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Regelwerk, Abfall
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Hinweise zur Anwendung der Abfallverzeichnis-Verordnung

Vom 9. August 2005
(BAnz. Nr. 148a vom 09.08.2005)



Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit gibt nachstehend die Hinweise zur Anwendung der Abfallverzeichnis-Verordnung (AVV) vom 10. Dezember 2001 (BGBl. I S. 3379), zuletzt geändert durch Artikel 2 der Verordnung vom 24. Juli 2002 (BGBl. I S. 2833), bekannt:

1 Anwendungsbereich

Die Abfallverzeichnis-Verordnung (AVV) [1] gibt die Bezeichnung von Abfall und die Einstufung der Abfälle als besonders überwachungsbedürftig bzw. nicht besonders überwachungsbedürftig nach ihrer Gefährlichkeit vor.

Diese Hinweise enthalten Erläuterungen zur Auslegung des Begriffs gefährliche Abfallart sowie der damit verbundenen Zuordnung der Abfälle mit gefahrenrelevanten Eigenschaften nach der AVV. Insbesondere gilt das für die Zuordnung der gefahrenrelevanten Eigenschaften bei den sogenannten Spiegeleinträgen.

Dazu geben die Hinweise eine Anleitung für die Zuordnung von Abfällen zu den als gefährlich bzw. nicht gefährlich geltenden Abfallarten anhand konkretisierender Merkmale. In den Hinweisen werden die gefahrenrelevanten Eigenschaften H1 bis H14 sowie eine Systematik für die Zuordnung von diesen Eigenschaften erläutert.

Die Hinweise dienen den für die Bezeichnung und Einstufung verantwortlichen Erzeugern oder Besitzern von Abfällen als Hilfestellung. Sie sind insbesondere von Bedeutung hinsichtlich

Die Hinweise enthalten keine Vorgaben für die Behandlung, Verwertung und Beseitigung von Abfällen.

2 Allgemeine Vorschriften

2.1 Abfallverzeichnis-Verordnung

Die AVV enthält das Gesamtverzeichnis der Abfallarten, in dem sowohl die nicht gefährlichen als auch die gefährlichen Abfallarten erfasst sind. Es umfasst 839 Abfallarten, von denen 405 als gefährlich eingestuft sind. Diese sind mit einem Sternchen (*) versehen und nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AVV besonders überwachungsbedürftige Abfälle im Sinne des § 41 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Nr. 1 des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes (KrW-/AbfG). Für Abfälle, die diesen Abfallarten zugeordnet werden, wird davon ausgegangen, dass mindestens eine der in der Richtlinie 91/689/EWG über gefährliche Abfälle [5] (im Folgenden als Richtlinie über gefährliche Abfälle bezeichnet) genannten gefahrenrelevanten Eigenschaften vorliegt.

In Anhang I der Hinweise sind zur erleichterten Übersicht die Abfallarten zusammengestellt worden, bei denen nur über § 3 Abs. 3 AVV von der Bestimmung als gefährlich abgewichen werden kann. Diese Liste umfasst insgesamt 232 Abfallarten. Die verbleibenden 173 als gefährlich bezeichneten Abfallarten liegen in Form der sogenannten "Spiegeleinträge" vor, bei denen gefährlichen nicht gefährliche Abfallarten gegenübergestellt sind. Diese Spiegeleinträge sind im Anhang II aufgeführt. Jedem gefährlichen Spiegeleintrag wird mindestens eine als nicht gefährlich bestimmte Abfallart gegenübergestellt.

In der AVV werden nicht alle gefahrenrelevanten Eigenschaften spezifiziert (nur H3 bis H8, H10 und H11). Im Interesse einer einheitlichen Anwendung werden für die weiteren nicht spezifizierten Eigenschaften in diesen Hinweisen Erläuterungen gegeben, die nachvollziehbare Einstufungen erlauben.

Die grundlegenden Vorschriften für die Zuordnung eines Abfalls zu einer Abfallart sowie für die Einstufung als gefährlicher Abfall werden in der Anlage zu § 2 Abs. 1 AVV vorgegeben.

2.2 Vorgaben der Europäischen Gemeinschaft für das Abfallverzeichnis

Mit dem Erlass der AVV wurde die Entscheidung 2000/532/EG der Kommission vom 3. Mai 2000 [6] in der Fassung der Änderungsentscheidungen umgesetzt.

In Artikel 2 der Entscheidung wird für die Konkretisierung der gefahrenrelevanten Eigenschaften H3 bis H8, H10 und H11 auf das europäische Stoffrecht (Richtlinie 67/548/EWG zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten für die Einstufung, Verpackung und Kennzeichnung gefährlicher Stoffe [7] (im Folgenden als Stoffrichtlinie bezeichnet) sowie die Richtlinie 88/379/EWG zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten für die Einstufung, Verpackung und Kennzeichnung gefährlicher Zubereitungen [8] (im Folgenden als Zubereitungsrichtlinie bezeichnet) und die dazu erlassenen Änderungsrichtlinien) verwiesen. Diese Richtlinien sind durch die Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) [9] in deutsches Recht umgesetzt. Nachfolgende Änderungen werden in der GefStoffV durch gleitende Verweise fortlaufend umgesetzt.

Die in § 3 Abs. 2 AVV angegebenen Werte für die Eigenschaften sind abschließend festgelegt. Nach der Fußnote 1 zu Artikel 2 der Entscheidung 2000/532/EG wurden sie abschließend der Richtlinie 88/379/EWG entnommen. Zur Konkretisierung der gefahrenrelevanten Eigenschaften H1, H2, H9, H12 bis H14 können auch deren Nachfolgerichtlinie 1999/45/EG [10] sowie sonstige relevante Gefahrstoffrichtlinien herangezogen werden.

2.3 Wasserhaushaltsgesetz (WHG)

Die Vorschriften des § 19g des Wasserhaushaltsgesetzes (WHG) [11] und damit die Einstufung in Wassergefährdungsklassen bleiben von der AVV unberührt.

3 Gefahrenrelevante Eigenschaften und Gefährlichkeitsmerkmale

3.1 Gefahrenrelevante Eigenschaften nach der Richtlinie über gefährliche Abfälle

Die Richtlinie über gefährliche Abfälle definiert die gefahrenrelevanten Eigenschaften, die der Einstufung der Abfälle als gefährlich zugrunde liegen. Von diesen Abfällen wird angenommen, dass sie eine oder mehrere Eigenschaften im Anhang III der Richtlinie aufweisen. Die Entscheidung 2000/532/EG legt für die Einstufung von Abfällen als gefährlich auch die nicht konkretisierten gefahrenrelevanten Eigenschaften zugrunde. Diese Eigenschaften sind bei der Einstufung des Abfalls ohne Ausnahme zu berücksichtigen.

Tabelle 1 enthält die Zusammenstellung dieser Eigenschaften.

Tabelle 1 Gefahrenrelevante Eigenschaften von Abfällen gemäß der Richtlinie über gefährliche Abfälle

EigenschaftBezeichnungErläuterung
H1explosivStoffe und Zubereitungen, die unter Einwirkung einer Flamme explodieren können oder empfindlicher auf Stöße oder Reibung reagieren als Dinitrobenzol;
H2brandförderndStoffe und Zubereitungen, die bei Berührung mit anderen, insbesondere brennbaren Stoffen eine stark exotherme Reaktion auslösen;
H3-Aleicht entzündbar- Stoffe und Zubereitungen in flüssiger Form mit einem Flammpunkt von weniger als 21 °C (einschließlich hoch entzündbarer Flüssigkeiten) oder
- Stoffe und Zubereitungen, die sich an der Luft bei normaler Temperatur und ohne Energiezufuhr erwärmen und schließlich entzünden oder
- feste Stoffe und Zubereitungen, die sich unter Einwirkung einer Zündquelle leicht entzünden und nach Entfernung der Zündquelle weiterbrennen oder
- unter Normaldruck an der Luft entzündbare gasförmige Stoffe und Zubereitungen oder
- Stoffe und Zubereitungen, die bei Berührung mit Wasser oder feuchter Luft gefährliche Mengen leicht brennbarer Gase abscheiden;
H3-Bentzündbarflüssige Stoffe und Zubereitungen mit einem Flammpunkt von mindestens 21 °C und höchstens 55 °C;
H4reizendnicht ätzende Stoffe und Zubereitungen, die bei unmittelbarer, länger dauernder oder wiederholter Berührung mit der Haut oder den Schleimhäuten eine Entzündungsreaktion hervorrufen können;
H5gesundheits- schädlichStoffe und Zubereitungen, die bei Einatmung, Einnahme oder Hautdurchdringung Gefahren von beschränkter Tragweite hervorrufen können;
H6giftigStoffe und Zubereitungen (einschließlich der hochgiftigen Stoffe und Zubereitungen), die bei Einatmung, Einnahme oder Hautdurchdringung schwere, akute oder chronische Gefahren oder sogar den Tod verursachen können;
H7krebs-
erzeugend
Stoffe und Zubereitungen, die bei Einatmung, Einnahme oder Hautdurchdringung Krebs erzeugen oder dessen Häufigkeit erhöhen können;
H8ätzendStoffe und Zubereitungen, die bei Berührung mit lebenden Geweben zerstörend auf diese einwirken können;
H9infektiösStoffe, die lebensfähige Mikroorganismen oder ihre Toxine enthalten und die im Menschen oder sonstigen Lebewesen erwiesenermaßen oder vermutlich eine Krankheit hervorrufen;
H10teratogen *Stoffe und Zubereitungen, die bei Einatmung, Einnahme oder Hautdurchdringung nichterbliche angeborene Missbildungen hervorrufen oder deren Häufigkeit erhöhen können;
H11mutagen **Stoffe und Zubereitungen, die bei Einatmung, Einnahme oder Hautdurchdringung Erbschäden hervorrufen oder ihre Häufigkeit erhöhen können;
H12-Stoffe und Zubereitungen, die bei der Berührung mit Wasser, Luft oder einer Säure ein giftiges oder sehr giftiges Gas abscheiden;
H13-Stoffe und Zubereitungen, die nach Beseitigung auf irgendeine Art die Entstehung eines anderen Stoffes bewirken können, z.B. ein Auslaugungsprodukt, das eine der oben genannten Eigenschaften aufweist;
H14ökotoxischStoffe und Zubereitungen, die unmittelbare oder mittelbare Gefahren für einen oder mehrere Umweltbereiche darstellen können.
* In der Richtlinie 92/32/EWG des Rates zur siebten Änderung der Richtlinie 67/548/EWG [12] wurde der Begriff "fortpflanzungsgefährdend" eingeführt. Dieser Begriff ersetzt den Begriff "teratogen" und hat eine genauere Definition, ohne dass sich am Konzept etwas ändert. Daher entspricht er der Eigenschaft H10 in Anhang III der RL 91/689/EWG.
** synonym: erbgutverändernd

3.2 Gefährlichkeitsmerkmale

Die AVV nimmt hinsichtlich der den gefahrenrelevanten Eigenschaften zuzuordnenden Merkmale Bezug auf die Festlegungen der Stoffrichtlinie, die in der GefStoffV umgesetzt ist. Die Gefährlichkeitsmerkmale, die R-Sätze und die zugeordneten gefahrenrelevanten Eigenschaften nach der Richtlinie über gefährliche Abfälle sind in Tabelle 2 angegeben. Bei der Zuordnung zu gefahrenrelevanten Eigenschaften sind auch Kombinationen der unten angegebenen R-Sätze zu berücksichtigen.

Tabelle 2 Gefährlichkeitsmerkmale mit zugeordneten R-Sätzen nach Anhang VI der Stoffrichtlinie und gefahrenrelevante Eigenschaften der Abfälle

GefährlichkeitsmerkmaleR-SätzeGefahrenrelevante Eigenschaften
ExplosionsgefährlichR2, R3H1
BrandförderndR7, R8, R9H2
HochentzündlichR12H3-A
LeichtentzündlichR11, R15, R17H3-A
EntzündlichR10H3-B
Sehr giftigR26, R27, R28, R39/+H6
GiftigR23, R24, R25, R39/+, R48/+H6
GesundheitsschädlichR20, R21, R22, R48/+, R68/+ R65H5
ÄtzendR34, R35H8
ReizendR36, R37, R38, R41H4
SensibilisierendR42, R43-
KrebserzeugendR45, R49, R40#H7
FortpflanzungsgefährdendR60, R61, R62, R63H10
ErbgutveränderndR46, R68#H11
UmweltgefährlichR50, R51, R52, R53,
R54, R55, R56, R57,
R58, R59
H14
# In der Richtlinie 2001/60/EG [13] wurde eine Änderung des R-Satzes R40 in R68 und für R40 ein neuer Wortlaut für die Anwendung auf krebserzeugende Stoffe der Kategorie 3 festgelegt; die entsprechenden Bezüge sind bei der Anwendung der AVV zu berücksichtigen: R40 Verdacht auf krebserzeugende Wirkung und R68 irreversibler Schaden möglich.
+ R39/, R48/, R68/ = Kombinationssätze

§ 3 Abs. 2 AVV konkretisiert für die Eigenschaften H4 bis H8, H10 und H11 die Gefährlichkeitsmerkmale durch Angabe von Konzentrationsgrenzen. Hinsichtlich der Eigenschaft H3 muss nicht zwischen H3-A und H3-B unterschieden werden. Abfälle sind als gefährlich einzustufen, wenn der Flammpunkt < 55 °C ist 1. Siehe Tabelle 3.

Tabelle 3 Merkmale nach § 3 Abs. AVV und zugehörige Konzentrationen bzw. Flammpunkt

Merkmale gemäß § 3 Abs. 2 AVVFlammpunkt/ KonzentrationsgrenzenEigenschaft
1.EntzündlichFlammpunkt < 55 °CH3
2.Sehr giftigGesamtkonzentration von > 0,1 % an einem oder mehreren StoffenH6
3.GiftigGesamtkonzentration von > 3 % an einem oder mehreren StoffenH6
4.GesundheitsschädlichGesamtkonzentration von > 25 % an einem oder mehreren StoffenH5
5.Ätzend (R35)Gesamtkonzentration von > 1 % an einem oder mehreren StoffenH8
6.Ätzend (R34)Gesamtkonzentration von > 5 % an einem oder mehreren StoffenH8
7.Reizend (R41)Gesamtkonzentration von > 10 % an einem oder mehreren StoffenH4
8.Reizend (R36, R37, R38)Gesamtkonzentration von > 20 % an einem oder mehreren StoffenH4
9.Krebserzeugend (Cat. 1 oder 2)Konzentration von > 0,1 % an einem StoffH7
10.Krebserzeugend (Cat. 3)Konzentration von > 1 % an einem StoffH7
11.Fortpflanzungsgefährdend (Cat. 1 oder 2, R60 oder R61)Konzentration von > 0,5 % an einem StoffH10
12.Fortpflanzungsgefährdend (Cat. 3, R62 oder R63)Konzentration von > 5 % an einem StoffH10
13.Erbgutverändernd (Cat. 1 oder 2, R46)Konzentration von > 0,1 % an einem StoffH11
14.Erbgutverändernd (Cat. 3, R40#)Konzentration von > 1 % an einem StoffH11
# In der Richtlinie 2001/60/EG [13] wurde eine Änderung des R-Satzes R40 in R68 und für R40 ein neuer Wortlaut für die Anwendung auf krebserzeugende Stoffe der Kategorie 3 festgelegt; die entsprechenden Bezüge sind bei der Anwendung der AVV zu berücksichtigen: R40 Verdacht auf krebserzeugende Wirkung und R68 irreversibler Schaden möglich. Vgl. auch Tabelle 2.

3.3 Erläuterungen zur Konkretisierung der gefahrenrelevanten Eigenschaften H1, H2, H9, H12, H13 und H14

Für die Zuordnung von Gefährlichkeitsmerkmalen zu diesen gefahrenrelevanten Eigenschaften gibt es keine EU-weiten Festlegungen. Die im Folgenden getroffenen Spezifizierungen stellen eine Möglichkeit zu deren Konkretisierung dar.

Sie beschreiben die Gefährlichkeit eines Abfalls bei den Eigenschaften H1, H2, H9 und H12 über Inhaltsstoffe, die mit bestimmten R-Sätzen belegte Gefahren aufweisen. Im Gegensatz zu den in § 3 Abs. 2 AVV bereits konkretisierten Eigenschaften ist jedoch eine Definition über analytisch bestimmbare Konzentrationsgrenzen dieser Inhaltsstoffe nicht möglich. Der Eigenschaft H13 sind keine R-Sätze zugeordnete. Die gefahrenrelevante Eigenschaft H14 wird über Konzentrationsgrenzen konkretisiert.

- H1 und H2

Bei Vorliegen entsprechender Inhaltsstoffe ist die Eigenschaft nach einschlägigen Vorschriften (siehe Abschnitt 5) direkt am Abfall abzuprüfen. In analoger Anwendung der Regelung aus der Richtlinie 1999/45/EG (Artikel 5 Abs. 2, 1. Anstrich) ist eine Bestimmung der gefahrenrelevanten Eigenschaften H1 und H2 nicht erforderlich, wenn es aufgrund der vorhandenen Informationen unwahrscheinlich ist, dass der Abfall solche gefährlichen Eigenschaften besitzt.

- H9

Die Eigenschaft H9 ist im Wesentlichen für Kapitel 18 des Verzeichnisses relevant.

H9 gilt als erfüllt für die folgenden Abfälle:

Die Zuordnung der anfallenden Abfälle zu den Abfallarten der Gruppen 18 01 und analog für 18 02 kann dem Kapitel 2.1.1 der LAGA-Richtlinie über die ordnungsgemäße Entsorgung von Abfällen aus Einrichtungen des Gesundheitsdienstes [16] entnommen werden.

Das Vorliegen der gefahrenrelevanten Eigenschaft im Abfall sollte im Zweifelsfall durch eine zuständige und sachverständige Stelle festgestellt werden.

- H12

Zur Charakterisierung von Abfällen im Hinblick auf die Eigenschaft H12 und ihre Einstufung als gefährlich oder nicht gefährlich im Sinne der AVV kann auf die unter "sonstige toxische Eigenschaften" der Stoffrichtlinie (Anhang VI Nr. 3.2.8) genannten R-Sätze zurückgegriffen werden.

Ein Abfall ist demnach als gefährlich einzustufen, wenn die R-Sätze

R29 Entwickelt bei Berührung mit Wasser giftige Gase,

R31 Entwickelt bei Berührung mit Säure giftige Gase oder

R32 Entwickelt bei Berührung mit Säure sehr giftige Gase

zutreffen.

Analog zum Vorgehen für die Kennzeichnung mit R15 (gefahren-relevante Eigenschaft H3-A, Anhang V der Stoffrichtlinie, Verfahren A-12) kann bei den o.g. R-Sätzen eine Mindestmenge entstehender giftiger oder sehr giftiger Gase von 1 l/kgh zur Einstufung eines Abfalls als gefährlich herangezogen werden.

Als Inhaltsstoffe, für die die Eigenschaft H12 zutreffen kann, sind beispielhaft zu nennen:

- H13

R-Sätze, die Gefahren durch die Bildung von Eluaten mit gefährlichen Eigenschaften beschreiben, sind in der Stoffrichtlinie nicht enthalten. Der Eigenschaft H13 lässt sich insofern kein Gefährlichkeitsmerkmal zuordnen. Die Erfüllung dieser Eigenschaft ist wie bei den anderen gefahrenrelevanten Eigenschaften unabhängig vom vorgesehenen Entsorgungsweg - d.h. unabhängig davon, ob der Abfall verwertet oder beseitigt werden soll - zu prüfen.

Diese Hinweise enthalten keine umfassende Festlegung aller Tatbestände, die zur Einstufung eines Abfalls als gefährlich gemäß der Definition der gefahrenrelevanten Eigenschaft H13 führen können. Im Folgenden wird ein Ansatz zur Konkretisierung des Vorliegens gefährlicher Eigenschaften in einem Auslaugungsprodukt vorgestellt. Ausgangspunkt für den gewählten Ansatz zur Festlegung von zulässigen Eluatkonzentrationen ist der Schutz der Gesundheit vor Verunreinigungen des Grundwassers. Anforderungen an "Wasser für den menschlichen Gebrauch" (Trinkwasserverordnung - TrinkwV 2001) [17] bzw. Richtlinie 98/83/EG des Rates über die Qualität von Wasser für den menschlichen Gebrauch vom 3. November 1998 [18]), die mit dem Ziel des Schutzes der menschlichen Gesundheit festgelegt wurden, waren auf der EU-Ebene Basis der Ableitung von Zuordnungswerten für die Entsorgung von Abfällen auf den verschiedenen Deponietypen.

In Abschnitt 2.3.1 der Entscheidung 2003/33/EG [19] werden als Ausnahmeregelung unter dem Gesichtspunkt einer tolerierbaren Auslaugbarkeit Werte für die Zuordnung von gefährlichen Abfällen zu einer Deponie für nicht gefährliche Abfälle festgelegt. Diese Zuordnungswerte können zur Prüfung für das Vorliegen der gefahrenrelevanten Eigenschaft H13 verwendet werden. Für die Abgrenzung gefährlicher von nicht gefährlichen Abfällen gemäß H13 können die im Anhang III genannten Bestimmungswerte herangezogen werden.

- H14

Die Eigenschaft H14 "ökotoxisch" entspricht dem Gefährlichkeitsmerkmal "umweltgefährlich" gemäß der Stoffrichtlinie.

Nach der Stoffrichtlinie werden Stoffe/Zubereitungen mit folgenden R-Sätzen als umweltgefährlich eingestuft und gekennzeichnet.

Tabelle 4 Zuordnung von R-Sätzen zum Gefährlichkeitsmerkmal "umweltgefährlich"

R-SatzBezeichnung
R50-53sehr giftig für Wasserorganismen, kann in Gewässern längerfristig schädliche Wirkungen haben
R50sehr giftig für Wasserorganismen
R51-53giftig für Wasserorganismen, kann in Gewässern längerfristig schädliche Wirkungen haben
R52-53schädlich für Wasserorganismen, kann in Gewässern längerfristig schädliche Wirkungen haben
R52schädlich für Wasserorganismen
R53kann in Gewässern längerfristig schädliche Wirkungen haben
R54+giftig für Pflanzen
R55+giftig für Tiere
R56+giftig für Bodenorganismen
R57+giftig für Bienen
R58+kann längerfristig schädliche Wirkungen auf die Umwelt haben
R59gefährlich für die Ozonschicht
+ Für die genannten R-Sätze wurden bisher noch keine genaueren Kriterien von der Europäischen Kommission erarbeitet. Sobald diese vorliegen, können auch diese für die Bestimmung herangezogen werden.

Die Richtlinie 1999/45/EG enthält im Anhang III, Teil B "Konzentrationsgrenzwerte für die Beurteilung umweltgefährlicher Eigenschaften" und bezieht sich dabei auf die akut aquatische Toxizität und längerfristig schädliche Wirkungen (Tabelle 1 des Anhangs III Teil B) sowie die Ozonschicht schädigende Eigenschaften (Tabelle 5 des Anhangs III, Teil B).

Diese Hinweise enthalten daher im Hinblick auf die gefahrenrelevante Eigenschaft H14 nur einen Vorschlag für die Einstufung von Abfällen unter Bezug auf die Umweltbereiche Gewässer und Ozonschicht.

Ein Abfall weist demnach die Eigenschaft H14 auf und ist als gefährlich einzustufen, wenn folgende Merkmale erfüllt sind:

Tabelle 5 Konzentrationsgrenzen für H14

- Gesamtkonzentration von > 0,25 % an einem oder mehreren mit den R-Sätzen R50-53 als umweltgefährlich eingestuften Stoffen
- Gesamtkonzentration von > 2,5 % an einem oder mehreren mit den R-Sätzen R51-53 als umweltgefährlich eingestuften Stoffen
- Gesamtkonzentration von > 25 % an einem oder mehreren mit den R-Sätzen R52-53 als umweltgefährlich eingestuften Stoffen
- Gesamtkonzentration von > 0,1 % an einem oder mehreren mit dem R-Satz R59 als umweltgefährlich eingestuften Stoffen

4 Zuordnung von gefahrenrelevanten Eigenschaften

4.1 Systematik der Zuordnung

Die Vorgehensweise für die Zuordnung eines Abfalls zu einer der in den 20 Kapiteln des Abfallverzeichnisses aufgeführten Abfallarten wird in der Anlage zu § 2 Abs. 1 AVV beschrieben. Die weiteren Arbeitsschritte ergeben sich aus dieser Zuordnung:

Dabei werden die gefahrenrelevanten Eigenschaften (Tabelle 1) anhand der einschlägigen Gefährlichkeitsmerkmale (Tabelle 2) abgeprüft. Trifft mindestens eine dieser Eigenschaften zu, dann handelt es sich um einen gefährlichen Abfall, der dem gefährlichen Spiegeleintrag zugeordnet werden muss. Anderenfalls ist die im Spiegeleintrag vorgegebene nicht gefährliche Abfallart auszuwählen.

Diese Prüfung kann aufgrund der Beschreibung von Herkunft oder Entstehung sowie Angaben zu stofflichen Eigenschaften (z.B. Sicherheitsdatenblätter) erfolgen. Führt eine solche Beschreibung nicht zum Ergebnis, so muss eine abfallspezifische Analyse der für die Zuordnung relevanten Inhaltsstoffe durchgeführt werden. In vielen Fällen lassen herkunftsbezogene Informationen bereits eine Eingrenzung des Untersuchungsumfanges zu (z.B. mineralische Abfälle des Kapitels 17 AVV).

Durch die Kenntnis von Produktionsprozessen, Herstellungs- oder Bearbeitungsverfahren können Angaben über verwendete Einsatz-, Hilfs- oder Rohstoffe gemacht werden. Weiter sind in den meisten Fällen die neu entstehenden Zwischenprodukte bzw. die Produkte selbst bekannt. Nutzbar sind auch dokumentierte Abfalluntersuchungen. Mit diesen Informationen sowie ggf. den Angaben über gefährliche bzw. nicht gefährliche Inhaltsstoffe aus Sicherheitsdatenblättern kann die Prüfung der im Abfall enthaltenen Stoffe bzw. ihrer Reaktionseigenschaften im Hinblick auf die Gefährlichkeit vorgenommen werden. Hieraus kann sich dann die Zuordnung zu der gefährlichen bzw. nicht gefährlichen Abfallart eines Spiegeleintrags ergeben.

Unbenommen bleibt die Möglichkeit des Abfallerzeugers oder -besitzers, Abfälle als gefährlich einzustufen, wenn er das Vorliegen gefahrenrelevanter Eigenschaften nicht ausschließen kann.

Anhang IV enthält ein Ablafschema der Zuordnung von gefahren-relevanten Eigenschaften für Abfälle.

Bei den Spiegeleinträgen ist zu unterscheiden zwischen:

1. Alternativen Einträgen, bei denen die Zuordnung des Abfalls zu den korrespondierenden Abfallarten davon abhängig ist, ob der Abfall "gefährliche Stoffe" enthält oder nicht.

Beispiel:

16 01 14*Frostschutzmittel, die gefährliche Stoffe enthalten
16 01 15Frostschutzmittel mit Ausnahme derjenigen, die unter 16 01 14 fallen,

2. Alternativen Einträgen, bei denen die Zuordnung des Abfalls zu den korrespondierenden Abfallarten davon abhängig ist, ob der Abfall bestimmte, in der Abfallbezeichnung genannte, gefährliche Inhaltsstoffe enthält oder nicht.

Beispiel:

16 01 11 *asbesthaltige Bremsbeläge
16 01 12Bremsbeläge mit Ausnahme derjenigen, die unter 16 01 11 fallen,

3. Einträgen, die einen multiplen Bezug auf mehrere korrespondierende Abfallarten aufweisen; die Zuordnung ist abhängig von der spezifischen Abfallherkunft oder bestimmten Abfalleigenschaften sowie den enthaltenen gefährlichen Stoffen.

Beispiel:

06 03 11*feste Salze und Lösungen, die Cyanid enthalten 06 03 13* feste Salze und Lösungen, die Schwermetalle enthalten
06 03 14feste Salze und Lösungen mit Ausnahme derjenigen, die unter 06 03 11 und 06 03 13 fallen.

Der Anhang II enthält die Liste der Spiegeleinträge mit Hinweisen für die Einstufung.

4.2 Beurteilung von Abfällen aufgrund von relevanten gefährlichen Inhaltsstoffen

Für die Beurteilung der Gefährlichkeit eines Abfalls anhand der Abfallanalytik sind die Untersuchungsergebnisse mit den Vorgaben für die gefahrenrelevanten Eigenschaften abzugleichen.

Die gefahrenrelevanten Eigenschaften H4, H5, H6, H8 und H14 gelten als erfüllt, wenn die Gesamtkonzentration aller Stoffe mit entsprechenden Gefährlichkeitsmerkmalen eine für jede Eigenschaft spezifische Größe nicht unterschreitet. Bei der Bestimmung der gefahrenrelevanten Eigenschaften H7, H10 und H11 sind auch Stoffe zu berücksichtigen, die zwar noch nicht in Anhang I der Stoffrichtlinie aufgenommen sind, aber bereits entsprechend den Kriterien des Anhangs VI der Stoffrichtlinie bewertet und als krebserzeugend, fortpflanzungsschädigend und erbgutverändernd eingestuft sind. Bei der Bestimmung der Eigenschaft H7 sind auch Stoffe zu berücksichtigen, deren krebserzeugende Eigenschaft in der TRGS 905 und der MAK-Werte-Liste (krebserzeugend Kategorie 1 bis 3) bekannt gemacht ist. Die Eigenschaften H7, H10 und H11 gelten als erfüllt, wenn die Einzelkonzentration entsprechend eingestufter Stoffe einen bestimmten Wert nicht unterschreitet.

Das Untersuchungsergebnis ist für jede Eigenschaft in Bezug auf die dort definierte Grenze zu bewerten. In welcher Weise ein Inhaltsstoff für die Zuordnung einer gefahrenrelevanten Eigenschaft zu berücksichtigen ist, erschließt sich aus der Stoffeinstufung.

DA sich die Konzentrationsgrenzen aus der Zubereitungsrichtlinie ableiten, sind die Analysenergebnisse auf den einzustufenden Abfall selbst (Originalsubstanz) zu beziehen.

Soweit das Zutreffen bestimmter gefahrenrelevanter Eigenschaften bereits aufgrund der Art, Herkunft oder Zusammensetzung des Abfalls ausgeschlossen werden kann, sind Untersuchungen zur Bestimmung dieser Eigenschaften nicht erforderlich.

4.2.1 Gefahrenrelevanz der organischen Inhaltsstoffe

Mit den in der Abfallanalytik üblichen organischen Gruppenparametern werden die Konzentrationen bestimmter Verbindungen einer Stoffgruppe bestimmt.

Im Folgenden sind ausgewählte abfallwirtschaftlich relevante Parameter beschrieben.

- PAK

Mit dem Untersuchungsparameter PAK (Polycyclische aromatische Kohlenwasserstoffe) werden in der Abfallanalytik üblicherweise 16 ausgewählte Einzelverbindungen bestimmt.

PAK-Gehalte in Abfällen sind nicht auf die Verwendung von einzelnen der oben genannten Stoffe zurückzuführen, sondern von Produkten aus der Pyrolyse von organischem Material', wie Steinkohlenteer, Teerölen oder Teerpech. In der Stoffrichtlinie sind diese Stoffgemische als krebserzeugend aufgrund ihres Gehaltes an PAK eingestuft. Die Konzentrationsgrenze für diese Stoffgemische in Abfällen beträgt daher 0,1 %.

Die Bestimmung des Teergehaltes ist in der Abfallanalytik unüblich. Ersatzweise und vereinfachend wird Benzo(a)pyren als Leitparameter für krebserzeugende Inhaltsstoffe des Stoffgemisches bestimmt. Dem Abfall ist dann die Eigenschaft H7 zuzuordnen, wenn der Gehalt von 50 mg/kg nicht unterschritten wird.

- BTX

Mit dem Untersuchungsparameter BTX werden die Einzelstoffe Benzol, Toluol, Xylol, Ethylbenzol und ggf. weitere Alkylbenzole bestimmt. Benzol besitzt als einzige Verbindung in dieser Gruppe die Eigenschaft krebserzeugend und damit eine Konzentrationsgrenze von 0,1 %. Alle übrigen Verbindungen sind als gesundheitsschädlich, reizend oder umweltgefährlich eingestuft und haben daher entsprechend höhere Konzentrationsgrenzen. Bei der Bewertung des Untersuchungsparameters BTX ist deshalb in erster Linie auf den Gehalt an Benzol abzustellen.

- LHKW

Zu den LHKW (Leichtflüchtige Halogenkohlenwasserstoffe) zählen sehr unterschiedlich eingestufte Verbindungen. Konzentrationsgrenzen von 0,1 % gelten für die als krebserregend (Cat. 1 oder 2) oder ozonschädigend eingestuften Verbindungen.

Andere Verbindungen dieser Stoffgruppe sind zum Beispiel nur gesundheitsschädlich und führen bei Abfällen erst ab einer Konzentrationsgrenze von 25 % zu einer Einstufung als gefährlicher Abfall. Die Bewertung des Untersuchungsparameters LHKW muss daher für jede Verbindung gesondert erfolgen. In Tabelle 6 sind beispielhaft Verbindungen mit einer Konzentrationsgrenze von 0,1 % aufgeführt.

- PCB

In der AVV wird für PCB (Polychlorierte Biphenyle) auf die Begriffsbestimmung der Richtlinie 96/59/EG des Rates über die Beseitigung polychlorierter Biphenyle und polychlorierter Terphenyle (PCB/PCT) [2]) verwiesen. Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck PCB:

Somit ergibt sich für den Untersuchungsparameter PCB eine Konzentrationsgrenze von 0,005 % 4.

Die Konzentrationsgrenzen für die organischen Untersuchungsparameter sind in der Tabelle 6 zusammengefasst.

Tabelle 6 Konzentrationsgrenzen für organische Inhaltsstoffe

UntersuchungsparameterKonzentrationsgrenze
in
PAKStoffgemische wie Teer oder Kreosot0,1
Benzo(a)pyren0,005
BTXBenzol0 1
LHKW1,1,1-Trichlorethan0,1 je Stoff
oder Summenwert 0,1
Trichlorethylen
Kohlenstofftetrachlorid (Tetrachlormethan)
1,2-Dichlorethan
Brommethan
1,2-Dibromethan
1,1,2,2-Tetrabromethan
1,1-Dichlor-1-fluorethan
1,2-Dibrom-3-chlorpropan
1,1,2,2-Tetrachlorethan
3-Chlorpropen
PCB 0,005

- Kohlenwasserstoffe

Für Kohlenwasserstoffe werden in Tabelle 6 keine Konzentrationsgrenzen angegeben. Der weit überwiegende Teil der in der Stoffrichtlinie aufgeführten Erdölprodukte ist aufgrund von Verunreinigungen aus der Verarbeitungsstufe, wie z.B. Aromaten, PAK usw., als krebserzeugend (H7) eingestuft. Deshalb sind die in der Stoffrichtlinie aufgeführten Erdölprodukte mit Anmerkungen versehen, die auf die Bestimmung der krebserzeugenden Inhaltsstoffe abstellen. Für sie gilt die Konzentrationsgrenze von 0,1 %.

Mineralölhaltige Abfälle werden in der Entscheidung 2000/532/EG grundsätzlich den gefährlichen Abfallarten ohne Spiegeleinträge (siehe Anhang I) zugeordnet. Im Einzelfall kann aufgrund der Anmerkungen zu den Einträgen in der Stoffrichtlinie eine andere

Zuordnung zutreffend sein. Diese Anmerkungen legen in der Regel fest, dass die Einstufung als krebserzeugend unterbleiben kann, wenn die betrachteten Kohlenwasserstoffgemische keine krebserzeugenden Inhaltsstoffe, wie Benzol oder PAK, in einer Konzentration > 0,1 % enthalten. In diesen Fall gilt die gefahrenrelevante Eigenschaft H13 als erfüllt, wenn die Konzentrationsgrenze von 0,8 % überschritten wird (siehe Anhang III).

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