter Chemikalien. Verunreinigte Kleidungsstücke müssen unverzüglich vollständig entfernt werden, gegebenenfalls mit Fremdhilfe, um weitere Kontaminationen zu vermeiden (Schutz des Helfers bedenken). Die Sicherheitsdatenblätter müssen immer zugänglich und griffbereit sein und dem Rettungspersonal vor dem Transport in die Notfallaufnahme ausgehändigt werden. Im Krankenhaus kann der Alarm- und Einsatzplan nach Katastrophenschutzgesetz bereits die notwendigen Vorgaben enthalten.
Beispielsweise kann es beim Bestücken der Dosieranlage mit einem Kanister zum Verschütten eines konzentrierten Desinfektionsmittels kommen. Hierfür ist eine Anleitung zum Verhalten im Störungsfall zu erstellen und ein Notfall-Set (Spill-Kit) bereitzustellen.
7 Information der Beschäftigten
Die GefStoffV und die TRGS 555 "Betriebsanweisung und Information der Beschäftigten" beschreiben die Informationspflichten bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen. Wesentliche Elemente sind:
Betriebsanweisung
Betriebsanweisungen spiegeln das Ergebnis der betrieblichen Gefährdungsbeurteilung wider. Der Arbeitgeber legt damit die konkreten Schutzmaßnahmen und Verhaltensregeln für den jeweiligen Arbeitsplatz fest. Die zuständige Führungskraft muss die Betriebsanweisung für ihren Bereich in Kraft setzen. Sie hat auch dafür Sorge zu tragen, dass die Betriebsanweisung den Beschäftigten an geeigneter Stelle bekannt gemacht wird und eingesehen werden kann.
Die Gliederung der Betriebsanweisung ist nach TRGS 555 vorgegeben (s. auch Anhang 9). Betriebsanweisungen sind wesentliche Informationen für die Beschäftigten und daher in einer für den Beschäftigten verständlichen Form und Sprache abzufassen.
In der TRGS 555 wird empfohlen, auch auf Beschäftigungsbeschränkungen und Einschränkungen bei der Verwendung hinzuweisen (Schwangere, Jugendliche). Im Abschnitt zur Ersten Hilfe sollen auch Maßnahmen nach Verschlucken aufgenommen werden. Gefahrstoffe können durch Verwechselung mit Lebensmitteln verschluckt werden, aber auch in suizidaler Absicht. Listen der Giftnotrufzentralen finden sich auf den Seiten des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL, www.bvl.bund.de/DE/01_Lebensmittel/03_Verbraucher/09_InfektionenIntoxikationen/02_Giftnotrufzentralen/lm_LMVergiftung_giftnotrufzentralen_node.html).
Eine wichtige Hilfe zur Erstellung von Betriebsanweisungen sind die Sicherheitsdatenblätter der verwendeten Gefahrstoffe. TRGS 555 gibt eine Anleitung zur Übertragung bestimmter Inhalte in die Betriebsanweisung. Unterstützung bietet auch die DGUV Information 213-051 "Betriebsanweisungen für Tätigkeiten mit Gefahrstoffen". Betriebsanweisungsentwürfe und Programme zur Erstellung von Betriebsanweisungen sind auf den Internetseiten der BGW und anderer Unfallversicherungsträger zu finden. Beispiele sind das Gefahrstoffinformationssystem Chemikalien GisChem, die Betriebsanweisungsentwürfe in Anhang 9 und WINGIS online, das unter anderem Vorschläge für Reiniger und Desinfektionsmittel enthält. Der erforderliche Arbeitsplatz- oder Tätigkeitsbezug wird dabei lediglich in Form entsprechender Hinweise oder mehr oder weniger allgemein formulierter Textbausteine berücksichtigt. Zur Erstellung von Betriebsanweisungen ist also eine nachträgliche Ergänzung der stoffspezifischen Informationen um arbeitsplatz- oder tätigkeitsbezogene Inhalte oder eine Auswahl oder Anpassung der vorgegebenen Textbausteine dieser Programme an die betrieblichen Gegebenheiten unbedingt erforderlich. Zu den Schutzhandschuhen sind zum Beispiel Angaben zur Artikelbezeichnung oder auch zur Farbe der Handschuhe zu machen. Falls dies nicht geschieht, ist der Informationsgehalt der so erstellten Betriebsanweisungen häufig vergleichbar mit dem einer stoffbezogenen Sicherheitsinformation.
Es muss nicht für jeden einzelnen Gefahrstoff eine eigenständige Betriebsanweisung erstellt werden. Gruppen oder Sammelbetriebsanweisungen sind möglich, wenn bei den Tätigkeiten ähnliche Gefährdungen bestehen und vergleichbare Schutzmaßnahmen gelten. Für den Beschäftigten muss dabei deutlich sein, welche Sammelbetriebsanweisung sich auf das konkret von ihm verwendete Produkt bezieht. Eine Zusammenfassung zu Stoffgruppen bietet sich dort an, wo viele Gefahrstoffe vorhanden sind (z.B. im Labor oder in Apotheken) oder bei der Gabe von Tabletten. Die Betriebsanweisungsentwürfe in Anhang 9 sind Beispiele für Gruppenbetriebsanweisungen.
Sind neben der Betriebsanweisung nach GefStoffV weitere Anweisungen auf der Grundlage anderer Rechtsvorschriften erforderlich (z.B. BetrSichV, BioStoffV, Hygiene), so können diese unter Wahrung der in den Vorschriften genannten Bestimmungen zu einer Betriebsanweisung zusammengefasst werden. Auch Prozessbeschreibungen des Qualitätsmanagements können als Betriebsanweisung dienen, wenn sie um Arbeitsschutzanweisungen ergänzt werden.
Unterweisung
Die Beschäftigten, die Tätigkeiten mit Gefahrstoffen durchführen, müssen anhand der Betriebsanweisung über die auftretenden Gefährdungen und über die Schutzmaßnahmen unterwiesen werden. Die Unterweisungen müssen vor der Aufnahme der Tätigkeit und danach mindestens einmal jährlich arbeitsplatzbezogen erfolgen. Dabei sind die Vorkenntnisse und Fähigkeiten der zu Unterweisenden zu berücksichtigen. Eine besondere Aufmerksamkeit gilt der Unterweisung von neuen Beschäftigten und von Beschäftigten mit mentalen oder psychischen Einschränkungen (z.B. zu Gesichtspunkten der Arbeitshygiene). Zudem muss auf mögliche Gefährdungen in der Schwangerschaft und Stillzeit hingewiesen werden, damit rechtzeitig geeignete Schutzmaßnahmen für Schwangere und Stillende getroffen werden können (s. Kap. 9). Ebenso können Informationen zu Beschäftigungsbeschränkungen für Jugendliche erforderlich sein.
Inhalt und Zeitpunkt der Unterweisungen sind schriftlich festzuhalten und von den Unterwiesenen durch Unterschrift zu bestätigen. Der Nachweis der Unterweisung ist mindestens zwei Jahre aufzubewahren. Elektronische Medien können zur Unterstützung und Vorbereitung der Beschäftigten auf die Unterweisung genutzt werden. Die Unterweisung der Beschäftigten muss daneben aber stets auch mündlich erfolgen. Die Kontrolle der unterwiesenen Verfahrensweise erfolgt regelmäßig durch die betrieblichen Vorgesetzten.
Bestandteil der Unterweisung soll eine allgemeine arbeitsmedizinischtoxikologische Beratung sein. Diese dient zur Information der Beschäftigten über Nutzen und Art der arbeitsmedizinischen Vorsorge nach der Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV). Erläutert werden sollen u. a. auch die Voraussetzungen, unter denen eine Pflichtvorsorge eingeleitet werden muss oder Anspruch auf Angebots- und Wunschvorsorge besteht. Die Vermittlung von Hintergrundwissen über die toxische Wirkung von Stoffen fördert zudem die Sensibilität und die Eigenverantwortung der Beschäftigten für ihre Gesundheit.
Informationen zur Unterweisung des Tragens von Handschuhen finden sich in Anhang 10 und 11. Weitere Informationen bietet das Fachwissen-Portal der BG RCI (www. bgrci.de, Seiten ID: #1R7K, Link Hand- und Hautschutz).
Zugang zu Sicherheitsdatenblättern und Gefahrstoffverzeichnis
Betroffene Beschäftigte im Arbeitsbereich und deren Interessenvertretungen müssen Einsicht nehmen können in das Gefahrstoffverzeichnis und in die Sicherheitsdatenblätter oder in Fachinformationen für Arzneimittel. Die Einsicht in Mengenangaben ist hiervon ausgenommen. Bei Unfällen muss das Sicherheitsdatenblatt griffbereit sein, damit es den Notärzten und Notärztinnen oder Rettungssanitätern und -sanitäterinnen ausgehändigt werden kann. Der Hinweis auf Internetseiten, auf denen Lieferantenfirmen Sicherheitsdatenblätter bereithalten, reicht nicht aus.
Zusätzliche Informationspflichten
Bei Tätigkeiten mit krebserzeugenden, keimzellmutagenen oder reproduktionstoxischen (CMR) Gefahrstoffen der Kategorien 1A oder 1B hat der Arbeitgeber besondere Schutzmaßnahmen zu treffen. So sind eine Reihe weiterer Informationspflichten in Bezug auf die Beschäftigten wahrzunehmen. Wird beispielsweise auch nach Umsetzung der Schutzmaßnahmen in der Gefährdungsbeurteilung festgestellt, dass eine Gefährdung bei Tätigkeiten mit krebserzeugenden oder keimzellmutagenen Gefahrstoffen besteht, ist ein Verzeichnis zur Exposition der Beschäftigten nach TRGS 410 anzulegen. Dort werden Dauer und Höhe der Exposition dokumentiert und noch 40 Jahre ab Beendigung der Exposition aufbewahrt (zur Dokumentation s. auch GefStoffV, TRGS 400). Die DGUV bietet die Nutzung einer sogenannten "Zentralen Expositionsdatenbank (ZED)" zur Erfassung und Speicherung der Expositionsdaten an. Die Kriterien für die Aufnahme in das Expositionsverzeichnis sind in der TRGS 410 beschrieben. Detaillierte Erläuterungen und weitere Hilfestellungen für Einrichtungen des Gesundheitsdienstes sind auf der Webseite der BGW zu finden (Suchwort: ZED). Auf entsprechende potentielle gesundheitsgefährdende Tätigkeiten wird in den Kapiteln zu den einzelnen Gefahrstoffgruppen hingewiesen.
8 Arbeitsmedizinische Vorsorge
Die arbeitsmedizinische Vorsorge dient allgemein der Beurteilung der individuellen Wechselwirkungen von Arbeit und physischer und psychischer Gesundheit. Sie ist Teil der arbeitsmedizinischen Prävention im Betrieb und eng mit der Gefährdungsbeurteilung verknüpft (AMR 3.1), damit trägt sie zur Fortentwicklung des betrieblichen Gesundheitsschutzes bei. Der Arzt oder die Ärztin hat die Erkenntnisse der arbeitsmedizinischen Vorsorge auszuwerten. Ergeben sich Anhaltspunkte dafür, dass die Maßnahmen des Arbeitsschutzes für die Beschäftigten nicht ausreichen, so hat der Arzt oder die Ärztin dies dem Arbeitgeber mitzuteilen und Schutzmaßnahmen vorzuschlagen (AMR 6.4). Die arbeitsmedizinische Vorsorge soll zugleich einen Beitrag zum Erhalt der Beschäftigungsfähigkeit und Wiedereingliederung nach Unfällen und Krankheit leisten. Die einzuhaltenden Fristen für die Vorsorge sind der AMR 2.1 zu entnehmen. Kurzinformationen der BG RCI finden sich im Literaturverzeichnis.
Darüber hinaus soll die arbeitsmedizinische Vorsorge die Beschäftigten individuell zur Vermeidung von arbeitsbedingten Erkrankungen beraten und arbeitsbedingte Erkrankungen einschließlich Berufskrankheiten frühzeitig erkennen. Idealerweise sollen dafür gute präventive und diagnostische Instrumente wie Biomonitoring verwendet werden. Geeignete Biomonitoringverfahren stehen jedoch für Gefahrstoffexpositionen im Gesundheitsdienst im Allgemeinen nicht zur Verfügung. Bezogen auf Gefahrstoffe steht deshalb die Beratung zur Expositionsvermeidung und Früherkennung im Vordergrund. Deshalb werden im Gesundheitsdienst in der Praxis kaum gefahrstoffbezogene Vorsorgen veranlasst oder durchgeführt, sondern häufig mit anderen Anlässen (Biostoffe, Feuchtarbeit, Belastungen des Muskel-Skelett-Systems, Bildschirmtätigkeit) zusammengelegt.
Biomonitoring ist Bestandteil der arbeitsmedizinischen Vorsorge, soweit dafür arbeitsmedizinisch anerkannte Analyseverfahren und geeignete Werte zur Beurteilung zur Verfügung stehen. Biomonitoring und andere medizinische Untersuchungen dürfen nicht gegen den Willen des oder der Beschäftigten durchgeführt werden. Eine Überwachung der Konzentration von Gefahrstoffen im biologischen Material (Blut oder Urin) ist insbesondere dann sinnvoll, wenn Gefahrstoffe zusätzlich zum Aufnahmeweg über den Atemtrakt auch über die Haut, zum Beispiel bei hautresorptiven Stoffen, aufgenommen werden können (AMR 6.2). Zur Bewertung der Konzentration von Gefahrstoffen im biologischen Material sind die biologischen Grenzwerte nach TRGS 903 heranzuziehen. Weitere Informationen finden sich auch in der arbeitsmedizinischen Leitlinie zum Biomonitoring.
Die Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV) unterscheidet Pflicht-, Angebots- und Wunschvorsorge. Die Anlässe für Pflicht- und Angebotsvorsorge sind abschließend im Anhang Teil 1 der ArbMedVV definiert (Abschneidekriterien für CM-Stoffe nach AMR 11.1). Wunschvorsorge ist dann auf Wunsch der Beschäftigten zu gewähren, wenn eine Gefährdung nicht ausgeschlossen werden kann (Arbeitsmedizinische Empfehlungen Wunschvorsorge).
Auszug aus dem Anhang 1 der ArbMedVV zur Pflicht- und Angebotsvorsorge:
(1) Pflichtvorsorge bei besonders gefährdenden Tätigkeiten wird dann ausgelöst, wenn
(2) Angebotsvorsorge wird dann ausgelöst, wenn
Das Vorhandensein Persönlicher Schutzausrüstungen ersetzt die arbeitsmedizinische Vorsorge nicht. Wenn Atemschutz verwendet werden muss, ist dafür zusätzlich in Abhängigkeit von der Art des Atemschutzgerätes eine Vorsorge anzubieten oder zu veranlassen (s. AMR 14.2).
In den Kapiteln zu den Gefahrstoffgruppen sind relevante Anlässe genannt. Bei der Entscheidung sind der Betriebsarzt oder die Betriebsärztin beratend hinzuzuziehen. Der Unternehmer oder die Unternehmerin haben Pflicht-, Angebots- und Wunschvorsorgen und gegebenenfalls Biomonitoring auf ihre Kosten zu veranlassen. Sind mehrere Vorsorgeanlässe zum Beispiel durch Feuchtarbeit, Gefahrstoffexposition und Verwenden von Atemschutz gegeben, können sie an einem Termin zusammengefasst werden. Die arbeitsmedizinische Vorsorge hat stets den ganzen Menschen und dessen Arbeit im Blick und kann sich deshalb nicht auf die Untersuchung einzelner Organsysteme (z.B. Haut oder Blut) beschränken.
9 Besonders schutzbedürftige Beschäftigte
Zu den besonders schutzbedürftigen Beschäftigten zählen Jugendliche und schwangere und stillende Frauen. Für Personen unter 18 Jahren (Jugendliche) gelten besondere Bestimmungen. Darunter fallen Tätigkeiten, die mit Unfallgefahren verbunden sind, von denen anzunehmen ist, dass Jugendliche sie wegen mangelnden Sicherheitsbewusstseins oder mangelnder Erfahrung nicht erkennen oder nicht abwenden können. Darüber hinaus dürfen Jugendliche nach dem Jugendarbeitsschutzgesetz (JArbSchG) keine Tätigkeiten verrichten, bei denen sie schädlichen Einwirkungen von Gefahrstoffen ausgesetzt sind. Unter folgenden Voraussetzungen sind jedoch Tätigkeiten mit Gefahrstoffen für Jugendliche zulässig, wenn:
Für Schwangere und Stillende und ihr Kind bestehen in vielen Bereichen des Gesundheitsdienstes Beschäftigungsbeschränkungen vor allem in Bezug auf Biostoffe. Der Gesundheitsschutz der Frau und ihres Kindes am Arbeits-, Ausbildungs- und Studienplatz während der Schwangerschaft, nach der Entbindung und in der Stillzeit (d. h. im Mutterschutz) ist im Gesundheitsdienst wegen des hohen Frauenanteils besonders wichtig. Er ist im Mutterschutzgesetz (MuSchG) geregelt. Die sicherheitstechnischen, arbeitsmedizinischen und arbeitshygienischen Regeln zum Schutz der schwangeren oder stillenden Frau und ihres Kindes, die der Ausschuss für Mutterschutz am Bundesministerium für Familien, Senioren, Frauen und Jugend erarbeitet, werden eine wichtige Entscheidungsgrundlage darstellen. Sie sollen durch Handlungsempfehlungen der Länderbehörden in die Praxis überführt werden. Zum Zeitpunkt der Erstellung dieser DGUV Information lagen die Informationen noch nicht vor. Auf den Internetseiten der Länderbehörden finden sich hilfreiche Arbeitsblätter zur Erstellung einer Gefährdungsbeurteilung nach dem MuSchG, die alle Arten der Gefährdung umfassen (s. Linksammlung unter www.bgwonline.de/ mutterschutz).
Für alle Arbeitsplätze muss unabhängig davon, ob schwangere oder stillende Frauen beschäftigt werden, eine Gefährdungsbeurteilung gemäß ArbSchG vorliegen, die besondere Gruppen von Beschäftigten berücksichtigt (s. GDA-Leitlinie "Gefährdungsbeurteilung und Dokumentation"). Sobald eine Frau schwanger wird und dies dem Arbeitgeber mitteilt oder die Schwangerschaft anderweitig bekannt wird, muss die Gefährdungsbeurteilung aktualisiert werden. Der Arbeitgeber muss nach MuSchG § 10 beurteilen, ob für Schwangere oder Stillende
Werden spezifische Gefährdungen für die Frau und ihr Kind festgestellt, müssen diese gemäß ArbSchG in die Unterweisung aufgenommen werden (s. auch TRGS 555). Da zu Beginn einer Schwangerschaft das höchste Schädigungspotenzial besteht, müssen Frauen am besten schon vor einer Schwangerschaft, das heißt rechtzeitig über Schutzmaßnahmen informiert werden.
Der Betriebsarzt oder die Betriebsärztin berät den Arbeitgeber vorrangig bei der arbeitsplatzbezogenen Gefährdungsbeurteilung und daraus abgeleiteten Beschäftigungsbeschränkungen in der Schwangerschaft und Stillzeit. Atteste für ärztliche Beschäftigungsbeschränkungen wegen schwangerschaftsbedingter Beschwerden werden dagegen vorrangig von den behandelnden Ärzten oder Ärztinnen (z.B. Frauenärzten oder Frauenärztinnen) ausgestellt. Die zuständige staatliche Aufsichtsbehörde berät maßgeblich bei offenen Fragen und Konflikten zwischen Arbeitgeber und schwangerer oder stillender Frau.
Bezogen auf Arbeitsunfälle steht die schwangere Frau wie auch das ungeborene Leben gemäß SGB VII § 12 unter dem Schutz der Unfallversicherungsträger. Die Unfall versicherungsträger beraten die Mitgliedsunternehmen zur Gefährdungsbeurteilung nach ArbSchG (s. www.bgwonline.de/mutterschutz).
Gefahrstoffbezogene Beurteilung
Grundlage für die gefahrstoffbezogene Gefährdungsbeurteilung sind die Sicherheitsdatenblätter mit Hinweisen auf Gefährdungen für Schwangerschaft und Stillzeit (H-Sätze, Erläuterung s. Kap. 4.1). Weitere Quellen sind die TRGS 905 "Verzeichnis krebserzeugender, keimzellmutagener oder reproduktionstoxischer Stoffe" und die TRGS 906 "Verzeichnis krebserzeugender Tätigkeiten oder Verfahren nach § 3 Abs. 2 Nr. 3 GefStoffV". Unzulässige Tätigkeiten mit Gefahrstoffen oder in Arbeitsbereichen, in denen Gefahrstoffe verwendet werden, sind für schwangere und stillende Frauen im MuSchG genannt:
Außerdem dürfen Schwangere und Stillende nicht Blei und Bleiderivaten ausgesetzt sein, sofern die Gefahr besteht, dass diese Stoffe vom menschlichen Körper aufgenommen werden, oder Gefahrstoffen, die auch bei Einhaltung der arbeitsplatzbezogenen Vorgaben möglicherweise zu einer Fruchtschädigung führen können (Bemerkung Z gemäß TRGS 900). Stillende dürfen keinen Gefahrstoffen ausgesetzt sein, die nach den Kriterien des Anhangs 1 zur Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 als reproduktionstoxisch nach der Zusatzkategorie für Wirkungen auf oder über die Laktation zu bewerten sind (H362 "Kann Säuglinge über die Muttermilch schädigen"). In Forschungsbereichen muss beachtet werden, dass auch nicht geprüfte Stoffe zum Einsatz kommen können.
Eine unverantwortbare Gefährdung schwangerer Frauen gilt als ausgeschlossen, wenn der AGW die Bemerkung Y gemäß TRGS 900 aufweist und durch die Gefährdungsbeurteilung belegt werden kann, dass dieser eingehalten wird (Y: "Ein Risiko der Fruchtschädigung braucht bei Einhaltung des AGW und des biologischen Grenzwertes (BGW) nicht befürchtet zu werden"). Ein Beispiel für einen entsprechend bewerteten Stoff ist Formaldehyd. Der Stoff darf außerdem nicht mit H362 gekennzeichnet sein. Eine unverantwortbare Gefährdung schwangerer Frauen gilt ebenso als ausgeschlossen, wenn der Gefahrstoff die Plazentaschranke nicht überwinden kann. Ein Beispiel hierfür sind quarzhaltige Stäube, die im Dentallabor entstehen.
Die BGW-Schrift "Mutterschutz in der Pathologie - Leitfaden zur Gefährdungsbeurteilung in Pathologien bei Tätigkeiten mit chemischen und biologischen Stoffen unter besonderer Berücksichtigung des Mutterschutzes" bietet exemplarisch Hilfestellung bei der Gefährdungsbeurteilung.
In den Kapiteln zu den einzelnen Gefahrstoffgruppen sind spezifische Hinweise auf die Beurteilung von typischen Arbeitsplätzen im Gesundheitsdienst für schwangere und stillende Frauen zu finden.
10 Feuchtarbeit und Allergene in Schutzhandschuhen
Feuchtarbeit spielt im Gesundheitsdienst in Bezug auf die Hautgefährdung eine besonders wichtige Rolle: Sie ist eine der häufigsten Ursachen für die Entstehung eines kumulativ toxischen Handekzemes, dem sogenannten Abnutzungsekzem. Die natürliche Hautbarriere wird gestört, durch die trockene, rissige Haut können Schadstoffe und so auch Allergene in den Körper eindringen, was zur Entwicklung eines allergischen Kontaktekzems führen kann. In diesen Fällen spricht man von einem 2-Phasen-Ekzem, weil das Abnutzungsekzem der Wegbereiter für das allergische Handekzem ist.
Unter Feuchtarbeit versteht man nach der TRGS 401 Tätigkeiten, bei denen die Beschäftigten
Abb. 5 Handschuhtragen mit langem Schaft und Stulpe bei Reinigungsarbeiten
Zeiten der Arbeiten im feuchten Milieu und Zeiten des Tragens von flüssigkeitsdichten Handschuhen sind zu addieren, wenn nicht wirksame Maßnahmen zur Regeneration der Haut getroffen worden sind.
Der Arbeitgeber hat im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung zu ermitteln, ob die Kriterien für Feuchtarbeit vorliegen.
10.1 Schutzhandschuhe im Gesundheitsdienst
Schutzhandschuhe werden aus hygienischen Gründen verwendet. Das Tragen von Handschuhen ist zudem eine wichtige Maßnahme im systematisch durchgeführten Hautschutz. Es kann Schutz vor Infektionen und vor hautschädigenden Stoffen wie Irritantien und allergenen Arbeitsstoffen bieten.
In feuchtigkeitsundurchlässigen Schutzhandschuhen kann es in Abhängigkeit von der Tragezeit und der individuellen Disposition zu einem Wärme- und Feuchtigkeitsstau kommen. Die Hornschicht quillt auf, wodurch ihre Barrierewirkung nachlässt. Wenn Handschuhe längere Zeit getragen werden, empfiehlt sich zur Verbesserung des Tragekomforts die Verwendung von Unterziehhandschuhen zum Beispiel aus Baumwolle oder aus anderen Geweben mit vergleichbaren Eigenschaften (Saugfähigkeit und Hautverträglichkeit). Das Verwenden von Handschuhen ist für die Haut weniger belastend als ein direkter Wasserkontakt. Deshalb ist dem Handschuhtragen der Vorrang vor dem direkten Wasserkontakt zu geben, da der hautschützende Effekt durch Handschuhe größer als der hautschädigende Effekt durch Okklusion ist.
Schutzhandschuhe im Gesundheitsdienst können aus Elastomeren und Thermoplasten bestehen. Am häufigsten kommen Elastomere zum Einsatz. Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über die Handschuhmaterialien.
Tabelle 4: Handschuhmaterialien
Gummihandschuhe (Elastomere) aus: | Kunststoffhandschuhe (Thermoplaste) aus: |
Nitril (Nitril-Kautschuk, Nitril-Butyl-Rubber) | Polyvinylchlorid (Vinyl, PVC) |
Polychloropren (Neoprene)® | Polyethylen (PE) - Folie |
Styrol-Etylen-Butylen-Styrol (Tactylon)® | Polyethylen (PE) - Copolymer |
Latex (Naturkautschuk, Natural Rubber) |
Neben den erwünschten schützenden Eigenschaften können Handschuhe materialabhängig auch zu Hautproblemen führen, indem bestimmte Handschuhinhaltsstoffe Allergien auslösen (z.B. als Kontakturtikaria infolge einer Typ-I-Allergie auf Naturgummilatex-Proteine oder als allergisches Handekzem nach Erwerb einer Typ-IV-Allergie auf Handschuhzusatzstoffe).
10.2 Allergene in Schutzhandschuhen
Bei der Herstellung von medizinischen Einmalhand schuhen und Chemikalienschutzhandschuhen aus Elastomeren werden neben dem Grundmaterial wie Latex oder Nitrilkautschuk verschiedene Zusatzstoffe wie Vulkanisationsbeschleuniger, Alterungsschutzmittel, Antioxidantien, Farbpigmente eingesetzt, die zu Sensibilisierungen führen können.
Schutzhandschuhe aus PVC (Thermoplasten) können eine mögliche Alternative zu Schutzhandschuhen aus Elastomeren darstellen. Auch diese sind aber nicht immer frei von möglichen Allergenen wie Weichmachern (Phthalate), Antioxidantien und Farbstoffen. Sie kommen im Gesundheitsdienst als medizinische Einmalhandschuhe, jedoch nur selten als Chemikalienschutzhandschuhe zum Einsatz.
Die folgende Tabelle führt Beispiele für Hauptgruppen von Allergenen in Schutzhandschuhen auf. Eine detaillierte Auflistung der Allergene findet sich in der Allergenliste der BG BAU (www.bgbau.de/themen/sicherheit- undgesundheit/gefahrstoffe/weiterethemen/allergenein-schutzhandschuhen/allergenliste).
Tabelle 5: Allergene in Schutzhandschuhen
Anwendungsbereich der Allergene | Stoffe/ Stoffgruppen |
Vulkanisationsbeschleuniger (Akzeleratoren) in elastomeren Schutzhandschuhen |
|
Alterungsschutzmittel, Antioxidantien, Hilfsstoffe |
|
Quelle: BG BAU, GISBAU Allergenliste |
Auch Latexproteine können Allergien verursachen. Sie können durch Kontakt mit der Haut und den Atemwegen aufgenommen werden. Das Allergierisiko steigt mit zunehmender Proteinkonzentration im Handschuh. Gepuderte Latexhandschuhe sind besonders gefährdend, weil sich die Proteine am Puder anlagern. Beim An- und Ausziehen der Handschuhe wird der Puder aufgewirbelt und so können die Allergieauslöser auf die Schleimhäute und in die Atemwege gelangen. Deshalb dürfen gepuderte Latexhandschuhen in Deutschland nicht verwendet werden.
Im gesamten medizinischen Bereich gilt:
10.3 Schutzmaßnahmen
Nachfolgend sind Schutzmaßnahmen wie auch Hinweise zu Informationspflichten, arbeitsmedizinischer Vorsorge und Mutterschutz zusammengefasst. Sie sind als Vorschläge zu verstehen, die im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung den betrieblichen Belangen angepasst werden müssen.
Grundsätzliches zum Tragen von Schutzhandschuhen
Sensibilisierungen berücksichtigen:
Personen mit Sensibilisierungen gegenüber bestimmten Handschuhinhaltsstoffen müssen diese strikt meiden.
Dies muss bei der Auswahl der Schutzhandschuhe unbedingt berücksichtigt werden.
Mittlerweile ist neben Latexfreien auch ein größeres Angebot an Akzeleratorfreien Schutzhandschuhen erhältlich.
Ungepuderte Handschuhe benutzen: Handschuhpuder kann unabhängig vom Handschuhmaterial zu Mikroreibungen und in Verbindung mit Schweiß zu einer Erhöhung des natürlichen pH-Wertes der Haut führen, zwei Faktoren, die Hautirritationen begünstigen. Deshalb sind stets ungepuderte Handschuhe zu verwenden.
Geeignete Handschuhe für die jeweilige Tätigkeit auswählen: Medizinische Einmalhandschuhe sind per se keine Chemikalienschutzhandschuhe, wenn sie nicht der Norm DIN EN ISO 374 entsprechen (s. Kap. 6.1).
10.4 Betriebsanweisung und Unterweisung
Gefährdungen durch Feuchtarbeit werden in der Regel in die gefahrstoffbezogenen Betriebsanweisungen integriert. Steht jedoch in Arbeitsbereichen die Gefährdung durch einen andauernden Kontakt mit Feuchtigkeit im Vordergrund, ist allein eine Betriebsanweisung zur Feuchtarbeit ausreichend. Beispiel können Reinigungs- und Pflegearbeiten mit nicht gekennzeichneten Produkten und verdünnten Anwendungslösungen sein. Die Beschäftigten sind anhand der Betriebsanweisungen arbeitsplatzbezogen zu unterweisen. Praktische Hinweise für das Tragen von Schutzhandschuhen fasst Anhang 10 zusammen.
10.5 Arbeitsmedizinische Vorsorge
Die Tragezeiten von Schutzhandschuhen und andere Zeiten der Feuchtarbeit müssen grundsätzlich über die Schicht addiert werden (TRGS 401). Pflichtvorsorge ist erforderlich, wenn Feuchtarbeit von regelmäßig vier Stunden oder mehr je Tag vorliegt, Angebotsvorsorge, wenn Feuchtarbeit von regelmäßig mehr als zwei Stunden je Tag vorliegt. Sensibilisierungsreaktionen auf PSA sind zu berücksichtigen.
10.6 Expositionsverzeichnis
Nicht relevant.
10.7 Hinweise zum Einsatz von Schwangeren und Stillenden
Chemikalienschutzhandschuhe schützen vor Gefahrstoffexposition. Es ist zu prüfen, ob an den Arbeitsplätzen, an denen Schutzhandschuhe verwendet werden, weitere Schutzmaßnahmen oder Beschäftigungsbeschränkungen für schwangere und stillende Frauen notwendig sind.
11 Desinfektionsmittel und Desinfektionsreiniger
Desinfektionsmittel sind chemische Stoffe oder Zubereitungen, die Mikroorganismen auf Oberflächen inklusive Haut und Schleimhäuten, in Flüssigkeiten oder in der Luft abtöten beziehungsweise inaktivieren. Desinfektionsreiniger sind Produkte, die zur gleichzeitigen Reinigung und Desinfektion in einem Arbeitsgang eingesetzt werden. Sie bestehen sowohl aus reinigenden Substanzen als auch aus Desinfektionswirkstoffen. Die DGUV Information 207-206 "Prävention chemischer Risiken beim Umgang mit Desinfektionsmitteln im Gesundheitswesen" informiert über die Prinzipien der Desinfektion und die Gefahren typischer Wirkstoffe und erläutert die klassischen Verfahren zur Flächen-, Instrumenten-, Haut- und Händedesinfektion und besondere Verfahren zur Desinfektion von Räumen, Geräten oder Wäsche.
Abb. 6 Händedesinfektion
11.1 Gefährdung
Bei Tätigkeiten mit Desinfektionsmitteln geht die Gefährdung in der Regel von den darin enthaltenen Wirkstoffen aus. Deren Aufgabe ist es, lebende Zellen (Mikroorganismen wie Bakterien und Pilze) sowie Viren zu schädigen beziehungsweise abzutöten. Bei unsachgemäßer Anwendung können von diesen Wirkstoffen Gesundheitsgefahren ausgehen. Insbesondere bei Tätigkeiten mit Konzentraten können bei den Beschäftigten Reizungen und Verätzungen an Haut und Schleimhäuten auftreten. Ebenso können allergische Haut- und Atemwegserkrankungen entstehen. Formaldehyd und Glutaraldehyd findet man in diversen Produkten zur Flächen- oder Instrumentendesinfektion. Die gefährlichen Eigenschaften der konzentrierten wässrigen Lösungen dieser Stoffe und die AGWs sind in Tabelle 6 zusammengestellt. Auch einige andere Wirkstoffe wirken hautsensibilisierend (H317), zum Beispiel Glyoxal und Benzalkoniumchlorid, oder können auf andere Weise chronisch schädigend wirken: So steht Glyoxal im Verdacht, keimzellmutagen zu sein.
Bei Tätigkeiten mit alkoholischen Desinfektionsmitteln besteht Brand- und Explosionsgefahr. Insbesondere Haut- und Händedesinfektionsmittel, aber auch Sprühprodukte zur Flächendesinfektion enthalten hohe Anteile an Ethanol, 1-Propanol und 2-Propanol.
Bei der Verwendung von größeren Mengen an Sauerstoffabspaltern (z.B. Peroxide) zur Desinfektion muss beachtet werden, dass brandfördernder Sauerstoff freigesetzt werden kann. Geringer sind die Gefährdungen, die von verdünnten Anwendungslösungen ausgehen, zum Beispiel bei der Flächendesinfektion im Scheuer-/ Wischverfahren mit Anwendungslösungen im Konzentrationsbereich von 0,25 bis 3 Prozent. Auch bei diesen Anwendungslösungen bestehen jedoch noch Gefährdungen durch Stoffe, die in die Luft gelangen und zu einer inhalativen Belastung führen können, zum Beispiel durch Aldehyde. Die Grenzwerte von Desinfektionsmittel-Inhaltstoffen sind in Anhang 12 zusammengestellt.
Bei Desinfektionsarbeiten muss zusätzlich der Infektionsschutz der Beschäftigten beachtet werden, da diese Arbeiten in der Regel in Arbeitsbereichen durchgeführt werden, in denen eine erhöhte Infektionsgefährdung besteht oder bestehen kann.
Tabelle 6: Einstufung von Formaldehyd und Glutaraldehyd gemäß CLP-Verordnung sowie AGW mit Spitzenbegrenzung
Stoff | CAS-Nr. | Einstufung gemäß CLP V | AGW gemäß TRGS 900 |
Formaldehyd | 50-00-0 |
| Schichtmittelwert: 0,37 mg/m3
Überschreitungsfaktor für erhöhte Exposition: 2 Bemerkungen: Y (Ein Risiko der Fruchtschädigung braucht bei Einhaltung des AGW und des BGW nicht befürchtet zu werden), zusätzlich § 10 GefStoffV beachten, Gefahr der Sensibilisierung der Haut |
Glutaraldehyd | 111-30-8 |
| Schichtmittelwert: 0,2 mg/m3
Überschreitungsfaktor für erhöhte Exposition: 2 Bemerkungen: Y (Ein Risiko der Fruchtschädigung braucht bei Einhaltung des AGW und des BGW nicht befürchtet zu werden), Gefahr der Sensibilisierung der Haut |
Quelle: GESTIS-Stoffdatenbank |
11.2 Schutzmaßnahmen
Ausführliche Angaben zu Tätigkeiten mit Desinfektionsmitteln enthalten die Schrift DGUV Information 207-206 und Publikationen zu Formaldehyd im Gesundheitsdienst (s. Eickmann et. al. 2017, 2018). Nachfolgend sind Schutzmaßnahmen wie auch Informationspflichten (Betriebsanweisung, Expositionsverzeichnis), arbeitsmedizinische Vorsorge und Mutterschutz zusammengefasst. Sie sind als Vorschläge zu verstehen, die im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung den betrieblichen Belangen angepasst werden müssen.
Substitution
Die Desinfektion ist bezüglich des Ausmaßes und der Häufigkeit auf das notwendige Maß zu beschränken. Es dürfen nur Desinfektionsmittel eingesetzt werden, deren Wirksamkeit für den vorgesehenen Zweck nachgewiesen ist. Desinfektionsmittel sind Biozide und werden gemäß der Biozidverordnung auf Wirksamkeit getestet und zugelassen. In Deutschland gibt es zudem Listen, in denen wirksame Desinfektionsmittel aufgeführt sein können, z.B. die Listen des Verbundes für angewandte Hygiene (VAH) oder die Liste des Industrieverbandes Hygiene und Oberflächenbehandlung (IHO). Behördlich angeordnete Desinfektionen dürfen in Deutschland nur mit Mitteln und Verfahren des Robert-Koch-Institutes (RKI-Liste) erfolgen. Bei Desinfektionsmitteln gleichen Wirkungsumfanges sind diejenigen Mittel und Verfahren zu bevorzugen, deren gesundheitliches Risiko geringer ist. Die Auswahl ist daher im Zusammenwirken von Hygienefachleuten, Anwendern, Anwenderinnen, Betriebsärzten oder Betriebsärztinnen und Fachkräften für Arbeitssicherheit sowie den wirtschaftlich Verantwortlichen festzulegen. Dabei sind folgende Ersatzlösungen zu prüfen:
GISCODES für Desinfektionsreiniger
Der GISCODE ist eine Kennzeichnung, die von Herstellerfirmen, Fachverbänden der Bauwirtschaft und dem Gefahrstoffinformationssystem der Berufsgenossenschaften der Bauwirtschaft entwickelt wurde, um die Herstellerinformationen für die betriebliche Anwendung verständlicher zu machen und die Ersatzstoffsuche zu erleichtern (s. www.wingisonline.de). So werden Desinfektionsreiniger, aber auch Reinigungsmittel, mit ähnlicher chemischer Zusammensetzung oder vergleichbaren Gefährdungen Produktgruppen zugeordnet und verschlüsselt. Je höher die Kennziffer eines Codes ist, umso gefährlicher ist das Produkt. Desinfektionsreiniger auf der Basis von Aldehyden (mit Formaldehyd) mit GISCODE GD80 sind folglich gefährlicher als nicht gekennzeichnete Desinfektions reiniger mit GISCODE GD20. |
Technische Schutzmaßnahmen
Organisatorische Schutzmaßnahmen
Persönliche Schutzmaßnahmen
Augenschutz
Wenn mit einem Verspritzen oder Versprühen von reizenden oder ätzenden Desinfektionsmitteln zu rechnen ist, eine geeignete Schutzbrille, zum Beispiel eine dicht schließende Korbbrille verwenden. Beispiele können das Herstellen von Gebrauchslösungen oder der Wechsel der Kanister mit dem Konzentrat am Dosierautomaten sein. Das Tragen einer Schutzbrille kann auch als Schutz vor infektiösen Stoffen erforderlich sein.
Handschutz
Bei Hautkontakt mit den Produkten, ausgenommen Händedesinfektionsmitteln, und regelmäßigen Tätigkeiten geeignete Chemikalienschutzhandschuhe verwenden. Die üblichen medizinischen Einmalhandschuhe bieten keinen ausreichenden Schutz. Für Tätigkeiten mit konzentrierten Desinfektionsmitteln und -reinigern (in der Lieferform) empfiehlt sich Nitrilkautschuk als geeignetes Schutzhandschuhmaterial. Zur großflächigen Flächendesinfektion, bei der eine Benetzung der Hände mit Desinfektionslösung nicht ausgeschlossen ist, müssen Chemikalienschutzhandschuhe mit verlängertem Schaft gewählt werden. Die Enden umstülpen, damit keine Flüssigkeit auf die Unterarme und in die Handschuhe fließen kann (s. hierzu auch Anhang 10).
Atemschutz
Bei Desinfektionsarbeiten mit aldehydfreien Desinfektionsreinigern ist das Verwenden von Atemschutz in der Regel nicht erforderlich. Beim Einsatz von aldehydhaltigen Desinfektionsreinigern müssen bestimmte Randbedingungen eingehalten werden, um AGWs einzuhalten und damit das Verwenden von Atemschutz zu vermeiden. Bei Grenzwertüberschreitungen, zum Beispiel bei der Schlussdesinfektion mit höherer Wirkstoffkonzentration oder bei Verfahren mit Aerosolbildung, Atemschutz verwenden. Bei Grenzwertüberschreitungen von Aldehyden müssen gemäß DGUV Regel 112-190 "Benutzung von Atemschutzgeräten" Atemschutzfilter des Typs B2, bei Aerosolbildung (Sprühdesinfektion) Partikel filtrierende Halbmasken FFP2, gegebenenfalls auch Kombinationsfilter B2P2, getragen werden. Weitere Informationen können den Informationsmaterialien der Produktherstellerfirmen (z.B. Angaben im Sicherheitsdatenblatt) oder der Anbieterfirmen von Atemschutzgeräten entnommen werden.
Körperschutz
Bei Arbeiten mit Infektionsgefährdung, dazu gehören auch Desinfektionsarbeiten, geeignete Schutzkleidung verwenden. Wenn die Gefahr der Durchnässung besteht, flüssigkeitsdichte Schürzen und Schuhe tragen, insbesondere bei Tätigkeiten mit dem Konzentrat.
11.3 Betriebsanweisung und Unterweisung
Es sind Betriebsanweisungen zu erstellen und die Beschäftigten anhand der Betriebsanweisungen arbeitsplatzbezogen zu unterweisen. Anhang 9 enthält Betriebsanweisungsentwürfe für konzentrierte Desinfektionsmittel und Anwendungslösungen. Weitere Betriebsanweisungsentwürfe für die Flächendesinfektion sind in WINGIS zu finden.
11.4 Arbeitsmedizinische Vorsorge
Es ist insbesondere zu prüfen, ob Angebotsvorsorge bei Tätigkeiten mit Exposition gegenüber atemwegssensibilisierend oder hautsensibilisierend wirkenden Stoffen erforderlich ist (z.B. Glutaraldehyd H334 und H317, Formaldehyd H317). Zur Früherkennung berufsbedingter Hautschädigungen müssen Vorsorgeanlässe für Feuchtarbeit geprüft werden.
11.5 Expositionsverzeichnis
Beschäftigte, die Desinfektionsarbeiten durchführen, sind in der Regel nicht gefährdend tätig und müssen daher nicht in ein Expositionsverzeichnis aufgenommen werden. Wird jedoch mit formaldehydhaltigen Desinfektionsmitteln gearbeitet und handelt es sich im Einzelfall um die Routine- oder Schlussdesinfektion großer Flächen, zum Beispiel in Operationssälen, muss von einer gefährdenden Tätigkeit ausgegangen werden, weil folgender Sachverhalt gilt: Wird der AGW für Formaldehyd nicht eingehalten oder die Einhaltung nicht qualifiziert nachgewiesen, sind die betroffenen Beschäftigten gefährdend tätig. Sie sind dann in ein Expositionsverzeichnis aufzunehmen.
11.6 Hinweise zum Einsatz von Schwangeren und Stillenden
Schwangere Frauen dürfen nur dort eingesetzt werden, wo der AGW für Formaldehyd oder Glutaraldehyd unterschritten wird (Bemerkung Y gemäß TRGS 900).
12 Reinigungsmittel
Abb. 7 Wischen von Fußböden
Reinigungsmittel sind Produkte, mit denen sich Verunreinigungen entfernen lassen, indem man diese ablöst oder auflöst. Sie können flüssig, pulver- oder pastenförmig sein. Sie werden für den häuslichen oder gewerblichen Bereich angeboten. Beispiele für Produktgruppen sind Spülmittel, Sanitärreiniger, Grundreiniger, Unterhaltsreiniger, Glasreiniger, Teppichreiniger und Fassadenreiniger.
12.1 Gefährdung
Die ungeschützte Tätigkeit mit Reinigungsmitteln fördert die Entstehung von Haut- und Atemwegserkrankungen. Reinigungsmittel können die Haut und die Atemwege reizen und Allergien verursachen. Grundreiniger, die leicht flüchtige Stoffe wie 2-Butoxyethanol in hoher Konzentration enthalten, können eine inhalative Gefährdung darstellen. Sprühverfahren führen generell zu einer hohen Atemwegsbelastung: Werden flüssige Reinigungsmittel versprüht, entstehen in Abhängigkeit vom Verfahren kleine Flüssigkeitströpfchen, sogenannte Aerosole. Diese Aerosole können als Flüssigkeitströpfchen eingeatmet werden. Zudem verdampfen die eher gering flüchtigen Bestandteile der Reinigungsmittel aufgrund der großen Oberfläche in einer größeren Menge als bei der Reinigung mittels Scheuer- oder Wischverfahren.
Bei Produkten mit hohen Lösemittelanteilen wie Holz- und Steinpflegemitteln kann das Einatmen der Dämpfe zu Kopfschmerzen, Müdigkeit und Konzentrationsstörungen führen.
Bei Hautkontakt mit konzentrierten sauren oder alkalischen Reinigungsmitteln wie Sanitärreinigern, oder Grundreinigern und wenn Spritzer in die Augen gelangen, besteht die Gefahr von Verätzungen. Tenside und Lösemittel bewirken eine Entfettung der Haut. Einige Inhaltsstoffe wie Lösemittel können über die Haut aufgenommen werden.
12.2 Schutzmaßnahmen
Detaillierte Angaben zu Tätigkeiten mit Reinigungs- und Pflegemitteln enthalten die DGUV Regel 101-019 "Umgang mit Reinigungs- und Pflegemitteln" und WINGIS. Nachfolgend sind Schutzmaßnahmen wie auch Informationspflichten (Betriebsanweisung, Expositionsverzeichnis), arbeitsmedizinische Vorsorge und Mutterschutz zusammengefasst. Sie sind als Vorschläge zu verstehen, die im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung den betrieblichen Belangen angepasst werden müssen.
Substitution
Folgende Ersatzlösungen prüfen:
Technische Schutzmaßnahmen
Organisatorische Schutzmaßnahmen
Persönliche Schutzmaßnahmen
Augenschutz
Bei Tätigkeiten mit reizenden oder ätzenden Produkten eine Schutzbrille mit Seitenschutz oder eine dicht schließende Korbbrille verwenden, wenn mit einem Verspritzen oder Versprühen zu rechnen ist. Dies ist im Allgemeinen bei reinen Pflegemitteln für Fußböden nicht erforderlich.
Handschutz
Werden bei Reinigungstätigkeiten die Hände mit Reinigungslösung benetzt, sind Chemikalienschutzhandschuhe zu verwenden. Grundlegende Aussagen zur Auswahl geeigneter Handschuhe und zur Feuchtarbeit enthalten die Kapitel 6.1 und 10. Angaben zu den geeigneten Handschuhmaterialien und auch -fabrikaten sind unter anderem in WINGIS zu finden.
Zur großflächigen Reinigung sind Handschuhe mit verlängertem Schaft zu wählen. Die Enden umstülpen, damit keine Flüssigkeit auf die Unterarme und in die Handschuhe fließen kann (s. auch Anhang 10). Wenn Handschuhe längere Zeit getragen werden, empfiehlt sich zur Verbesserung des Tragekomforts die Verwendung von Unterziehhandschuhen zum Beispiel aus Baumwolle oder anderen Geweben mit vergleichbaren Eigenschaften (Saugfähigkeit und Hautverträglichkeit).
Atemschutz
Bei Anwendung von Reinigungsmitteln im Sprüh- oder Spritzverfahren oder beim Einsatz von Hochdruckreinigungsgeräten ist gegebenenfalls Atemschutz zu verwenden. Bei der Auswahl eines geeigneten Filters kann der Arbeitgeber die DGUV Regel 112-190 heranziehen und sich durch Produktherstellerfirmen (z.B. Angaben im Sicherheitsdatenblatt) oder Anbieterfirmen von Atemschutzgeräten beraten lassen.
Körperschutz
Bei Anwendung von Reinigungsmitteln im Sprüh- oder Spritzverfahren sprühdichte Chemikalienschutzanzüge und Gummistiefel verwenden.
12.3 Betriebsanweisung und Unterweisung
Es sind Betriebsanweisungen zu erstellen und die Beschäftigten anhand der Betriebsanweisungen arbeitsplatzbezogen zu unterweisen. Eine allgemeine Musterbetriebsanweisung für Reinigungs- und Pflegearbeiten enthält die DGUV Regel 101-019. Für bestimmte Reiniger, zum Beispiel Sanitärreiniger mit einem pH-Wert < 2 oder Grundreiniger mit einem pH-Wert > 12 oder Reiniger mit hautresorptiven oder sensibilisierenden Inhaltsstoffen, sind spezielle Betriebsanweisungen zu erstellen. Betriebsanweisungsentwürfe sind in WINGIS (www.wingisonline.de) zu finden.
12.4 Arbeitsmedizinische Vorsorge
Es ist insbesondere zu prüfen, ob Angebotsvorsorge bei Tätigkeiten mit Exposition gegenüber atemwegssensibilisierend (H334) oder hautsensibilisierend (H317) wirkenden Stoffen erforderlich ist. Zur Früherkennung berufsbedingter Hautschädigungen müssen Vorsorgeanlässe für Feuchtarbeit geprüft werden.
12.5 Expositionsverzeichnis
Nicht relevant.
12.6 Hinweise zum Einsatz von Schwangeren und Stillenden
Aus der arbeitsplatzbezogenen Gefährdungsbeurteilung ist abzuleiten, ob Gefährdungen für Schwangere oder Stillende und ihr Kind vorhanden sind.
13 Arzneimittel
Abb. 8 Bereitgestellte Fertigarzneimittel in der Apotheke
Arzneimittel werden in gesundheitsdienstlichen Einrichtungen auf unterschiedliche Art und Weise von den Beschäftigten eingesetzt. Insbesondere bei den nachfolgenden Tätigkeiten kann es zum Kontakt mit Arzneimitteln kommen:
13.1 Gefährdung
In der betrieblichen Praxis werden Arzneimittel häufig nicht als Gefahrstoffe wahrgenommen, weil sie nicht als solche gekennzeichnet werden müssen. Trotzdem können sie krebserzeugende, keimzellmutagene, reproduktionstoxische (CMR), sensibilisierende oder andere Eigenschaften haben, die bei einer inhalativen oder dermalen Aufnahme zu einer gesundheitlichen Gefährdung führen können.
Die Schrift "Arzneistoffe mit Verdacht auf sensibilisierende und CMR-Eigenschaften" (www.bgwonline.de/media/ BGW09-19-0001) hilft, Arzneimittel mit kritischen Eigenschaften zu identifizieren. Eine Liste informiert über die in Deutschland in der Antitumortherapie eingesetzten Arzneistoffe und ihre gefährlichen Eigenschaften (www. bgwonline.de/media/BGW09-19-008). Diese Informationen dienen als Vorinformation für die Gefährdungsbeurteilung und können herangezogen werden, solange keine verbindliche Einstufung vorliegt. Es finden sich weitere Informationsquellen im Literaturverzeichnis.
Die Exposition wird unter anderem von den folgenden Einflussgrößen bestimmt:
Der Wirkstoffgehalt von Fertigarzneimitteln ist in aller Regel sehr gering. Inwieweit jedoch von den Wirkstoffen beim beruflichen Umgang in der Pflege eine reale Gefährdung für die Beschäftigten ausgeht, muss von Fall zu Fall entschieden werden. Zu den besonders expositionskritischen Arbeitsschritten bei der Vorbereitung und Gabe von Arzneimitteln zählen:
Für die unterschiedlichen Gefährdungsarten gilt:
13.2 Schutzmaßnahmen
Nachfolgend sind Schutzmaßnahmen wie auch Informationspflichten (Betriebsanweisung, Expositionsverzeichnis), arbeitsmedizinische Vorsorge und Mutterschutz zusammengefasst. Sie sind als Vorschläge zu verstehen, die im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung den betrieblichen Belangen angepasst werden müssen.
Substitution
Grundsätzlich steht die Vermeidung der Exposition von Beschäftigten im Vordergrund. Eine Substitution der Wirkstoffe von Arzneimitteln ist in der Regel jedoch nicht möglich, da diese aufgrund der ärztlichen Verordnung verabreicht werden und definierten therapeutischen Zwecken dienen. Es empfiehlt sich jedoch zu prüfen, welche Art der Verabreichung möglich und im Sinne des Arbeitsschutzes am besten geeignet ist. Zum Beispiel lässt sich durch orale Tropfenverabreichung oder geeignete gut schluckbare Tablettenformen das Mörsern oder Teilen von Medikamente vor der Verabreichung vermeiden.
Technische Schutzmaßnahmen
Organisatorische Schutzmaßnahmen
Persönliche Schutzmaßnahmen
Zusätzliche Schutzmaßnahmen für CMR-Arzneimittel
Tätigkeiten mit CMR-Arzneimitteln erfordern über die allgemeinen Schutzmaßnahmen hinausgehende Maßnahmen. Ausführliche Angaben zu Schutzmaßnahmen für Tätigkeiten mit Zytostatika und Betriebsanweisungsentwürfe enthält die BGW-Schrift "Zytostatika im Gesundheitsdienst - Information zur sicheren Handhabung" (www.bgwonline.de/media/BGW09-19-042). Für andere CMR-Arzneimittel wird in den meisten Fällen eine Auswahl der darin beschriebenen Maßnahmen ausreichend sein.
Nachfolgend sind wichtige Schutzmaßnahmen für Tätigkeiten mit CMR-Arzneimitteln oder entsprechenden Verdachtsstoffen zusammengefasst:
13.3 Betriebsanweisung und Unterweisung
Es sind Betriebsanweisungen zu erstellen und die Beschäftigten anhand der Betriebsanweisungen arbeitsplatzbezogen zu unterweisen. Anhang 9 enthält einen Betriebsanweisungsentwurf für das Stellen von festen Fertigarzneimitteln.
13.4 Arbeitsmedizinische Vorsorge
Bei bestimmungsgemäßem Einsatz von Arzneimitteln ist von einer geringfügigen Exposition auszugehen, die keine Pflicht- oder Angebotsvorsorge rechtfertigt. Personen, die Tätigkeiten mit Arzneimitteln durchführen, sollte dennoch auf Wunsch eine arbeitsmedizinische Vorsorge (Wunschvorsorge) ermöglicht werden, wenn sie trotz Benutzung der vorgesehenen PSA (z.B. Schutzhandschuhe) bei ihrer Tätigkeit in größerem Umfang wirkstoffhaltigen Stäuben (z.B. beim Mörsern von Tabletten), Aerosolen (z.B. bei der Anwendung von Inhalaten) und Spritzern (z.B. bei der Applikation von Spritzen und Infusionen) ausgesetzt sind oder regelmäßig offen mit Arzneimitteln umgehen (z.B. Abwiegen und Auflösen von pulverförmigen Arzneimitteln zur Herstellung von Säften) und einen Zusammenhang von Beschwerden mit einer Belastung am Arbeitsplatz vermuten.
Auch bei Tätigkeiten mit CMR-Arzneimitteln im Gesundheitsdienst reicht es aus, den Beschäftigten eine Wunschvorsorge zu ermöglichen, wenn von einer Exposition gegenüber geringen Mengen auszugehen ist (Erläuterungen s. BGW-Schrift "Zytostatika im Gesundheitsdienst").
13.5 Expositionsverzeichnis
Bei einer regelkonformen Tätigkeit im Sinne der TRGS 525 oder der BGW-Schrift "Zytostatika im Gesundheitsdienst" mit CM-Arzneimitteln ist nicht von einer gefährdenden Tätigkeit auszugehen. Ein Eintrag ins Expositionsverzeichnis muss nicht erfolgen.
13.6 Hinweise zum Einsatz von Schwangeren und Stillenden
Eine ungeschützte Exposition gegenüber Arzneimitteln mit bestimmten gefährlichen Eigenschaften ist nicht zulässig. So dürfen etwa Schwangere nicht mit Arbeiten beschäftigt werden, bei denen sie Arzneimitteln mit CMR-Eigenschaften wie zum Beispiel Zytostatika ausgesetzt sind. Dies gilt gemäß TRGS 525 auch für Tätigkeiten mit Erbrochenem nach oraler CMR-Arzneimittelgabe und mit Urin oder Stuhl bei Hochdosistherapie.
14 Inhalationsanästhetika
Derzeit finden vorwiegend die volatilen Anästhetika Isofluran, Sevofluran und Desfluran Anwendung in der klinischen Praxis. Eine Exposition der Beschäftigten ist bei Verwendung in Operations-, Eingriffs- und Aufwachräumen oder bei Langzeitsedierungen auf der Intensivstation zu berücksichtigen. Die kombinierte Anwendung von Flurananästhetika und Distickstoffmonoxid (Lachgas) ist dagegen selten geworden. Während Distickstoffmonoxid bei operativen Eingriffen praktisch keine Bedeutung mehr hat, werden Systeme zur Lachgassedierung in Zahnarztpraxen mit zunehmender Häufigkeit eingesetzt. Die Verfahren zu klinischen und zahnmedizinischen Sedierungen unterscheiden sich dabei jedoch wesentlich. Xenon wird aus wirtschaftlichen Gründen nur vereinzelt eingesetzt.
Abb. 9 Anästhesiearbeitsplatz
14.1 Gefährdung
Die Inhalationsanästhetika Desfluran, Isofluran und Sevofluran sowie Lachgas können bei erhöhter Konzentration in der Raumluft Kopfschmerzen, frühzeitige Ermüdungserscheinungen und Konzentrationsstörungen hervorrufen. Bei hoher Exposition (in therapeutischen Dosen) ist eine Reizung der Atemwege durch Desfluran und Isofluran möglich. Bei wiederholter Einwirkung von Lachgas können zusätzlich hämatotoxische und neurologische Störungen auftreten. Beim Menschen ist eine fruchtschädigende Wirkung durch Einwirkung von Lachgas bei Einhaltung des AGWs auszuschließen (Bemerkung Y gemäß TRGS 900). Desfluran, Isofluran und Sevofluran können vermutlich die Fruchtbarkeit beeinträchtigen oder das Kind im Mutterleib schädigen (Repr. Tox. Kat. 2 gemäß CLP-Verordnung). Lediglich für Lachgas existiert ein deutscher AGW. Für Desfluran, Isofluran und Sevofluran können zur Orientierung Grenzwerte aus anderen Ländern herangezogen werden (s. GESTIS Datenbank der DGUV, Internationale Grenzwerte für chemische Substanzen, www.dguv.de, Webcode: e786829). Unabhängig von Grenzwerten besteht für alle Inhalationsanästhetika ein inhalatives Gefährdungspotenzial und somit die Pflicht, die Exposition zu minimieren. Des Weiteren sind die physikalisch-chemischen Stoffeigenschaften der Inhalationsanästhetika gemäß der Sicherheitsdatenblätter der Herstellerfirmen zu berücksichtigen. Lachgas ist brandfördernd. Desfluran, Isofluran und Sevofluran sind unter atmosphärischen Bedingungen nicht entflammbar und bilden mit Luft keine explosionsfähigen Dampf-Luft-Gemische. Unter den Rahmenbedingungen der medizinischen Anwendung, das heißt bei erhöhtem Sauerstoff- und/oder Lachgas-Anteil, können diese volatilen Anästhetika dagegen durchaus ein explosionsfähiges Gemisch im Atemkreislauf ausbilden. In der Raumluft von OP- und Aufwachräumen ist dies normalerweise nicht zu erwarten. Die Explosionsgefahren der eingesetzten Narkosegase und ihrer Mischungen sind gemäß TRGS 525 zu berücksichtigen: Während in den Geräten explosionsfähige Gemische mit reinem Sauerstoff und/oder Lachgas entstehen können, ist dieses in der Raumluft von OP-Räumen bei bestimmungsgemäßem Einsatz nicht zu erwarten.
14.2 Schutzmaßnahmen
Die Schutzmaßnahmen detailliert die TRGS 525. Werden die dort genannten technischen und organisatorischen Schutzmaßnahmen an Anästhesiearbeitsplätzen umgesetzt, ist von einer Einhaltung der Grenzwerte auszugehen. Weitere Angaben enthält die Schrift "Sicheres Arbeiten mit Anästhesiegasen".
Nachfolgend sind Schutzmaßnahmen wie auch Informationspflichten (Betriebsanweisung, Expositionsverzeichnis), arbeitsmedizinische Vorsorge und Mutterschutz für Tätigkeiten in der Allgemeinanästhesie zusammengefasst. Sie sind als Vorschläge zu verstehen, die im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung den betrieblichen Belangen angepasst werden müssen.
Substitution
Für die Allgemeinanästhesie steht in vielen Fällen als Alternative zur Inhalationsanästhesie die totalintravenöse Anästhesie (TIVA) zur Verfügung. Bei der TIVA werden Schlafmittel, Schmerzmittel und Muskelerschlaffungsmittel direkt über die Vene zugeführt. Der Patient oder die Patientin werden nur noch mit einem Luft-Sauerstoff-Gemisch beatmet. Die Beschäftigten sind demzufolge keinen Inhalationsanästhetika ausgesetzt.
Technische Schutzmaßnahmen
Organisatorische Schutzmaßnahmen
Persönliche Schutzmaßnahmen
Atemschutz
Bei einer regelkonformen Tätigkeit im Sinne der TRGS 525 ist kein Atemschutz erforderlich.
14.3 Betriebsanweisung und Unterweisung
Es sind Betriebsanweisungen zu erstellen und die Beschäftigten anhand der Betriebsanweisungen arbeitsplatzbezogen zu unterweisen. Anhang 9 enthält einen Betriebsanweisungsentwurf für Tätigkeiten mit volatilen Anästhetika. Es ist sinnvoll, gefahrstoffbezogene Betriebsanweisungen in Arbeitsanweisungen zu integrieren, die alle sicherheitstechnischen Anforderungen an Anästhesiearbeitsplätzen umfassend abhandeln. Die Unterweisungen sollen unter anderem Gerätekunde und Unterweisung in arbeitsschutzgerechter Narkoseführung beinhalten.
14.4 Arbeitsmedizinische Vorsorge
Nicht relevant.
14.5 Expositionsverzeichnis
Nicht relevant.
14.6 Hinweise zum Einsatz von Schwangeren und Stillenden
Für Lachgas liegt die Bemerkung Y gemäß TRGS 900 vor. Die Beschäftigung einer schwangeren Frau in Bereichen, in denen mit dem Auftreten von Lachgas gerechnet werden muss, ist nur dann zulässig, wenn der AGW, ermittelt gemäß TRGS 402, für diesen Gefahrstoff eingehalten wird und die Schutzmaßnahmen ausreichend sind (u. a. Operationssäle, Aufwachräume, ambulante Behandlungen). Für Isofluran, Sevofluran, Desfluran und Xenon liegen derzeit noch keine abschließenden Bewertungen der reproduktionstoxischen Eigenschaften in Bezug auf die berufsbedingte Exposition von Schwangeren und Stillenden vor. Ob in einem Bereich mit potenzieller Narkosegasbelastung während der Schwangerschaft und Stillzeit gearbeitet werden kann, bleibt daher bis auf Weiteres eine Einzelfallentscheidung. Bei der Entscheidungsfindung empfiehlt es sich, sowohl innerbetriebliche Arbeitsschutzexperten als auch den staatlichen Arbeitsschutz zu beteiligen.
15 Spezifische Gefahrstoffe in der Zahnmedizin
In der Zahnmedizin werden diverse Tätigkeiten mit Gefahrstoffen durchgeführt. Einige Zahnarztpraxen setzen Lachgas zur Sedierung von Patienten und Patientinnen ein oder Kohlendioxidschnee zur Vitalitätsprüfung. Informationen über Tätigkeiten im Praxislabor sind in Anhang 3 aufgeführt.
Bei der Füllungstherapie kommen Dentalamalgam, Komposite und Haftvermittler und bei der Bearbeitung von Zahnersatz und kieferorthopädischen Geräten Kunststoffe zum Einsatz. Gefährdungspotenzial geht von hautsensibilisierenden und irritativtoxisch wirkenden Stoffen und Dentalamalgam (Quecksilber) aus.
Die Quecksilberexposition von zahnärztlichem Personal wurde vielfach untersucht und publiziert (s. Eickmann U., Halsen G., Heinemann A., Wegscheider W."Chemische Gefährdungen im Gesundheitsdienst "Chemische Gefährdungen im Gesundheitsdienst"). Der Umfang der Amalgamverarbeitung in der Zahnmedizin ist inzwischen stark rückläufig. Amalgamfüllungen werden zwar heute noch regelmäßig entfernt, jedoch beträgt der Anteil der neu gelegten Amalgamfüllungen nur noch fünf bis acht Prozent. Zudem sind Arbeitsverfahren wie der Einsatz von Kapselamalgam etabliert, die zu einer Reduzierung der Belastung geführt haben.
Abb. 10 Politur von Zahnflächen
A Hautsensibilisierend wirkende Stoffe
Methacrylate sind in zahlreichen Kunststoffen für Zahnersatz und Prothesen enthalten, können aber auch in Produkten zur Füllungstherapie vorkommen, beispielsweise in UV-härtenden Klebern und Kompositen. Methylmethacrylat ist der Hauptbestandteil der sogenannten Monomerflüssigkeit. Die Polymerisationsreaktion setzt selbst bei optimalen Voraussetzungen nicht direkt den kompletten Monomeranteil um, sodass unausgehärtete Methacrylate, auch deren Stäube, immer auch Restgehalte der sensibilisierenden Ausgangsstoffe enthalten. Dibenzoylperoxid ist häufig ebenfalls Bestandteil von Prothesenkunststoffen (pulverförmige Ausgangsprodukte), Kompositen oder auch Haftvermittlern. Es ist in den Ausgangsprodukten in sehr geringer Konzentration vorhanden und initiiert als Radikalstarter die Polymerisation.
15.1 Gefährdung
Methylmethacrylat und Benzoylperoxid können die Haut, Schleimhaut, Augen und die Atemwege reizen und allergische Hautreaktionen verursachen (für Methylmethacrylat z.B. H315, H317, H335). Es sind AGWs einzuhalten. Methylmethacrylat ist zudem leicht entzündbar (H225). Gefährdungen sind durch dermale und inhalative Exposition gegenüber reiner Monomerflüssigkeit und unausgehärtetem Polymerisat sowie dessen Stäube bei Schleifarbeiten möglich. Diese Gefährdungen können vor allem bei zahntechnischen Arbeiten auftreten. Beispiele für Tätigkeiten mit intensivem Hautkontakt sind die Modellierung kieferorthopädischer Geräte und individueller Abformlöffel (Dauer bis zu 10 Minuten) sowie Schleifarbeiten. In der Zahnmedizin ist die Exposition geringer, da zahntechnische Arbeiten lediglich nachbearbeitet werden.
15.2 Schutzmaßnahmen
Nachfolgend werden Schutzmaßnahmen für Tätigkeiten mit hautsensibilisierenden Stoffen beschrieben. Sie sind als Vorschläge zu verstehen, die im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung den betrieblichen Belangen angepasst werden müssen. Hinweise zu Informationspflichten, arbeitsmedizinischer Vorsorge und Mutterschutz sind in Kap. 15.3 für Tätigkeiten in der Zahnmedizin zusammengefasst.
Substitution
Folgende Ersatzlösungen prüfen:
Technische und organisatorische Schutzmaßnahmen
Persönliche Schutzmaßnahmen
B Irritativtoxisch wirkende Stoffe
Beispiele für irritativtoxisch wirkende Stoffe sind starke Säuren wie Flusssäure oder Phosphorsäure oder starke Laugen wie Natriumhypochlorit. Phosphorsäure wird in Gelzubereitungen regelmäßig in der adhäsiven Füllungstherapie zur Konditionierung von Zahnschmelz verwendet. Flusssäure kommt beim Konditionieren von Glaskeramiken außerhalb des Mundes zum Einsatz. Natriumhypochlorit wird in kleinen Mengen zur desinfizierenden Spülung verwendet.
15.3 Gefährdung
Säuren und Laugen wirken konzentrationsabhängig lokal reizend oder stark ätzend, wenn sie auf die Haut oder in die Augen gelangen. Eine besondere Gefahr stellt reine Flusssäure dar, da sie rasch die Haut durchdringt und tiefere Gewebeschichten zerstört. Dies macht sich oft erst Stunden nach der Einwirkung bemerkbar. In Zahnarztpraxen wird sie in Konzentrationen bis zu fünf Prozent eingesetzt. In diesem Konzentrationsbereich sind folgende H-Sätze zu beachten: H301 Giftig bei Verschlucken, H310 Lebensgefahr bei Hautkontakt, H331 Giftig bei Einatmen, H314 Verursacht schwere Verätzungen der Haut und schwere Augenschäden und EUH071 Wirkt ätzend auf die Atemwege. Zudem besteht die Gefahr der Hautresorption. Phosphorsäure wird in Konzentrationen zwischen 15 und 37 Prozent eingesetzt. Bei Konzentrationen oberhalb von 25 Prozent sind folgende H-Sätze zu beachten: H290 Kann gegenüber Metallen korrosiv sein, H314: Verursacht schwere Verätzungen der Haut und schwere Augenschäden. Gefährdungen sind beim Umfüllen und beim versehentlichen Verschütten oder Verspritzen von Säuren und Laugen möglich.
15.4 Schutzmaßnahmen
Nachfolgend sind Schutzmaßnahmen für Tätigkeiten mit lokal ätzend wirkenden Säuren und Laugen beschrieben. Die Schutzmaßnahmen sind als Vorschläge zu verstehen, die im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung den betrieblichen Belangen angepasst werden müssen. Hinweise zu Informationspflichten, arbeitsmedizinischer Vorsorge und Mutterschutz sind für Tätigkeiten in der Zahnmedizin in Kap. 15 C zusammengefasst.
Substitution
Folgende Ersatzlösungen prüfen:
Technische und organisatorische Schutzmaßnahmen
Persönliche Schutzmaßnahmen
C Dentalamalgam (Quecksilber)
Quecksilber kann mit einigen Metallen Legierungen bilden. Diese werden Amalgame genannt. Das in der Zahnmedizin verwendete Amalgam entsteht durch das Vermischen eines Legierungspulvers aus Silber, Zinn, Kupfer und Zink mit elementarem Quecksilber zu einer plastischen Masse. Die Anteile Quecksilber und Legierung liegen bei je 50 Prozent. Die heute eingesetzten Non-Gamma-2-Amalgame erhärten nach kurzer Zeit und binden das Quecksilber dabei als intermetallische Phase ein. Nach den Vorgaben der EU-Quecksilberverordnung ist seit dem 01.01.2019 nur noch die Verwendung verkapselten Amalgams zulässig.
15.5 Gefährdung
Quecksilber ist der relevante Gefahrstoff der Dentalamalgame. Quecksilberdämpfe sind akut toxisch. Die Flüchtigkeit von metallischem Quecksilber ist jedoch im Amalgam deutlich reduziert. Wesentliche Angaben zu den gefährlichen Eigenschaften von Quecksilber und zu Grenzwerten sind in Tabelle 7 zusammengestellt. Quecksilber wird sowohl inhalativ als auch dermal aufgenommen. Quecksilber überwindet die Placenta und kann somit das Kind im Mutterleib schädigen. Diese Eigenschaft führte zur Einstufung von Quecksilber als reproduktionstoxisch Kategorie 1B und zur Zuordnung des H-Satzes 360D "Kann das Kind im Mutterleib schädigen". Zusätzlich stuft die Deutsche Forschungsgemeinschaft (MAK-Kommission) Quecksilber in der MAK- und BAT-Werte-Liste als Stoff mit möglicherweise krebserzeugender Wirkung (Kategorie 3B) und in die Schwangerschaftsgruppe D ein.
Tabelle 7: Quecksilber mit Einstufung gemäß CLP-Verordnung sowie Grenzwerte mit Spitzenbegrenzung
Stoff | CAS-Nr. | Einstufung gemäß CLP V | AGW gemäß TRGS 900 | BGW gemäß TRGS 903 |
Quecksilber | 7439-97-6 | Akute Toxizität, Kategorie 1, Einatmen; H330
Reproduktionstoxizität, Kategorie 1B; H360D Spezifische Zielorgan-Toxizität (wiederholte Exposition), Kategorie 1; H372 Gewässergefährdend, Akut Kategorie 1; H400 Gewässergefährdend, Chronisch Kategorie 1; H410 | Schichtmittelwert: 0,02 mg/m3
Überschreitungsfaktor für erhöhte Exposition: 8 | 25 μ g Hg/g Kreatinin im Urin, keine Beschränkung des Probenahmezeitpunktes |
Quelle: GESTIS-Stoffdatenbank |
Insbesondere das Ausbohren und Polieren kann aufgrund der Temperaturerhöhung an der Füllungsoberfläche kurzzeitig zu einer höheren Quecksilberdampfbildung führen. Durch den Einsatz von Kühlflüssigkeiten können sich Aerosole bilden. Ein geringfügiger Hautkontakt ist bei den folgenden Tätigkeiten möglich:
Der Umfang der Arbeiten mit Quecksilber beträgt wenige Minuten pro Zahn.
15.6 Schutzmaßnahmen
Bei Tätigkeiten mit reproduktionstoxischen und akut toxischen Stoffen gelten besondere Regelungen gemäß GefStoffV. Wird in der Zahnmedizin regelmäßig Amalgam gelegt und entfernt, muss durch eine Gefährdungsbeurteilung belegt werden, dass der AGW eingehalten ist (s. Kap. 5.1). Können Arbeitgeber für ihren Arbeitsbereich die Einhaltung der Schutzmaßnahmen sicherstellen, so ist in der Regel davon auszugehen, dass der Befund "Schutzmaßnahmen ausreichend" (TRGS 402) vorliegt. Die Schutzmaßnahmen dienen darüber hinaus dazu, die Quecksilberexposition von Beschäftigten und die Grundbelastung im Raum durch Schadstoffquellen nach dem Stand der Technik und nach EU-Quecksilberverordnung zu minimieren.
Die Hinweise zu Informationspflichten (Betriebsanweisung, Expositionsverzeichnis), arbeitsmedizinischer Vorsorge und Mutterschutz beziehen sich auch auf die weiteren Tätigkeiten in der Zahnmedizin und sind als Vorschläge zu verstehen, die im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung den betrieblichen Belangen angepasst werden müssen.
Substitution
Folgende Ersatzlösungen prüfen:
Technische Schutzmaßnahmen
Organisatorische Schutzmaßnahmen
Aufbewahrung, Lagerung und Entsorgung
Ergänzend zu den allgemeinen Hinweisen in Kapitel 6.4. gilt:
Persönliche Schutzmaßnahmen
Augenschutz
Insbesondere beim Ausbohren von Amalgamfüllungen geeignete Schutzbrille, zum Beispiel eine dicht schließende Korbbrille oder Visier verwenden.
Handschutz
Die üblichen medizinischen Einmalhandschuhe sind geeignet und zu verwenden.
Atemschutz
Die Anwendung von Mund- und Nasenschutz ist als hygienische Maßnahme bei der Behandlung von Patienten und Patientinnen üblich. Ein zusätzlicher spezieller Atemschutz ist aufgrund der ermittelten Gefährdungen und Belastungen nicht notwendig.
15.7 Betriebsanweisung und Unterweisung
Es sind Betriebsanweisungen zu erstellen und die Beschäftigten anhand der Betriebsanweisungen arbeitsplatzbezogen zu unterweisen. Bei Tätigkeiten mit hautsensibilisierend oder irritativtoxisch wirkenden Stoffen ist insbesondere auf die Gefährdung bei ungeschütztem Kontakt mit der Haut und den Augen hinzuweisen. Das Verhalten nach unfallartigen Ereignissen mit Kontakt zu starken Säuren und Laugen ist zu unterweisen. Ein Betriebsanweisungsentwurf für Tätigkeiten mit Amalgam steht auf den Internetseiten der BGW zur Verfügung (Suchworte: Zahnarzt, Quecksilber).
15.8 Arbeitsmedizinische Vorsorge
Es sind gegebenenfalls Tätigkeiten mit Exposition gegenüber einatembarem Staub, Flusssäure, atemwegs- oder hautsensibilisierenden Stoffen zu berücksichtigen (Angebotsvorsorge). Zur Früherkennung berufsbedingter Hautschädigungen müssen Vorsorgeanlässe für Feuchtarbeit geprüft werden.
In seltenen Fällen werden bei Zahnärzten, Zahnärztinnen und beim Praxispersonal Quecksilberallergien, vor allem in Form von Kontaktdermatitiden, beschrieben (s. Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin "Arbeiten unter Einwirkung von Quecksilber und seinen Verbindungen"). Auch die alternativen Füllungsmaterialien können vereinzelt Allergien bei Patienten, Patientinnen und Personal auslösen (s. Veröffentlichungen der Europäischen Kommission). Sensibilisierte Personen können schon auf sehr geringe Konzentrationen reagieren und dürfen deshalb keinen weiteren Kontakt mit den jeweiligen Stoffen haben.
Dagegen gibt es wissenschaftlich keine Evidenz dafür, dass die Verwendung von Amalgam ein Risiko für systemische Erkrankungen darstellt, wenn die Arbeiten unter den beschriebenen Schutzstandards stattfinden. Es gibt auch keine Studien, die zeigen, dass zahnärztliches Personal unter neuropsychologischen Funktionsstörungen leidet, die auf Quecksilbervergiftungen hindeuten. Gutachten der wissenschaftlichen Ausschüsse für Gesundheits- und Umweltrisiken der EU-Kommission bestätigen die Sicherheit von Dentalamalgam sowohl für Patienten und Patientinnen als auch für das Zahnarztpersonal.
15.9 Expositionsverzeichnis
Nicht relevant.
15.10 Hinweise für den Einsatz von Schwangeren und Stillenden
Um eine unverantwortbare Gefährdung zu verhindern, dürfen schwangere Frauen keiner Quecksilberbelastung ausgesetzt sein, das heißt, die arbeitsbedingte Exposition darf nicht höher als die Hintergrundbelastung sein. Die Quecksilberbelastung liegt kurzzeitig beim Ausbohren und Legen von Amalgamfüllungen oberhalb der Hintergrundbelastung. Deshalb dürfen Schwangere nicht bei solchen Tätigkeiten eingesetzt werden. Stillende Frauen dürfen mit den Tätigkeiten nur beschäftigt werden, wenn der AGW unterschritten ist.
Eine Exposition Schwangerer gegenüber Flusssäure muss ausgeschlossen werden (H301, 310, 331). Ein Risiko der Fruchtschädigung braucht bei der Einhaltung des AGW und des BGW bei einer Exposition gegenüber Methylmethacrylat oder Phosphorsäure nicht befürchtet zu werden (Bemerkung Y gemäß TRGS 900).
Weitere Beschäftigungsbeschränkungen sind bei Exposition gegenüber inhalativen Narkosegasen oder anderen unverantwortbaren Gefährdungen zu prüfen.
16 Chemikalien im Labor
Arbeitsprozesse in Laboratorien des Gesundheitsdienstes finden aus Gründen der Qualitätssicherung überwiegend unter standardisierten und oftmals automatisierten Bedingungen nach einem guten technischen Stand statt. Dies hat den positiven Effekt für den Arbeitsschutz, dass die chemischen Gefährdungen in der Regel gering oder zumindest gut einschätzbar sind. Bei der Bedienung von Automaten tritt nach allgemeiner Erfahrung keine relevante Gefährdung durch Gefahrstoffe auf. Manuelle Tätigkeiten mit Chemikalien, bei denen die chemische Gefährdung eine Rolle spielen kann, kommen jedoch noch regelmäßig vor. Dazu gehören die Versorgung der Automaten mit Chemikalien und deren Entsorgung sowie weitere Tätigkeiten, bei denen sich eine Automatisierung nicht lohnt oder für die es keine automatisierten Verfahren gibt (z.B. in der Pathologie oder in Apotheken). Die Gefährdungen können sich je nach Stoffmenge und Tätigkeit erheblich unterscheiden. Beim Einsatz entzündbarer Flüssigkeiten wie zum Beispiel Lösemitteln ist die Brand- und Explosionsgefahr zu beachten. In der Pathologie können auch Maßnahmen zur Vermeidung einer gefährlichen explosionsfähigen Atmosphäre notwendig sein (s. Kap.19). Berücksichtigt werden müssen auch die geeignete Lagerung und Entsorgung (s. Kap. 6.4).
Für die Pathologie gibt es eine Handlungshilfe zur Lagerung auf der Homepage der BGW (www.bgwonline.de/ gefahrstoffepathologie).
A Medizinisches Labor
16.1 Gefährdung
Bei der Ermittlung von medizinisch relevanten Analysewerten aus diagnostischen Patientenproben werden üblicherweise geringe Mengen an Reagenzien (ml oder µl) eingesetzt. Auch bei Arbeiten im Apothekenlaboratorium, wie beispielsweise der Prüfung von Ausgangsstoffen, werden gefährliche Stoffe in geringen Mengen verwendet. Die chemischen Expositionsrisiken sind bei automatisierten Verfahren sehr gering, bei manuellen Verfahren können sie aufgrund des möglichen Expositionsausmaßes relevant sein.
Abb. 11 Analysen mit Kleinmengen an Reagenzien
16.2 Schutzmaßnahmen
Grundvoraussetzung für den ausreichenden Schutz vor Gefahrstoffen in Laboratorien ist die Erfüllung der Anforderungen der TRGS 526 "Laboratorien", die konkretisiert wird durch die DGUV Information 213-850 "Sicheres Arbeiten in Laboratorien". Zudem sind Maßnahmen des Brandschutzes zu beachten. Berücksichtigt man die Hauptzielgruppe der TRGS 526, chemische Laboratorien mit gefährlicheren Stoffen in größeren Mengen, so ist von einem ausreichenden Schutz auch für medizinische Laboratorien auszugehen, wenn die dort beschriebenen Schutzmaßnahmen eingehalten werden. Ob geringere Schutzmaßnahmen als im chemischen Labor ausreichen, kann individuell im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung ermittelt werden. Ausführliche Informationen zu Tätigkeiten mit Laborchemikalien geben Eickmann U., Halsen G., Heinemann A. und Wegscheider W. in "Chemische Gefährdungen im Gesundheitsdienst - Hilfestellungen für die Praxis".
Nachfolgend werden einige Aspekte für Schutzmaßnahmen aufgegriffen, die in medizinischen Laboratorien relevant sind. Hinweise zu Informationspflichten, arbeitsmedizinischer Vorsorge und Mutterschutz sind für Tätigkeiten im Labor in Kap. 16 B zusammengefasst.
Substitution
Werden Gefahrstoffe für analytische Zwecke oder im Rahmen der Rezepturherstellung eingesetzt, ist die Substitution oftmals schwierig, da das gesamte Analyseverfahren darauf abgestimmt ist beziehungsweise die ärztliche Verordnung die Verwendung von Stoffen vorgibt. Dennoch ist auch im medizinischen Labor immer zu prüfen, ob weniger gefährliche Stoffe oder Verfahren eingesetzt werden können. Effektiven Schutz gegen Gefahrstoffe bietet zum Beispiel die weitgehende Automatisierung von Arbeitsprozessen in geschlossenen Systemen. Steigende Qualitätsanforderungen fördern diese Entwicklung.
Technische Schutzmaßnahmen
Bau und Ausstattung von chemischen Laboratorien erfolgen standardisiert nach einschlägigen Normen (Beispiele s. DGUV Information 213-850). Diese gelten für alle Arten von Laboratorien und sind im gesamten Umfang insbesondere für chemische Laboratorien mit größeren Gefährdungen konzipiert. Bei Laborarbeiten, wie sie in einer medizinischen Praxis, Apotheken oder einem kleinen klinischen Labor anfallen, kann ausgegangen werden von:
Im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung sollten daher normierte Schutzmaßnahmen kritisch diskutiert werden, ob sie eventuell abgeschwächt werden können. Einige Anforderungen der TRGS 526 werden nachfolgend exemplarisch diskutiert:
Organisatorische Schutzmaßnahmen
Ebenso wie bei den technischen Schutzmaßnahmen gilt auch bei den organisatorischen Schutzmaßnahmen, dass bestimmte Vorgaben der TRGS 526 in vollem Umfang gelten, andere aber im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung angepasst werden können.
Persönliche Schutzmaßnahmen
Die Auswahl der geeigneten Persönlichen Schutzausrüstungen muss den Gefährdungen angepasst erfolgen. Dies gilt für den Handschutz (z.B. Schutzhandschuhe), Schutzkleidung, den Augenschutz, den Atemschutz etc. So wird es viele Arbeitsplätze in medizinischen Laboratorien geben, in denen das Verwenden einer Schutzbrille situativ zu entscheiden ist.
B PATHOLOGIE/PATHOHISTOLOGISCHES LABOR
Abb. 12 Zuschneideplatz einer Pathologie mit Lochblechabsaugung und Zuluft im Deckenbereich
In der Pathologie werden Gewebeproben bearbeitet, die dem Patienten oder der Patientin operativ entnommen wurden. Diese Präparate werden nativ oder in Formaldehydlösung konserviert angeliefert. Die Arbeitsprozesse lassen sich aufteilen in Materialeingang, Zuschnitt und makroskopische Begutachtung, Einkapseln, Entwässern, Färben, Eindecken, mikroskopische Diagnostik. Hinzu kommt das Umfüllen von flüssigen Chemikalien zum Teil in größeren Mengen (mehrere Liter pro Vorgang). In Pathologien finden einige Arbeitsprozesse wie zum Beispiel Entwässerung und Standardfärbung der Präparatschnitte in Automaten statt. Die Automaten werden zur Beschickung und zur Entnahme der Schnitte geöffnet. Zudem müssen die Chemikalien (Lösemittel und Formaldehyd) regelmäßig manuell ausgetauscht werden. Bei diesen Tätigkeiten können inhalative und dermale Expositionen entstehen. Hinzu kommt die Brand- und Explosionsgefahr durch Lösemittel. Die Pathologie ist somit ein Laborbereich, der durch die verwendeten Chemikalien und die vielfältigen manuellen Tätigkeiten Gefährdungen für die Beschäftigten birgt.
16.3 Gefährdung
Die wesentlichen zu betrachtenden Gefahrstoffe in Laboratorien der Pathologie sind Formaldehyd und Lösemittel wie Xylol, Ethanol, 2-Propanol und Methanol. Es sind dermale und inhalative Gefährdungen zu beachten. Xylol und Methanol sind hautresorptiv.
Formaldehyd stellt aufgrund seiner gefährlichen Eigenschaften eine besondere Gefährdung dar. Der Stoff ist eingestuft als krebserzeugend, steht im Verdacht, keimzellmutagen zu sein, und ist hautsensiblisierend. Die vollständigen Angaben zu den gefährlichen Eigenschaften der konzentrierten Lösung finden sich in der Tabelle in Kapitel 11. Zudem hat Formaldehyd einen vergleichsweise geringen AGW von 0,37 mg/m3 für eine achtstündige Arbeitsschicht und einen Kurzzeitwert (Erläuterung s. Kap. 5.1) von 0,74 mg/m3 für eine 15-minütige Exposition. In Pathologien wird üblicherweise eine vierprozentige Formaldehydlösung als Fixier- und Konservierungslösung eingesetzt. Diese Lösung besteht aus 4 g Formaldehyd/100 g Lösung mit einem geringen Anteil Methanol. Metanol spielt bei der inhalativen Expositionsbeurteilung aufgrund seines vergleichsweise hohen AGWs von 130 mg/m3 keine Rolle.
Folgende Tätigkeiten können zu einer Freisetzung von Formaldehyd und/oder dermalem Kontakt führen. In den Klammern sind jeweils die potenziellen Emissionsquellen genannt:
16.4 Schutzmaßnahmen
Grundsätzlich sind auch in der Pathologie die Schutzmaßnahmen der TRGS 526 zu beachten. Spezielle Schutzmaßnahmen sind in der BGW-Schrift "Sicheres Arbeiten mit chemischen Stoffen in der Pathologie - Handlungshilfe zur Gefährdungsbeurteilung für Tätigkeiten mit Gefahrstoffen" beschrieben.
Bei Tätigkeiten mit krebserzeugenden Stoffen wie Formaldehyd gelten zudem besondere Regelungen gemäß GefStoffV. Erkenntnisse aus Untersuchungen in Pathologien zeigen, dass es beim Zuschneiden von Präparaten, Umfüllen von Formaldehydlösungen und Entsorgen der Asservate zu Formaldehydemissionen mit Überschreitung des AGWs kommen kann. Die Dämpfe der üblichen Lösemittel (Ethanol, 2-Propanol, Xylol) als Einzelstoffe stellen dagegen keine relevante inhalative Gefährdung dar. Die Emissionen sind durch die technischen Verfahren vergleichsweise niedrig, wodurch die Grenzwerteinhaltung für die Einzelstoffe in medizinischen Laboratorien derzeit problemlos möglich ist. Lösemittel können allerdings in der Summe bei ungünstigen betrieblichen Rahmenbedingungen einen nicht zu vernachlässigenden Beitrag zur Gesamtbelastung (Formaldehyd und Lösemittel) liefern. So kann trotz Einhaltung der Einzelgrenzwerte der Summengrenzwert aller Gefahrstoffe (Bewertungsindex) überschritten werden.
Die folgenden Schutzmaßnahmen zur Expositionsreduzierung und auch die Hinweise zu Informationspflichten (Betriebsanweisung, Expositionsverzeichnis), arbeitsmedizinischer Vorsorge und Mutterschutz sind als Vorschläge zu verstehen, die im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung den betrieblichen Belangen angepasst werden müssen.
Substitution
Folgende Ersatzlösungen prüfen:
Technische Schutzmaßnahmen
In Färbelaboratorien der Pathologie können geschlossene und/oder abgesaugte Automaten wie Entwässerungsautomaten, Färbeautomaten und Eindeckautomaten zur Expositionsminimierung eingesetzt werden (s. Abb. 13).
Schränke, in denen die Rückstellproben mit fixierten Organteilen aufbewahrt werden, müssen aktiv abgesaugt und passiv belüftet sein, da von einer Formaldehydemision aus undichten Probenbehältern aus zugehen ist.
Der Hautkontakt kann technisch durch Hilfsmittel, wie z.B. Objektträgerhalter bei Handfärbungen, auf ein ungefährliches Maß reduziert oder vermieden werden.
Abb. 13 Färbelabor einer Pathologie
Dies ist insbesondere bei Tätigkeiten mit hautresorptiven Lösemitteln wie z.B. Xylol relevant.
Bei Tätigkeiten mit dem Risiko einer Gefahrstofffreisetzung in die Luft, müssen technische Schutzmaßnahmen gemäß TRGS 526 sicherstellen, dass eine Gefährdung der Beschäftigten durch diese Stoffe ausgeschlossen ist.
Absaugung an Arbeitsplätzen
Abb. 14 Entsorgungsarbeitsplatz einer Pathologie mit Lochblechabsaugung und Zuluft im Deckenbereich
Werden Tätigkeiten wie Zuschneiden der Präparate, Umfüllen von Formaldehydlösung und Entsorgen der Asservate an Arbeitsplätzen ohne Absaugung durchgeführt, muss eine Grenzwertüberschreitung für Formaldehyd angenommen werden. Allenfalls bei sehr geringen Formaldehydmengen im unteren ml-Bereich und konsequenter Arbeitsplatzhygiene (s. organisatorische Schutzmaßnahmen) ist eine Grenzwerteinhaltung möglich. Absaugeinrichtungen müssen entstehende Emissionen wirksam erfassen und abführen, sodass die Grenzwerte sicher eingehalten werden und gefahrloses Arbeiten möglich ist (s. Abb. 12, 14). Die praktische Einsetzbarkeit der Systeme ist immer ausreichend zu berücksichtigen. Tabelle 8 zeigt qualitativ die Möglichkeiten ausreichender Schutzmaßnahmen in Abhängigkeit von der Tätigkeit und der Absaugung. Laborabzüge oder vergleichbare Systeme sind besser geeignet, als offene Systeme wie zum Beispiel offene Lochblech- oder Schlitzabsaugungen. Nach den vorliegenden Erfahrungen hängt die Wirksamkeit der Absaugung insbesondere vom Absaugvolumenstrom und von der Absauggeometrie am Arbeitsplatz ab.
Eine günstige Zuluftführung kann die Absaugung unterstützen und die Gefahrstoffe aus dem Atembereich der Beschäftigten fernhalten. Dies gilt auch für Arbeitsplätze zum Beispiel zur Entsorgung der Formaldehydlösung beziehungsweise der Präparate, zur Reinigung der Probenbehälter und zum Befüllen von Behältern (Probenbehälter, Vorratsbehälter). Mit hohem Absaugvolumenstrom ab circa 500 m3/h und m2 Absaugfläche ist auch bei offenen Absaugungen (z.B. Lochblechabsaugung) eine Grenzwerteinhaltung erreichbar. Halb offene Absaugungen wie Laborabzüge oder Einhausungen mit vergleichbarer Wirksamkeit lassen eine Grenzwerteinhaltung erwarten. Für beide Absaugarten gilt: Alle Gefahrstoffemissionen verursacht durch Tätigkeiten bzw. weitere Emissionsquellen müssen von der Absaugung ausreichend erfasst werden. Ein Laborabzug muss nicht zwingend nach einem Laborstandard der chemischen Industrie ausgelegt sein (z.B. nach DIN EN 14175), da bei den Tätigkeiten in Pathologien keine unkontrollierten oder expansiven Reaktionen mit Ausbruchgefahr von Gefahrstoffen zu erwarten sind. Entscheidend ist die wirksame Erfassung und Abführung der emittierten Stoffe.
Eine Luftrückführung ist für Formaldehyd nur gestattet, wenn sichergestellt ist, dass Formaldehyddämpfe umfassend abgeschieden werden, das heißt, dass kein nennenswerter Beitrag zur Grundbelastung entsteht und zurückgeführtes Formaldehyd aus dem Atembereich Beschäftigter ferngehalten wird. Von nicht mehr nennenswert kann zum Beispiel gesprochen werden, wenn die Formaldehydkonzentration in der zurückgeführten Luft weniger als 10 % des AGWs beträgt.
Die Herstellerfirma der Absauganlage soll nachweisen und bestätigen, dass ihr System im eingebauten Zustand ausreichende Schutzbedingungen gewährleistet.
Tabelle 8: Qualitative Einschätzung der inhalativen Formaldehydexposition in Abhängigkeit von der Tätigkeit und der Absaugung
Rot: Grenzwertüberschreitung wahrscheinlich
Gelb: Grenzwerteinhaltung möglich
Grün: Grenzwerteinhaltung wahrscheinlich
Quellen:
Wegscheider, Gefahrstoffe - Reinhaltung der Luft 2003 und 2020; Wegscheider et. al. Ergo-Med 2008
Raumlüftung
Zusätzlich zu Absaugmaßnahmen an Arbeitsplätzen mit Emissionsquellen ist für eine wirksame Raumlüftung zu sorgen. Die TRGS 526 nennt einen flächenspezifischen Luftvolumenstrom von 25 m3/h und m2 Laborfläche. Dies entspricht einem circa zehnfachen Luftwechsel bei 2,5 m Deckenhöhe. Der tatsächlich erforderliche Luftvolumenstrom kann nach TRGS 526 davon abweichen. Entscheidend ist das Ergebnis der Gefährdungsbeurteilung. Die Abluft in einem Raum kann über die Absaugung oder einen Laborabzug geführt werden. Die Zuluft sollte so geführt werden, dass Gefahrstoffe vom Atembereich der Beschäftigten ferngehalten werden. Dies gilt auch, wenn zum Beispiel bei passiver Zuluft Fenster und Türen geschlossen werden.
Organisatorische Schutzmaßnahmen
Persönliche Schutzmaßnahmen
Augenschutz
Wenn reizende oder ätzende Flüssigkeit verspritzen kann, zum Beispiel bei Umfülltätigkeiten oder bei der Gefahr von Glasbruch, eine geeignete Schutzbrille, zum Beispiel eine dicht schließende Korbbrille oder ein Visier verwenden. Dies gilt auch aus Infektionsschutzgründen, sofern eine Aerosolbildung oder ein Verspritzen von Blut oder Körperflüssigkeiten möglich ist, zum Beispiel bei bestimmten Präparaten beim Zuschneiden. Auch an benachbarten Arbeitsplätzen ist Augenschutz zu benutzen, wenn mit Spritzern zu rechnen ist.
Handschutz
Konkrete Beispiele für die Auswahl und den Einsatz von Handschutz sind:
Atemschutz
Das Verwenden von Atemschutz kann für kurzzeitige Tätigkeiten zum Beispiel beim Verwerfen von Asservaten erforderlich sein. Bei der Auswahl eines geeigneten Filters kann der Arbeitgeber die DGUV Regel 112-190 heranziehen und sich durch Produkthersteller (z.B. Angaben im Sicherheitsdatenblatt, Abschnitt 8) oder Anbieter von Atemschutzgeräten beraten lassen. Geeignet ist zum Beispiel bei einer Formaldehydexposition Atemschutz mit dem Filtertyp B. Als anwenderfreundlich haben sich gebläseunterstützte Atemschutzhauben erwiesen (Gebläsefiltergeräte).
16.5 Betriebsanweisung und Unterweisung
Bei Tätigkeiten im Labor sind Betriebsanweisungen zu erstellen und die Beschäftigten anhand der Betriebsanweisungen arbeitsplatzbezogen zu unterweisen.
16.6 Arbeitsmedizinische Vorsorge
In Laborbereichen kann eine Grenzwertüberschreitung für Lösemittel (Xylol, Ethanol, Methanol) durch die technischen Verfahren im Normalbetrieb ausgeschlossen werden. Deshalb müssen keine Pflichtvorsorgen für Lösemittel veranlasst werden.
Angebotsvorsorgen kommen sowohl bei Tätigkeiten mit Lösemitteln als auch Formaldehyd in Betracht, wenn eine wiederholte Exposition nicht ausgeschlossen werden kann. Beim Zuschneiden von Präparaten, Umfüllen von Formaldehydlösungen und Entsorgen der Asservate kann es zu Formaldehydemissionen mit Überschreitung des AGWs kommen. Zur Früherkennung berufsbedingter Hautschädigungen müssen Vorsorgeanlässe für Feuchtarbeit geprüft werden.
16.7 Expositionsverzeichnis
Tätigkeiten mit Formaldehyd gefährden die Gesundheit und Sicherheit, wenn der Schichtmittelwert den AGW überschreitet oder wenn die Kurzzeitwertbedingungen nicht eingehalten werden. Beispiele für derartige Tätigkeiten sind das Zuschneiden der Präparate, das Umfüllen von Formaldehydlösung oder das Entsorgen der Asservate. Eine Aufnahme in das Expositionsverzeichnis ist notwendig, wenn der Nachweis ausreichender Schutzmaßnahmen nicht erbracht werden kann. Bei anderen CM-Stoffen ohne Luftgrenzwert ist eine Aufnahme in das Expositionsverzeichnis notwendig, wenn mehr als eine nur geringe Gefährdung besteht.
16.8 Hinweise für den Einsatz von Schwangere und Stillenden
Eine Beschäftigung schwangerer Frauen mit einem CMR-Stoff ist nur möglich, wenn dieser mit der Bemerkung Y gemäß TRGS 900 versehen ist und der AGW und der BGW eingehalten werden. Ein Risiko der Fruchtschädigung braucht dann nicht befürchtet zu werden. Dies gilt in der Pathologie zum Beispiel für Formaldehyd.
17 Röntgenchemikalien
Abb. 15 Röntgenbild eines Darmes
Bei digitalen Röntgenverfahren treten keine Gefährdungen durch Gefahrstoffe auf. In einigen Arbeitsbereichen, zum Beispiel in Arzt- und Zahnarztpraxen, wird jedoch noch analog geröntgt. Die folgenden Informationen beziehen sich auf nasschemische Verfahren.
17.1 Gefährdung
Bei Tätigkeiten mit Röntgenchemikalien wie Entwicklern, Fixierern und Stoppbädern können Hauterkrankungen, zum Beispiel Hautreizungen oder Kontaktekzeme, Allergien oder auch akute Verletzungen wie Verätzungen der Haut oder der Augen auftreten. Die Konzentrate sind zudem sehr giftig für Wasserorganismen. Aus den Bädern können Dämpfe von Essigsäure sowie die Gase Ammoniak und Schwefeldioxid entweichen. Die Dämpfe und Gase können reizend auf die Atemwegsorgane wirken.
Für Hydrochinon (1,4 Dihydroxybenzol), das häufig in Entwicklern enthalten ist, besteht außerdem der Verdacht auf eine krebserzeugende und keimzellmutagenene Wirkung. Entwickler können auch Borsäure oder Dinatriumtetraborate enthalten. Die Stoffe können die Fruchtbarkeit beeinträchtigen und das Kind im Mutterleib schädigen.
Für Borsäure und Dinatriumtetraborate gelten spezifische Konzentrationsgrenzen für diese Wirkung. Die Entwickler sind als reproduktionstoxisch zu kennzeichnen, wenn zum Beispiel Borsäure in einer Konzentration größer 5,5 Prozent enthalten ist (s. Sicherheitsdatenblatt).
Eine inhalative Exposition gegenüber Hydrochinon und Borverbindungen ist hauptsächlich gegenüber Stäuben möglich. Aus der leicht alkalischen, wässrigen Entwicklerlösung verdampfen die Stoffe kaum. Ein Hautkontakt ist möglich beim Ansetzen der Lösungen, Befüllen des Verarbeitungsgerätes, bei der Verarbeitung der Röntgenfilme und der Sammlung für die Entsorgung.
17.2 Schutzmaßnahmen
Nachfolgend sind Schutzmaßnahmen wie auch Informationspflichten (Betriebsanweisung, Expositionsverzeichnis), arbeitsmedizinische Vorsorge und Mutterschutz beschrieben. Sie sind als Vorschläge zu verstehen, die im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung den betrieblichen Belangen angepasst werden müssen:
Substitution
Folgende Ersatzlösungen prüfen:
Technische Schutzmaßnahmen
Organisatorische Schutzmaßnahmen
17.3 Persönliche Schutzmaßnahmen
Augenschutz
Bei Tätigkeiten mit reizenden oder ätzenden Produkten und Spritzgefahr, zum Beispiel beim Ansetzen, Befüllen des Verarbeitungsgerätes, oder bei Reinigungsarbeiten eine geeignete Schutzbrille, zum Beispiel dicht schließen die Korbbrille, verwenden.
Handschutz
Bei möglichem Hautkontakt zu Röntgenchemikalien, zum Beispiel bei Betriebsstörungen, oder wenn zur "Rettung" des Filmes in das Bad gegriffen werden muss, geeignete Chemikalienschutzhandschuhe verwenden. Als geeignetes Handschuhmaterial nennen Herstellerfirmen unter anderem Nitrilkautschuk.
Atemschutz
Atemschutz ist in der Regel nicht erforderlich.
17.4 Betriebsanweisung und Unterweisung
Für die Tätigkeit der Röntgenentwicklung ist eine Betriebsanweisung zu erstellen und die Beschäftigten sind anhand der Betriebsanweisung arbeitsplatzbezogen zu unterweisen.
17.5 Arbeitsmedizinische Vorsorge
Es ist zu prüfen, ob Angebotsvorsorge bei Tätigkeiten mit Exposition gegenüber atemwegssensibilisierenden (H334) oder hautsensibilisierend (H317) wirkenden Stoffen (zum Beispiel Hydrochinon H317) erforderlich ist.
17.6 Expositionsverzeichnis
Nicht relevant.
17.7 Hinweise zum Einsatz von Schwangeren und Stillenden
Schwangere dürfen nicht mit Röntgenchemikalien arbeiten, die als reproduktionstoxisch gekennzeichnet sind. Nach toxikologischer Bewertung ist eine Gefährdung schwangerer Frauen durch Borsäure und Dinatriumtetraborate nur oberhalb spezifischer Schwellenkonzentrationen im Produkt möglich.
18 Sterilisationsgase und -dämpfe
Abb. 16 Vollautomatischer Gassterilisator
- nicht dargestellt - *)
Zur Sterilisation von thermolabilen Materialien kommen heute im Gesundheitswesen überwiegend Formaldehyd und Ethylenoxid zum Einsatz. Ethylenoxid wird dabei fast ausschließlich in industriellen Sterilisatoren eingesetzt, während vollautomatische Formaldehydsterilisatoren zum Beispiel in vielen Krankenhäusern Anwendung finden. Ein weiteres Verfahren zur Sterilisation bei niedrigen Temperaturen (Plasmasterilisation), bei dem Wasserstoffperoxid als Agens eingebracht wird, hat sich bisher nicht durchsetzen können.
18.1 Gefährdung
Ethylenoxid ist bei Raumtemperatur gasförmig. Es ist giftig bei Einatmen (H331). Es kann Krebs erzeugen (Kat. 1B, H350) und keimzellmutagen (Kat. 1B, H340) wirken. Die Akzeptanzkonzentration liegt bei 0,1 ppm (0,2 mg/m3). Es wirkt lokal reizend auf die Haut, auf die Atemwege und die Schleimhäute (H315, 319). Das extrem entzündbare Gas (H220) bildet mit Luft über einen weiten Konzentrationsbereich explosive Gemische. Ethylenoxid ist geruchlich schlecht wahrnehmbar.
Formaldehyd hat einen beißenden Geruch und ist auch in niedrigen Konzentrationen gut wahrnehmbar. Die zu verdampfende zwei- bis dreiprozentige Formaldehydlösung ist als krebserzeugend eingestuft und steht im Verdacht, keimzellmutagen zu sein. Die vollständigen Angaben zu den gefährlichen Eigenschaften von Formaldehyd und zum AGW sind in der Tabelle in Kapitel 11 zusammen gestellt.
18.2 Schutzmaßnahmen
Bei Tätigkeiten mit CM-Stoffen gelten besondere Regelungen gemäß GefStoffV. Detaillierte Hinweise zu den Schutzmaßnahmen finden sich in der TRGS 513. Für den Betrieb von Formaldehydgassterilisatoren im Niedertemperatur-Dampf-Formaldehyd-(NTDF)-Verfahren liegt ein Verfahrens- und Stoffspezifisches Kriterium (VSK) vor (s. TRGS 513). Wird nach TRGS 513 gearbeitet, ist sichergestellt, dass die Anforderungen der GefStoffV hinsichtlich der dermalen und inhalativen Exposition sowie der Brand- und Explosionsgefahren eingehalten werden.
Nachfolgend sind Schutzmaßnahmen wie auch Informationspflichten (Betriebsanweisung, Expositionsverzeichnis), arbeitsmedizinische Vorsorge und Mutterschutz zusammengefasst. Sie sind als Vorschläge zu verstehen, die im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung den betrieblichen Belangen angepasst werden müssen.
Substitution
Folgende Ersatzlösungen prüfen:
Das Ergebnis der Prüfung muss dokumentiert werden.
Technische Schutzmaßnahmen
Organisatorische Schutzmaßnahmen
Persönliche Schutzmaßnahmen
Augenschutz
Beim Wechsel von Ethylenoxid-Gasflaschen eine Schutzbrille mit Seitenschutz oder dicht schließende Korbbrille verwenden.
Handschutz
Beim Gasflaschenwechsel sind Lederhandschuhe, im Normalbetrieb keine Schutzhandschuhe erforderlich.
Atemschutz
In Abhängigkeit vom Ergebnis der Gefährdungsbeurteilung sind für mögliche Störfälle geeignete Atemschutzgeräte bereitzustellen, zum Beispiel mit Filtern der Klasse AX (Ethylenoxid) oder B2 (Formaldehyd) (s. auch TRGS 513).
18.3 Betriebsanweisung und Unterweisung
Es sind Betriebsanweisungen zu erstellen und die Beschäftigten anhand der Betriebsanweisungen arbeitsplatzbezogen zu unterweisen.
18.4 Arbeitsmedizinische Vorsorge
Eine Angebotsvorsorge ist notwendig, sofern eine Exposition gegenüber Ethylenoxid und Formaldehyd nicht ausgeschlossen werden kann. Dies ist der Fall, sofern
Die Grenzwerteinhaltung ist an allen relevanten Arbeitsplätzen (z.B. am Sterilisator, im Zwischenlagerbereich) zu belegen.
18.5 Expositionsverzeichnis
Eine Aufnahme der Beschäftigten in das Expositionsverzeichnis ist notwendig, wenn
18.6 Hinweise für den Einsatz von Schwangeren und Stillenden
Schwangere Frauen dürfen nur dort eingesetzt werden, wo der AGW für Formaldehyd dauerhaft unterschritten wird (Bemerkung Y gemäß TRGS 900). Eine Ethylenoxidexposition bei Schwangeren muss ausgeschlossen werden (H331, H340, H350).
19 Entzündbare Flüssigkeiten
Abb. 17 Lagerung entzündbarer Flüssigkeiten im Sicherheitsschrank (explosionsgeschützte Lagerung)
In Lagerräumen, in Apotheken, in Laboratorien und auf Stationen werden unterschiedlich große Mengen an entzündbaren Flüssigkeiten vorrätig gehalten und verwendet. Dort werden zum Beispiel alkoholische Desinfektionsmittel und diverse entzündbare Lösemittel wie Aceton, Xylol, Petrolether, Ethanol und Propanol verwendet. Deren physikalisch-chemische Eigenschaften sind hier relevant.
19.1 Gefährdung
Eine Gefahr besteht, wenn entzündbare Flüssigkeiten verdampfen, versprüht werden oder die Flüssigkeiten zum Beispiel in einem Tuch aufgesaugt sind (Dochteffekt). Die Dämpfe entzündbarer Flüssigkeiten sind stets schwerer als Luft. Sie können im Gemisch mit Luft oder mit reinem Sauerstoff entzündbare oder explosionsfähige Gemische bilden, die nach Zündung zu erheblichen Schäden führen können. Explosionsfähige Konzentrationen sind um Größenordnungen höher als die zulässigen gesundheitsrelevanten AGW. Dies wird am Beispiel der Flächendesinfektion in Kapitel 11 unter Substitution verdeutlicht.
Jede entzündbare Flüssigkeit entwickelt mit zunehmender Temperatur immer mehr Dämpfe. Die Temperatur, bei der bei entzündbaren Flüssigkeiten die Dampfkonzentration ausreicht, um das entstehende Dampf-Luft-Gemisch bei Fremdzündung, zum Beispiel durch einen Zündfunken, zu entflammen, nennt man den Flammpunkt. Besonders gefährlich sind die entzündbaren Flüssigkeiten, deren Flammpunkt im Bereich der Raumtemperatur oder niedriger ist (s. folgende Tabelle). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Raumtemperatur (Umgebungstemperatur) im Sommer auch über 30 °C ansteigen kann.
Tabelle 9: Flammpunkte entzündbarer Flüssigkeiten
Stoffe | Flammpunkt |
Ethanol 60 Gew. % | 22,5 °C |
Ethanol | 12 °C |
Aceton | - 19 °C |
(Wund-)Benzin | - 18 °C |
(Diethyl-)Ether | < -20 °C |
Xylol | 25 °C |
o-Kresol | 81 °C |
Paraffinöl | > 100 °C |
In Abhängigkeit vom Flammpunkt und Siedepunkt werden den entzündbaren Flüssigkeiten die entsprechenden H- und P-Sätze zugeordnet.
Tabelle 10: Zuordnung entzündbarer Flüssigkeiten nach Flammpunkt und Siedepunkt zu Gefahrenklassen und Gefahrenkategorien
Einstufung gemäß CLP-V | Kennzeichnung gemäß CLP-V | |||||
Gefahrenklasse | Siedepunkt (°C) | Flammpunkt (°C) | Gefahrenkategorie | Signalwort | Piktogramm | Gefahrenhinweis (H-Satz) |
Extrem entzündbar | ≤ 35 | < 23 | Entzündbare Flüssigkeit Kat. 1 | Gefahr | Flüssigkeit und Dampf extrem entzündbar (H224) | |
Leicht entzündbar | > 35 | < 23 | Entzündbare Flüssigkeit Kat. 2 | Achtung | Flüssigkeit und Dampf leicht entzündbar (H225) | |
Entzündbar | - | 23-60 | Entzündbare Flüssigkeit Kat. 3 | Achtung | Flüssigkeit und Dampf entzündbar (H226) |
Die Zündtemperatur dagegen ist die Temperatur, die die Flüssigkeit aufweisen muss, um ohne Fremdzündung zu entflammen.
Auch Flüssigkeiten mit einem höheren Flammpunkt können entzündet werden, zum Beispiel an heißen Oberflächen. Flüssigkeiten, die sich ohne Wärmezufuhr entzünden lassen, kann man am Piktogramm "Flamme" und dem Signalwort "Gefahr" erkennen (s. obige Tabelle). Der Flammpunkt einer entzündbaren Flüssigkeit ist im Sicherheitsdatenblatt in Abschnitt 9 zu finden.
Auch von kleinen Mengen entzündbarer Flüssigkeiten kann eine Gefahr ausgehen. Verdampft zum Beispiel ein Teelöffel Benzin in einem 200-Liter-Fass, dann ist das gesamte Fass mit gefährlicher explosionsfähiger Atmosphäre gefüllt. Zehn Liter eines Benzindampf-Luftgemisches stellen bei einer Raumgröße von 100 m3 und mehr eine gefährliche explosionsfähige Atmosphäre (g. e. A.) dar. Werden diese Mengen entzündet, können sie bereits zu Personen- und Sachschäden führen. Wenn die Bildung einer g. e. A. nicht vermeidbar ist, muss ein Explosionsschutzdokument erstellt werden. Berücksichtigt werden müssen auch Tätigkeiten mit Abfällen und die Reinigung. Entzündbare Flüssigkeiten können zudem häufig bei Hautkontakt durch Entfettung zu Hautschäden führen.
19.2 Schutzmaßnahmen
Handelt es sich um laborübliche Mengen, sind die Anforderungen der TRGS 526 und der DGUV Information 213-850 zu beachten. Werden größere als laborübliche Mengen verwendet, wie es z.B. in Apotheken oder in der Pathologie möglich ist, so sind im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung gegebenenfalls zusätzliche Schutzmaßnahmen (erhöhter Luftwechsel) festzulegen. Ob Zonen explosionsfähiger Atmosphäre auszuweisen sind und welche Schutzmaßnahmen und Dokumentationspflichten dann relevant sind, hängt vom Einzelfall ab. Liegt die Anwendungstemperatur sicher 15 °C unter dem Flammpunkt, ist keine Zoneneinteilung erforderlich. Beim Versprühen oder Vernebeln besteht jedoch immer die Gefahr der Bildung eines explosionsfähigen Gemisches.
Umfangreiche Informationen zu entzündbaren Flüssigkeiten und eine Anleitung für die Erstellung eines Explosionsschutzdokumentes gibt es auf der Webseite der BGRCI (www.bgrci.de) unter den Stichworten "entzündbare Flüssigkeiten" oder "Explosionsschutzdokument" zu finden. Hinweise finden sich zudem in Punkt 2 "Brennbare Flüssigkeiten" der Beispielsammlung zur DGUV Regel 113-001.
Die folgenden Schutzmaßnahmen und Hinweise zu Betriebsanweisungen sind als Vorschläge zu verstehen, die im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung den betrieblichen Belangen angepasst werden müssen.
Substitution
Entzündbare Stoffe oder Gemische sind, wenn betrieblich möglich, durch Produkte zu ersetzen, von denen insgesamt eine geringere Gefährdung ausgeht. Beispiele aus der Pathologie, Histologie und Desinfektion sind:
Technische Schutzmaßnahmen
Organisatorische Schutzmaßnahmen
Persönliche Schutzmaßnahmen
Beim Umfüllen von Lösemitteln ist Hautkontakt zu vermeiden. Die persönlichen Schutzmaßnahmen sind auf die einzelnen entzündbaren Flüssigkeiten entsprechend ihren Zusatzgefahren abzustimmen. Wegen ihrer Löse- und Durchdringungsfähigkeit ist besondere Sorgfalt bei der Auswahl der Schutzhandschuhmaterialien zu legen (s. Abschnitt 8 Sicherheitsdatenblatt). Ungeeignet sind in jedem Fall Handschuhe aus PVC und Latex. Als Spritzschutz sind Einmalhandschuhe aus Nitrilkautschuk geeignet.
19.3 Betriebsanweisung und Unterweisung
Bei Tätigkeiten mit entzündbaren Flüssigkeiten sind Betriebsanweisungen zu erstellen und die Beschäftigten anhand der Betriebsanweisungen arbeitsplatzbezogen zu unterweisen.
20 Medizinische Gase - gasförmig und flüssig
Im Gesundheitsdienst finden unterschiedliche medizinische Gase Anwendung, deren physikalisch-chemischen Eigenschaften hier relevant sind:
Abb. 18 Flüssigstickstoff-Lagerbehälter
20.1 Gefährdung
Bei Tätigkeiten mit tiefkalt verflüssigten Gasen wie zum Beispiel flüssigem Stickstoff oder Kohlendioxid besteht neben der Gefahr von Kaltverbrennungen durch Verspritzen auch akute Erstickungsgefahr durch das verdampfende Gas. Ein Liter flüssiger Stickstoff entspannt sich bei Raumtemperatur zu 700 Liter gasförmigem Stickstoff und ein Kilogramm Trockeneis zu circa 0,5 m3 gasförmigem Kohlendioxid. Eine zusätzliche Gefahr besteht in schlecht belüfteten Räumen, wenn verdampfendes Gas schleichend austritt. Bei Kohlendioxidversorgten Brutschränken ist ebenfalls mit möglichem Gasaustritt zu rechnen.
Lachgas oxidiert heftig organische Stoffe. Auf heißen Oberflächen zersetzt es sich und wirkt dadurch brandfördernd.
Bei erhöhter Sauerstoffkonzentration besteht eine erhöhte Brandgefahr. Es ändert sich das Brennverhalten von Stoffen. Jede Verbrennung wird um ein Vielfaches schneller und heißer (Gefahr offener Flammen, heißer Oberflächen). Öle und Fette können sich selbst entzünden. Dafür reicht der Kontakt mit öligen oder fettigen Händen aus.
Eine Gefährdung besteht auch durch den möglichen Zerknall von Druckgasflaschen bei Bränden.
20.2 Schutzmaßnahmen
Detaillierte Informationen zu den Schutzmaßnahmen bei Tätigkeiten mit den jeweiligen Gasen finden sich im Fachwissen-Portal der BGRCI (www.bgrci.de, Seiten ID: #1R7K), Navigation "Gase unter Druck" und auf den Internetseiten des Industriegaseverbandes (www.industriegaseverband. de). Die Explosionsgefahren sind gemäß Punkt 1 "Brennbare Gase, Dämpfe und Nebel" der Beispielsammlung zur DGUV Regel 113-001 zu berücksichtigen. Laboratorien sind grundsätzlich entsprechend der TRGS 526 mit achtfachem Luftwechsel zu betreiben. Lagerräume für flüssigen Stickstoff oder Kohlendioxid sind zusätzlich mit Sauerstoffsensoren auszustatten.
Die folgenden Schutzmaßnahmen und Hinweise zu Betriebsanweisungen sind als Vorschläge zu verstehen, die im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung den betrieblichen Belangen angepasst werden müssen. Schutzmaßnahmen beim innerbetrieblichen Transport sind in Kapitel 6.4 aufgeführt.
Substitution
Aufgrund der spezifischen Nutzung ist eine Substitution in der Regel nicht möglich. Für die Vitalitätsprüfung in der Zahnmedizin können alternativ zum Beispiel Kältesprays eingesetzt werden.
Organisatorische Maßnahmen
Persönliche Schutzmaßnahmen
Bei Tätigkeiten mit flüssigem Stickstoff oder Trockeneis sind immer geeignete Schutzbrille, Gesichtsschutz und Kälteschutzhandschuhe zu benutzen, beim Gasflaschenwechsel Lederhandschuhe.
20.3 Betriebsanweisung und Unterweisung
Es sind Betriebsanweisungen zu erstellen und die Beschäftigten anhand der Betriebsanweisungen arbeitsplatzbezogen zu unterweisen.
21 Chirurgische Rauchgase
Abb. 19 Elektrochirurgie
Durch den Einsatz von Lasern und elektrochirurgischen Verfahren kann es in Operationsbereichen zu einer intensiven Exposition gegenüber Pyrolyseprodukten, den chirurgischen Rauchgasen, kommen. Sie stellen eine Mischung aus gas- und dampfförmigen, flüssigen und festen Substanzen dar, die verschiedene Gefahrstoffeigenschaften mit lokaler, systemischer, reversibler und irreversibler Wirkung aufweisen. Zudem führt die thermische Zersetzung von Gewebe zu einer intensiven Geruchsentwicklung. Chirurgische Rauchgase können auch biologisch aktive Bestandteile (Zellen, Zellreste, Viren etc.) enthalten. Weitere Informationen finden sich auf der Homepage der BGW unter dem Suchwort "Chirurgische Rauchgase".
21.1 Gefährdung
Rauchgase bestehen aus einer großen Zahl gas- oder dampfförmiger Substanzen wie zum Beispiel Benzol, Toluol, Ethylbenzol, Xylol, Cyanwasserstoff, Formaldehyd oder auch polyzyklischen aromatischen Verbindungen (PAK), zudem aus anorganischen Schadstoffen wie Kohlenstoffoxide (CO, CO2), Schwefel- und Stickstoffoxide sowie Ammoniak. Jede dieser Komponenten kann konzentrations- und dosisabhängig diverse toxische Wirkungen zeigen, dazu gehören Reizungen, Sensibilisierungen der Haut und/oder der Atemwege sowie CMR-Effekte.
Rauchgaspartikel haben einen Partikeldurchmesser von 1 nm bis zu 300 µm, mit einem großen Anteil an Partikeln im Nanobereich (< 100 µm). Sie dringen tief in die Atemwege ein, sind aber nicht biobeständig.
Chirurgische Rauchgase können zudem intakte Zellen, Zellfragmente, Blutzellen und virale DNA-Fragmente transportieren, sodass eine Infektionsgefahr bestehen kann.
Während im Tierversuch unter Laborbedingungen diverse gesundheitsschädigende Effekte der chirurgischen Rauchgase nachgewiesen werden konnten, konnte am Menschen bisher kein epidemiologischer Nachweis, zum Beispiel von Bronchus-Karzinomen, geführt werden. Unspezifische Symptome (Atemwegs- und Augenreizungen, Kopfschmerzen), eine erhöhte Warzenhäufigkeit bei chirurgisch tätigen Dermatologen und einzelne Infektionen (Papillomatosen) wurden bei den Beschäftigten im OP allerdings nachgewiesen (s. IVSS-Schrift "Chirurgische Rauchgase - Gefährdungen und Schutzmaßnahmen", www.bgwonline.de).
21.2 Schutzmaßnahmen
Eine messtechnische Beurteilung der Exposition der Beschäftigten bietet sich nicht an, da chirurgische Rauchgase ein Vielkomponentengemisch darstellen, das nur in seiner Gesamtheit bewertet werden kann. Einzelkomponenten des Rauches, für die ein AGW existiert (z.B. Toluol, Xylol), sind stets weit unterhalb der Grenzwerte gemessen worden. Die Höhe der Rauchgasentwicklung ist von vielen Faktoren abhängig, die durch die Gerätetechnik und die Anwendung beeinflusst werden kann.
Detaillierte Hinweise zu geeigneten Schutzmaßnahmen und zur Beurteilung der Exposition bei Tätigkeiten mit Chirurgischen Rauchgasen finden sich in der TRGS 525 und in der IVSS-Schrift.
Nachfolgend sind Schutzmaßnahmen wie auch Informationspflichten (Betriebsanweisung, Expositionsverzeichnis), arbeitsmedizinische Vorsorge und Mutterschutz zusammengefasst. Sie sind als Vorschläge zu verstehen, die im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung den betrieblichen Belangen angepasst werden müssen.
Substitution
Bereits vor der Nutzung elektrochirurgischer oder Laserverfahren anhand bestimmter Kriterien kritische Faktoren für den Einsatz dieser Verfahren abwägen. Hierzu können besondere biologische Gefährdungen (bakterielle oder virale Gefährdungen) oder mangelnde technische Ausrüstungen der Behandlungsräume (z.B. fehlende Lüftungen) gehören.
Technische Schutzmaßnahmen
Organisatorische Schutzmaßnahmen
Die Beschäftigten sind im Rahmen der Einweisung und Unterweisung gemäß Verordnung über das Errichten, Betreiben und Anwenden von Medizinprodukten (MPBetreibV) und GefStoffV insbesondere über die Entstehungsmechanismen des Rauches und die Möglichkeiten der raucharmen Benutzung der Geräte zu informieren.
Persönliche Schutzmaßnahmen
Bei chirurgischen Tätigkeiten mit Exposition gegenüber Rauchgasen sind die üblichen persönlichen Schutzmaßnahmen anzuwenden, die sich aus Hygieneanforderungen ergeben. Zusätzlich kann noch Handschutz und Atemschutz erforderlich werden.
Handschutz
Falls an Einrichtungen, die der Reduzierung der Belastung durch chirurgische Rauchgase dienen, Filter gewechselt werden müssen, medizinische Einmalhandschuhe verwenden.
Atemschutz
In Abhängigkeit vom Ergebnis der Gefährdungsbeurteilung ist zu entscheiden, ob partikelfiltrierende Atemschutzmasken (FFP2) gemäß DIN EN 149 zu verwenden sind. Mögliche Gründe sind:
21.3 Betriebsanweisung und Unterweisung
Es sind Betriebsanweisungen zu erstellen und die Beschäftigten anhand der Betriebsanweisungen arbeitsplatzbezogen zu unterweisen.
21.4 Arbeitsmedizinische Vorsorge
Die Anlässe für Pflicht- und Angebotsvorsorge sind abschließend im Anhang 1 der ArbMedVV definiert. Wunschvorsorge muss auf Verlangen der Beschäftigten immer dann ermöglicht werden, wenn Gefährdungen nicht durch eine Gefährdungsbeurteilung ausgeschlossen werden können.
21.5 Expositionsverzeichnis
Nicht relevant.
21.6 Hinweise für den Einsatz von für Schwangeren und Stillenden
Es besteht gegebenenfalls eine Exposition gegenüber Gemischen von krebserzeugenden Stoffen. Für Schwangere besteht zum Beispiel ein Expositionsverbot gegenüber Gemischen, die einen Benzolgehalt höher als 0,1 Prozent haben (H350, H340). Der Benzolgehalt am Arbeitsplatz darf die Hintergrundbelastung nicht übersteigen. Im Fall von Rauchgasen im Operationssaal ist eine Überschreitung von Luftgrenzwerten nach bisherigem Wissensstand unwahrscheinlich (s. IVSS-Schrift "Chirurgische Rauchgase").
22 Sonstige Rauchgase
Abb. 20 Moxakasten in Betrieb
Sonstige Rauchgase können bei der Moxibustion, einer Wärmebehandlung im Rahmen der traditionellen chinesischen Medizin (TCM), entstehen. Hinweise zum Ablauf der Moxibustion im Rahmen der TCM finden sich auf der Homepage der BGW unter dem Suchwort: Moxibustion.
Die Untersuchung der Verbrennungsprodukte von Beifußkraut, das zur Moxibustion, eingesetzt wird, ergab Emissionen, die mit den bekannten Verbrennungsprodukten in Tabakrauch vergleichbar sind. Flüchtige Substanzen wie Benzol, Toluol, Acetaldehyd, Acrolein, Aceton und 1,3-Butadien werden freigesetzt. Hinzu kommen sehr hohe Partikelanzahlkonzentrationen von bis zu 1 Mio. Partikel/cm3.
22.1 Gefährdung
Die Gefährdung durch bei der Moxibustion entstehende Rauchgase ist vergleichbar mit der Gefährdung durch chirurgische Rauchgase (s. Kap. 21). Allein die Infektionsgefährdung entfällt, da Kräuter und keine menschlichen oder tierischen Gewebe verbrannt werden.
22.2 Schutzmaßnahmen
Eine messtechnische Beurteilung der Exposition der Beschäftigten bietet sich auch im Falle der Moxibustion nicht an, da ein komplexes Vielstoffgemisch vorliegt. Detaillierte Hinweise zu geeigneten Schutzmaßnahmen für Tätigkeiten mit Rauchgasen bei der Moxibustion finden sich in der TRGS 525.
Nachfolgend sind Schutzmaßnahmen wie auch Informationspflichten (Betriebsanweisung, Expositionsverzeichnis), arbeitsmedizinische Vorsorge und Mutterschutz zusammengefasst. Sie sind als Vorschläge zu verstehen, die im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung den betrieblichen Belangen angepasst werden müssen.
Substitution
Vor Behandlungen mit einer Entstehung von Pyrolyseprodukten prüfen, ob es Behandlungsmethoden mit vergleichbarer Wirksamkeit gibt, die die Beschäftigten nicht oder nur in geringerem Maße mit Pyrolyseprodukten belasten. Beispiele:
Technische Schutzmaßnahmen
Organisatorische Schutzmaßnahmen
Die Beschäftigten dürfen sich nur so kurz wie möglich in verrauchten Bereichen aufhalten.
Persönliche Schutzmaßnahmen
Nicht relevant.
22.3 Betriebsanweisung und Unterweisung
Es sind Betriebsanweisungen zu erstellen und die Beschäftigten anhand der Betriebsanweisungen arbeitsplatzbezogen zu unterweisen.
22.4 Arbeitsmedizinische Vorsorge
Die Anlässe für Pflicht- und Angebotsvorsorge sind abschließend im Anhang 1 der ArbMedVV definiert. Wunschvorsorge muss auf Verlangen der Beschäftigten immer dann ermöglicht werden, wenn Gefährdungen nicht durch eine Gefährdungsbeurteilung ausgeschlossen werden können.
22.5 Expositionsverzeichnis
Nicht relevant.
22.6 Hinweise für den Einsatz von Schwangeren und Stillenden
Es besteht gegebenenfalls eine Exposition gegenüber Gemischen von krebserzeugenden Stoffen. Für Schwangere besteht zum Beispiel ein Expositionsverbot gegenüber 1,3 Butadien (H350, H340) oder Benzolgemischen, die einen Benzolgehalt höher als 0,1 Prozent haben (H350, H340). Der Benzolgehalt am Arbeitsplatz darf die Hintergrundbelastung nicht übersteigen. Eine Überschreitung von Luftgrenzwerten ist, ähnlich wie bei chirurgischen Rauchgasen, nach bisherigem Wissensstand unwahrscheinlich.
23 Weitere Gefahrstoffe
Im Gesundheitsdienst können eine Reihe weiterer Gefahrstoffe von Bedeutung sein. Die folgenden Kurzinformationen zu einer Auswahl weiterer Gefahrstoffe bieten Unterstützung bei der Gefährdungsbeurteilung und der Formulierung von Schutzmaßnahmen.
A Knochenzemente
Knochenzemente werden in der Orthopädie und Unfallchirurgie zur Verankerung künstlicher Gelenke (sogenannter Endoprothesen) eingesetzt. Knochenzemente sind Zweikomponentensysteme aus festem Zementpulver und flüssigem Monomer, die während der Verarbeitung zu einer pastösen Masse vermischt werden und dann polymerisieren und aushärten. Ähnliche Kunststoffe werden in kleineren Mengen auch in der Zahnmedizin verwendet (s. Kap. 15 A). Es handelt sich bei Knochenzement um ein Medizinprodukt beziehungsweise um ein Kombinationsprodukt, wenn Arzneimittel wie Antibiotika beigemischt sind. Diese Produkte sind von den gefahrstoffrechtlichen Kennzeichnungs- und Verpackungsvorschriften der CLP-Verordnung ausgenommen (s. Kap. 2). Tätigkeiten mit Knochenzement können das Anmischen, das intraoperative Einbringen von frisch angemischtem Material und der Ausbau oder die Abtragung alter Prothesen sein.
23.1 Gefährdung
Die beiden Komponenten der Knochenzemente enthalten jeweils Bestandteile mit gefährlichen Stoffeigenschaften. Methylmethacrylat ist der Hauptbestandteil der Monomerflüssigkeit. Dibenzoylperoxid ist in sehr geringer Konzentration als Radikalstarter enthalten. Die gefährlichen Eigenschaften der Inhaltsstoffe sind in Kapitel 15 A beschrieben.
Gefährdungen sind durch dermale und inhalative Exposition gegenüber der reinen Monomerflüssigkeit sowie unausgehärtetem Polymerisat und dessen Stäube möglich. Bei der Revision von Knochenzementprodukten können zudem während der Entfernung des Knochenzementes Stäube und Rauchgase entstehen.
23.2 Schutzmaßnahmen
Empfehlenswert sind die folgenden Schutzmaßnahmen, die im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung den betrieblichen Belangen angepasst werden müssen.
Technische Schutzmaßnahmen
Organisatorische Schutzmaßnahmen
Persönliche Schutzmaßnahmen
B Kunststoffverbände
Kunststoffverbände (Castverbände) kommen in der Medizin als Alternative zu Gipsverbänden zur Ruhigstellung von Gliedmaßen z.B. bei Knochenbruchbehandlungen vermehrt zum Einsatz. Das dehnbare Trägergewebe besteht aus Glasfasern oder Polyester und ist mit einem Kunststoffharz beschichtet, das durch Luftfeuchtigkeit oder Wasser aktiviert wird. Der Verband wird direkt aus der Verpackung angelegt und härtet innerhalb von 30 Minuten durch Luftfeuchte aus. Der Aushärtevorgang kann durch Befeuchten mit Wasser beschleunigt werden. Die Verbände enthalten monomere Isocyanate, die beim Anlegen vor der Aushärtung freigesetzt und über die Haut und die Atemwege aufgenommen werden können. Monomere Isocyanate sind sehr wirksame Allergene und können Allergien beim Pflegepersonal auslösen. In diesem Zusammenhang wesentlich sind Diphenylmethandiisocyanate (MDI). Ihnen sind mehrere gefährliche Eigenschaften zuzuordnen, beispielhaft 4,4-MDI (Diphenyl methan-4,4'-diisocyanat) (Quelle: GESTIS-Stoffdatenbank):
Ausgehärtete Kunststoffe enthalten polymere Isocyanate, die unter normalen Umgebungsbedingungen nicht freigesetzt werden.
Üblicherweise verwendete Kunststoffverbände enthalten zwischen zwei und vier Massenprozent reaktiver Isocyanat-Gruppen, zusammensetzt aus monomeren und polymeren MDI. Messtechnische Untersuchungen der BGW haben gezeigt, dass bei geringer Lüftung und zwei parallel angelegten Castverbänden an einem Arbeitsplatz (worst case) über die Applikationsdauer von 15 Minuten Konzentrationen für 4,4'-MDI von maximal 0,00032 mg/m3 in der Atemluft der Beschäftigten auftraten. Diese Konzentration lag unter einem Prozent des AGWs von 0,05 mg/m3. Der AGW ist vorrangig ein Schwellenwert zum Schutz gegen die Augen- und Atemwegsreizungen. Ob die gefundenen Spurenkonzentrationen eine Relevanz bezüglich der atemwegsensibilisierenden Wirkung von 4,4'-MDI haben, kann durch die Konzentrationsmessungen nicht beurteilt werden. Eine arbeitsmedizinischtoxikologische Einschätzung für die Festlegung eines Schwellenwerts zum Schutz gegen allergische oder krebserzeugende Wirkungen gibt es derzeit noch nicht. Gegen die dermale Belastung sind geeignete Schutzhandschuhe zu verwenden. TRGS 430 "Isocyanate - Gefährdungsbeurteilung und Schutzmaßnahmen" enthält hierzu Hinweise. Einige Herstellerfirmen empfehlen Untersuchungshandschuhe aus Nitril.
C Stickstoffmonoxid zur intensivmedizinischen Behandlung
Beim Einatmen von Stickstoffmonoxid (NO) in erhöhter Konzentration besteht die Gefahr einer akut toxischen Wirkung sowie von Schleimhautreizungen. Die Reizwirkung ist dabei auf Stickstoffdioxid (NO2) zurückzuführen, das sich aus Stickstoffmonoxid mit Sauerstoff bildet. Zudem sind die physikalischen Eigenschaften zu beachten. Es handelt sich um ein Gas unter Druck, das bei Erwärmung explodieren kann. Es kann Brand verursachen oder verstärken.
Stickstoffmonoxid wird zur intensivmedizinischen Behandlung bei Patienten und Patientinnen mit pulmonalen und kardialen Störungen angewandt. Die Behandlung wird vom Neugeborenenalter bis zum Erwachsenenalter durchgeführt. Die Behandlungsdauer liegt zwischen einigen Stunden und mehreren Tagen. Stickstoffmonoxid liegt als Ausgangsgemisch mit 800 ppm in Stickstoff in einer Gasflasche vor. Die Verdünnung mit Sauerstoff auf die für den Patienten und die Patientin geeignete Anwendungskonzentration erfolgt über eine NO-Versorgungseinheit. In der Regel liegt die applizierte Stickstoffmonoxidkonzentration zwischen 5 und 20 ppm NO in Sauerstoff. Durch den beigemischten Sauerstoff entsteht unvermeidlich auch Stickstoffdioxid. Die zugeführte NO-Konzentration wird an der NO-Versorgungseinheit eingestellt und automatisch geregelt. Die Stickstoffmonoxidapplikation erfolgt bei beatmeten Patienten und Patientinnen über einen intratracheal liegenden Tubus, bei spontan atmenden Patienten und Patientinnen erfolgt die Applikation über eine Sauerstoffbrille oder High-Flow-CPAP-Brille. Dabei handelt es sich um eine offene Nasenmaske mit zwei Kanülen, die in die Nase eingeführt werden. Stickstoffmonoxidemissionen können zu einer Exposition der Beschäftigten führen.
Es gibt zwei grundsätzlich verschiedene Emissionsquellen:
Bei der Vorbereitung der Behandlung traten kurze NO-Emissionsspitzen durch das Spülen der Geräte mit dem konzentrierten NO/N2-Gemisch auf. Aufgrund der Dauer (wenige Sekunden) und der geringen Häufigkeit dieses Vorgangs (nur beim Anschluss des Patienten oder der Patientin) wird davon ausgegangen, dass diese Emissionen nicht zu einer wesentlichen Belastung führen. Dennoch können diese Belastungsspitzen vermieden werden, wenn zum Beispiel das Spülgas über einen verlängerten Schlauch zu einer Abluftöffnung geführt wird.
Untersuchungen der BGW bei der Beatmung sowohl mit Tubus als auch mit Sauerstoffbrille von wenige Wochen alten Kindern konnten Stickoxide nicht nachweisen. Die über eine Dauer von mehreren Stunden am Patientenbett ermittelten Messergebnisse lagen unter der Bestimmungsgrenze des eingesetzten Messsystems von circa fünf Prozent des MAK-Wertes von Stickstoffmonoxid (Luftgrenzwert von 0,63 mg/m3 als Empfehlung der MAK-Kommission der Deutschen Forschungsgemeinschaft). Der Stickstoffmonoxid-AGW von 2,5 mg/m3 wird unterschritten. Stickstoffdioxid konnte ebenfalls nicht nachgewiesen werden und lag naturgemäß in noch geringerer Konzentration vor. Auch für NO2 kann daher von einer Unterschreitung des AGWs von 0,95 mg/m3 ausgegangen werden.
Aufgrund des gesamten Arbeitsverfahrens kann eine Leckage während der Vorbereitungen und der Applikation nicht ausgeschlossen werden. Die vorliegenden Messungen haben aber gezeigt, dass die Belastungen durch Stickstoffmonoxid und Stickstoffdioxid bei der Patientenversorgung, zumindest bei Babys, sehr gering sind.
D Raumbeduftung
Im Gesundheitsdienst werden zum Teil Produkte zur Raumbeduftung, auch Geruchsneutralisierer genannt, eingesetzt. Die Produkte können in Flaschen oder Verdunsterboxen zur Anwendung kommen oder über Anlagen versprüht werden. Räucherkerzen, Räucherstäbchen und Duftöle werden erhitzt. Zur Raumbeduftung liegen Empfehlung des Umweltbundesamtes (www.umweltbundesamt.de/publikationen/duftstoffechemischebegleiterdesalltags) und ein Artikel (Thullner I."Duftstoffe - des einen Lust, des anderen Frust") vor.
23.3 Gefährdung
Düfte können das Wohlbefinden steigern, aber auch die Gesundheit empfindlicher Personen beeinträchtigen. In der Regel handelt es sich bei Duftstoffen um Stoffgemische von unterschiedlicher Zusammensetzung. Eine Reihe von ihnen ist hautsensibilisierend. Viele sind hinsichtlich ihrer Effekte auf die Gesundheit oder Umwelt nicht ausreichend untersucht. Ein Hautkontakt ist bei Tätigkeiten wie dem Befüllen der Behältnisse möglich oder auch durch indirekte Einwirkung, wenn Produkte im Raum versprüht werden. Bei Tätigkeiten mit hautsensibilisierenden Produkten greift die GefStoffV.
Jeder, der sich in bedufteten Räumen aufhält, atmet die Stoffe zudem ein, ohne selbst Einfluss hierauf nehmen zu können. Beim Erhitzen von Räucherkerzen oder Räucherstäbchen können sich Zersetzungsprodukte bilden, die dann zusätzlich in der Raumluft vorkommen. Eine Beduftung kann zudem zu einer eingeschränkten Geruchswahrnehmung führen. Gerüche, die auf einen Gefahrfall, zum Beispiel Chemikalienfreisetzung oder Rauchentwicklung, aufmerksam machen, können gegebenenfalls nicht frühzeitig erkannt werden.
23.4 Maßnahmen
E Nanopartikel und ultrafeine Partikel
Unter Nanopartikeln versteht man industriell hergestellte Teilchen, die einen Partikeldurchmesser von weniger als ein Zehntausendstel Millimeter beziehungsweise 100 Nanometer (nm) aufweisen. Solche Partikel können allein aufgrund ihrer Abmessungen die Wände menschlicher Zellen und auch die Blut-Hirn-Schranke durchdringen. Definitionsgemäß sind sie inert und reagieren chemisch nicht mit anderen Substanzen.
Ultrafeine Partikel weisen die gleichen Eigenschaften auf, sie entstehen allerdings eher zufällig bei staubenden Tätigkeiten oder als Rauch bei Verbrennungsprozessen.
So weisen chirurgische Rauchgase eine Partikelfraktion auf, die kleiner als 100 nm ist (vgl. Kap. 21).
Auch bei Tätigkeiten im Gesundheitsdienst können nanoskalige Partikel entstehen: zum Beispiel beim Schleifen von Prothesen in der Dentaltechnik oder bei der Elektrochirurgie oder der Laserchirurgie. Werden Produkte eingesetzt, in denen herstellerseitig Nanopartikel verarbeitet wurden, können im Einzelfall Teile davon wieder freigesetzt werden.
In der täglichen Praxis ist es kaum möglich, zu erkennen, ob ein verwendetes Produkt Nanopartikel enthält. Ebenso ist es quasi nicht möglich, in der Praxis die Expositionshöhe gegenüber diesen Partikeln zu ermitteln oder zu erkennen. Aktuell ist die Bewertung der Wirkung von Nanopartikeln noch Gegenstand der Forschung. Grundsätzlich können in der Arbeitspraxis alle Maßnahmen zur Staubminderung auch eine Belastung gegenüber nanoskaligen Partikeln reduzieren.
Literatur | Anhang 1 |
Gesetze und Verordnungen
Bezugsquelle:
z.B. www.gesetzeim-internet.de, www.baua.de
Arbeitsmedizinische und Technische Regeln
Vorschriften, Regeln und Informationen
Bezugsquellen:
die zuständigen Unfallversicherungsträger und unter www.dguv.de/publikationen
Vorschriften und Regeln
Informationen
Normen
Bezugsquelle:
Beuth-Verlag GmbH, www.beuth.de
Sonstige Schriften
Bezugsquelle:
Buchhandel (oder Herausgeber), Reporte und BG/ BIA-Empfehlungen zur Überwachung von Arbeitsbereichen unter www.dguv.de/ifa
Online-Datenbanken und Informationen im Internet
Gefahrstoffrechtliche Regelungen und Informationen | Anhang 2 |
Die normativen Vorgaben zum Inverkehrbringen und zum sicheren Umgang mit Gefahrstoffen sind heute weitgehend auf europäischer Ebene reguliert und in den nationalen Gesetzen, Verordnungen und weiteren Regeln spezifiziert.
Die Auflistung führt die wichtigsten Einzelnormen exemplarisch auf und gibt einen Überblick über die zu beachtenden Regelwerke.
Weitergehende Informationen finden sich unter den jeweils angegebenen Internetadressen und auf den Internetseiten der DGUV unter "Allgemeine Erläuterungen zum Regelwerk" (https://www.dguv.de/ifa/praxishilfen/kuehlschmierstoffe/regelwerk-fuer-taetigkei-ten-mit-kuehlschmierstoffen-(kss)/allgemeine-erlaeuterungen-zum-regelwerk/index.jsp?).
A. Europäische Regelungen
EU-Verordnungen und EU-Richtlinien
https://eur-lex.europa.eu
Verordnung/Richtlinie | Erläuterung |
REACH-Verordnung Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 | Die Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 regelt die Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe und die Schaffung einer Europäischen Chemikalienagentur. Hersteller- und Importfirmen und nachgeschaltete Anwender und Anwenderinnen müssen chemische Stoffe bei der europäischen Chemikalienagentur (ECHA) registrieren. Die Unternehmen müssen nachweisen, dass sie die Risiken von in der EU hergestellten oder in Verkehr gebrachten Chemikalien identifiziert haben und diese beherrschen. Vorrangiges Ziel der REACH-Verordnung ist der Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt vor den Risiken, die durch die Verwendung von Chemikalien entstehen können. |
CLP-Verordnung Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 | Die Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 regelt die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen. Sie verpflichtet Hersteller- und Importfirmen und nachgeschaltete Anwender und Anwenderinnen, Chemikalien ordnungsgemäß einzustufen, zu kennzeichnen und zu verpacken. Das vorrangige Ziel der CLP-Verordnung besteht in der Feststellung, ob ein Stoff oder ein Gemisch Eigenschaften aufweist, die zu dessen Einstufung als gefährlich führen. Diese Informationen sind wichtiger Ausgangspunkt für die Gefahrenkommunikation zwischen Herstellerfirmen und Anwendern oder Anwenderinnen von Chemikalien und Gemischen. |
Biozid-Verordnung Verordnung (EU) Nr. 528/2012 | Die Verordnung (EU) Nr. 528/2012 regelt die Bereitstellung auf dem Markt und die Verwendung von Biozidprodukten. Biozidprodukte sind Produkte, die gegen Schadorganismen wirken oder die einer Schädigung durch Schadorganismen vorbeugen sollen (z.B. Desinfektionsmittel). Biozidwirkstoffe müssen ein Genehmigungsverfahren durchlaufen, bevor sie in einem Biozidprodukt verwendet bzw. zugelassen werden können. Neben dem Schutz von Mensch, Tier und Umwelt ist die Harmonisierung der Verwendung von Biozidprodukten auf dem europäischen Markt zentrales Ziel der Biozid-Verordnung. |
Gefahrstoffrichtlinie (98/24/EG) | Die Richtlinie 98/24/EG definiert Mindestanforderungen an den Arbeitsschutz bei Tätigkeiten mit Chemikalien und Gemischen am Arbeitsplatz. Ziel der Richtlinie ist der Schutz der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen vor tatsächlichen oder möglichen Gefährdungen ihrer Gesundheit und Sicherheit durch Tätigkeiten mit Chemikalien und Gemischen am Arbeitsplatz. |
Karzinogen/ Mutagen-Richtlinie (2004/37/ EG) | Ziel der Karzinogen/Mutagen-Richtlinie ist der Schutz von Arbeitnehmerinnen und Arbeitsnehmern gegen Gefährdung ihrer Sicherheit und Gesundheit, die aus einer Exposition gegenüber Karzinongen oder Mutagenen bei der Arbeit erwächst oder erwachsen kann. Die Richtlinie definiert Mindestvorschriften und legt Grenzwerte fest. |
B. Deutsche Regelungen
B1. Gesetze und Verordnungen
www.gesetze-im-internet.de
Gesetz/Verordnung | Erläuterung |
Arbeitsschutzgesetz | Das Arbeitsschutzgesetz formuliert ein einheitliches Arbeitsschutzrecht für nahezu alle Tätigkeitsbereiche und Beschäftigten in Deutschland. Es dient dazu, Sicherheit und Gesundheitsschutz der Beschäftigten bei der Arbeit umfassend zu sichern und zu verbessern. Es verpflichtet Bund, Länder und Unfallversicherungsträger zu einer verstärkten Zusammenarbeit im Arbeitsschutz. |
Chemikaliengesetz | Das Chemikaliengesetz hat den Zweck, den Menschen und die Umwelt vor schädlichen Einwirkungen gefährlicher Stoffe oder Gemische zu schützen, indem die Gefährdung erkennbar gemacht, abgewendet oder ihre Entstehung verhindert wird. |
Mutterschutzgesetz | Ziel des Mutterschutzgesetzes ist es, die Gesundheit der schwangeren und stillenden Frau und die ihres Kindes zu schützen und ihr gleichzeitig zu ermöglichen, weiter erwerbstätig zu sein, soweit es verantwortbar ist. |
Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge | Arbeitsmedizinische Vorsorge ist ein in der Arbeitsschutzrahmenrichtlinie der Europäischen Union festgeschriebenes Recht der Beschäftigten. Die Verordnung richtet sich an Arbeitgeber und an Ärzte. Ziel ist, arbeitsbedingte Erkrankungen frühzeitig zu erkennen und im besten Fall zu verhüten. Darüber hinaus leistet arbeitsmedizinische Vorsorge einen Beitrag zum Erhalt der Beschäftigungsfähigkeit und zur Fortentwicklung des betrieblichen Gesundheitsschutzes. |
Gefahrstoffverordnung | Die Gefahrstoffverordnung konkretisiert die Vorgaben des Arbeitsschutz- und Chemikaliengesetzes. Ziel der Verordnung ist der Schutz von Mensch und Umwelt vor stoffbedingten Schädigungen. Es werden Regelungen zur Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung gefährlicher Stoffe und Gemische sowie Maßnahmen zum Schutz der Beschäftigten und anderer Personen bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen getroffen. Des Weiteren werden Beschränkungen für das Herstellen und Verwenden bestimmter gefährlicher Stoffe, Gemische und Erzeugnisse getroffen. |
B2. Technische Regeln für Gefahrstoffe (TRGS)
www.baua.de
Die Technischen Regeln für Gefahrstoffe enthalten branchenübergreifende Empfehlungen zur Einhaltung der Gefahrstoffverordnung. Sie sind keine Rechtsnormen. Werden die Empfehlungen der TRGS umgesetzt, ist jedoch davon auszugehen, dass die Anforderungen der Gefahrstoffverordnung an den Arbeits- und Gesundheitsschutz eingehalten werden (Vermutungswirkung).
TRGS | Themengebiet |
001 | Allgemeines, Aufbau und Anwendung |
TRGS Reihe 200 | Inverkehrbringen von Stoffen, Zubereitungen und Erzeugnissen |
TRGS Reihe 400 | Gefährdungsbeurteilung |
TRGS Reihe 500 | Schutzmaßnahmen bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen |
TRGS Reihe 600 | Ersatzstoffe und Ersatzverfahren |
TRGS Reihe 700/800 | Brand- und Explosionsschutz |
TRGS Reihe 900 | Grenzwerte, Einstufungen, Begründungen und weitere Beschlüsse des Ausschusses für Gefahrstoffe (AGS) |
B3. Branchenregelungen der UV-Träger
http://publikationen.dguv.de
Zur Verhütung von Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren erlassen die Unfallversicherungsträger verbindliche Vorschriften.
Hilfestellung bei der Umsetzung der Anforderungen aus den staatlichen und autonomen Arbeitsschutzvorschriften bieten Regeln, Informationen und Grundsätze der Unfallversicherungsträger.
Regelwerk | Erläuterung |
DGUV Vorschriften | Die DGUV Vorschriften sind als autonomes Recht für die Mitgliedsbetriebe und die Versicherten der Unfallversicherungsträger verbindlich. |
DGUV Regeln | Als Hilfestellung bei der Umsetzung der Anforderungen aus den staatlichen und autonomen Arbeitsschutzvorschriften erstellen die Unfallversicherungsträger DGUV Regeln unter Berücksichtigung von technischen Spezifikationen und Erfahrungen aus der Präventionsarbeit.
Sie sind nicht rechtsverbindlich.
Im Gegensatz zu den Technischen Regeln besteht bei den DGUV Regeln nicht die Vermutungswirkung.
Arbeitgeber und Arbeitgeberin haben die Möglichkeit, mit anderen Lösungen die gleiche Sicherheit und den gleichen Gesundheitsschutz für die Beschäftigten zu erreichen. |
DGUV Informationen | DGUV Informationen enthalten Hinweise und Empfehlungen, die die praktische Anwendung von Regelungen zu einem bestimmten Sachgebiet oder Sachverhalt erleichtern sollen und die z.B. für bestimmte Branchen, Tätigkeiten, Zielgruppen konkrete praxisgeeignete Arbeitsschutzmaßnahmen vorstellen. |
DGUV Grundsätze/ Empfehlungen | Grundsätze/Empfehlungen sind Maßstäbe für bestimmte Verfahrensfragen, z.B. hinsichtlich der Durchführung von Prüfungen. |
Informationen der Unfall- versicherungsträger | Die Unfallversicherungsträger publizieren ebenfalls Informationen über Gefährdungen und geeignete Schutzmaßnahmen bei branchenbezogenen Tätigkeiten. Sie spiegeln das spezifische Erfahrungswissen der einzelnen Institutionen wider und sind in der Regel über die Internetseiten der jeweiligen UV-Träger zu erhalten. |
Informationsübersicht zu angrenzenden Tätigkeitsfeldern | Anhang 3 |
Die DGUV Information behandelt wesentliche Tätigkeiten im Gesundheitsdienst.
Für einige angrenzende Tätigkeitsfelder gibt die Übersicht Hinweise auf Informationsquellen.
Die Informationen sind zu beziehen unter www.baua.de, www.dguv.de oder beim Herausgeber.
Tätigkeitsfelder | Informationsquellen |
Haustechnik |
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Küche |
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Laboratorien, in denen präparativchemische Arbeiten durchgeführt werden |
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Lager |
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Physikalische Therapie | |
Raumdesinfektion mit Formaldehyd |
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Rettungswache und Feuerwehr |
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Zahntechnisches Praxislabor |
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Handlungshilfe zum Gefahrstoffmanagement | Anhang 4 |
Für ein gut funktionierendes Gefahrstoffmanagement sind Zuständigkeiten, Rollenverteilungen und Verantwortlichkeiten innerhalb des Unternehmens zu regeln (siehe auch TRGS 400 "Gefährdungsbeurteilung für Tätigkeiten mit Gefahrstoffen"). Diese Handlungshilfe macht beispielhaft deutlich, welche Aufgaben sich im Unternehmen durch Tätigkeiten mit Gefahrstoffen ergeben und wie diese geregelt werden können.
1 Aufgaben und Pflichten
Bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffe ergeben sich folgende wesentliche Aufgaben und Pflichten:
2 Rollen- und Aufgabenverteilung
Alle Aufgaben und Pflichten, die sich aus dem Gefahrstoffrecht ergeben, können letztlich in der Gefährdungsbeurteilung zusammengefasst werden. Die Gefährdungsbeurteilung ist vom Arbeitgeber fachkundig zu erstellen. Verfügen Arbeitgeber nicht selbst über die entsprechenden Kenntnisse, so haben sie sich fachkundig beraten zu lassen. Personen, die für die fachkundige Beratung herangezogen werden, müssen die speziellen Anforderungen an die Fachkunde nach Gefahrstoffverordnung erfüllen. Fachkundig können insbesondere die Fachkraft für Arbeitssicherheit und die Betriebsärztin oder der Betriebsarzt sein. Es ist auch eine Aufteilung auf mehrere Personen möglich, neben den genannten zum Beispiel auch auf Hygienefachpersonal, Brandschutzbeauftragte etc.
Zunächst müssen die konkreten Aufgaben, die sich im Unter nehmen durch Tätigkeiten mit Gefahrstoffen ergeben, beschrieben werden. Danach können sie in Abhängigkeit von der gewählten Organisation den Beteiligten schriftlich zugeordnet werden. Für eine erfolgreiche Gefährdungsbeurteilung ist die Verknüpfung von Arbeitsplatz- und Arbeitsschutzwissen wesentlich.
Tabelle 11: Grundsätzliche Rollen- und Aufgabenverteilung
Position | Rolle | Aufgaben |
Arbeitgeber |
| Organisation der Umsetzung aller Aufgaben aus der GefStoffV und der ArbmedVV
Übertragung konkreter Arbeitgeberpflichten aus der GefStoffV auf die Abteilungs- bzw. Bereichsleitung (Delegation) Überwachung der pflichtgemäßen Durchführung der übertragenen Unternehmerpflichten, wie Bestellung FASI/Betriebsarzt/ -ärztin usw.
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Abteilungs- bzw. Bereichsleitung |
| Verantwortlich für die Umsetzung der Aufgaben der GefStoffV in ihrem Verantwortungsbereich
Weitergabe aller erforderlichen Informationen an die Arbeitsschutzexperten/ -expertinnen
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Beschäftigter/ Beschäftigte |
| Einbringen von Arbeitsplatzwissen in Bezug auf die Durchführung (Arbeitsbedingungen, Arbeitsmittel, Arbeitsverfahren etc.)
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Interessenvertretung (Betriebs-, Personalrat, Mitarbeitervertretung) | Vertretung der Beschäftigten | Mitbestimmung zu Maßnahmen bezüglich des Einsatzes von Gefahrstoffen und der Festlegung der entsprechenden Schutzmaßnahmen |
Fachkraft für Arbeitssicherheit |
| Aufgaben gemäß § 6 Arbeitssicherheitsgesetz und DGUV Vorschrift 2 "Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit"
Beratung und Unterstützung der Arbeitsschutzverantwortlichen bei der Wahrnehmung ihrer Aufgabe aus der GefStoffV, insb. bei der Erstellung und Aktualisierung der Gefährdungsbeurteilung Einbringen des Arbeitsschutzwissens
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Betriebsarzt/ Betriebsärztin |
| Aufgaben gemäß § 3 Arbeitssicherheitsgesetz und DGUV Vorschrift 2 "Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit"
Beratung und Unterstützung der Arbeitsschutzverantwortlichen bei der Wahrnehmung ihrer Aufgabe aus der GefStoffV, insb. bei der Erstellung und Aktualisierung der Gefährdungsbeurteilung Einbringen des Arbeitsschutzwissens Erarbeitung eines Konzeptes für die Umsetzung der GefStoffV in Bezug auf arbeitsmedizinische Aspekte
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Weitere Berater/Beraterinnen und Experten/ Expertinnen aus angrenzenden Fachbereichen und beteiligten Organisationseinheiten |
| Unterstützung der Prozesse (Logistik)
Einbringen des Arbeitsschutzwissens
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GefStoffV: Gefahrstoffverordnung ArbmedVV: Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge |
3 Zusammenwirken der Akteure und Akteurinnen
Anhand von drei der unter Punkt 1 aufgeführten Aufgaben soll beispielhaft verdeutlicht werden, wie Arbeitgeber, Abteilungs-/Bereichsleitung und die fachkundige Person konkret beim Gefahrstoffmanagement zusammenwirken können.
Aufgabe: Ermittlung und Beurteilung der Gefährdungen inkl. Dokumentation
Arbeitgeber:
Abteilungs-/Bereichsleitung in ihrem Verantwortungsbereich:
Fachkundige Person:
Aufgabe: Substitutionsprüfung
Arbeitgeber:
Abteilungs-/Bereichsleitung in ihrem Verantwortungsbereich:
Fachkundige Person:
Aufgabe: Erstellung von Betriebsanweisungen/ Unterweisung der Beschäftigten
Arbeitgeber:
Abteilungs-/Bereichsleitung in ihrem Verantwortungsbereich:
Fachkundige Person:
Vorschlag für eine Vorgehensweise bei der Gefährdungsbeurteilung nach Gefahrstoffverordnung gemäß TRGS 400 | Anhang 5 |
* Gemäß Nummer 4 Absatz 4 der TRGS 400 muss die Gefährdungsbeurteilung in regelmäßigen Abständen und bei gegebenem Anlass überprüft und ggf. aktualisiert werden; das Überprüfungsintervall ist vom Arbeitgeber festzulegen.
Checkliste zur Gefährdungsbeurteilung | Anhang 6 |
Die Checkliste fasst wesentliche Fragen zur Gefährdungsbeurteilung zusammen und gibt Orientierung, in welchen Kapiteln der Schrift sich weiterführende Angaben befinden (s. Kapitel 3).
Nr. | Frage | Kapitel |
1 | Sind die an der Gefährdungsbeurteilung beteiligten und für die Durchführung verantwortlichen Personen bestimmt und für die Aufgabe geeignet? | 1 |
2 | Ist festgestellt, welche Gefahrstoffe im jeweiligen Arbeitsbereich verwendet werden, entstehen oder freigesetzt werden? | 2, 4, 10-23 |
3 | Sind sicherheitsrelevante Stoffinformationen von den Lieferfirmen (z.B. Kennzeichnung, Sicherheitsdatenblätter) beschafft? | 4 |
4 | Sind gefährdungsrelevante Angaben zur Verwendung bei der konkreten Tätigkeit im Betrieb erhoben (z.B. Arbeitsmittel, Dauer und Häufigkeit des Einsatzes, Ausmaß Hautkontakt, Schutzmaßnahmen und deren Wirksamkeit, Schlussfolgerungen aus der arbeitsmedizinischen Vorsorge)? | 4 |
5 | Sind mögliche gesundheitliche Beeinträchtigungen aus Sicht der Beschäftigten erhoben? | 4 |
6 | Ist ein Gefahrstoffverzeichnis erstellt? | 4 |
7 | Ist recherchiert, welche branchen- oder tätigkeitsspezifischen Handlungsempfehlungen als Hilfen zur Beurteilung der Gefährdung herangezogen werden können? | 4, 10-23 |
8 | Sind die inhalativen, dermalen und physikalisch-chemischen Gefährdungen beurteilt? | 5, 10-23 |
9 | Sind Substitutionsmöglichkeiten geprüft und ist das Ergebnis dokumentiert? | 6, 10-23 |
10 | Sind Schutzmaßnahmen, auch für besonders Schutzbedürftige, festgelegt und sind sie umgesetzt? | 6, 7, 9, 10-23 |
11 | Wird die Wirksamkeit der Schutzmaßnahmen regelmäßig überprüft und ggf. angepasst? | 6 |
12 | Ist festgestellt, ob in bestimmten Arbeitsbereichen arbeitsmedizinische Maßnahmen oder Vorsorgeuntersuchungen erforderlich sind und werden sie umgesetzt? | 8, 10-23 |
13 | Ist die Gefährdungsbeurteilung dokumentiert? | 3 |
14 | Sind Betriebsanweisungen erstellt? | 7, 10-23 |
15 | Werden Unterweisungen durchgeführt und sind sie dokumentiert? | 7 |
Beispiel für ein betriebliches Gefahrstoffverzeichnis (Auszug) | Anhang 7 |
Blau: Spalten mit Pflichtangaben nach Gefahrstoffverordnung
Weiß: Spalten, die sinnvolle Ergänzungen darstellen.
1 nach Verordnung (EG) Nr.1272/2008 bzw. CLP-Verordnung
2 Grenzwerte und Bemerkungen nach TRGS 900 "Arbeitsplatzgrenzwerte (AGW)". Ist kein AGW vorhanden, sind ggf. andere geeignete Beurteilungsmaßstäbe nach TRGS 402 aufzuführen (Akzeptanz- und Toleranzkonzentrationen, Werte aus TRGSen).
H: hautresorptiv
X: Kanzerogener Stoff der Kat. 1A/1B. Bei Tätigkeiten mit diesem Gefahrstoff ist zusätzlich § 10 Gefahrstoffverordnung zu beachten.
Y: Ein Risiko der Fruchtschädigung braucht bei Einhaltung des Arbeitsplatzgrenzwertes und des biologischen Grenzwertes (BGW) nicht befürchtet zu werden.
Z: Ein Risiko der Fruchtschädigung kann auch bei Einhaltung des AGW und des BGW nicht ausgeschlossen werden.
3 Die CAS-Registrierungsnummer (CAS = Chemical Abstracts Service) ist ein internationaler Bezeichnungsstandard für chemische Stoffe.
Sie dient der eindeutigen Identifikation chemischer Stoffe.
Beispiele für Tätigkeiten mit geringer Gefährdung | Anhang 8 |
Arbeitsplatz | Tätigkeit | Begründung | Quellen |
Arztpraxis | Schaumdesinfektion kleiner Flächen in geringem Umfang mit Produkten ohne Gefahrstoffkennzeichnung | Die Produkte sind alkoholfrei, nicht entzündbar und nicht als gefährlich gekennzeichnet.
Es werden nur ml-Mengen eingesetzt, Expositionsdauer < 15 min, Einhaltung des Arbeitsplatzgrenzwertes, keine Gefährdung der Haut durch Feuchtarbeit. | TRGS 400
TRGS 401 TRGS 525 DGUV Information 207-206 |
Arztpraxis | Desinfektion und Reinigung von Dialysegeräten mit Zitronensäure in Kartuschen | Zitronensäure kann schwere Augenreizung verursachen (H319).
Bei der üblichen Handhabung ist keine Exposition zu erwarten. | TRGS 400
DGUV Information 207-206 |
Büro | Verwenden von "Haushaltsprodukten"* in haushaltsüblicher Menge und Häufigkeit.
Bei- spiele:
| Keine relevanten gefährlichen Eigenschaften, geringe Menge und kurze Expositionsdauer < 15 min. | TRGS 400
Leitlinien zur Gefahrstoffverordnung, LV 45 |
Patientenzimmer | Gelegentliche Verwendung von Lösemitteln wie Aceton zum Entfernen von Pflasterresten z.B. mit einem getränkten Wattestäbchen | Aceton ist eine entzündbare Flüssigkeit (H225), kann schwere Augenreizung verursachen (H319), hat eine spezifische Zielorgan-Toxizität (H336).
Es werden nur ml-Mengen eingesetzt, Expositionsdauer < 15 min, Einhaltung des Arbeitsplatzgrenzwertes, Verspritzen in die Augen nicht zu erwarten, keine Gefährdung der Haut durch Feuchtarbeit. Zum Schutz vor Brand- und Explosionsgefährdung sind Grundmaßnahmen wie die Vermeidung wirksamer Zündquellen ausreichend. | TRGS 400
TRGS 401 |
Pflege | Verteilen von Arzneimitteln in fester Darreichungsform:
| Bei diesen Darreichungsformen ist keine Exposition zu erwarten. | TRGS 525 |
Pflege | Verwendung von Spül-, All- zweck-, Neutral- oder Alkoholreinigern in haushaltsüblicher Menge und Häufigkeit | Inhaltsstoffe sind überwiegend Tenside und Alkohole in geringer Konzentration.
Die in der Regel verdünnten Anwendungslösungen weisen keine Gefahrenklassen mehr auf.
Es werden nur ml-Mengen eingesetzt, Expositionsdauer < 15 min, keine Gefährdung der Haut durch Feuchtarbeit. | TRGS 400 |
Pflege | Eincremen von Patienten und Patientinnen | Körperpflege- und Körperhygienemittel sind auf Konsumentensicherheit geprüf- te Produkte. Für sie existieren neutra- le Gefährdungsbeurteilungen, die in die Formulierung des Produktes und die Ge- brauchsanweisungen eingegangen sind. Bei bestimmungsgemäßem Gebrauch in der Körperpflege darf es in aller Regel keine Gefährdungen geben. | Kosmetik-VO und Verordnung (EG) Nr. 1223/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates über kosmetische Mittel (sinngemäß) |
Therapeutische Praxis | Händedesinfektion in geringem Umfang im Rahmen der häuslichen Krankenpflege | Die Wasser-/Alkohol-Gemische werden nur in ml-Mengen in gebrauchsfertiger Konzentration eingesetzt. Sie sind entzündbar. Zum Schutz vor Brand- und Explosionsgefährdung sind Grundmaßnahmen wie die Vermeidung wirksamer Zündquellen ausreichend. Die Produkte sind für den direkten Hautkontakt vorgesehen. Die Expositionsdauer beträgt < 15 min. Die Arbeitsplatzgrenzwerte werden eingehalten. Es besteht keine Gefährdung durch die dermale Aufnahme von Alkohol. | TRGS 400
DGUV Information 207-206 |
Zahnarztpraxis | Pflege von Stahlbohrern durch Setzen einzelner Tröpfchen oder durch Einsprühen mit Schmieröl | Die Produkte können entzündbar und haut- reizend sein.
Es werden nur ml-Mengen ein- gesetzt, Expositionsdauer < 15 min, Einhaltung des Arbeitsplatzgrenzwertes, auch bei Aerosolbelastung durch Sprühen.
Zum Schutz vor Brand- und Explosionsgefährdung sind Grundmaßnahmen wie die Vermeidung wirksamer Zündquellen ausreichend. | TRGS 400
TRGS 401 |
* Haushaltsprodukte sind Produkte, die für den privaten Endverbrauch im Einzelhandel in Selbstbedienung erhältlich sind. |
Betriebsanweisungsentwürfe | Anhang 9 |
* Desinfektionsreiniger GD 40 Konzentrat nach www.wingisonline.de
* Desinfektionsreiniger GD 10-40, verdünnte Anwendungslösung, nach www.wingisonline.de
* Dies müsste mit einer anderen Betriebsanweisung geregelt werden.
Hinweise für das Tragen von Schutzhandschuhen | Anhang 10 |
Diese praktischen Hinweise ergänzen Kapitel 10 und können für Unterweisungen genutzt werden.
Hinweise für Schutzhandschuhe
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Ausführliche Informationen zu diesem Thema bieten folgende Quellen:
Weitere Hinweise für Chemikalienschutzhandschuhe, die z.B. für Reinigungsarbeiten oder bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen mehrfach verwendet werden
Für Reinigungsarbeiten Handschuhe mit verlängertem Schaft auswählen. Beim Arbeiten mit Handschuhen mit verlängertem Schaft eine Stulpe bilden (die Enden umstülpen), damit keine Flüssigkeit auf die Unterarme und in die Handschuhe fließen kann. Die Handschuhe nach Gebrauch und vor dem Ausziehen mit klarem Wasser gründlich abspülen. Beim Ausziehen der Handschuhe den Hautkontakt mit der Außenseite des Handschuhs vermeiden, um eine Kontamination der Haut mit dem Gefahrstoff zu verhindern. Vor Wiederverwendung müssen die Handschuhe innen trocken sein. Die maximale Tragedauer in Bezug auf die Chemikalienbeständigkeit ist stets zu berücksichtigen (Herstellerangaben, Gefährdungsbeurteilung). |
Hautschutz- und Händehygienepläne | Anhang 11 |
Die folgenden Hautschutz- und Händehygienepläne können Sie unter www.bgwonline.de herunterladen.
Hautschutz- und Händehygienepläne für den Gesundheitsdienst (Übersicht)
Titel: Hautschutz und Händehygieneplan für ... | Bestellnummer |
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Kranken- und Altenpflege | BGW 06-13-110 |
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im OP-Bereich | BGW 06-13-040 |
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Zentralen Sterilgutversorgungsabteilung | BGW 06-13-041 |
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im medizinischen Labor | BGW 06-13-011 |
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Pathologie | BGW 06-13-043 |
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Apotheke | BGW 06-13-050 |
Entbindungspfleger und Hebammen in Klinik und ambulanter Versorgung | BGW 06-13-030 |
Ergotherapeutinnen und Ergotherapeuten in Praxis, Krankenhaus, Pflegeeinrichtungen und Rehabilitation | BGW 06-13-032 |
Physiotherapeutinnen und Physiotherapeuten in Krankenhaus, Praxis und Wellnessbereich | BGW 06-13-034 |
Logopädinnen und Logopäden in Krankenhaus, Pflegeeinrichtungen, Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen, Rehabilitation sowie im ambulanten Bereich | BGW 06-13-035 |
Haushandwerkerinnen und Haushandwerker im Gesundheitsdienst | BGW 06-13-042 |
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Hauswirtschaft und Reinigung | BGW 06-13-100 |
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Küche | BGW 06-13-070 |
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der zahnärztlichen Praxis | BGW 06-13-020 |
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Podologie und Fußpflege | BGW 06-13-031 |
Hautschutz- und Händehygieneplan in der Kranken- und Altenpflege (Muster)
Luftgrenzwerte von Desinfektionsmittel-Inhaltsstoffen | Anhang 12 |
Die Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) führt eine Datensammlung ("DESINFO"), um einen aktuellen Überblick über die Marktsituation von Desinfektionsmitteln des Gesundheitsdienstes zu behalten.
Von den mehr als 200 dort ausgewiesenen Inhaltsstoffen in Desinfektionsmitteln können die inhalativen Expositionen von nur zwölf Substanzen anhand eines Arbeitsplatzgrenzwertes (AGW) beurteilt werden.
Zieht man jedoch orientierend auch die Maximalen Arbeitsplatzkonzentrationen (MAK-Werte) und vorliegende "Derived No Effect Levels" (DNELs) als weitere Kriterien hinzu, so können zumindest 34 Substanzen bewertet werden.
Inhaltsstoffe in Desinfektionsmitteln mit Arbeitsplatzgrenzwerten (AGW), Maximalen Arbeitsplatzkonzentrationen (MAK-Werten) und "Derived No Effect Levels" (DNELs, lokal, systemisch), Stand 10/2019
Nr. | Inhaltsstoff | CAS | TRGS 900 AGW (mg/m3) | MAK (mg/m3) | DNEL lokal (mg/m3) | DNEL systemisch (mg/m3) |
1 | 2-Propanol | 67-63-0 | 500 | 500 | - | 500 |
2 | Ethanol, Ethylalkohol | 64-17-5 | 380 | 380 | - | 950 |
3 | Didecyldimethylammoniumchlorid | 7173-51-5 | - | 18,2 | ||
4 | 1-Propanol | 71-23-8 | - | 268 | ||
5 | N-(3-Aminopropyl)-N-dodecylpropan-1,3-diamin | 2372-82-9 | 0,05 | 0,789 | ||
6 | 2-(2-Butoxyethoxy)-ethanol | 112-34-5 | 67 | 67 | 67,5 | 67,5 |
7 | Alkoholethoxylat, C13, verzweigt, ethoxyliert | 69011-36-5 | - | 294 | ||
8 | Glutaral, 1,5-Pentandial | 111-30-8 | 0,2 | 0,21 | 0,25 | - |
9 | Tetranatriumethylendia- mintetraacetat | 64-02-8 | 1,5 | - | ||
10 | 2-Aminoethanol | 141-43-5 | 0,5 | 0,51 | 3,3 | - |
11 | Glyoxal, Ethandial | 107-22-2 | 0,04 | 2,96 | ||
12 | Formaldehyd, Methanal | 50-00-0 | 0,37 | 0,37 | 0,375 | 9 |
13 | Kaliumhydroxid | 1310-58-3 | 1 | - | ||
14 | Wasserstoffperoxid | 7722-84-1 | 0,71 | 1,4 | - | |
15 | Kaliumcarbonat | 584-08-7 | 10 | - | ||
16 | Natriumcarbonat | 497-19-8 | 10 | - | ||
17 | 2-Phenylphenol | 90-43-7 | 5 | - | 19,25 | |
18 | Laurylpropylendiamin | 90640-43-0 | 0,0395 | |||
19 | 2-Phenoxyethanol | 122-99-6 | 110 | 5,7 | 8,07 | 8,07 |
20 | Trinatriumnitrilotriacetat | 5064-31-3 | - | 3,5 | ||
21 | Ethandiol | 107-21-1 | 26 | 1,3 | 35 | - |
22 | 1,4-Butandiol | 110-63-4 | 200 | - | 136 | |
23 | Natriumpercarbonat | 15630-89-4 | 5 | - | ||
24 | Tetradecanol | 112-72-1 | 178 | 178 | 313 | |
25 | Essigsäure | 64-19-7 | 25 | 25 | 2,5 | - |
26 | Phosphorsäure | 7664-38-2 | 221 | - | ||
27 | Alkohole, C12-14, ethoxyliert | 68891-38-3 | - | 175 | ||
28 | Nitriloessigsäureacetat, Natriumsalz | 139-13-9 | 0,2 | 0,2 | ||
29 | Natriumetasulfat | 126-92-1 | - | 285 | ||
30 | Natriumhydroxid | 1310-73-2 | 1 | - | ||
31 | Glycerin, Glycerol | 56-81-5 | 200 | 56 | - | |
32 | Peressigsäure | 79-21-0 | 0,56 | 0,56 | ||
33 | Pentakalium bis (peroxy- monosulfat) bis (sulfat)] | 70693-62-8 | 0,28 | 0,28 | ||
34 | Natriumhypochlorit | 7681-52-9 | 1,55 | 1,55 | ||
Quellen:
Datensammlung "DESINFO" BGW GESTIS-Stoffdatenbank (www.dguv.de, Webcode: d11892) GESTIS-DNEL-Liste (www.dguv.de, Webcode: d145542) |
Bildnachweis
Abb. 1: SVLFG; Abb. 2, 5: DGUV; Abb. 3-4 7, 10-13, 15, 18: BGW; Abb. 7: UKBW;
Abb. 8: proDente e.V; Abb. 14: DMB GmbH; Abb. 16: Adobe Stock/DGUV
________
*) Komplettansicht inkl. Bildnachweis; siehe DGUV Information 213-032 - Gefahrstoffe im Gesundheitsdienst
1 Hier werden die Begriffe "Arbeitgeber" und "Beschäftigte" aus dem staatlichen Arbeitsschutzrecht verwendet.
ENDE |