umwelt-online: VV zum Bundes-Immissionsschutzgesetz Schleswig-Holstein (5)

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12.7 Zulassung einer Kompensation

12.7.1 Durch § 17 Abs. 3 Buchst. a wird der Überwachungsbehörde für den Regelfall aufgegeben, von einer nachträglichen Anordnung abzusehen, wenn der Anlagenbetreiber einen Kompensationsplan vorlegt. Dies gilt allerdings nur, soweit es um Vorsorgeanforderungen im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 2 und des § 17 Abs. 1 Satz 1 geht; bei Anordnungen zum Schutz der Allgemeinheit oder der Nachbarschaft scheidet eine Kompensation nach § 17 Abs. 3 Buchst. a aus. Dasselbe gilt, wenn die fraglichen Vorsorgeanforderungen bereits als Auflage nach § 12 Abs. 1 einer Genehmigung beigefügt oder dem Anlagenbetreiber im Wege einer nachträglichen Anordnung gemäß § 17 Abs. 1 auferlegt wurden; in diesen Fällen sind die zwangsweise Durchsetzung oder Maßnahmen nach § 20 Abs. 1 zu prüfen.

Nicht erforderlich ist, daß alle in einem Kompensationsplan einbezogenen Anlagen bereits errichtet sind und betrieben werden. Allerdings muß für die Anlagen zumindest ein Vorbescheid vorliegen oder eine Teilgenehmigung erteilt sein.

12.7.2 Die Anwendung des § 17 Abs. 3 Buchst. a setzt eine Vergleichsrechnung voraus zwischen

  1. den Immissionen, die bei Erfüllung der rechtlich durchsetzbaren Anforderung entstehen würden, und
  2. den Immissionen, die voraussichtlich bei Anerkennung der vorgesehenen Kompensationsmaßnahmen entstehen.
Dabei sind alle an der Kompensation beteiligten Anlagen in die Betrachtung einzubeziehen. Bezogen auf einen überschaubaren Zeitraum, der in der Regel zwei Jahre nicht überschreiten soll, müssen die zu erwartenden Emissionsfrachten nach dem Kompensationsplan niedriger sein als die durch nachträgliche Anordnungen nicht weiter zu vermindernden Emissionsfrachten.

Eine weitere wesentliche Voraussetzung für die Anerkennung eines Kompensationsplanes ist die Förderung des Gesetzeszwecks aus § 1. Zur Erfüllung dieser Voraussetzung genügt es nicht, daß sich der Schutz der in § 1 genannten Rechtsgüter trotz des Absehens von Maßnahmen bei einer Anlage nicht verschlechtert. Die Förderung des Gesetzeszwecks verlangt vielmehr, daß sich die Gesamtsituation - also unter Berücksichtigung aller in den Kompensationsplan einbezogenen Anlagen - im Hinblick auf die von der Kompensation erfaßten Stoffe und die Vorbeugung von schädlichen Umwelteinwirkungen verbessert.

Die Emissionsminderung muß außerdem auf technischen Maßnahmen beruhen; der Einsatz anderer Brenn- oder Arbeitsstoffe bei unveränderter Anlage, eine geringere Anlagenauslastung oder eine Anlagenstillegung sind nicht anrechenbar.

12.7.3 Ein Ausgleich ist nur zwischen den selben oder in der Wirkung auf die Umwelt vergleichbaren Stoffen zulässig. In ihrer Wirkung auf die Umwelt sind Stoffe vergleichbar, wenn sie bei allen in Betracht kommenden Akzeptoren ähnliche Beeinträchtigungen hervorrufen können. Führen zwei Stoffe zwar bei allen Akzeptoren zu ähnlichen schädlichen Wirkungen, treten die Wirkungen bei dem einen Stoff aber verstärkt auf, so kann eine Kompensation nur zugelassen werden, wenn die Emissionen des Stoffes mit dem höheren Schädigungspotential überproportional vermindert werden.

12.7.4 Ob zwischen den Anlagen, die in die Kompensationsregelung einbezogen werden sollen, ein räumlicher Zusammenhang bestehen muß, ist abhängig von den Wirkungen der in die Kompensation einbezogenen Emissionen. Werden in die Kompensation Stoffe einbezogen, deren Emissionen sich nur in der Ferne oder nur atmosphärisch auswirken können, so ist - abgesehen von der Gelegenheit im Geltungsbereich des BImSchG - ein näherer räumlicher Zusammenhang der von der Kompensation erfaßten Anlagen nicht erforderlich. Demgegenüber ist ein derartiger Zusammenhang bis hin zur Überschneidung von Beurteilungsgebieten in mindestens einer Beurteilungsfläche erforderlich, wenn sich die Emissionen kleinräumig auswirken und die Immissionssituation im näheren Bereich der Anlagen beeinflussen können. Diese Voraussetzung dient der Förderung des in § 1 beschriebenen Gesetzeszwecks und berücksichtigt außerdem, daß die Durchführung einer Kompensation nicht zu einer Einschränkung des Schutzes vor Immissionen, insbesondere in der Nachbarschaft, führen darf.

Eine Förderung des Gesetzeszwecks durch die Anerkennung eines Kompensationsplans kann darüber hinaus nur angenommen werden, wenn die Anlage, bei der von einer nachträglichen Anordnung abgesehen werden soll, nicht auf Dauer hinter dem Stand der Technik zurückbleibt. Daraus folgt, daß die betroffene Anlage innerhalb eines überschaubaren Zeitraums (in der Regel nicht länger als zehn Jahre) entweder stillzulegen oder dem Stand der Technik anzupassen sein muß.

12.7.5 Absatz 3 Buchst. a letzter Satz verlangt, die Durchführung des Kompensationsplanes durch Anordnungen sicherzustellen. Dabei ist das Einverständnis derjenigen Adressaten von Anordnungen erforderlich, die über das rechtlich Geforderte hinaus Verbesserungen an ihren Anlagen durchführen. Das hat zur Folge, daß die zuständige Behörde von an sich gebotenen Anforderungen erst dann absehen darf, wenn die Ordnungsverfügungen an die überobligatorisch tätig werdenden Anlagenbetreiber bestandskräftig geworden sind.

12.8 Der Verweis in § 17 Abs. 4 auf § 16 ist eine Rechtsgrundverweisung. Nicht gefordert ist, daß in jedem Fall einer nicht abschließenden Anordnung ein Genehmigungsverfahren nach § 16 durchgeführt werden muß, sondern nur in den Fällen, die die Tatbestandsvoraussetzungen von § 16 erfüllen.

13 Zu § 18 (Erlöschen der Genehmigung):

13.1 Nach Absatz 1 Nr. 1 kann die Genehmigungsbehörde eine Frist setzen, wann spätestens mit der Errichtung, dem Betrieb oder auch mit beiden Handlungen begonnen sein muß.

13.2 Der Fall des Absatzes 1 Nr. 2 ist dann gegeben, wenn der Betrieb der Anlage während eines Zeitraumes von mehr als drei Jahren ununterbrochen und vollständig eingestellt war. Auch nur zeitweilig und nicht bei voller Leistung durchgeführte Betriebshandlungen unterbrechen die Frist, so daß sie von neuem zu laufen beginnt. Bloße Wartungsarbeiten sind allerdings nicht als Betrieb anzusehen.

Die Außerbetriebnahme i.S. des § 18 Abs. 1 Ziff. 2 ist von der Betriebseinstellung i.S. § 5 Abs. 3 und § 15 Abs. 3 zu unterscheiden. Beabsichtigt der Betreiber, eine Anlage zunächst nicht weiter zu betreiben, liegt keine Stillegung, sondern immissionsschutzrechtlich nur eine vorübergehende Außerbetriebnahme vor. Diese Außerbetriebnahme ist nur gemäß § 15 Abs. 3 anzuzeigen. Erforderlichenfalls ist der Anlagenbetreiber auf seine Mitteilungspflicht hinzuweisen bzw. ist diese durch Verwaltungszwang abzufordern.

Auf Anlagen, die nach § 67 Abs. 2 lediglich angezeigt worden sind, findet Absatz 1 Nr. 2 keine Anwendung.

13.3 Mit dem Erlöschen der Genehmigung entfallen alle Rechte und Pflichten aus der Genehmigung. Soweit die gemäß § 13 eingeschlossenen anderen behördlichen Entscheidungen, insbesondere die Baugenehmigung, nicht nach den für sie maßgebenden Bestimmungen (z.B. § 80 LBO) ebenfalls erlöschen, bleiben sie bestehen. In diesem Fall sind auch die Auflagen weiterhin verbindlich, die die Einhaltung der Voraussetzungen für die eingeschlossenen behördlichen Entscheidungen sicherstellen sollen. Auflagen, die nur bei einer Genehmigung nach § 4 zulässig sind, erlöschen stets mit der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung. Die zuständige Genehmigungsbehörde soll gegenüber dem Anlagenbetreiber und den Überwachungsbehörden konkret auf den Weiterbestand von Rechten und Pflichten aus der erloschenen Genehmigung eingehen.

13.4 Soweit ein Genehmigungserfordernis weggefallen ist, erlischt ebenfalls nach Absatz 2 die Genehmigung. Ist dieses Genehmigungserfordernis jedoch abhängig von einer Leistungsgrenze oder Anlagengröße, so ist auf den rechtlich und tatsächlich möglichen Betriebsumfang abzustellen. Ist die Anlage aufgrund ihrer technischen Ausgestaltung in der Lage, z.B. die entsprechende Leistungsgrenze zu überschreiten, so bleibt die immissionsschutzrechtliche Genehmigung bestehen, soweit nicht rechtlich der Betriebsumfang (durch Verzichtserklärung) eingeschränkt wird.

13.5 Bei Entscheidungen nach Absatz 3 ist stets der Zweck des § 18, Genehmigungen auf Vorrat zu vermeiden, zu berücksichtigen. Deshalb hat die Genehmigungsbehörde zu prüfen, ob die Genehmigungsvoraussetzungen nach der zu diesem Zeitpunkt maßgeblichen Sach- und Rechtslage noch gegeben sind. Ergibt die Prüfung, daß die Genehmigungsvoraussetzungen nicht (mehr) vorliegen, so darf die Fristverlängerung nur mit entsprechenden Nebenbestimmungen erteilt werden. Sind hierdurch die Genehmigungsvoraussetzungen nicht sicherzustellen, ist die Fristverlängerung zu versagen.

14 Zu § 19 (vereinfachtes Verfahren):

Der bisher nur auf begründeten Antrag mögliche Wechsel vom vereinfachten ins förmliche Verfahren ist nunmehr als Anspruch des Antragstellers formuliert. Ein Ermessen der Behörde ist damit ausgeschlossen.

15 Zu § 20 (Untersagung, Stillegung und Beseitigung):

15.1 Bei Verstoß gegen eine Auflage, eine vollziehbare Anordnung oder eine abschließend bestimmte (d.h. hinreichend konkretisierte) Pflicht aus einer Rechtsverordnung nach § 7 hat die zuständige Behörde die Möglichkeit, den Betrieb der Anlage ganz oder teilweise zu untersagen. Die Wirkung der entsprechenden Verfügung muß jedoch auf den Zeitraum bis zur Erfüllung der Auflage, Anordnung oder Pflicht beschränkt werden. Ist das unterblieben, muß sie aufgehoben werden, wenn die Auflage, Anordnung oder Pflicht erfüllt wird.

Die Betriebsuntersagung steht im pflichtgemäßen Ermessen der Behörde. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Mittel ist zu beachten. Danach kann es erforderlich sein, den Betrieb nur teilweise zu untersagen oder lediglich technische oder organisatorische Maßnahmen zu verlangen, durch die das mit der Auflage, Anordnung oder Pflicht verfolgte Ziel erreicht werden kann.

Statt (oder neben) der Untersagung kann die Behörde in geeigneten Fällen eine Geldbuße festsetzen (§ 62 Abs. 1 Nr. 3 und 5) oder versuchen, die Auflage bzw. vollziehbare Anordnung mit den Mitteln des Verwaltungszwangs durchzusetzen. Konkrete Pflichten aus einer Rechtsverordnung können nach Erlaß einer (unselbständigen) Verfügung im Wege des Verwaltungszwangs durchgesetzt werden.

15.2 Wird eine Anlage ohne die erforderliche Genehmigung errichtet, betrieben oder wesentlich geändert, so soll nach Absatz 2 Satz 1 in der Regel ihre Stillegung oder Beseitigung angeordnet werden. Fehlt die Genehmigung nur zum Teil, so ist die Anordnung entsprechend zu beschränken; sie darf nicht weitergehen als es zur Rückführung auf den genehmigten Zustand erforderlich ist. Eine Stillegung ist auch dann zulässig, wenn die Genehmigungsfähigkeit der Anlage nach § 6 feststeht. Von einer Beseitigungsanordnung soll in einem derartigen Fall jedoch abgesehen werden, wenn das Genehmigungsverfahren eingeleitet ist und der Antragsteller die ihm obliegenden Pflichten zur Förderung des Verfahrens erfüllt hat.

Soweit dies zum Schutz der Nachbarschaft oder der Allgemeinheit ausreicht, hat die Behörde statt einer Beseitigungsanordnung andere Maßnahmen aufgrund des Absatzes 2 Satz 2 zu treffen.

15.3 Im Falle einer Kapazitätsüberschreitung hat die zuständige Behörde zu prüfen, ob der Betreiber insoweit eine Anlage ungenehmigt betreibt, mithin § 20 Abs. 2 einschlägig wäre, oder gegen eine kapazitätsbeschränkende Auflage (§ 20 Abs. 1) verstößt. Im Zweifel ist eine notwendige Anordnung nach § 20 sowohl auf Absatz 2 als auch auf Absatz 1 zu stützen.

15.4 Nach Absatz 3 kann der Betrieb einer genehmigungsbedürftigen Anlage untersagt werden, wenn

  1. Tatsachen vorliegen, welche die Unzuverlässigkeit des Betreibers oder eines mit der Leitung des Betriebes Beauftragten in Bezug auf die Einhaltung von Immissionsschutzvorschriften dartun und
  2. die Untersagung zum Wohl der Allgemeinheit geboten ist.
Im Gegensatz zu der neben Absatz 3 anwendbaren Vorschrift des § 35 Abs. 3 Gewerbeordnung reicht die Unzuverlässigkeit in Bezug auf das Gewerbe allgemein zu einer Untersagung nicht aus. Die Unzuverlässigkeit muß vielmehr "in Bezug auf die Einhaltung von Rechtsvorschriften zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen" hervortreten.

Die Untersagung des Betriebs durch den Betreiber läßt die Genehmigung als solche unberührt. Der in Bezug auf Immissionsschutzvorschriften unzuverlässige Betreiber kann daher die Anlage an einen Dritten übertragen; der Rechtsnachfolger benötigt in diesem Fall keine neue Genehmigung.

Nach Absatz 3 Satz 2 kann dem Betreiber auf Antrag auch erlaubt werden, die Anlage durch eine Person betreiben zu lassen, die die Gewähr für den ordnungsgemäßen Betrieb der Anlage bietet. Inhaber der Erlaubnis ist in einem solchen Fall nur der antragstellende Betreiber. Nur ihm kann daher nach Absatz 3 Satz 3 ein bestimmtes Verhalten auferlegt werden. Die Erlaubnis soll in der Regel mit einem Widerrufsvorbehalt verbunden werden.

16 Zu § 21 (Widerruf der Genehmigung):

16.1 In § 21 ist nur der Widerruf einer rechtmäßig erteilten Genehmigung geregelt. Die Wirksamkeit einer von Anfang an rechtswidrigen, aber nicht nichtigen Genehmigung kann nur durch die Rücknahme wieder beseitigt werden. Diese ist nach § 116 LVwG unter Beachtung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes zulässig.

Gegenstand eines Widerrufs nach § 21 kann auch eine nach § 16 ff. Gewerbeordnung a.F. erteilte Genehmigung, die gemäß § 67 Abs. 1 BImSchG als Genehmigung fortgilt, sein. Bei genehmigungsbedürftigen Anlagen, für die im Hinblick auf § 16 Abs. 4 Gewerbeordnung a.F. oder § 67 Abs. 2 BImSchG eine Genehmigung nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz oder der Gewerbeordnung a.F. nicht erteilt worden ist, so daß ein Widerruf oder eine Rücknahme der immissionsschutzrechtlichen Genehmigungen nicht möglich ist, soll - soweit konkrete Gründe gegen eine Aufrechterhaltung der Baugenehmigung sprechen - die zuständige untere Bauaufsichtsbehörde zu der Prüfung veranlaßt werden, ob sie ihrerseits die Baugenehmigung widerrufen oder zurücknehmen will.

16.2 Die möglichen Widerrufsgründe sind in Absatz 1 abschließend aufgeführt.

16.2.1 Nach Nummer 1 darf eine unanfechtbare Genehmigung nach pflichtgemäßem Ermessen widerrufen werden, wenn der Widerruf gemäß § 12 Abs. 2 Satz 2 oder Abs. 3 vorbehalten ist. Ist der Widerrufsvorbehalt bestandskräftig, ist im Widerrufsverfahren von seiner Wirksamkeit auszugehen. Einwendungen gegen die Rechtmäßigkeit des Widerrufsvorbehaltes können jedoch im Rahmen der Ermessenserwägungen, ob die Genehmigungsbehörde von ihrem Widerrufsrecht Gebrauch machen will, von Bedeutung sein.

16.2.2 Nach Nummer 2 darf die Genehmigung bei Nichterfüllung einer echten Auflage widerrufen werden. Es kommt nicht darauf an, daß der Begünstigte die Auflage schuldhaft nicht erfüllt hat. Die Frage des Verschuldens wird jedoch in der Regel im Rahmen der Ermessenserwägung bedeutsam sein. Dabei ist auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Mittel zu beachten; nur Verstöße gegen bedeutsame Auflagen können danach einen Widerruf rechtfertigen.

16.2.3 Die Widerrufbarkeit nach Nummer 3 bei Änderung der tatsächlichen Verhältnisse (z.B. Änderung der Umgebung der Anlage) bedarf einer stärkeren Einschränkung als in den Fällen der Nummern 1 und 2, da hier der Widerruf weder von Anfang an vorhersehbar war, noch auf das Verhalten der Betroffenen zurückzuführen ist. Weitere Voraussetzung ist daher, daß ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde. Ein öffentliches Interesse an einem Widerruf ist in der Regel bei einer Gefährdung von Leben oder Gesundheit von Menschen oder bei erheblichen Belästigungen für eine größere Zahl von Personen zu bejahen. Im Rahmen der Ermessensausübung sind die Umstände zu berücksichtigen, die zur Änderung der tatsächlichen Verhältnisse geführt haben.

16.2.4 Bei Änderungen des bestehenden Rechts ist ein Widerruf nach Nummer 4 nur möglich, wenn - neben der Gefährdung des öffentlichen Interesses ohne Widerruf - der Betreiber von der Genehmigung noch keinen Gebrauch gemacht hat. Davon ist auszugehen, solange noch nicht mit der Ausführung genehmigungspflichtiger Maßnahmen (Ausschachtung u.a.) begonnen worden ist.

16.2.5 Nach Nummer 5 ist der Widerruf zur Verhütung oder Beseitigung schwerer Nachteile für das Gemeinwohl möglich. Unter dem Begriff des Gemeinwohls ist die Summe aller Belange zu verstehen, die ein geordnetes menschliches Zusammenleben ermöglichen. Die Beantwortung der Frage, wann das Gemeinwohl beeinträchtigt wird, setzt im Einzelfall eine Abwägung aller relevanten öffentlichen Belange voraus.

Ein schwerer Nachteil für das Gemeinwohl liegt vor oder droht, wenn besonders wichtige Rechtsgüter nachhaltig beeinträchtigt sind; es muß eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit vorliegen. Belästigungen reichen nicht aus, wohl aber Gefahren für Leben oder Gesundheit, unabhängig von der Zahl der gefährdeten Personen.

Bei der Ermessensausübung ist auch zu prüfen, ob die schweren Nachteile für das Gemeinwohl nicht auf andere Weise beseitigt werden können, etwa durch passive Schutzmaßnahmen oder durch Umsiedlung der gefährdeten Personen.

16.3 Die Frist des Absatzes 2 beginnt zu laufen, sobald die Genehmigungsbehörde Kenntnis von allen Tatsachen erlangt hat, die sie zur Rechtfertigung des Widerrufs der Genehmigung heranziehen muß.

16.4 Im Widerrufsverfahren hat die Behörde dem Betreiber Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Sie hat alle Behörden zu beteiligen, deren Aufgabenbereich durch den Widerruf berührt wird.

16.5 In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 3 bis 5 ist der Betroffene auf Antrag zu entschädigen (Absatz 4). Auf das Erfordernis der Antragstellung ist der Betroffene bereits in dem Widerrufsbescheid hinzuweisen.

Ein Entschädigungsanspruch kann nur innerhalb eines Jahres nach Zugang des Hinweises auf das Antragserfordernis bei der Genehmigungsbehörde geltend gemacht werden. Zu entschädigen ist der Verkehrswert der Genehmigung im Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Widerrufs.

17 Zu § 22 (Pflichten der Betreiber nicht genehmigungsbedürftiger Anlagen):

17.1 In den §§ 22 ff. sind die Pflichten der Betreiber nicht genehmigungsbedürftiger Anlagen geregelt. Nicht genehmigungsbedürftige Anlagen sind Anlagen im Sinne des § 3 Abs. 5, die nicht in den Katalog der 4. BImSchV aufgenommen worden sind. Ob die Anlagen nach anderen Gesetzen - etwa aufgrund der Bauordnung - einer Genehmigung bedürfen, ist in diesem Zusammenhang unbeachtlich.

Die Vorschriften des § 22 gelten mit der Einschränkung des Absatzes 1 Satz 2 für Anlagen jeder Art, für bauliche Anlagen ebenso wie für Maschinen und Haushaltsgeräte, für private Anlagen wie für Anlagen der öffentlichen Hand. §§ 22 ff. gelten jedoch nicht für Anlagen, die die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 der 4. BImSchV erfüllen.

17.2 § 22 Abs. 1 begründet eine unmittelbar verbindliche öffentlich-rechtliche Verpflichtung der Betreiber nicht genehmigungspflichtiger Anlagen. Diese Verpflichtung ist bei allen behördlichen Entscheidungen zu berücksichtigen, sofern diese die Errichtung oder den Betrieb von nicht genehmigungsbedürftigen Anlagen betreffen. Insbesondere gehört § 22 Abs. 1 zu den öffentlich-rechtlichen Vorschriften, von deren Einhaltung die Erteilung der Baugenehmigung gemäß § 69 Abs. 1 LBO abhängt.

17.3 Nach Absatz 2 bleiben weitergehende öffentlich-rechtliche Vorschriften unberührt. Hierzu können insbesondere weitergehende landesrechtliche Bestimmungen gehören. Zur Abwehr von Gefahren können auch die Vorschriften des Landesverwaltungsgesetzes (§§ 162 ff.) herangezogen werden, soweit die immissionsschutzrechtlichen Bestimmungen im Einzelfall keine ausreichende Rechtsgrundlage für erforderliche Abhilfemaßnahmen bieten.

17.4 Die Betreiber nicht genehmigungsbedürftiger Anlagen müssen nach Maßgabe des § 22 schädliche Umwelteinwirkungen vermeiden. Zur Beurteilung der Schädlichkeit von Lärmeinwirkungen können die Immissionsrichtwerte der VDI-Richtlinie 2058 Blatt 1 neben anderen Erkenntnisquellen herangezogen werden.

Die Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen ist nach dem Ergebnis der Beratungen des Dritten Gesetzes zur Änderung des BImSchG bei nicht genehmigungsbedürftigen Anlagen den Verordnungen nach § 23 vorbehalten. Emissionsbegrenzungen nach dem Stand der Technik können in Verwaltungsakten nach § 24 deshalb nur gefordert werden, soweit sie im Einzelfall dazu bestimmt sind, schädliche Immissionen zu vermeiden oder zu vermindern.

Maßnahmen zum Schutz vor sonstigen Gefahren z.B. Bränden und Explosionen, sonstigen erheblichen Nachteilen und sonstigen erheblichen Belästigungen können bei nicht genehmigungsbedürftigen Anlagen nicht auf das BImSchG gestützt werden.

17.5 Liegen schädliche Umwelteinwirkungen vor oder sind solche Einwirkungen zu erwarten, so muß der Betreiber nach § 22 Abs. 1 Nr. 1 Maßnahmen nach dem Stand der Technik ergreifen, um diese Einwirkungen zu verhindern. Zur Beurteilung des Standes der Technik sind insbesondere DIN-Normen und VDI-Richtlinien heranzuziehen.

Können schädliche Umwelteinwirkungen durch Maßnahmen nach dem Stand der Technik nicht verhindert werden, so muß nach § 22 Abs. 1 Nr. 2 der Betreiber sonstige Maßnahmen ergreifen, um die schädlichen Einwirkungen auf ein Mindestmaß zu beschränken. Dieses Mindestmaß kann auch das Maß Null für schädliche Einwirkungen sein, so daß auch nach § 22 Nr. 2 die Pflicht zur völligen Vermeidung schädlicher Umwelteinwirkungen besteht, wenn dies Ziel nicht durch sonstige Maßnahmen erreicht werden kann.

Als sonstige Maßnahmen kommen zeitliche und örtliche Beschränkungen des Anlagenbetriebs in Betracht. Die zeitlichen Beschränkungen müssen aber noch einen vernünftigen Betrieb der Anlage zulassen, da sie sonst wie eine Untersagung wirken würden, die nur unter den engeren Voraussetzungen des § 25 Abs. 2 zulässig ist. Gleiches gilt für örtliche Beschränkungen (Standortverbote und gebote), die ebenfalls als Untersagung zu werten wären, wenn der vom Anlagenbetreiber gewollte örtliche Zusammenhang mit einem bestimmten Lebens- oder Arbeitsbereich aufgehoben würde.

18 Zu §§ 24 und 25 (Anordnung im Einzelfall, Untersagung):

Vor Anordnungen nach § 24 ist zu prüfen, ob ein ausreichender Immissionsschutz auch durch Maßnahmen nach anderen Vorschriften zu erreichen ist. Diese Ermächtigungen sind neben §§ 24 , 25 selbständig anwendbar.

18.1 Anordnungen nach §§ 24 und 25 können sich nicht unmittelbar auf die Beschaffenheit und den Betrieb von Kraftfahrzeugen beziehen. Die durch Kraftfahrzeuge verursachten Immissionen können aber auch einer Anlage im Sinne des § 3 Abs. 5 zuzurechnen sein. Das ist immer dann der Fall, wenn die Immissionen wesentlich durch den bestimmungsgemäßen Betrieb der Anlage verursacht werden. Hält ein Anlagenbetreiber beispielsweise private Flächen zum Parken, Aufladen etc. für Kunden und andere Personen bereit, so sind die dabei entstehenden Geräusche in der Regel als Emissionen der Anlage anzusehen. Dem öffentlichen Verkehr können nur die beim Befahren und Verlassen der öffentlichen Verkehrswege entstehenden Geräusche zugerechnet werden. Hinsichtlich der Emissionen der (privaten) Anlage sind Anordnungen nach §§ 24 und 25 zulässig; sie müssen jedoch anlagebezogen und für den Betreiber erfüllbar sein.

18.2 Sollen Maßnahmen angeordnet werden, die nach baurechtlichen Vorschriften genehmigungspflichtig sind, ist die zuständige untere Bauaufsichtsbehörde vor der Anordnung zu beteiligen.

18.3 Die Eingriffsvoraussetzungen des § 24 und die Grenzen behördlichen Eingreifens ergeben sich aus § 22 und den jeweiligen Rechtsverordnungen. Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Mittel dürfen keine Maßnahmen verlangt werden, die im Verhältnis zu dem angestrebten Zweck unangemessene wirtschaftliche Aufwendungen zur Folge haben würden.

19 Zu §§ 26 bis 31 (Ermittlung von Emissionen und Immissionen):

19.1 Die §§ 26 ff. betreffen die Ermittlung von Emissionen und Immissionen, wobei die Ermittlung entgegen den Überschriften der Paragraphen insbesondere bei der Ermittlung der Immissionen auch durch andere Feststellungen als Messungen, z.B. durch Berechnungen, vorgenommen werden kann.

19.1.1 Nach § 26 kann aus besonderem Anlaß angeordnet werden, daß der Betreiber einer genehmigungsbedürftigen Anlage oder, soweit § 22 Anwendung findet, einer nicht genehmigungsbedürftigen Anlage Art und Ausmaß der von der Anlage ausgehenden Emissionen sowie die Immissionen im Einwirkungsbereich der Anlage ermitteln zu lassen hat. Ein besonderer Anlaß ist nur dann gegeben, wenn zu befürchten ist, - d.h., wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen -, daß durch die Anlage schädliche Umwelteinwirkungen hervorgerufen werden.

Soweit Ermittlungen durch Messungen angezeigt sind, können nach § 29 Abs. 1 Satz 1 bei genehmigungsbedürftigen Anlagen statt Einzelmessungen kontinuierliche Messungen mit fortlaufend aufzeichnenden Geräten angeordnet werden.

19.1.2 Von der Ermittlung von Emissionen und Immissionen aufgrund der §§ 26, 28 oder 29 sind zu unterscheiden:

  1. Ermittlungen, die durch eine Nebenbestimmung zum Genehmigungsbescheid angeordnet worden sind,
  2. Ermittlungen, die in den Rechtsverordnungen nach § 7 oder § 23 gefordert werden, und
  3. Ermittlungen, die die Überwachungsbehörde nach § 52 Abs. 2, 3 oder 6 durchführt oder durch Sachverständige durchführen läßt.
19.1.3 Die zuständigen Behörden sollen die gesetzlich gegebenen Möglichkeiten zur Überwachung der Emissionen und Immissionen nutzen, insbesondere die Anordnungsbefugnisse nach §§ 28 und 29.

19.1.4 Für Anordnungen nach §§ 26 ff. ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Mittel zu beachten. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wird einer Anordnung in der Regel entgegenstehen, wenn von vornherein feststeht, daß von den betreffenden Anlagen schädliche Umwelteinwirkungen nicht ausgehen und keine Anordnungen nach § 17 getroffen werden können, die Messung also im Ergebnis ohne Erfolg bliebe.

19.1.5 Durch Anordnungen nach §§ 26 und 28 wird der Anlagenbetreiber verpflichtet, einen privatrechtlichen Auftrag an eine bekanntgegebene Stelle zur Ermittlung von Emissionen und Immissionen zu erteilen. In den Anordnungen sollen Einzelheiten über Art und Umfang der Ermittlungen (z.B. zugrunde zu legende Regelwerke, Meßpunkte, Anzahl der Messungen) vorgeschrieben werden (s. auch Erlaß der Ministerin für Natur und Umwelt vom 10. Mai 1995 - Amtsbl. Schl.-H. S. 400 -, zuletzt geändert durch Erlaß des Ministeriums für Umwelt, Natur und Forsten vom 17. Februar 1997-Amtsbl. Schl.-H. S. 118 ber. S. 218 -). Die Auswahl unter den bekanntgegebenen Stellen steht dem Anlagenbetreiber grundsätzlich frei. Als Nebenbestimmung ist in den Bescheid im Regelfall jedoch aufzunehmen, daß der Anlagenbetreiber den Ermittlungsauftrag nicht an eine Stelle geben darf, die ihn hinsichtlich von Schutzmaßnahmen beraten hat, deren Wirksamkeit durch die Ermittlungen geprüft werden soll.

In der Anordnung ist auch zu gestatten, daß anstelle einer in Schleswig-Holstein bekanntgegebenen Meßstelle eine in einem anderen Land bekanntgegebene Meßstelle beauftragt werden kann. Dies gilt entsprechend auch für Messungen, die auf Grund einer früheren nachträglichen Anordnung oder eines Genehmigungsbescheids durchzuführen sind. Einer besonderen Gestaltung bedarf es hierfür nicht mehr.

Eine in einem anderen Bundesland bekanntgegebene Meßstelle muß zukünftig nicht mehr in Schleswig-Holstein zusätzlich bekanntgegeben werden. Gleiches gilt für andere Stellen und Sachverständige, die nach BImSchG oder auf Grund von Verordnungen nach BImSchG bzw. Verwaltungsvorschriften bekanntzugeben sind (z.B. § 12 Abs. 7 2. BImSchV, § 7 Ziff. 2 5. BImSchV, § 4 Abs. 2 8. BImSchV, § 13 Abs. 2 9. BImSchV, § 26 Abs. 5 und § 28 Abs. 1 13. BImSchV, § 7 Abs. 1 und 2 15. BImSchV, § 10 Abs. 2 und 3 17. BImSchV, § 7 Abs. 3 27. BImSchV). Für die Erteilung des Auftrags ist eine Frist zu setzen und zu bestimmen, daß ein Abdruck des Auftragsschreibens der Behörde vorgelegt wird.

Nach § 26 Abs. 2 soll verlangt werden, daß der Anlagenbetreiber die Stelle verpflichtet, gleichzeitig mit ihm die Behörde über das Ermittlungsergebnis unmittelbar zu unterrichten.

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