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Regelwerk, Allgemeines, Sanktionen
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BayMRVG - Bayerisches Maßregelvollzugsgesetz
Gesetz über den Vollzug der Maßregeln der Besserung und Sicherung sowie der einstweiligen Unterbringung

- Bayern -

Vom 17. Juli 2015
(GVBl. Nr. 8 vom 24.07.2015 S. 222; 13.12.2016 S. 335 16; 24.07.2018 S. 574 18; 24.07.2018 S. 583 18a; 26.06.2019 S. 330 19; 08.07.2020 S. 330 20; 23.12.2022 S. 718 22)
Gl.-Nr.: 312-3-A



Der Landtag des Freistaates Bayern hat das folgende Gesetz beschlossen, das hiermit bekannt gemacht wird:

Teil 1
Anwendungsbereich

Art. 1 Anwendungsbereich

Dieses Gesetz regelt den Vollzug der Unterbringung von Personen in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt (Maßregelvollzugseinrichtung) auf Grund einer strafgerichtlichen Entscheidung.

Teil 2
Vollzug der Maßregeln der Besserung und Sicherung

Abschnitt 1
Allgemeines

Art. 2 Ziele und Grundsätze 18a

(1) Ziel der Unterbringung ist, die Allgemeinheit vor der Begehung weiterer Straftaten zu schützen. Weitere Ziele sind bei der Unterbringung

  1. gemäß § 63 des Strafgesetzbuchs (StGB), die untergebrachte Person zu heilen oder ihren Zustand soweit zu bessern, dass sie keine Gefahr mehr für die Allgemeinheit darstellt,
  2. gemäß § 64 StGB, die untergebrachte Person von ihrem Hang zu heilen und die zugrunde liegende Fehlhaltung zu beheben.

(2) Die Unterbringung soll den allgemeinen Lebensverhältnissen so weit wie möglich angeglichen werden und die untergebrachte Person auf ein straffreies Leben vorbereiten. Die familiäre, soziale und berufliche Eingliederung soll gefördert werden.

(3) Bei allen Maßnahmen auf Grund dieses Gesetzes soll auf das Alter, das Geschlecht, die ethnische Herkunft, den Gesundheitszustand und die Lebensumstände der untergebrachten Person Rücksicht genommen werden.

(4) Die Maßregelvollzugseinrichtungen sollen mit Behörden, Gerichten, Einrichtungen der Wissenschaft und Forschung sowie sonstigen Stellen und Personen zusammenarbeiten, soweit diese die Ziele der Unterbringung fördern können.

Art. 3 Stellung der untergebrachten Person

(1) Der untergebrachten Person ist Gelegenheit zu geben, an der Gestaltung ihrer Behandlung und der weiteren Maßnahmen, die der Verwirklichung der in Art. 2 genannten Ziele und Grundsätze dienen, mitzuwirken. Ihre Bereitschaft zur Mitwirkung an der Gestaltung ist zu wecken und zu fördern.

(2) Die untergebrachte Person unterliegt den in diesem Gesetz vorgesehenen Beschränkungen ihrer Freiheit. Soweit dieses Gesetz keine besondere Regelung enthält, dürfen der untergebrachten Person Beschränkungen nur auferlegt werden, die zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder zur Abwendung einer schwerwiegenden Störung des geordneten Zusammenlebens in der Maßregelvollzugseinrichtung unerlässlich sind.

(3) Von mehreren möglichen und geeigneten Maßnahmen ist diejenige zu wählen, die die untergebrachte Person voraussichtlich am wenigsten beeinträchtigt. Eine Maßnahme darf nicht zu einem Nachteil führen, der zu dem angestrebten Erfolg erkennbar außer Verhältnis steht. Sie ist nur solange zulässig, bis ihr Zweck erreicht ist oder nicht mehr erreicht werden kann.

(4) Im Rahmen der Unterbringung getroffene Entscheidungen und Anordnungen sind der untergebrachten Person unverzüglich bekannt zu geben und, soweit es ihr Gesundheitszustand zulässt, zu erläutern. Hat die untergebrachte Person einen Vertreter, so erhält dieser eine Ablichtung von schriftlich gegenüber der untergebrachten Person erlassenen Entscheidungen und Anordnungen.

Abschnitt 2
Aufnahme und Behandlung der untergebrachten Person

Art. 4 Aufnahme 18a

(1) Die untergebrachte Person ist über ihre Rechte und Pflichten während der Unterbringung unverzüglich zu unterrichten. Eine schriftliche Unterrichtung wird sobald als möglich nachgeholt; die untergebrachte Person hat den Erhalt schriftlich zu bestätigen. Hat die untergebrachte Person einen Vertreter, so ist ihm Gelegenheit zu geben, an der Unterrichtung teilzunehmen. Andere untergebrachte Personen dürfen nicht anwesend sein.

(2) Die untergebrachte Person ist unverzüglich ärztlich zu untersuchen.

Art. 5 Behandlungs- und Vollzugsplan

(1) Unter Berücksichtigung aller Umstände, deren Kenntnis für eine planvolle Behandlung der untergebrachten Person erforderlich ist, wird unverzüglich ein Behandlungs- und Vollzugsplan aufgestellt.

(2) Der Plan ist längstens im Abstand von sechs Monaten der Entwicklung der untergebrachten Person anzupassen. Dabei sind die Möglichkeiten für Lockerungen des Vollzugs, für Beurlaubungen, für eine Aussetzung der Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung und für eine Entlassung zu prüfen. Spätestens wenn abzusehen ist, dass die Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wird oder dass die untergebrachte Person entlassen wird, sollen in den Behandlungs- und Vollzugsplan auch Angaben über die notwendigen vorbereitenden Maßnahmen aufgenommen werden.

(3) Der Behandlungs- und Vollzugsplan sowie wesentliche Änderungen sollen mit der untergebrachten Person erörtert werden. Die Erörterung kann unterbleiben, wenn sich dadurch der Gesundheitszustand oder die therapeutische Entwicklung der untergebrachten Person verschlechtern würde. Die Erörterung ist nachzuholen, sobald der Gesundheitszustand dies zulässt. Hat die untergebrachte Person einen Vertreter, so findet die Erörterung auch mit ihm statt.

Art. 6 Behandlung 18a 20 22

(1) Die untergebrachte Person erhält die nach den anerkannten Regeln der ärztlichen Kunst gebotene Behandlung ihrer Erkrankung, um die Ziele der Unterbringung zu erreichen. Die untergebrachte Person hat bei Behandlung anderer als psychischer Erkrankungen Anspruch auf Gesundheitsuntersuchungen, medizinische Vorsorgeleistungen, Krankenbehandlung und Versorgung mit Hilfsmitteln nach Maßgabe der Art. 59 bis 61, 63 und 64 BayStVollzG.

(2) Behandlungsmaßnahmen, die in die körperliche Unversehrtheit eingreifen, bedürfen der möglichst schriftlichen Einwilligung der untergebrachten Person. Die Einwilligung muss auf der Grundlage einer ärztlichen Aufklärung der untergebrachten Person erfolgen und auf deren freien Willen beruhen. Kann eine Einwilligung nicht rechtzeitig eingeholt werden, darf die Behandlungsmaßnahme ohne Einwilligung durchgeführt werden, wenn sie dem mutmaßlichen Willen der untergebrachten Person entspricht.

(3) Behandlungsmaßnahmen im Sinn des Abs. 1, die dem natürlichen Willen der untergebrachten Person widersprechen, sind zulässig,

  1. um die Entlassungsfähigkeit zu erreichen,
  2. um eine konkrete Gefahr für das Leben oder eine konkrete schwerwiegende Gefahr für die Gesundheit der untergebrachten Person abzuwenden oder
  3. um eine konkrete Gefahr für das Leben oder die Gesundheit einer anderen Person in der Einrichtung abzuwenden.

(4) Behandlungsmaßnahmen nach Abs. 3 dürfen nur angeordnet werden, wenn

  1. ärztlich über Art, Dauer, Erfolgsaussichten und Risiken der beabsichtigten Maßnahmen aufgeklärt wurde,
  2. zuvor frühzeitig, ernsthaft und ohne Druck auszuüben versucht wurde, die Zustimmung der untergebrachten Person zu erhalten,
  3. die Maßnahmen geeignet sind, das Behandlungsziel zu erreichen,
  4. mildere Mittel keinen Erfolg versprechen,
  5. der zu erwartende Nutzen die zu erwartenden Beeinträchtigungen deutlich überwiegt,
  6. Art und Dauer auf das zwingend erforderliche Maß beschränkt werden und
  7. in den Fällen des Abs. 3 Nr. 1 und 2 zusätzlich
    1. die untergebrachte Person krankheitsbedingt zur Einsicht in die Schwere und die Behandlungsbedürftigkeit ihrer Krankheit oder zum Handeln gemäß dieser Einsicht nicht fähig ist und
    2. der nach § 1827 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) zu beachtende Wille der untergebrachten Person den Maßnahmen nicht entgegensteht.

Die Behandlungsmaßnahmen sind durch einen Arzt oder eine Ärztin anzuordnen. Die Maßnahmen sind zu dokumentieren und durch einen Arzt oder eine Ärztin durchzuführen, zu überwachen und in regelmäßigen Abständen auf ihre Eignung, Notwendigkeit und Angemessenheit zu überprüfen. Die Anordnung der Maßnahme gilt höchstens für zwölf Wochen und kann wiederholt getroffen werden.

(5) Eine Behandlung nach Abs. 3 ist nur mit vorheriger Genehmigung des Gerichts zulässig. Der Einwilligung der untergebrachten Person bedarf es nicht. Bei Minderjährigen tritt an die Stelle der gerichtlichen Genehmigung die Zustimmung des Personensorgeberechtigten.

(6) Bei Maßnahmen nach Abs. 3 Nr. 2 und 3 kann bei Gefahr in Verzug von den Vorgaben gemäß Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 und 2 und Abs. 5 Satz 1 und 3 abgesehen werden. Die Aufklärung nach Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 ist nachzuholen, sobald es der Gesundheitszustand der untergebrachten Person zulässt. Die Vorlage nach Abs. 5 Satz 1 ist unverzüglich nachzuholen. Bei Minderjährigen ist der Personensorgeberechtigte unverzüglich zu benachrichtigen.

(7) Kann die erforderliche Behandlungsmaßnahme in der Maßregelvollzugseinrichtung nicht durchgeführt werden, ist die untergebrachte Person in eine andere Maßregelvollzugseinrichtung, in ein geeignetes Krankenhaus oder zu einem ambulanten Leistungserbringer außerhalb des Maßregelvollzugs, der die gebotene medizinische Versorgung sicherstellt, zu verbringen.

(8) Körperliche Untersuchungen und Maßnahmen, die nicht mit einem körperlichen Eingriff verbunden sind, Entnahmen von Haarproben sowie die Gewinnung einer Urinprobe sind zulässig, auch wenn sie dem natürlichen Willen widersprechen, wenn sie der Kontrolle und Überwachung von Behandlungsmaßnahmen, dem Gesundheitsschutz oder der Hygiene dienen und von einem Arzt oder einer Ärztin angeordnet werden.

Art. 7 (aufgehoben) 18a

Abschnitt 3
Gestaltung der Unterbringung

Art. 8 Zimmerbelegung

Der untergebrachten Person soll ein Einzel- oder Zweibettzimmer zugewiesen werden. Eine Zimmerbelegung mit mehr als vier Personen ist nicht zulässig. Männern und Frauen sind getrennte Zimmer zuzuweisen.

Art. 9 Persönlicher Besitz und Ausstattung des Unterbringungsraums 18a

(1) Die untergebrachte Person hat das Recht, persönliche Gegenstände zu erwerben, zu benutzen und in ihrem Zimmer aufzubewahren, soweit die Ziele der Unterbringung, die Sicherheit, das geordnete Zusammenleben in der Maßregelvollzugseinrichtung oder die Übersichtlichkeit des Unterbringungsraums nicht gefährdet werden.

(2) Ausgeschlossene Gegenstände werden auf Kosten der untergebrachten Person aufbewahrt oder an eine von ihr benannte Person übergeben oder versandt; andernfalls werden sie auf Kosten der untergebrachten Person aus der Maßregelvollzugseinrichtung entfernt.

(3) Der Besitz von Bild-, Ton- und Datenträgern kann davon abhängig gemacht werden, dass die untergebrachte Person deren Überprüfung zustimmt.

(4) Die untergebrachte Person darf Presseerzeugnisse in angemessenem Umfang durch Vermittlung der Maßregelvollzugseinrichtung beziehen, sofern diese nicht geeignet sind, die Ziele der Unterbringung zu gefährden.

Art. 10 Arbeit, Beschäftigung, Bildung 16 18a

(1) Die Maßregelvollzugseinrichtung soll der untergebrachten Person eine Arbeit oder Beschäftigung zuweisen und sie dazu anhalten, in Abhängigkeit von deren Gesundheitszustand an Arbeits- und Beschäftigungsangeboten teilzunehmen. Dabei sind deren Fähigkeiten, Fertigkeiten und Neigungen zu berücksichtigen.

(2) Geeigneten untergebrachten Personen kann Gelegenheit zur schulischen Bildung, Berufsausbildung, beruflichen Weiterbildung oder Teilnahme an anderen aus- oder weiterbildenden Maßnahmen gegeben werden.

(3) Maßnahmen nach Abs. 1 und 2 können bei entsprechender Lockerung des Vollzugs (Art. 16 und 18) in Betrieben geeigneter privater Unternehmen oder sonstigen Einrichtungen außerhalb der Maßregelvollzugseinrichtung durchgeführt werden.

(4) Die Maßregelvollzugseinrichtung soll die untergebrachte Person dazu anhalten, freiwillig an Deutsch- bzw. Integrationsunterricht entsprechend Art. 40 Abs. 2 und 3 BayStVollzG teilzunehmen, wenn dies den Zwecken des Maßregelvollzugs nicht widerspricht und ihr mit vertretbarem Aufwand ermöglicht werden kann.

Art. 11 Freizeitgestaltung

(1) Die untergebrachte Person erhält Gelegenheit und Anregungen, ihre Freizeit sinnvoll zu gestalten. Freizeitangebote und tagesstrukturierende Maßnahmen sind innerhalb der Maßregelvollzugseinrichtung zu gewährleisten.

(2) Der untergebrachten Person ist täglich mindestens eine Stunde Aufenthalt im Freien zu ermöglichen.

(3) Beschränkungen bei der Freizeitgestaltung sind nur zulässig, wenn andernfalls die Ziele der Unterbringung, die Sicherheit oder das geordnete Zusammenleben in der Maßregelvollzugseinrichtung gefährdet würden oder der Aufwand für Sicherung und Kontrolle unverhältnismäßig hoch wäre.

Art. 12 Besuch 18a

(1) Die untergebrachte Person darf regelmäßig Besuch empfangen. Die Besuchszeit beträgt mindestens eine Stunde in der Woche.

(2) Zur Sicherung der Ziele der Unterbringung, aus Gründen der Sicherheit oder des geordneten Zusammenlebens in der Maßregelvollzugseinrichtung können Besuche

  1. untersagt werden,
  2. davon abhängig gemacht werden, dass sich die Besucher durchsuchen oder mit technischen Mitteln oder sonstigen Hilfsmitteln auf verbotene Gegenstände absuchen lassen, oder
  3. überwacht werden.

In den Fällen des Satzes 1 Nr. 2 findet Art. 24 Abs. 1 Satz 2 bis 5 entsprechende Anwendung.

(3) Eine Überwachung und Aufzeichnung der Besuche mit technischen Mitteln ist zulässig, wenn die Besucher und die untergebrachte Person vor dem Besuch darauf hingewiesen werden. Die Aufzeichnungen sind spätestens nach einem Monat zu löschen.

(4) Die Unterhaltung darf nur überwacht werden, soweit dies im Einzelfall aus den in Abs. 2 genannten Gründen erforderlich ist. Eine Aufzeichnung der Unterhaltung ist nicht zulässig.

(5) Ein Besuch darf abgebrochen werden, wenn Besucher oder die untergebrachte Person gegen die Vorschriften dieses Gesetzes oder die auf Grund dieses Gesetzes getroffenen Anordnungen trotz Abmahnung verstoßen. Die Abmahnung unterbleibt, wenn es unerlässlich ist, den Besuch sofort abzubrechen.

(6) Gegenstände dürfen beim Besuch nur mit Erlaubnis übergeben werden.

Art. 13 Außenkontakte

Für den Schriftverkehr, den Empfang und die Absendung von Paketen, Telefongespräche sowie andere Formen der Telekommunikation gelten Art. 25 bis 31 des Bayerischen Sicherungsverwahrungsvollzugsgesetzes (BaySvVollzG) entsprechend mit der Maßgabe, dass dadurch die Ziele der Unterbringung, die Sicherheit oder das geordnete Zusammenleben in der Maßregelvollzugseinrichtung nicht gefährdet werden. Für Außenkontakte und Besuche mit bestimmten Personen gilt Art. 32 BaySvVollzG entsprechend. Für die beim Besuch vom Verteidiger oder von der Verteidigerin übergebenen Schriftstücke und sonstigen Unterlagen sowie den Schriftverkehr der untergebrachten Person mit ihrem Verteidiger oder ihrer Verteidigerin gelten Art. 32 Abs. 3 und 4 BaySvVollzG entsprechend mit der Maßgabe, dass bei erheblichem Verdacht auf Missbrauch des Schriftwechsels

  1. ein Schreiben angehalten und auf unerlaubte Einlagen untersucht werden kann,
  2. bei fehlender Absenderangabe zur Feststellung, ob Verteidigerpost vorliegt, die Identität des Absenders anhand der äußeren Umstände des Schreibens überprüft werden kann, soweit mildere Mittel nicht in Betracht kommen,
  3. Schriftstücke und sonstige Unterlagen, die beim Besuch übergeben werden sollen, zur Behandlung nach Nr. 1 auf Verlangen an die Beschäftigten der Maßregelvollzugseinrichtung herauszugeben sind.

Bei Maßnahmen nach Satz 3 darf vom Inhalt des Schreibens keine Kenntnis genommen werden, es sei denn, die äußeren Umstände ergeben, dass keine Verteidigerpost vorliegt.

Art. 14 Recht auf Religionsausübung 18a

(1) Der untergebrachten Person darf religiöse Betreuung durch einen Seelsorger oder eine Seelsorgerin einer Religionsgemeinschaft nicht versagt werden. Auf ihren Wunsch ist ihr zu helfen, mit einem Seelsorger oder einer Seelsorgerin ihrer Religionsgemeinschaft in Verbindung zu treten.

(2) Die untergebrachte Person darf religiöse Schriften besitzen. Gegenstände des religiösen Gebrauchs sind ihr in angemessenem Umfang zu belassen. Beides darf ihr nur bei einem groben Fehlverhalten entzogen werden.

(3) Die untergebrachte Person hat das Recht, innerhalb der Maßregelvollzugseinrichtung an Gottesdiensten und anderen religiösen Veranstaltungen einer Religionsgemeinschaft teilzunehmen.

(4) Die untergebrachte Person kann von der Teilnahme an religiösen Veranstaltungen nur ausgeschlossen werden, wenn andernfalls die Ziele der Unterbringung, die Sicherheit, das geordnete Zusammenleben in der Maßregelvollzugseinrichtung oder das religiöse Empfinden des Seelsorgers oder der Seelsorgerin der Religionsgemeinschaft gefährdet würden.

(5) Für Angehörige weltanschaulicher Bekenntnisse gelten Abs. 1 bis 4 entsprechend.

Art. 15 Hausordnung 18a

(1) Die Maßregelvollzugseinrichtungen erlassen im Benehmen mit dem Bezirk oder von diesem mit dem Vollzug der Unterbringung betrauten Unternehmen (Träger) eine Hausordnung, die die Rechte und Pflichten der untergebrachten Personen näher regelt.2Die Hausordnung ist den untergebrachten Personen in geeigneter Weise bekannt zu geben; Art. 4 Abs. 1 Satz 1 bleibt unberührt.

(2) Die Hausordnung hat mindestens Folgendes zu regeln:

  1. Einteilung des Tages in Beschäftigungs- und Behandlungszeiten, Freizeit und Ruhezeit,
  2. Ausstattung der Zimmer mit persönlichen Gegenständen (Art. 9 Abs.1),
  3. Möglichkeiten der Verwendung und der Verwahrung eigener Sachen (Art. 9 Abs. 1 und 2),
  4. Umgang mit den Sachen der Maßregelvollzugseinrichtung,
  5. Maßnahmen zur Freizeitgestaltung (Art. 11),
  6. Besuchszeiten sowie Häufigkeit und Dauer von Besuchen (Art. 12),
  7. Außenkontakte (Art. 13),
  8. Verfügung über Gelder (Art. 31),
  9. Nutzung von elektronischen Geräten,
  10. Zulässigkeit des Rauchens,
  11. Einschluss.

Abschnitt 4
Lockerungen des Vollzugs; Ausführung und Vorführung

Art. 16 Vollzugslockerungen und Beurlaubung 18a

(1) Der Vollzug der Unterbringung ist zu lockern, sobald

  1. zu erwarten ist, dass dadurch die Behandlung und die soziale Wiedereingliederung gefördert werden, und
  2. nach allen aus der bisherigen Behandlung gewonnenen Erkenntnissen davon auszugehen ist, dass die untergebrachte Person die ihr eingeräumten Vollzugslockerungen nicht missbrauchen wird.

Bei der Entscheidung über die Gewährung von Vollzugslockerungen wird insbesondere auch berücksichtigt, ob eine Entlassung der untergebrachten Person absehbar ist.

(2) Vollzugslockerungen sind

  1. das Verlassen der Maßregelvollzugseinrichtung oder des gesicherten Bereichs der Maßregelvollzugseinrichtung für eine bestimmte Zeit
    1. in Begleitung von Beschäftigten der Maßregelvollzugseinrichtung (begleiteter Ausgang) oder
    2. ohne Aufsicht (unbegleiteter Ausgang),
  2. die regelmäßige Beschäftigung außerhalb der Maßregelvollzugseinrichtung
    1. unter Aufsicht von Beschäftigten der Maßregelvollzugseinrichtung (begleitete Außenbeschäftigung) oder
    2. ohne deren Aufsicht (unbegleitete Außenbeschäftigung).

(3) Die untergebrachte Person kann unter den Voraussetzungen des Abs. 1 beurlaubt werden. Eine Beurlaubung darf zusammenhängend höchstens für zwei Wochen gewährt werden.

(4) Während der Beurlaubung hat die untergebrachte Person Anspruch auf Behandlung nach Art. 6 Abs. 1 nur durch die zuständige Maßregelvollzugseinrichtung. Ist eine Behandlung nach Satz 1 wegen einer Gefahr für Leben oder Gesundheit nicht rechtzeitig möglich, darf die untergebrachte Person Behandlungsmaßnahmen Dritter in Anspruch nehmen. Die untergebrachte Person ist verpflichtet, die Maßregelvollzugseinrichtung unverzüglich darüber zu informieren. Der Träger erstattet dem Dritten die nach Satz 2 anfallenden Behandlungskosten. Die Sätze 1, 2 und 4 gelten nicht, wenn die untergebrachte Person auf Grund einer Beschäftigung außerhalb der Maßregelvollzugseinrichtung (Art. 10 Abs. 3) krankenversichert ist.

(5) Vollzugslockerungen und Beurlaubungen können mit Weisungen verbunden werden, die im Interesse der Sicherheit oder des Gesundheitszustands der untergebrachten Person erforderlich sind.

(6) Die Gewährung einer Vollzugslockerung oder einer Beurlaubung kann ausgesetzt oder widerrufen werden, wenn

  1. nachträglich Umstände eintreten oder bekannt werden, die eine anfängliche Versagung gerechtfertigt hätten,
  2. die untergebrachte Person die Lockerung missbraucht oder
  3. die untergebrachte Person Weisungen nicht nachkommt.

Art. 17 (aufgehoben) 18a

Art. 18 Beurlaubung zum Zwecke des Probewohnens 18a 20

(1) Zur Vorbereitung der Entlassung kann ohne Zustimmung der Fachaufsichtsbehörde nach Unterrichtung der Strafvollstreckungskammer oder bei einer Unterbringung nach § 7 des Jugendgerichtsgesetzes nach Unterrichtung des Jugendrichters eine Beurlaubung nach Art. 16 Abs. 3 und 4 in eine geeignete Wohnform für längstens 18 Monate erfolgen (Probewohnen). Eine erneute Beurlaubung nach Satz 1 ist frühestens nach sechs Monaten zulässig. Die Kosten des Probewohnens sind Kosten des Maßregelvollzugs. Findet das Probewohnen in einer Wohnform ohne therapeutische Leistungen Dritter statt, trägt die untergebrachte Person die Kosten, soweit therapeutische Gründe dem nicht entgegenstehen.

(2) Die Träger können sich zur Erfüllung der Aufgabe des Probewohnens privater Einrichtungen bedienen. Die privaten Einrichtungen müssen

  1. die notwendige Zuverlässigkeit und Fachkunde aufweisen,
  2. eine geeignete Wohnform für das Probewohnen bereitstellen,
  3. die zur ordnungsgemäßen Durchführung des Probewohnens erforderlichen personellen, sachlichen, baulichen und organisatorischen Voraussetzungen erfüllen,
  4. dem Träger Kontroll- und Eingriffsmöglichkeiten einräumen sowie
  5. die datenschutzrechtlichen Bestimmungen dieses Gesetzes einhalten.

Die Rechte der Fachaufsichtsbehörde gelten entsprechend gegenüber der privaten Einrichtung.

(3) Der Träger kann ausschließlich nachfolgende hoheitliche Befugnisse auf die privaten Einrichtungen übertragen, soweit dies nach der Art und Weise des Probewohnens erforderlich ist:

  1. Behandlungen, Untersuchungen und Maßnahmen, die die Leitung der Maßregelvollzugseinrichtung angeordnet hat, nach Maßgabe des Art. 6 Abs. 3 Nr. 2 und 3 sowie Abs. 8,
  2. Beschränkung der Zimmerausstattung und Entzug von persönlichen Gegenständen nach Maßgabe des Art. 9,
  3. Beschränkung des Besuchsrechts nach Maßgabe der Art. 12 und 44 Abs. 5,
  4. Überwachung von Schriftverkehr bzw. Paketen und von Telefongesprächen nach Maßgabe der Art. 13 und 44 Abs. 5,
  5. Erlass einer Hausordnung nach Maßgabe des Art. 15,
  6. Vornahme von Durchsuchungen und Untersuchungen nach Maßgabe des Art. 24,
  7. Anordnung besonderer Sicherungsmaßnahmen nach Maßgabe des Art. 25 bei Gefahr im Verzug und
  8. Anwendung unmittelbaren Zwangs nach Maßgabe des Art. 27 bei Gefahr im Verzug.

Die Übertragung bedarf der Schriftform. Art. 49 Abs. 2 gilt entsprechend. Werden Befugnisse nach Satz 1 wahrgenommen, ist die Leitung der zuständigen Maßregelvollzugseinrichtung unverzüglich zu informieren.

Art. 19 Beteiligung der Vollstreckungsbehörde 18a

(1) Bevor unbegleiteter Ausgang, unbegleitete Außenbeschäftigung, eine Beurlaubung, eine Beurlaubung zum Zwecke des Probewohnens oder bei Personen mit besonderem Sicherungsbedürfnis unbegleiteter Geländegang gewährt wird, ist die Vollstreckungsbehörde zu hören.

(2) Werden Lockerungen des Vollzugs gewährt oder die Gewährung einer Lockerung länger als ein Monat ausgesetzt, ist die Vollstreckungsbehörde zu informieren.

Art. 20 (aufgehoben) 18a

Art. 21 Ausführung und Vorführung

(1) Ausführungen können aus wichtigen Gründen zugelassen werden, obwohl die Voraussetzungen des Art. 16 Abs. 1 nicht erfüllt sind. Die Maßregelvollzugseinrichtung trifft die erforderlichen Sicherungsvorkehrungen.

(2) Auf Ersuchen eines Gerichts ermöglicht die Maßregelvollzugseinrichtung die Vorführung der untergebrachten Person. Die Maßregelvollzugseinrichtung unterrichtet das Gericht über das Veranlasste.

(3) Die Kosten von Ausführungen und Vorführungen, die auf Wunsch der untergebrachten Person oder überwiegend in ihrem Interesse durchgeführt werden, trägt die untergebrachte Person. Dies gilt auch, soweit der untergebrachten Person hinsichtlich der Kosten von Ausführungen und Vorführungen ein Erstattungsanspruch zusteht. Von der Geltendmachung der Kosten gegenüber der untergebrachten Person kann abgesehen werden, wenn dies die Behandlung oder die Eingliederung behindern würde.

Abschnitt 5
Disziplinar- und Sicherungsmaßnahmen

Art. 22 Disziplinarmaßnahmen

(1) Verstößt die untergebrachte Person schuldhaft gegen eine Pflicht, die ihr durch dieses Gesetz oder auf Grund dieses Gesetzes auferlegt wurde, können gegen sie Disziplinarmaßnahmen angeordnet werden.

(2) Zulässige Disziplinarmaßnahmen sind

  1. der Verweis,
  2. unter Wahrung der Regelung in Art. 11 Abs. 2 der Entzug oder die Beschränkung des Aufenthalts im Freien,
  3. die Beschränkung oder der Entzug der Verfügung über Geldbeträge gemäß Art. 31 Abs. 1 bis zu einem Monat,
  4. die Beschränkung oder der Entzug des Hörfunk- und Fernsehempfangs bis zu einer Woche,
  5. die Beschränkung oder der Entzug der Gegenstände für eine Beschäftigung in der Freizeit bis zu einer Woche,
  6. die Beschränkung oder der Ausschluss von der Teilnahme an gemeinschaftlichen Unternehmungen bis zu einer Woche,
  7. der Entzug der zugewiesenen Arbeit oder Beschäftigung bis zu einem Monat unter Wegfall der in diesem Gesetz geregelten Bezüge.

(3) Art. 109 Abs. 2 und 3, Art. 110 Abs. 3, Art. 111 Abs. 1 und 2 sowie Art. 113 BayStVollzG gelten entsprechend.

Art. 23 (aufgehoben) 18a

Art. 24 Durchsuchungen und Untersuchungen 18a

(1) Die untergebrachte Person, ihre Sachen und ihr Wohn- und Schlafbereich dürfen durchsucht werden, um die Ziele der Unterbringung, die Sicherheit oder das geordnete Zusammenleben in der Maßregelvollzugseinrichtung zu gewährleisten. Die Durchsuchung der Person darf außer bei Gefahr in Verzug nur von Personen gleichen Geschlechts vorgenommen werden; dies gilt nicht für das Absuchen mit technischen Mitteln oder sonstigen Hilfsmitteln. Auf das Schamgefühl ist Rücksicht zu nehmen. Durchsuchungen der Person dürfen nicht von einem Beschäftigten allein durchgeführt werden. Andere untergebrachte Personen dürfen nicht anwesend sein.

(2) Nur bei Gefahr in Verzug oder auf Anordnung der Leitung der Maßregelvollzugseinrichtung ist es zulässig, eine mit einer Entkleidung verbundene körperliche Durchsuchung vorzunehmen. Sie ist in einem geschlossenen Raum durchzuführen.

(3) Besteht der begründete Verdacht, dass eine untergebrachte Person Gegenstände im Körper versteckt hat, die die Ziele der Unterbringung, die Sicherheit oder das geordnete Zusammenleben in der Maßregelvollzugseinrichtung gefährden, kann die untergebrachte Person durch einen Arzt oder eine Ärztin untersucht werden. Abs. 1 Sätze 2 bis 5 und Abs. 2 Satz 2 gelten entsprechend.

(4) In den Fällen der Abs. 1 bis 3 kann auch angeordnet werden, dass bestimmte untergebrachte Personen bei jeder Rückkehr in die Maßregelvollzugseinrichtung oder in die Station und nach jedem Besuch zu durchsuchen oder zu untersuchen sind.

(5) Art. 91 Abs. 4 bis 6 BayStVollzG gilt entsprechend.

Art. 25 Besondere Sicherungsmaßnahmen 18a 19 20

(1) Gegen eine untergebrachte Person können besondere Sicherungsmaßnahmen an geordnet werden, wenn nach ihrem Verhalten oder auf Grund ihres Gesundheitszustands in erhöhtem Maße die Gefahr von Gewalttätigkeiten gegen Personen oder Sachen, die Gefahr einer Selbsttötung oder Selbstverletzung oder die Gefahr besteht, dass die untergebrachte Person entweicht.

(2) Zulässige besondere Sicherungsmaßnahmen sind

  1. die ständige Beobachtung, auch mit technischen Mitteln,
  2. die Aufhebung der Bewegungsfreiheit an allen Gliedmaßen (Fixierung),
  3. die sonstige Einschränkung der Bewegungsfreiheit durch mechanische Vorrichtung,
  4. der Entzug oder die Vorenthaltung von Gegenständen,
  5. die nächtliche Nachschau,
  6. die Trennung von anderen untergebrachten Personen,
  7. der Entzug oder die Beschränkung des gemeinschaftlichen Aufenthalts im Freien,
  8. die Unterbringung in einem besonders gesicherten Raum ohne gefährdende Gegenstände,
  9. die Einschränkung der Bewegungsfreiheit durch unmittelbaren Zwang, soweit nicht Nr. 2, 3 oder Nr. 8.

(3) Maßnahmen nach Abs. 2 Nr. 2 oder Nr. 3 sind nur zulässig, wenn und solange sie zur Abwendung einer gegenwärtigen erheblichen Gefahr von Gewalttätigkeiten gegen Personen oder der Selbsttötung oder der Selbstverletzung unerlässlich sind. Die untergebrachte Person ist auf gefährliche Gegenstände zu durchsuchen und im Fall der Fixierung durch geeignete Beschäftigte ständig und unmittelbar zu beobachten. Bei der Fixierung dürfen nur Beschäftigte zur Beobachtung eingesetzt werden, die ärztlich in solche Aufgaben eingewiesen wurden. Die Fixierung ist der untergebrachten Person durch die Maßregelvollzugseinrichtung anzukündigen. Eine Fixierung darf nur befristet angeordnet werden, längstens für 24 Stunden. Nach Beendigung einer Fixierung ist die untergebrachte Person auf die Möglichkeit hinzuweisen, die Zulässigkeit der Fixierung nachträglich gerichtlich überprüfen zu lassen.

(4) Maßnahmen nach Abs. 2 Nr. 4 bis 9 sind auch zulässig, wenn die Gefahr besteht, dass sich die untergebrachte Person selbst oder mit der Hilfe einer dritten Person der Obhut der Einrichtung entzieht, oder wenn eine erhebliche Störung des geordneten Zusammenlebens in der Einrichtung nicht anders abgewendet werden kann.

(5) Maßnahmen nach Abs. 2 Nr. 9 sind bei einem Transport der untergebrachten Person auch zulässig, wenn aus anderen als den in Abs. 1 genannten Gründen die Gefahr besteht, dass die untergebrachte Person entweicht.

(6) Die Anordnung einer besonderen Sicherungsmaßnahme nach Abs. 2 Nr. 2, 3, 8 oder Nr. 9 hat durch eine Ärztin oder einen Arzt zu erfolgen. Die Ärztin oder der Arzt stellt eine angemessene ärztliche Überwachung sicher.

(7) Zu dokumentieren sind

  1. . die Anordnung,
  2. Entscheidungen zur Fortdauer,
  3. die Durchführung und Überwachung der Maßnahmen einschließlich der ärztlichen Tätigkeit und
  4. bei einer Fixierung
    1. die Gründe der Anordnung und
    2. der Hinweis nach Abs. 3 Satz 6.

Art. 32 bleibt unberührt.

(8) Wenn der untergebrachten Person durch besondere Sicherungsmaßnahmen nach Abs. 2 Nr. 3, 8 oder 9 über einen längeren Zeitraum oder regelmäßig die Freiheit entzogen werden soll, bedarf es der vorherigen Genehmigung des zuständigen Gerichts.Ohne Genehmigung sind diese Maßnahmen nur zulässig, wenn mit dem Aufschub Gefahr verbunden ist. Die Genehmigung ist unverzüglich nachzuholen, es sei denn, es ist absehbar, dass die besondere Sicherungsmaßnahme vor der Erlangung einer richterlichen Entscheidung beendet sein und eine zeitnahe Wiederholung nicht erforderlich werden wird. Ist eine richterliche Entscheidung beantragt und die Maßnahme vor deren Erlangung beendet worden, so ist dies dem Gericht unverzüglich mitzuteilen.

(9) Die Fixierung bedarf stets der vorherigen Genehmigung des zuständigen Gerichts, es sei denn, es handelt sich um eine kurzfristige Maßnahme. Abs. 8 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.

Art. 26 (aufgehoben) 18a

Art. 27 Unmittelbarer Zwang 18a

(1) Anordnungen nach diesem Gesetz dürfen im Wege des unmittelbaren Zwangs gegenüber der untergebrachten Person durchgesetzt werden, wenn der damit verfolgte Zweck auf keine andere Weise erreicht werden kann.

(2) Gegenüber anderen Personen darf unmittelbarer Zwang angewendet werden, wenn sie es unternehmen, untergebrachte Personen zu befreien, wenn sie unbefugt in den Bereich der Maßregelvollzugseinrichtung eindringen oder sich unbefugt darin aufhalten.

(3) Unmittelbarer Zwang ist vorher anzudrohen. Die Androhung darf nur unterbleiben, wenn die Umstände sie nicht zulassen oder unmittelbarer Zwang sofort angewendet werden muss, um eine rechtswidrige Tat, die den Tatbestand eines Strafgesetzes erfüllt, zu verhindern oder eine gegenwärtige Gefahr abzuwenden.

(4) Das Recht zu unmittelbarem Zwang auf Grund anderer Vorschriften bleibt unberührt.

(5) Hält sich die untergebrachte Person ohne Erlaubnis außerhalb der Maßregelvollzugseinrichtung auf, so kann sie durch Beschäftigte der Maßregelvollzugseinrichtung oder auf deren Veranlassung hin festgenommen und in die Maßregelvollzugseinrichtung zurückgebracht werden.

Art. 28 Erkennungsdienstliche Maßnahmen 18

Zur Sicherung des Vollzugs der Unterbringung, zur Identitätsfeststellung und zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder des geordneten Zusammenlebens in der Maßregelvollzugseinrichtung sind als erkennungsdienstliche Maßnahmen zulässig

  1. die Aufnahme von Lichtbildern,
  2. die Feststellung äußerlicher körperlicher Merkmale,
  3. Messungen,
  4. die Erfassung biometrischer Merkmale von Fingern, Händen, Gesicht und Stimme.

Daten auf Grund einer erkennungsdienstlichen Maßnahme sind auf Antrag der untergebrachten Person nach Beendigung der Unterbringung und einer etwaigen Führungsaufsicht zu vernichten.

Abschnitt 6
Finanzielle Regelungen

Art. 29 Motivationsgeld, Zuwendungen, Barbetrag

(1) Die untergebrachte Person erhält für Leistungen im Rahmen der Arbeitstherapie ein angemessenes Motivationsgeld.

(2) Übt die untergebrachte Person aus therapeutischen Gründen eine sonstige Beschäftigung aus oder nimmt sie an einer heilpädagogischen Förderung, an Maßnahmen der Berufsausbildung, der beruflichen Fortbildung oder Umschulung teil, so kann ihr eine Zuwendung gewährt werden.

(3) Die untergebrachte Person erhält einen Barbetrag zur persönlichen Verfügung, falls sie mittellos ist. Bei Bezug von Motivationsgeld oder einer Zuwendung kann eine Anrechnung erfolgen. Die Höhe des Barbetrags und eine Anrechnung werden durch die Fachaufsichtsbehörde gesondert festgesetzt.

Art. 30 Überbrückungsgeld

(1) Ein Teil des Arbeitsentgelts, des Motivationsgelds, der Zuwendungen und mit Zustimmung der untergebrachten Person sonstige ihr zur Verfügung stehende Gelder können zur Bildung eines Überbrückungsgelds verwendet werden, wenn dadurch nicht andere rechtliche Verpflichtungen beeinträchtigt werden. Das Überbrückungsgeld dient dazu, den notwendigen Lebensunterhalt der untergebrachten Person und ihrer Unterhaltsberechtigten für die ersten vier Wochen nach ihrer Entlassung zu sichern.

(2) Das Überbrückungsgeld ist in geeigneter Weise anzulegen. Es wird der untergebrachten Person bei der Entlassung ausgezahlt. Ein Teil des Überbrückungsgelds kann der untergebrachten Person auch ausgezahlt werden, wenn ihr eine Beurlaubung gewährt wird oder wenn sie es für sonstige Ausgaben, die ihrer Eingliederung dienen, benötigt.

Art. 31 Verfügung über Gelder

(1) Monatlich kann die untergebrachte Person über einen Betrag in Höhe des allgemein gewährten Barbetrags frei verfügen, es sei denn, dass dadurch die Ziele der Unterbringung gefährdet würden. Über darüber hinausgehende Beträge darf die untergebrachte Person nur mit Einwilligung der Maßregelvollzugseinrichtung verfügen; hierunter fällt nicht das außerhalb der Maßregelvollzugseinrichtung befindliche Vermögen. Die Einwilligung ist zu erteilen, wenn die Verfügung auf Grund einer rechtlichen Verpflichtung erfolgt.

(2) Geldbeträge, die von der untergebrachten Person in die Maßregelvollzugseinrichtung mitgebracht werden oder die sie während ihrer Unterbringung dort erhält, sind, soweit sie nicht von ihrem Vertreter verwaltet oder als Beitrag zum Überbrückungsgeld (Art. 30) in Anspruch genommen werden, von der Maßregelvollzugseinrichtung für sie zu verwahren.

Abschnitt 7 18a
Akten und Datenschutz, Datenschutz und Maßregelvollzugsdatei

Art. 32 Aktenführung 18 18a

(1) Zu jeder untergebrachten Person ist eine Patientenakte entsprechend § 630f BGB zu führen.

(2) Erkennungsdienstliche Unterlagen (Art. 28) sind getrennt von der Patientenakte aufzubewahren. Sie können auch elektronisch geführt werden.

Art. 33 aufgehoben 18

Art. 34 Datenschutz 18

Art. 93 Abs. 2 Satz 3 und 4, Art. 95 Abs. 2, Art. 196, 197 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 bis 5 und 7 bis 10, Art. 198 bis 205 BayStVollzG gelten mit folgenden Maßgaben entsprechend:

  1. Personenbezogene Daten über die untergebrachte oder andere Personen dürfen ohne deren Kenntnis oder bei Dritten erhoben werden, soweit sie für die Beurteilung des Gesundheitszustands der untergebrachten Person, ihre Eingliederung oder Behandlung oder für die Sicherheit oder das geordnete Zusammenleben in der Maßregelvollzugseinrichtung erforderlich sind; Art. 4 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2, Satz 3 des Bayerischen Datenschutzgesetzes (BayDSG) gilt entsprechend.
  2. Die Verarbeitung personenbezogener Daten für andere Zwecke ist auch zulässig, soweit dies erforderlich ist für
    1. Gutachten in einem Verfahren über die Betreuung einer untergebrachten Person,
    2. die Geltendmachung von Ansprüchen der Maßregelvollzugseinrichtung oder von gegen sie oder einen ihrer Beschäftigten gerichteten Ansprüchen oder
    3. die Aus-, Fort- und Weiterbildung der Beschäftigten der Maßregelvollzugseinrichtung oder für die Überprüfung ihrer Tätigkeit,

    und überwiegende Interessen des Betroffenen der Verarbeitung nicht entgegenstehen.

  3. Die Verarbeitung personenbezogener Daten für andere Zwecke ist auch zulässig, soweit dies zur Vorbereitung der Entscheidung über die Fortdauer der Unterbringung erforderlich ist.
  4. Eine Datenübermittlung an öffentliche Stellen nach Art. 197 Abs. 4 BayStVollzG ist auch zulässig, soweit sie erforderlich ist für
    1. ein Verfahren über die Betreuung der untergebrachten Person,
    2. die Festsetzung, Prüfung oder Genehmigung der Kosten des Maßregelvollzugs oder
    3. Entscheidungen über Vollzugslockerungen oder Beurlaubungen.

Art. 34a Maßregelvollzugsdatei 18a

(1) Es besteht eine Maßregelvollzugsdatei. Jeder Träger einer Maßregelvollzugseinrichtung hat für jede untergebrachte Person folgende Daten zu erfassen:

  1. Name, Vornamen, sonstige Namen,
  2. Geburtsdatum und Geburtsort,
  3. Geschlecht,
  4. Familienstand,
  5. Staatsangehörigkeit,
  6. Angaben zu einem besonderen Sicherungsbedürfnis,
  7. Maßregelvollzugseinrichtung, Rechtsgrundlage der Unterbringung,
  8. Anlassdelikt,
  9. Tag der gerichtlichen Entscheidung,
  10. vom Gericht angeordnete Unterbringungsdauer,
  11. gerichtliche Prüftermine,
  12. Tag der Aufnahme,
  13. Beginn und Ende der Beurlaubung zum Zwecke des Probewohnens und die Probewohneinrichtung,
  14. Beginn und Ende einer Entweichung oder eines Lockerungsmissbrauchs, sofern dieser eine Fahndung zur Folge hat,
  15. Tag und Grund der Entlassung.

Er übermittelt diese Daten auf dem jeweils gegenwärtigen Stand an die Fachaufsichtsbehörde. Die Fachaufsichtsbehörde ist verpflichtet, die Daten zu sammeln (Maßregelvollzugsdatei) und stets auf dem Laufenden zu halten.

(2) Die Fachaufsichtsbehörde kann die übermittelten Daten zu folgenden Zwecken verarbeiten:

  1. Erstellung eines Registers im Sinn des Art. 17 Abs. 3 des Internationalen Übereinkommens vom 20. Dezember 2006 zum Schutz aller Personen vor dem Verschwindenlassen (BGBl. 2009 II S. 932; 2011 S. 848),
  2. Auskünfte
    1. an den Ausschuss nach Art. 26 des in Nr. 1 genannten Übereinkommens,
    2. an den Ausschuss nach Art. 1 des Europäischen Übereinkommens vom 26. November 1987 zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe (BGBl. 1989 II S. 946), das durch die Protokolle Nrn. 1 und 2 vom 4. November 1993 (BGBl. 1996 II S. 1114, 1115) geändert worden ist,
    3. an die Nationale Stelle nach Art. 3 des Fakultativprotokolls vom 18. Dezember 2002 zum Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe (BGBl. 2008 II S. 854, 855),
  3. Ausübung der Fachaufsicht über den Maßregelvollzug (Art. 50),
  4. Auskünfte an die Maßregelvollzugsbeiräte,
  5. Auskünfte und Berichte an den Landtag,
  6. Auskünfte und Berichte an das Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales,
  7. Durchführung von Unterbringungs- und Betreuungsverfahren,
  8. Verhinderung oder Verfolgung von Straftaten,
  9. Maßnahmen der Strafvollstreckung oder strafvollstreckungsrechtliche Entscheidungen,
  10. Maßnahmen der Gerichtshilfe, Jugendgerichtshilfe, Bewährungshilfe oder Führungsaufsicht,
  11. Entscheidungen in Gnadensachen,
  12. Abwehr von Gefahren für Leben, Gesundheit oder Freiheit einer Person oder für bedeutende Sachwerte,
  13. Suche nach Vermissten oder Identitätsfeststellung von unbekannten Toten,
  14. statistische Zwecke und
  15. wissenschaftliche Zwecke.

Eine Übermittlung an andere Behörden, Gerichte, Stellen oder Dritte ist nur zulässig, soweit das einem der in Satz 1 genannten Zwecke dient. Soweit dies zur Erfüllung des jeweiligen Zwecks ausreicht, ist eine Übermittlung auf anonymisierte oder pseudonymisierte Daten zu beschränken. Die Fachaufsichtsbehörde hat mindestens nach fünf Jahren zu überprüfen, ob die Speicherung der Daten noch erforderlich ist.

Abschnitt 8
Aussetzung der Unterbringung und Entlassung

Art. 35 Überprüfung der Voraussetzungen der Unterbringung

(1) Die Maßregelvollzugseinrichtung hat während der Gesamtdauer der Unterbringung zu prüfen, ob die Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung ausgesetzt oder ob die Unterbringung für erledigt erklärt werden könnte. Hält die Maßregelvollzugseinrichtung dies für möglich, unterrichtet sie unverzüglich die Vollstreckungsbehörde.

(2) Um die Entlassung vorzubereiten, wirkt die Maßregelvollzugseinrichtung darauf hin, dass der untergebrachten Person bei Bedarf nachsorgende ambulante Betreuung und Behandlung, insbesondere auch durch forensischpsychiatrische Ambulanzen, zur Verfügung stehen werden.

(3) Auf Anforderung der Vollstreckungsbehörde übermittelt die Maßregelvollzugseinrichtung eine gutachterliche Stellungnahme zur Vorbereitung der gerichtlichen Fortdauerentscheidungen.

Art. 36 Freiwilliger Verbleib nach Beendigung der Unterbringung

Aus fürsorgerischen Gründen und auf Kosten der Maßregelvollzugseinrichtung kann der untergebrachten Person auf schriftlichen unwiderruflichen Antrag der freiwillige Verbleib in der Maßregelvollzugseinrichtung

  1. bis zum Vormittag des zweiten auf den Eingang der Entlassungsanordnung folgenden Werktags oder
  2. bis zum Vormittag des auf den Ablauf der Unterbringungsfrist folgenden Werktags

gestattet werden. Die untergebrachte Person ist auf die Möglichkeit der Antragstellung hinzuweisen.

Teil 3
Vollzug der einstweiligen Unterbringung

Art. 37 Ziel und Grundsätze

(1) Die einstweilige Unterbringung dient dem Schutz der Allgemeinheit vor weiteren rechtswidrigen Taten. Der Vollzug der einstweiligen Unterbringung berücksichtigt zugunsten der einstweilig untergebrachten Person, dass sie auf einer vorläufigen strafgerichtlichen Entscheidung beruht. Die Sicherung eines geordneten Verfahrens ist zu beachten. Schädlichen Folgen der Freiheitsentziehung ist entgegenzuwirken.

(2) Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 gelten entsprechend.

Art. 38 Trennung des Vollzugs

Die gemeinsame Zimmerbelegung mit anderen untergebrachten Personen ist nur mit Zustimmung der einstweilig untergebrachten Person oder aus wichtigem Grund zulässig.

Art. 39 Ausführung, Vorführung, Ausantwortung

(1) Art. 21 gilt entsprechend.

(2) Einstweilig untergebrachte Personen dürfen zur Durchführung von Ermittlungsmaßnahmen befristet dem Gewahrsam einer Polizei-, Zoll- oder Finanzbehörde überlassen werden (Ausantwortung).

(3) Vor Durchführung einer Ausführung oder einer Ausantwortung ist dem Gericht und der Staatsanwaltschaft Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Hiervon kann bei Gefahr im Verzug abgesehen werden; in diesem Fall sind das Gericht und die Staatsanwaltschaft unverzüglich zu unterrichten.

Art. 40 Übergang der einstweiligen Unterbringung in den Vollzug

Bei Verurteilung zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe, einer Sicherungsverwahrung oder einem Strafarrest, bei denen die Vollstreckung nicht zur Bewährung ausgesetzt wird, sind die einstweilig untergebrachten Personen mit Rechtskraft des Urteils nach den Vorschriften des Bayerischen Strafvollzugsgesetzes zu behandeln, soweit sich dies schon vor der Aufnahme in den Strafvollzug durchführen lässt. Bei rechtskräftiger Anordnung einer Unterbringung, deren Vollstreckung nicht zur Bewährung ausgesetzt wird, sind die einstweilig untergebrachten Personen mit Rechtskraft des Urteils nach den Teilen 2 und 4 dieses Gesetzes zu behandeln. Die Maßregelvollzugseinrichtung wirkt auf eine umgehende Verlegung in die zuständige Einrichtung hin.

Art. 41 Geltung sonstiger Vorschriften 16 18a 20

Unter Berücksichtigung des Ziels und der Grundsätze der einstweiligen Unterbringung gelten entsprechend:

  1. Art. 4, 8 und 9, 10 Abs. 2 und 4, Art. 11 bis 15, 24 bis 28, 29 Abs. 1 und 2, Art. 31, 32, 34a und 36,
  2. Art. 3 mit der Maßgabe, dass das Verteidigungsinteresse angemessen zu berücksichtigen ist,
  3. Art. 6 mit der Maßgabe, dass Art. 6 Abs. 3 Nr. 1 keine Anwendung findet,
  4. Art. 10 Abs. 1 mit der Maßgabe, dass der einstweilig untergebrachten Person eine Arbeit oder eine Beschäftigung anzubieten ist,
  5. Art. 22 mit den Maßgaben, dass Disziplinarmaßnahmen auch bei schuldhaften Verstößen gegen verfahrenssichernde Anordnungen nach § 126a Abs. 2 der Strafprozeßordnung (StPO) in Verbindung mit § 119 StPO zulässig sind und dass die Anordnung und der Vollzug einer Disziplinarmaßnahme die Verteidigung und die Verhandlungsfähigkeit nicht beeinträchtigen dürfen,
  6. Art. 34 mit folgenden Maßgaben:
    1. Die unter den Voraussetzungen des Art. 197 Abs. 5 Satz 1 BayStVollzG zulässige Mitteilung besteht in der Angabe, ob sich eine Person in der Maßregelvollzugseinrichtung im Vollzug der einstweiligen Unterbringung befindet und wie die voraussichtliche Entlassungsadresse lautet. Art. 197 Abs. 5 Satz 2 BayStVollzG findet keine Anwendung.
    2. Bei einer nicht nur vorläufigen Einstellung des Verfahrens, einer unanfechtbaren Ablehnung der Eröffnung des Hauptverfahrens, einer rechtskräftigen Ablehnung eines Antrags gemäß § 413 StPO oder einem rechtskräftigen Freispruch sind auf Antrag der einstweilig untergebrachten Personen die Stellen, die eine Mitteilung im Sinn von Buchst. a erhalten haben, über den Verfahrensausgang in Kenntnis zu setzen. Die einstweilig untergebrachten Personen sind auf ihr Antragsrecht bei der Anhörung oder der nachträglichen Unterrichtung hinzuweisen.
    3. Vor einer Auskunft oder Gewährung von Akteneinsicht nach Art. 204 Abs. 1 BayStVollzG ist dem Gericht und der Staatsanwaltschaft Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.

Teil 4
Besondere Vorschriften für bestimmte Personengruppen

Art. 42 Untergebrachte schwangere Frauen und Mütter von Neugeborenen

Für untergebrachte schwangere Frauen und Mütter von Neugeborenen gelten Art. 82 Abs. 1, 2 und 3 Satz 1 und Art. 85 BayStVollzG entsprechend.

Art. 43 Untergebrachte Personen mit Kindern

Für untergebrachte Personen mit Kindern gelten Art. 86 Abs. 1, 2 Satz 1 und Abs. 3 BayStVollzG entsprechend.

Art. 44 Junge untergebrachte Personen

(1) Der Vollzug der Unterbringung von Personen, die zur Tatzeit das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet hatten, soll erzieherisch ausgestaltet werden, solange sie das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben (junge untergebrachte Personen), soweit dies bei Volljährigkeit angezeigt ist. Art. 126 Abs. 2 BayStVollzG gilt entsprechend.

(2) Junge untergebrachte Personen sind nach Möglichkeit in spezialisierten Einrichtungen unterzubringen.

(3) Schulpflichtige junge untergebrachte Personen erhalten in der Maßregelvollzugseinrichtung allgemein- oder berufsbildenden Unterricht in Anlehnung an die für öffentliche Schulen geltenden Vorschriften, soweit dies ihr Gesundheitszustand und die räumlichen und organisatorischen Verhältnisse der Maßregelvollzugseinrichtung zulassen.

(4) Jungen untergebrachten Personen werden altersgemäße Beschäftigungs-, Bildungs- und Freizeitmöglichkeiten sowie entwicklungsfördernde Hilfestellungen angeboten. Die Bereitschaft zur Annahme dieser Angebote ist zu wecken und zu fördern.

(5) Besuche bei minderjährigen untergebrachten Personen, ihr Schrift- und Paketverkehr und ihre Telefongespräche mit bestimmten Personen können außer unter den Voraussetzungen der Art. 12 und 13 auch untersagt und abgebrochen werden, wenn die Personensorgeberechtigten damit nicht einverstanden sind.

Teil 5
Organisation, Fachaufsicht, Maßregelvollzugsbeiräte, Kosten

Abschnitt 1
Organisation

Art. 45 Vollzugszuständigkeit

(1) Für den Maßregelvollzug nach diesem Gesetz sind die Bezirke zuständig. Sie werden auf Ersuchen der Vollstreckungsbehörden tätig.

(2) Örtlich zuständig ist der Bezirk,

  1. in dem die unterzubringende Person ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat oder - auf entsprechenden Antrag des Betroffenen hin - vor einer behördlichen Verwahrung zuletzt hatte,
  2. in dem die unterzubringende Person behördlich verwahrt ist oder
  3. der für den nach Nrn. 1 oder 2 an sich zuständigen Bezirk die Maßregelvollzugseinrichtung unterhält.

(3) Im Einvernehmen mit der Fachaufsichtsbehörde regelt das Staatsministerium der Justiz im Rahmen der Abs. 1 und 2 in einem Vollstreckungsplan die nähere Zuständigkeit der einzelnen Maßregelvollzugseinrichtungen nach allgemeinen Merkmalen.

(4) Für die Verlegung und Einweisung in eine andere Einrichtung gilt Art. 10 Abs. 1 BayStVollzG mit der Maßgabe entsprechend, dass auch der Betroffene einen Antrag auf Verlegung und Einweisung stellen kann. Über die Verlegung entscheidet der abgebende im Einvernehmen mit dem aufnehmenden Bezirk. Verlegungen aus oder nach Bayern bedürfen der Zustimmung der Fachaufsichtsbehörde.

Art. 46 Übertragung der Zuständigkeit für den Vollzug

(1) Die Bezirke können mit Zustimmung der Fachaufsichtsbehörde den Vollzug der Unterbringung einem Dritten übertragen, wenn und solange jederzeit sichergestellt ist, dass

  1. der Dritte ein Kommunalunternehmen oder eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist, deren sämtliche Anteile mittelbar oder unmittelbar vom übertragenden Bezirk gehalten werden,
  2. die Bezirke die Leitungs-, Steuerungs- und Kontrollverantwortung gewährleisten können,
  3. die vom Träger betriebenen Maßregelvollzugseinrichtungen die personellen, sachlichen, baulichen und organisatorischen Voraussetzungen für ordnungsgemäßen Vollzug einschließlich der Möglichkeit grundrechtseinschränkender Maßnahmen erfüllen,
  4. die Leitung der Maßregelvollzugseinrichtung, deren Stellvertreter, die Ärztinnen und Ärzte mit Leitungsfunktion und Personen in vergleichbarer Position bei einer solchen Übertragung bei dem übertragenden Bezirk angestellt sind,
  5. im Hinblick auf hoheitliche Handlungen, die nach diesem Gesetz in Grundrechte der untergebrachten Personen oder Dritter eingreifen, das Weisungsrecht der Bezirke gegenüber den in Nr. 4 genannten Personen gewährleistet ist und
  6. Weisungen der Fachaufsicht oder der Bezirke unverzüglich nachgekommen wird.

Bei der Übertragung auf ein Kommunalunternehmen gelten Satz 1 Nrn. 2, 4 und 5 sowie Nr. 6 hinsichtlich der Weisungen der Bezirke nicht. Änderungen der nach Satz 1 für die Übertragung relevanten Rechtsverhältnisse bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der Zustimmung der Fachaufsichtsbehörde.

(2) Bei der Übertragung des Vollzugs der Unterbringung von einem Kommunalunternehmen auf eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung gelten Abs. 1 Sätze 1 und 3 entsprechend.

Art. 47 Maßregelvollzugseinrichtungen

(1) Beschäftigte der Maßregelvollzugseinrichtungen müssen über die erforderliche Fachkunde und persönliche Eignung verfügen. Die Leitung der Maßregelvollzugseinrichtung übt gegenüber Beschäftigten ein fachliches Weisungsrecht aus. Aus besonderen Gründen können die Aufgaben der Maßregelvollzugseinrichtung auch vertraglich verpflichteten externen Personen übertragen werden.

(2) Die Maßregelvollzugseinrichtungen sind so auszustatten und, soweit es wegen ihrer Größe möglich ist, so zu gliedern, dass eine auf die unterschiedlichen Anforderungen ausgerichtete Behandlung der untergebrachten Personen ermöglicht, die Eingliederung der untergebrachten Personen gefördert und der erforderliche Schutz der Allgemeinheit gewährleistet werden.

(3) Der Träger führt eine fortlaufende Qualitätskontrolle und Evaluation der Unterbringung durch. Auf Verlangen der Fachaufsichtsbehörde nehmen die Träger an landes- und bundesweiten Datenerhebungen teil oder erstatten ihr einen Qualitätsbericht. Die inhaltlichen Anforderungen und die Häufigkeit des Qualitätsberichts nach Satz 2 legt die Fachaufsichtsbehörde fest.

Art. 48 Leitung der Maßregelvollzugseinrichtung 18a

(1) Die Leitung der Maßregelvollzugseinrichtung wird einem Facharzt oder einer Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie möglichst mit Schwerpunkt forensische Psychiatrie oder einem Arzt oder einer Ärztin mit vergleichbarer fachlicher Qualifikation und Eignung übertragen. In besonderen Fällen kann die Leitung der Maßregelvollzugseinrichtung auch einem psychologischen Psychotherapeuten oder einer psychologischen Psychotherapeutin möglichst mit forensischer Zusatzqualifikation übertragen werden.

(2) Der Träger zeigt der Fachaufsichtsbehörde eine beabsichtigte Neubesetzung der Leitung der Maßregelvollzugseinrichtung oder deren Stellvertreter frühzeitig schriftlich an. Eine Neubesetzung nach Satz 1 bedarf der Zustimmung durch die Fachaufsichtsbehörde.

(3) Die Stellen in der Maßregelvollzugseinrichtung werden vom Träger im Benehmen mit der Leitung der Maßregelvollzugseinrichtung besetzt; hierbei hat die Leitung der Maßregelvollzugseinrichtung ein Vorschlagsrecht.

(4) Eine Beschäftigung von externen Personen innerhalb der Maßregelvollzugseinrichtung bedarf der Zustimmung der Leitung der Maßregelvollzugseinrichtung.

Art. 49 Befugnisse der Leitung der Maßregelvollzugseinrichtung 18a 19 20

(1) Die Leitung der Maßregelvollzugseinrichtung kann, mit Ausnahme der in Abs. 2 geregelten Entscheidungen, Befugnisse auf entsprechend qualifizierte Beschäftigte der Maßregelvollzugseinrichtung übertragen. Es ist sicherzustellen, dass die Leitung der Maßregelvollzugseinrichtung ein umfassendes fachliches Weisungsrecht gegenüber diesen Beschäftigten hat und über Entscheidungen, die von ihnen getroffen werden, hinreichend informiert wird.

(2) Folgende Entscheidungen sind durch die Leitung der Maßregelvollzugseinrichtung zu treffen:

  1. die Auferlegung einer Beschränkung nach Art. 3 Abs. 2 Satz 2,
  2. die Anordnung von Behandlungsmaßnahmen, die dem natürlichen Willen der untergebrachten Person widersprechen (Art. 6 Abs. Abs. 3 bis 7 und Art. 41 Nr. 3),
  3. die Anordnung der Einschränkung, Untersagung, Überwachung und des Anhaltens von Schriftverkehr, Bild-, Ton- und Datenträgern sowie ähnliche Formen der individuellen Nachrichtenübermittlung und von Paketen (Art. 13),
  4. die Anordnung der Einschränkung, Überwachung und des Abbruchs von Telefongesprächen (Art. 13),
  5. die nicht nur vorübergehende Verlegung einer untergebrachten Person von einem Bereich in einen anderen derselben Maßregelvollzugseinrichtung oder in eine andere Maßregelvollzugseinrichtung,
  6. die Festlegung von Lockerungen des Vollzugs sowie damit verbundene Weisungen (Art. 16 und 18),
  7. die Anordnung von Disziplinarmaßnahmen (Art. 22),
  8. die Anordnung von wiederholt durchzuführenden Durchsuchungen und Untersuchungen (Art. 24 Abs. 4),
  9. die Anordnung von besonderen Sicherungsmaßnahmen (Art. 25),
  10. die Unterrichtung der Vollstreckungsbehörde über die Möglichkeit, die Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung auszusetzen oder die Unterbringung für erledigt zu erklären (Art. 35 Abs. 1 Satz 2),
  11. die Entlassung (Art. 36),
  12. die Aufnahme von Kindern in der Maßregelvollzugseinrichtung (Art. 43),
  13. das Absehen von der erzieherischen Ausgestaltung des Vollzugs bei jungen untergebrachten Personen (Art. 44 Abs. 1 Satz 1).

Anordnungen von Behandlungsmaßnahmen nach Satz 1 Nr. 2 sind im Fall des Art. 48 Abs. 1 Satz 2 vom ranghöchsten Arzt oder von der ranghöchsten Ärztin in Abstimmung mit der Leitung der Maßregelvollzugseinrichtung zu treffen. Satz 2 gilt entsprechend, soweit besondere Sicherungsmaßnahmen nach Satz 1 Nr. 9 nur von einer Ärztin oder einem Arzt angeordnet werden dürfen.

(3) Ist die Leitung der Maßregelvollzugseinrichtung nicht rechtzeitig erreichbar, dürfen die Entscheidungen nach Abs. 2 auch von einem hiermit beauftragten Arzt oder einer hiermit beauftragten Ärztin der Maßregelvollzugseinrichtung oder einem hiermit beauftragten psychologischen Psychotherapeuten oder einer hiermit beauftragten psychologischen Psychotherapeutin der Maßregelvollzugseinrichtung getroffen werden; Abs. 2 Satz 2 gilt entsprechend. Bei Gefahr in Verzug dürfen die Anordnungen in den Fällen des Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 4, 7 bis 9 auch von anderen Beschäftigten getroffen werden; soweit die Anordnung an sich nur durch einen Arzt oder eine Ärztin erfolgen dürfte, ist unverzüglich deren Zustimmung, im Übrigen unverzüglich jedenfalls die Zustimmung eines psychologischen Psychotherapeuten oder einer psychologischen Psychotherapeutin einzuholen. Die Leitung der Maßregelvollzugseinrichtung ist unverzüglich zu unterrichten.

Art. 50 Fachaufsicht 18a

(1) Das Zentrum Bayern Familie und Soziales nimmt die Fachaufsicht über den Maßregelvollzug nach diesem Gesetz wahr (Fachaufsichtsbehörde). Es gelten die Vorschriften der Bezirksordnung (BezO). Die Fachaufsichtsbehörde kann Einsicht in die Patientenakten nehmen, soweit dies zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben erforderlich ist.

(2) Die Befugnisse der Rechts- und Fachaufsicht können auch unmittelbar gegenüber Trägern nach Art. 46 ausgeübt werden. Im Rahmen einer Ersatzvornahme nach Art. 95 BezO tritt die Rechtsaufsichtsbehörde in die Rechte des Trägers ein und kann sich seiner personellen, sachlichen, baulichen und organisatorischen Ausstattung bedienen. Der Träger hat sicherzustellen, dass eine Ersatzvornahme jederzeit frei ausgeübt werden kann und nicht durch Rechte Dritter beeinträchtigt wird.

(3) Die Fachaufsichtsbehörde holt für jede Person, die aus dem Maßregelvollzug entlassen worden ist, jeweils zum Ende des auf die Entlassung folgenden Jahres für die Dauer von fünf Jahren eine Auskunft aus dem Bundeszentralregister ein. Die erhobenen Daten werden pseudonymisiert gespeichert und dürfen nur anonymisiert für Zwecke der Qualitätssicherung des Maßregelvollzugs verwendet werden.

Abschnitt 2
Maßregelvollzugsbeiräte

Art. 51 Präventionsstellen 18a

Das Zentrum Bayern Familie und Soziales wirkt darauf hin, dass an Einrichtungen für forensische Psychiatrie ein bedarfsgerechtes Angebot an Vorsorgemaßnahmen für psychisch kranke Menschen geschaffen wird, bei denen auf Grund der Art und Schwere ihrer Erkrankung ein stark erhöhtes Risiko für Handlungen besteht, die eine Unterbringung nach § 63 StGB zur Folge haben könnten.

Abschnitt 3
Kosten

Art. 52 Maßregelvollzugsbeiräte 18a

Bei den Maßregelvollzugseinrichtungen sind Beiräte zu bilden. Auf die Maßregelvollzugsbeiräte finden Art. 185 Abs. 2 und Art. 186 bis 188 BayStVollzG entsprechende Anwendung.

Teil 6
Schlussvorschriften

Art. 53 Kosten der Unterbringung 18a

(1) Die notwendigen Kosten der Überführung in die Maßregelvollzugseinrichtung und der Unterbringungen nach diesem Gesetz trägt der Freistaat Bayern, soweit nicht ein Träger von Sozialleistungen oder ein Dritter zur Gewährung von gleichartigen Leistungen verpflichtet ist.

(2) Jeder Bezirk kann für die von ihm oder von Unternehmen des Bezirks betriebenen Maßregelvollzugseinrichtungen einen Gesamtbetrag für einen zukünftigen Zeitraum (Budget) erhalten. Die Kosten für notwendige Investitionen können durch Einzelzuweisung erstattet oder im Budget berücksichtigt werden. Die Fachaufsichtsbehörde wird ermächtigt, durch Vereinbarung mit den Trägern oder durch Rechtsverordnung die Einzelheiten der Budgetierung sowie der Investitionskostenerstattung festzulegen.

Art. 53a aufgehoben 16

Art. 54 Einschränkung von Grundrechten 18a

Durch dieses Gesetz können die Grundrechte auf Leben, körperliche Unversehrtheit und Freiheit der Person sowie das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis (Art. 2 Abs. 2 Sätze 1 und 2 sowie Art. 10 Abs. 1 des Grundgesetzes, Art. 102 Abs. 1, Art. 109 und 112 Abs. 1 der Verfassung) eingeschränkt werden.

Art. 55 Inkrafttreten 18a

Dieses Gesetz tritt am 1. August 2015 in Kraft.

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