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JStVollzG Bln - Berliner Jugendstrafvollzugsgesetz
Gesetz über den Vollzug der Jugendstrafe in Berlin

- Berlin -

Vom 4. April 2016
(GVBl. Nr. 10 vom 16.04.2016 S. 152 i.K.; 14.09.2021 S. 1079 21; 27.09.2021 S. 1145 21a)
Gl.-Nr.:350-1



Archiv: 2007

Abschnitt 1
Allgemeine Bestimmungen

§ 1 Anwendungsbereich

Dieses Gesetz regelt den Vollzug der Jugendstrafe und den Vollzug der Freiheitsstrafe nach § 114 des Jugendgerichtsgesetzes (Vollzug) sowie den Vollzug des Strafarrests in Jugendstrafanstalten (Anstalten).

§ 2 Ziel und Aufgabe des Vollzugs

Der Vollzug dient dem Ziel, die Jugendstrafgefangenen zu befähigen, künftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen. Er hat die Aufgabe, die Allgemeinheit vor weiteren Straftaten zu schützen.

§ 3 Förder- und Erziehungsauftrag, Grundsätze der Vollzugsgestaltung

(1) Der Vollzug ist auf die Förderung der Jugendstrafgefangenen auszurichten und erzieherisch zu gestalten. Die Jugendstrafgefangenen sind in der Entwicklung ihrer Fähigkeiten und Fertigkeiten so zu fördern, dass sie zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Lebensführung in Achtung der Rechte anderer befähigt werden.

(2) Der Vollzug ist auf die Auseinandersetzung der Jugendstrafgefangenen mit ihren Straftaten und deren Folgen auszurichten.

(3) Der Vollzug wirkt von Beginn an auf die Eingliederung der Jugendstrafgefangenen in das Leben in Freiheit hin.

(4) Das Leben im Vollzug ist den allgemeinen Lebensverhältnissen soweit wie möglich anzugleichen.

(5) Schädlichen Folgen des Freiheitsentzugs ist entgegenzuwirken. Die Jugendstrafgefangenen sind insbesondere vor Übergriffen zu schützen.

(6) Der Bezug der Jugendstrafgefangenen zum gesellschaftlichen Leben ist zu wahren und zu fördern. Den Jugendstrafgefangenen ist sobald wie möglich die Teilnahme am Leben in der Freiheit zu gewähren. Die Anstalt arbeitet mit außervollzuglichen Einrichtungen und Organisationen sowie Personen und Vereinen eng zusammen, deren Mitwirkung die Eingliederung der Jugendstrafgefangenen fördern kann.

(7) Die Personensorgeberechtigten sind, soweit dies möglich ist und dem Vollzugsziel nicht zuwiderläuft, in die Planung und Gestaltung des Vollzugs einzubeziehen.

(8) Die unterschiedlichen Bedürfnisse der Jugendstrafgefangenen, insbesondere im Hinblick auf Geschlecht, Alter, Herkunft, Religion, Weltanschauung, Behinderung und sexuelle Identität, werden bei der Vollzugsgestaltung im Allgemeinen und im Einzelfall berücksichtigt.

(9) Jugendstrafgefangene mit vorbehaltener Sicherungsverwahrung sind individuell und intensiv zu betreuen, um ihre Unterbringung in der Sicherungsverwahrung entbehrlich zu machen. Soweit standardisierte Maßnahmen nicht ausreichen oder keinen Erfolg versprechen, sind individuelle Maßnahmen zu entwickeln.

(10) Beim Vollzug der Ersatzfreiheitsstrafe sind die Jugendstrafgefangenen zur Abwendung der weiteren Vollstreckung vorrangig bei der Tilgung ihrer Geldstrafe zu unterstützen.

§ 4 Stellung der Jugendstrafgefangenen

(1) Die Persönlichkeit der Jugendstrafgefangenen ist zu achten. Ihre Selbständigkeit im Vollzugsalltag ist soweit wie möglich zu erhalten und zu fördern.

(2) Die Jugendstrafgefangenen werden an der Gestaltung des Vollzugsalltags beteiligt. Vollzugliche Maßnahmen sind ihnen zu erläutern.

(3) Die Jugendstrafgefangenen unterliegen den in diesem Gesetz vorgesehenen Beschränkungen ihrer Freiheit. Soweit das Gesetz eine besondere Regelung nicht enthält, dürfen ihnen nur Beschränkungen auferlegt werden, die zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder zur Abwendung einer schwerwiegenden Störung der Ordnung der Anstalt unerlässlich sind.

§ 5 Pflicht zur Mitwirkung

Die Jugendstrafgefangenen sind verpflichtet, an der Erreichung des Vollzugsziels mitzuwirken. Ihre Bereitschaft zur Mitwirkung ist zu wecken und zu fördern. Dies kann auch in Form von Anerkennung und Belohnung geschehen; es sind hierbei insbesondere die Beteiligung an Maßnahmen, besonderer Einsatz oder erreichte Fortschritte der Jugendstrafgefangenen angemessen zu berücksichtigen.

§ 6 Leitlinien der Förderung und Erziehung

(1) Förderung und Erziehung erfolgen durch Maßnahmen und Programme zur Entwicklung und Stärkung der Fähigkeiten und Fertigkeiten der Jugendstrafgefangenen im Hinblick auf die Erreichung des Vollzugsziels.

(2) Durch differenzierte Angebote soll auf den jeweiligen Entwicklungsstand und den unterschiedlichen Förder- und Erziehungsbedarf der Jugendstrafgefangenen eingegangen werden. Ihre besonderen Lebenslagen und Bedürfnisse, insbesondere von minderjährigen Jugendstrafgefangenen, sind zu berücksichtigen.

(3) Die Maßnahmen und Programme sind über die Auseinandersetzung mit den eigenen Straftaten nach § 3 Absatz 2 hinaus insbesondere auf die schulische Bildung, berufliche Qualifizierung, soziale Integration und die verantwortliche Gestaltung des alltäglichen Zusammenlebens, der freien Zeit sowie der Außenkontakte ausgerichtet.

§ 7 Soziale Hilfe und Eigenverantwortung

Die Jugendstrafgefangenen werden darin unterstützt, ihre persönlichen, wirtschaftlichen und sozialen Schwierigkeiten zu beheben. Sie sollen dazu angeregt und in die Lage versetzt werden, ihre Angelegenheiten selbst zu regeln, insbesondere eine Schuldenregulierung herbeizuführen.

§ 8 Verletztenbezogene Vollzugsgestaltung 21a

(1) Die berechtigten Belange der Verletzten von Straftaten sind bei der Gestaltung des Vollzugs, insbesondere bei der Erteilung von Weisungen für Lockerungen und bei der Eingliederung und Entlassung der Jugendstrafgefangenen, zu berücksichtigen.

(2) Der Vollzug ist darauf auszurichten, dass die Jugendstrafgefangenen sich mit den Folgen der Straftat für die Verletzten und insbesondere auch deren Angehörige auseinandersetzen und Verantwortung für ihre Straftat übernehmen.

(3) Die Jugendstrafgefangenen sollen angehalten werden, den durch die Straftat verursachten materiellen und immateriellen Schaden wieder gut zu machen.

(4) Für Fragen des Schutzes von Verletzten und des Tatausgleichs sollen Ansprechpartnerinnen oder Ansprechpartner in den Anstalten zur Verfügung stehen. Verletzte, die sich an die Anstalten wenden, sind in geeigneter Form auf ihre Rechte, auch ihre Auskunftsansprüche nach § 55 des Justizvollzugsdatenschutzgesetzes Berlin vom 27. September 2021 (GVBl. S. 1145) in der jeweils geltenden Fassung hinzuweisen. § 56 des Justizvollzugsdatenschutzgesetzes Berlin bleibt unberührt.

Abschnitt 2
Aufnahme- und Diagnostikverfahren, Vollzugs- und Eingliederungsplanung

§ 9 Aufnahmeverfahren

(1) Mit den Jugendstrafgefangenen wird unverzüglich nach der Aufnahme ein Aufnahmegespräch geführt, in dem ihre gegenwärtige Lebenssituation erörtert wird und sie über ihre Rechte und Pflichten informiert werden. Sofern es für die sprachliche Verständigung mit den Jugendstrafgefangenen erforderlich ist, sind Sprachmittlerinnen und Sprachmittler hinzuzuziehen. Den Jugendstrafgefangenen wird ein Exemplar der Hausordnung ausgehändigt oder in anderer Weise dauerhaft zugänglich gemacht. Dieses Gesetz, die von ihm in Bezug genommenen Gesetze sowie die zu seiner Ausführung erlassenen Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften sind den Jugendstrafgefangenen auf Verlangen zugänglich zu machen.

(2) Während des Aufnahmeverfahrens dürfen andere Jugendstrafgefangene nicht zugegen sein.

(3) Die Jugendstrafgefangenen werden alsbald ärztlich untersucht.

(4) Die Jugendstrafgefangenen werden dabei unterstützt, etwaig notwendige Maßnahmen für hilfsbedürftige Angehörige, zur Erhaltung des Arbeitsplatzes und der Wohnung und zur Sicherung ihrer Habe außerhalb der Anstalt zu veranlassen.

(5) Die Personensorgeberechtigen und das zuständige Jugendamt werden von der Aufnahme der Jugendstrafgefangenen unverzüglich benachrichtigt.

(6) Bei Jugendstrafgefangenen, die eine Ersatzfreiheitsstrafe verbüßen, sind die Möglichkeiten der Abwendung der Vollstreckung durch freie Arbeit oder Tilgung der Geldstrafe, auch in Raten, zu erörtern und zu fördern, um so auf eine möglichst baldige Entlassung hinzuwirken.

§ 10 Diagnostikverfahren, Ermittlung des Förder- und Erziehungsbedarfs

(1) An das Aufnahmeverfahren schließt sich zur Vorbereitung der Vollzugsplanung das Diagnostikverfahren an.

(2) Das Diagnostikverfahren muss wissenschaftlichen Erkenntnissen genügen. Insbesondere bei Jugendstrafgefangenen mit vorbehaltener Sicherungsverwahrung ist es von Bediensteten mit einschlägiger wissenschaftlicher Qualifikation durchzuführen.

(3) Das Diagnostikverfahren ist maßgeblich auf die Ermittlung des Förder- und Erziehungsbedarfs auszurichten. Es erstreckt sich auf die Persönlichkeit und die Lebensverhältnisse der Jugendstrafgefangenen, die Ursachen und Umstände der Straftat sowie alle sonstigen Gesichtspunkte, deren Kenntnis für eine zielgerichtete und wirkungsorientierte Vollzugsgestaltung und die Eingliederung nach der Entlassung notwendig erscheint. Neben den Unterlagen aus der Vollstreckung und dem Vollzug vorangegangener Freiheitsentziehungen sind insbesondere auch Erkenntnisse der Gerichts-, Jugendgerichts- und Bewährungshilfe sowie der Führungsaufsichtsstellen einzubeziehen.

(4) Im Diagnostikverfahren wird den Jugendstrafgefangenen das Ziel ihres Aufenthalts verdeutlicht sowie insbesondere das Angebot an schulischen und beruflichen Qualifizierungsmaßnahmen, arbeitstherapeutischen Maßnahmen, Arbeitstraining, Arbeit, Sport und Freizeit erläutert. Es werden die im Einzelfall die Straffälligkeit begünstigenden Faktoren ermittelt. Gleichzeitig sollen die Fähigkeiten der Jugendstrafgefangenen ermittelt werden, deren Stärkung einer erneuten Straffälligkeit entgegenwirken kann.

(5) Wird ausschließlich Ersatzfreiheitsstrafe vollzogen, so tritt an die Stelle des Diagnostikverfahrens in der Regel die Feststellung der für eine angemessene Vollzugsgestaltung wesentlichen Gesichtspunkte zur Person und zum Lebensumfeld der Jugendstrafgefangenen.

(6) Das Ergebnis ihres Diagnostikverfahrens wird mit den Jugendstrafgefangenen erörtert.

§ 11 Vollzugs- und Eingliederungsplanung

(1) Auf der Grundlage des Ergebnisses des Diagnostikverfahrens, insbesondere des festgestellten Förder- und Erziehungsbedarfs, wird ein Vollzugs- und Eingliederungsplan erstellt. Er zeigt den Jugendstrafgefangenen bereits zu Beginn der Haftzeit unter Berücksichtigung der voraussichtlichen Vollzugsdauer die zur Erreichung des Vollzugsziels erforderlichen Maßnahmen auf. Daneben kann er weitere Hilfsangebote und Empfehlungen enthalten. Auf die Fähigkeiten, Fertigkeiten und Neigungen der Jugendstrafgefangenen ist Rücksicht zu nehmen.

(2) Der Vollzugs- und Eingliederungsplan wird regelmäßig innerhalb der ersten sechs Wochen erstellt, nachdem die Vollstreckungsleiterin oder der Vollstreckungsleiter der Anstalt eine mit der Bescheinigung der Rechtskraft versehene beglaubigte Abschrift der zu vollziehenden gerichtlichen Entscheidung nebst Gründen übermittelt hat. Bei einer voraussichtlichen Vollzugsdauer von unter einem Jahr verkürzt sich die Frist des Satzes 1 auf vier Wochen.

(3) Der Vollzugs- und Eingliederungsplan sowie die darin vorgesehenen Maßnahmen werden regelmäßig alle vier Monate überprüft, mit den Jugendstrafgefangenen erörtert und fortgeschrieben. Bei Jugendstrafen von mehr als drei Jahren erfolgt die Überprüfung regelmäßig alle sechs Monate. Die Entwicklung der Jugendstrafgefangenen und die in der Zwischenzeit gewonnenen Erkenntnisse sind zu berücksichtigen. Die durchgeführten Maßnahmen sind zu dokumentieren.

(4) Die Vollzugs- und Eingliederungsplanung wird mit den Jugendstrafgefangenen erörtert. Dabei werden deren Anregungen und Vorschläge einbezogen, soweit sie der Erreichung des Vollzugsziels dienen.

(5) Zur Erstellung und Fortschreibung des Vollzugs- und Eingliederungsplans führt die Anstalt eine Konferenz mit den an der Vollzugsgestaltung und an der Förderung sowie Erziehung maßgeblich Beteiligten durch. Standen die Jugendstrafgefangenen vor ihrer Inhaftierung unter Bewährung oder Führungsaufsicht, können auch die für sie bislang zuständigen Bewährungshelferinnen und Bewährungshelfer an der Konferenz beteiligt werden. Den Jugendstrafgefangenen wird der Vollzugs- und Eingliederungsplan regelmäßig in der Konferenz eröffnet und erläutert. Sie können auch darüber hinaus an der Konferenz beteiligt werden.

(6) An der Eingliederung mitwirkende Personen außerhalb des Vollzugs sollen in die Planung mit einbezogen werden. Sie können mit Zustimmung der Jugendstrafgefangenen auch an der Konferenz beteiligt werden.

(7) Werden die Jugendstrafgefangenen nach der Entlassung voraussichtlich unter Bewährungs- oder Führungsaufsicht gestellt, so ist den künftig zuständigen Bewährungshelferinnen und Bewährungshelfern in den letzten zwölf Monaten vor dem voraussichtlichen Entlassungszeitpunkt die Teilnahme an der Konferenz zu ermöglichen und es sind ihnen Ausfertigungen des Vollzugs- und Eingliederungsplans und der nachfolgenden Fortschreibungen zu übersenden.

(8) Der Vollzugs- und Eingliederungsplan und seine Fortschreibungen werden den Jugendstrafgefangenen ausgehändigt. Sie werden der Vollstreckungsleiterin oder dem Vollstreckungsleiter und auf Verlangen den Personensorgeberechtigten übersandt.

§ 12 Inhalt des Vollzugs- und Eingliederungsplans

(1) Der Vollzugs- und Eingliederungsplan sowie seine Fortschreibungen enthalten insbesondere folgende Angaben:

  1. Zusammenfassung der für die Vollzugs- und Eingliederungsplanung maßgeblichen Ergebnisse des Diagnostikverfahrens,
  2. voraussichtlicher Entlassungszeitpunkt,
  3. Unterbringung im geschlossenen oder offenen Vollzug,
  4. Maßnahmen zur Förderung der Mitwirkungsbereitschaft,
  5. Unterbringung in einer Wohngruppe oder einem anderen Unterbringungsbereich,
  6. Unterbringung in einer sozialtherapeutischen Einrichtung und Teilnahme an deren Behandlungsprogrammen,
  7. Teilnahme an einzel- oder gruppentherapeutischen Maßnahmen,
  8. Berücksichtigung indizierter medizinischer Maßnahmen, sofern diese zur Erreichung des Vollzugsziels erforderlich sind,
  9. Teilnahme an Maßnahmen zur Behandlung von Suchtmittelabhängigkeit und Suchtmittelmissbrauch,
  10. Teilnahme an strukturierten sozialpädagogischen Maßnahmen,
  11. Teilnahme an schulischen und beruflichen Qualifizierungsmaßnahmen einschließlich Alphabetisierungs- und Deutschkursen,
  12. Teilnahme an arbeitstherapeutischen Maßnahmen oder am Arbeitstraining,
  13. Arbeit,
  14. freies Beschäftigungsverhältnis, Selbstbeschäftigung,
  15. Teilnahme an Sportangeboten und Maßnahmen zur strukturierten Gestaltung der Freizeit,
  16. Ausführungen zur Erreichung des Vollzugsziels, Außenbeschäftigung,
  17. Lockerungen zur Erreichung des Vollzugsziels,
  18. Aufrechterhaltung, Förderung und Gestaltung von Außenkontakten,
  19. Schuldnerberatung, Schuldenregulierung und Erfüllung von Unterhaltspflichten,
  20. Ausgleich von Tatfolgen,
  21. Maßnahmen zur Vorbereitung von Entlassung, Eingliederung, Nachsorge und zur Bildung eines Eingliederungsgeldes und
  22. Frist zur Fortschreibung des Vollzugs- und Eingliederungsplans.

Bei vorbehaltener Sicherungsverwahrung enthalten der Vollzugs- und Eingliederungsplan sowie seine Fortschreibungen darüber hinaus Angaben zu individuellen Maßnahmen nach § 3 Absatz 9 Satz 2 und einer Antragstellung gemäß § 92 Absatz 1 Satz 2 des Jugendgerichtsgesetzes in Verbindung mit § 119a Absatz 2 des Strafvollzugsgesetzes vom 16. März 1976 (BGBl. I S. 581, 2088 und 1977 I S. 436), das zuletzt durch Artikel 152 der Verordnung vom 31. August 2015 (BGBl. I S. 1474) geändert worden ist.

(2) Maßnahmen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 6 bis 12 und § 3 Absatz 9 Satz 2, die nach dem Ergebnis des Diagnostikverfahrens als zur Erreichung des Vollzugsziels zwingend erforderlich erachtet werden, sind als solche zu kennzeichnen und gehen allen anderen Maßnahmen vor. Andere Maßnahmen dürfen nicht gestattet werden, soweit sie die Teilnahme an Maßnahmen nach Satz 1 beeinträchtigen würden.

(3) Spätestens ein Jahr vor dem voraussichtlichen Entlassungszeitpunkt, bei einer voraussichtlichen Vollzugsdauer von bis zu einem Jahr bereits mit der Erstellung des Vollzugs- und Eingliederungsplanes nach Absatz 1, werden die Maßnahmen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 21 konkretisiert oder ergänzt. Insbesondere ist Stellung zu nehmen zur

  1. Unterbringung im offenen Vollzug oder zum Aufenthalt in einer Übergangseinrichtung,
  2. Unterkunft sowie Arbeit oder Ausbildung nach der Entlassung,
  3. Unterstützung bei notwendigen Behördengängen und der Beschaffung der notwendigen persönlichen Dokumente,
  4. Beteiligung der Bewährungshilfe und der Forensischen Ambulanzen,
  5. Kontaktaufnahme zu Einrichtungen der Entlassenenhilfe,
  6. Fortsetzung von im Vollzug noch nicht abgeschlossenen Maßnahmen,
  7. Anregung von Auflagen und Weisungen für die Bewährungs- oder Führungsaufsicht,
  8. Vermittlung in nachsorgende Maßnahmen und
  9. nachgehenden Betreuung durch Bedienstete.

(4) Wird ausschließlich Ersatzfreiheitsstrafe vollzogen, so kann der Vollzugs- und Eingliederungsplan abweichend von den Absätzen 1 und 3 in der Regel auf die folgenden Angaben beschränkt werden:

  1. Zusammenfassung der für eine angemessene Vollzugsgestaltung festgestellten wesentlichen Gesichtspunkte nach § 10 Absatz 5,
  2. Unterbringung im geschlossenen oder offenen Vollzug,
  3. Unterstützung bei der Abwendung der weiteren Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe durch freie Arbeit oder Zahlung der restlichen Geldstrafe,
  4. Maßnahmen zur Stabilisierung der Lebenssituation während und nach dem Vollzug und
  5. Maßnahmen zur Vorbereitung der Entlassung.

Abschnitt 3
Unterbringung und Verlegung

§ 13 Trennungsgrundsätze 21

(1) Jugendstrafgefangene unterschiedlichen Geschlechts werden getrennt voneinander untergebracht. Eine gemeinsame Unterbringung zum Zweck der medizinischen Behandlung und gemeinsame Maßnahmen, insbesondere zur schulischen und beruflichen Qualifizierung, sind zulässig.

(2) Von dem Grundsatz der getrennten Unterbringung gemäß Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall unter Berücksichtigung der Persönlichkeit und der Bedürfnisse der Jugendstrafgefangenen, der Erreichung des Vollzugsziels und der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt, einschließlich der Bedürfnisse der übrigen Jugendstrafgefangenen, insbesondere dann abgewichen werden, wenn sich Jugendstrafgefangene

  1. auf Grund ihrer geschlechtlichen Identität nicht dem in ihrem amtlichen Personenstandseintrag angegebenen, sondern einem anderen Geschlecht oder
  2. dauerhaft weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht

als zugehörig empfinden.

§ 14 Unterbringung während der Einschlusszeiten

(1) Die Jugendstrafgefangenen werden im geschlossenen Vollzug während der Einschlusszeiten in ihren Hafträumen einzeln untergebracht. Mit ihrer Zustimmung können sie in dafür zugelassenen Hafträumen zu zweit untergebracht werden, wenn schädliche Einflüsse nicht zu befürchten sind. Die Anstalt setzt die Einschlusszeiten unter Berücksichtigung der in § 3 geregelten Grundsätze der Vollzugsgestaltung und der in § 6 bestimmten Leitlinien der Förderung und Erziehung fest.

(2) Über die Fälle des Absatzes 1 Satz 2 hinaus ist eine gemeinsame Unterbringung nur im offenen Vollzug, während der stationären Behandlung im Justizvollzugskrankenhaus oder vorübergehend und aus zwingenden Gründen zulässig. Schädliche Einflüsse auf die Jugendstrafgefangenen dürfen hierdurch nicht zu befürchten sein.

§ 15 Aufenthalt außerhalb der Einschlusszeiten

(1) Außerhalb der Einschlusszeiten dürfen sich die Jugendstrafgefangenen in Gemeinschaft aufhalten.

(2) Der gemeinschaftliche Aufenthalt kann eingeschränkt werden,

  1. wenn ein schädlicher Einfluss auf andere Jugendstrafgefangene zu befürchten ist,
  2. wenn es die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt erfordert,
  3. wenn dies aus erzieherischen Gründen angezeigt ist oder
  4. während der stationären Behandlung im Justizvollzugskrankenhaus.

§ 16 Wohngruppenvollzug

(1) Geeignete Jugendstrafgefangene werden regelmäßig in Wohngruppen untergebracht, die entsprechend dem individuellen Entwicklungsstand und Förderbedarf zu bilden sind. Bei der Belegung der Wohngruppen sind vornehmlich das Alter der Jugendstrafgefangenen, die Dauer der zu vollziehenden Jugendstrafe sowie die dem Vollzug zu Grunde liegenden Straftaten zu berücksichtigten. Nicht für den Wohngruppenvollzug geeignet sind in der Regel Jugendstrafgefangene, die aufgrund ihres Verhaltens nicht gruppenfähig sind.

(2) In der Wohngruppe sollen insbesondere Werte, die ein sozialverträgliches Zusammenleben ermöglichen, gewaltfreie Konfliktlösungen, gegenseitige Toleranz und Verantwortung für den eigenen Lebensbereich vermittelt und eingeübt werden.

(3) Wohngruppenvollzug zeichnet sich durch eine besondere pädagogische Betreuung aus. Die Wohngruppen werden von fest zugeordneten Bediensteten des allgemeinen Vollzugsdienstes betreut. Sie werden baulich abgegrenzt für eine überschaubare Anzahl von Jugendstrafgefangenen eingerichtet und verfügen neben Hafträumen über wohnlich gestaltete Einrichtungen zur gemeinsamen Nutzung, insbesondere über Küchen und Gemeinschaftsräume.

(4) Eine erzieherische Betreuung in den Wohngruppen ist auch in der ausbildungs- und arbeitsfreien Zeit der Jugendstrafgefangenen, vor allem auch am Wochenende, im erforderlichen Umfang zu gewährleisten.

§ 17 Unterbringung von weiblichen Jugendstrafgefangenen mit ihren Kindern

(1) Bis zur Vollendung ihres dritten Lebensjahres können Kinder von weiblichen Jugendstrafgefangenen mit Zustimmung der oder des Aufenthaltsbestimmungsberechtigten mit ihrer Mutter gemeinsam in der Anstalt untergebracht werden, wenn Sicherheitsgründe nicht entgegenstehen. Vor der Unterbringung ist das Jugendamt zu hören.

(2) Die Unterbringung erfolgt auf Kosten der für das Kind Unterhaltspflichtigen. Von der Geltendmachung des Kostenersatzanspruchs kann ausnahmsweise abgesehen werden, wenn hierdurch die gemeinsame Unterbringung gefährdet würde.

§ 18 Geschlossener und offener Vollzug

(1) Die Jugendstrafgefangenen werden im geschlossenen oder im offenen Vollzug untergebracht. Abteilungen des offenen Vollzugs sehen keine oder nur verminderte Vorkehrungen gegen Entweichungen vor.

(2) Die Jugendstrafgefangenen sind im offenen Vollzug unterzubringen, wenn sie dessen besonderen Anforderungen genügen, insbesondere verantwortet werden kann zu erproben, dass sie sich weder dem Vollzug entziehen noch die Möglichkeiten des offenen Vollzugs zur Begehung von Straftaten missbrauchen werden.

(3) Genügen die Jugendstrafgefangenen den besonderen Anforderungen des offenen Vollzugs nicht oder nicht mehr, so werden sie im geschlossenen Vollzug untergebracht. Jugendstrafgefangene können abweichend von Absatz 2 im geschlossenen Vollzug untergebracht oder dorthin zurückverlegt werden, wenn dies zur Erreichung des Vollzugsziels notwendig ist. § 19 Absatz 3 gilt entsprechend.

§ 19 Verlegung und Überstellung

(1) Die Jugendstrafgefangenen können abweichend vom Vollstreckungsplan in eine andere Anstalt verlegt werden, wenn

  1. die Erreichung des Vollzugsziels hierdurch gefördert wird,
  2. in erhöhtem Maße die Gefahr der Entweichung oder Befreiung gegeben ist oder sonst ihr Verhalten oder ihr Zustand eine Gefahr für die Sicherheit der Anstalt darstellt und die aufnehmende Anstalt zur sicheren Unterbringung der Jugendstrafgefangenen besser geeignet ist oder
  3. Gründe der Vollzugsorganisation oder andere wichtige Gründe dies erfordern.

(2) Die Jugendstrafgefangenen dürfen aus wichtigem Grund, insbesondere zur Durchführung medizinischer Maßnahmen, zur Begutachtung oder Besuchszusammenführung, befristet in eine andere Anstalt überführt werden (Überstellung).

(3) Vor Verlegung oder vor Überstellung sind die Jugendstrafgefangenen anzuhören. Bei einer Gefährdung der Sicherheit kann dies auch nachgeholt werden. Die Personensorgeberechtigten werden von der Verlegung und Überstellung und die Vollstreckungsleiterin oder der Vollstreckungsleiter sowie das zuständige Jugendamt von der Verlegung unverzüglich benachrichtigt. Die Verteidigerinnen, Verteidiger und Beistände nach § 69 des Jugendgerichtsgesetzes erhalten auf Antrag der Jugendstrafgefangenen eine entsprechende Mitteilung über die Verlegung.

Abschnitt 4
Sozialtherapie und sozialtherapeutische Einrichtung

§ 20 Sozialtherapie

(1) Sozialtherapie dient der Verringerung einer erheblichen Gefährlichkeit der Jugendstrafgefangenen. Auf der Grundlage einer therapeutischen Gemeinschaft bedient sie sich psychotherapeutischer, sozialpädagogischer und arbeitstherapeutischer Methoden, die in umfassenden Behandlungsprogrammen verbunden werden. Personen aus dem Lebensumfeld der Jugendstrafgefangenen außerhalb des Vollzugs, insbesondere auch deren Personensorgeberechtigte, werden in die Behandlung einbezogen.

(2) Jugendstrafgefangene sind in einer sozialtherapeutischen Einrichtung unterzubringen, wenn ihre Teilnahme an den dortigen Behandlungsprogrammen zur Verringerung ihrer erheblichen Gefährlichkeit angezeigt ist. Eine erhebliche Gefährlichkeit liegt vor, wenn schwerwiegende Straftaten gegen Leib oder Leben, die persönliche Freiheit oder gegen die sexuelle Selbstbestimmung zu erwarten sind.

(3) Andere Jugendstrafgefangene können in einer sozialtherapeutischen Abteilung untergebracht werden, wenn die Teilnahme an den dortigen Behandlungsprogrammen zur Erreichung des Vollzugsziels angezeigt ist. In diesen Fällen bedarf die Unterbringung der Zustimmung der sozialtherapeutischen Einrichtung.

(4) Die Unterbringung soll zu einem Zeitpunkt erfolgen, der entweder den Abschluss der Behandlung zum voraussichtlichen Entlassungszeitpunkt erwarten lässt oder die Fortsetzung der Behandlung nach der Entlassung ermöglicht. Ist die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten, soll die Unterbringung zu einem Zeitpunkt erfolgen, der den Abschluss der Behandlung noch während des Vollzugs der Jugend- oder Freiheitsstrafe erwarten lässt.

(5) Die Unterbringung der Jugendstrafgefangenen in der sozialtherapeutischen Einrichtung wird beendet, wenn das Ziel der Behandlung aus Gründen, die in ihrer Person liegen, nicht erreicht werden kann.

§ 21 Sozialtherapeutische Einrichtung

(1) Sozialtherapie wird in einer besonderen sozialtherapeutischen Abteilung (sozialtherapeutische Einrichtung) vollzogen.

(2) Der Vollzug erfolgt in überschaubaren Wohngruppen, deren Ausgestaltung an den Grundsätzen sozialtherapeutischer Behandlung auszurichten ist. Die Wohngruppen werden jeweils durch Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter des Sozialdienstes, Psychologinnen oder Psychologen und fest zugeordnete Bedienstete des allgemeinen Vollzugsdienstes betreut.

(3) Neben den Haft- und Therapieräumen gehören zu den Wohngruppen wohnlich gestaltete Einrichtungen zur gemeinsamen Nutzung, insbesondere Küchen und Gemeinschaftsräume.

Abschnitt 5
Schulische und berufliche Qualifizierungsmaßnahmen, arbeitstherapeutische Maßnahmen, Arbeitstraining und Arbeit

§ 22 Ziel von Qualifizierung und Arbeit

Schulische und berufliche Qualifizierungsmaßnahmen, arbeitstherapeutische Maßnahmen, Arbeitstraining und Arbeit haben insbesondere das Ziel, die Fähigkeiten der Jugendstrafgefangenen zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit nach der Entlassung zu vermitteln, zu verbessern oder zu erhalten. Maßnahmen der schulischen und beruflichen Aus- und Weiterbildung sind für die Jugendstrafgefangenen von besonderer Bedeutung. Sie dienen dem Ziel, durch Vermittlung geeigneter Lernmodelle schulischem Nachholbedarf zu begegnen, die Lebenssituation zu stabilisieren, Beständigkeit und Selbstdisziplin aufzubauen, Eigenverantwortung und Motivation zu entwickeln sowie das Selbstwertgefühl zu verbessern. Die Jugendstrafgefangenen werden darin unterstützt und beraten, ihren Fähigkeiten, Kenntnissen und Neigungen angemessene Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen oder Arbeit zu finden.

§ 23 Schulische und berufliche Qualifizierungsmaßnahmen

(1) Jugendstrafgefangene sind vorrangig zur Teilnahme an schulischen und beruflichen Qualifizierungsmaßnahmen in Form von Orientierungs-, Berufsvorbereitungs-, Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen oder speziellen Maßnahmen zur Förderung ihrer schulischen und beruflichen Entwicklung verpflichtet. § 12 Absatz 2 bleibt hinsichtlich der Maßnahmen nach § 12 Absatz 1 Satz 1 Nummer 6 bis 10 und § 3 Absatz 9 Satz 2 unberührt.

(2) Jugendstrafgefangenen ist eine für sie sinnvolle Qualifizierungsmaßnahme, die zu einem anerkannten Abschluss führt, anzubieten. Jugendstrafgefangene erhalten allgemeinen oder berufsbildenden Unterricht in Anlehnung an die für öffentliche Schulen geltenden Vorschriften. Bei der Festlegung von Inhalten, Methoden und Organisationsformen der schulischen und beruflichen Qualifizierungsmaßnahmen wird der spezielle Förderbedarf der Jugendstrafgefangenen berücksichtigt. Schulische und berufliche Aus- und Weiterbildung werden in der Regel als Vollzeitmaßnahme durchgeführt.

(3) Die Vollzugs- und Eingliederungsplanung ist darauf auszurichten, dass die Jugendstrafgefangenen Qualifizierungsmaßnahmen während ihrer Haftzeit abschließen oder danach fortsetzen können. Können Maßnahmen während der Haftzeit nicht abgeschlossen werden, trägt die Anstalt in Zusammenarbeit mit außervollzuglichen Einrichtungen dafür Sorge, dass die begonnene Qualifizierungsmaßnahme nach der Entlassung fortgesetzt werden kann. § 50 Satz 4 bleibt unberührt.

(4) Nachweise über schulische und berufliche Qualifizierungsmaßnahmen dürfen keinen Hinweis auf die Inhaftierung enthalten.

(5) Der Verpflichtung zur Teilnahme an schulischen und beruflichen Qualifizierungsmaßnahmen unterliegen weibliche Jugendstrafgefangene nicht, soweit entsprechende gesetzliche Beschäftigungsverbote zum Schutz erwerbstätiger werdender und stillender Mütter nach dem Mutterschutzgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 20. Juni 2002 (BGBl. I S. 2318), das zuletzt durch Artikel 6 des Gesetzes vom 23. Oktober 2012 (BGBl. I S. 2246) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung bestehen.

§ 24 Arbeitstherapeutische Maßnahmen

Arbeitstherapeutische Maßnahmen dienen dazu, dass die Jugendstrafgefangenen Eigenschaften wie Selbstvertrauen, Durchhaltevermögen und Konzentrationsfähigkeit einüben, um sie stufenweise an die Grundanforderungen des Arbeitslebens heranzuführen.

§ 25 Arbeitstraining

Arbeitstraining dient dazu, Jugendstrafgefangenen, die nicht in der Lage sind, einer regelmäßigen und erwerbsorientierten Beschäftigung nachzugehen, Fähigkeiten und Fertigkeiten zu vermitteln, die eine Eingliederung in das leistungsorientierte Arbeitsleben fördern. Die in der Anstalt dafür vorgehaltenen Maßnahmen sind danach auszurichten, dass sie den Jugendstrafgefangenen für den Arbeitsmarkt relevante Qualifikationen vermitteln.

§ 26 Arbeitspflicht

(1) Nehmen die Jugendstrafgefangenen an keiner schulischen oder beruflichen Qualifizierungsmaßnahme teil, sind sie zur Teilnahme an arbeitstherapeutischen Maßnahmen, Arbeitstraining oder zu Arbeit verpflichtet, wenn und soweit sie dazu in der Lage sind. § 12 Absatz 2 bleibt unberührt. Bei der Zuweisung einer Beschäftigung sind Fähigkeiten, Fertigkeiten und Neigungen der Jugendstrafgefangenen zu berücksichtigen.

(2) Die Verpflichtung entfällt für weibliche Jugendstrafgefangene, soweit das gesetzliche Beschäftigungsverbot zum Schutz erwerbstätiger werdender und stillender Mütter nach dem Mutterschutzgesetz besteht.

§ 27 Beschäftigungsbedingungen und Ablösung

(1) Nehmen die Jugendstrafgefangenen an Maßnahmen gemäß §§ 23 bis 25 teil oder üben sie eine Arbeit gemäß § 26 aus, so gelten die von der Anstalt festgelegten Beschäftigungsbedingungen. Für schwangere und stillende Jugendstrafgefangene sind die Vorschriften des Mutterschutzgesetzes über die Gestaltung des Arbeitsplatzes entsprechend anzuwenden.

(2) Die Jugendstrafgefangenen können von den in Absatz 1 Satz 1 benannten Beschäftigungen abgelöst werden, wenn

  1. sie den Anforderungen nicht gewachsen sind,
  2. sie trotz Abmahnung wiederholt gegen die Beschäftigungsvorschriften verstoßen,
  3. dies zur Erfüllung der Vollzugs- und Eingliederungsplanung geboten ist oder
  4. dies aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt erforderlich ist.

(3) Vor Ablösung sind die Jugendstrafgefangenen anzuhören. Bei einer Gefährdung der Sicherheit der Anstalt kann dies auch nachgeholt werden. Werden Jugendstrafgefangene nach Absatz 2 Nummer 2 oder aufgrund ihres Verhaltens nach Absatz 2 Nummer 4 abgelöst, so gelten sie als verschuldet ohne Beschäftigung.

§ 28 Freies Beschäftigungsverhältnis, Selbstbeschäftigung

(1) Jugendstrafgefangenen, die zum Freigang gemäß § 44 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 zugelassen sind, soll gestattet werden, einer Berufsausbildung, beruflichen Weiterbildung, Umschulung oder einer Arbeit auf der Grundlage eines freien Beschäftigungsverhältnisses oder der Selbstbeschäftigung außerhalb der Anstalt nachzugehen, wenn die Beschäftigungsstelle geeignet ist und nicht überwiegende Gründe des Vollzugs entgegenstehen. § 46 gilt entsprechend.

(2) Das Entgelt ist der Anstalt zur Gutschrift für die Jugendstrafgefangenen zu überweisen. Die Anstalt kann in geeigneten Fällen hiervon Ausnahmen zulassen.

§ 29 Freistellung

(1) Haben die Jugendstrafgefangenen ein halbes Jahr lang gearbeitet, so können sie beanspruchen, zehn Arbeitstage von der Arbeit freigestellt zu werden. Zeiten, in denen die Jugendstrafgefangenen infolge Krankheit an der Arbeitsleistung gehindert waren, werden auf das Halbjahr mit bis zu 15 Arbeitstagen angerechnet. Der Anspruch verfällt, wenn die Freistellung nicht innerhalb eines Jahres nach seiner Entstehung erfolgt ist.

(2) Auf die Zeit der Freistellung wird Langzeitausgang gemäß § 44 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 angerechnet, soweit er in die Arbeitszeit fällt. Gleiches gilt für einen Langzeitausgang nach § 45 Absatz 1, sofern er nicht wegen des Todes oder einer lebensgefährlichen Erkrankung naher Angehöriger erteilt worden ist.

(3) Die Jugendstrafgefangenen erhalten für die Zeit der Freistellung ihr Arbeitsentgelt weiter.

(4) Urlaubsregelungen freier Beschäftigungsverhältnisse außerhalb der Anstalt bleiben unberührt.

(5) Für schulische und berufliche Qualifizierungsmaßnahmen, arbeitstherapeutische Maßnahmen und Arbeitstraining gelten die Absätze 1 bis 4 entsprechend, sofern diese den Umfang der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit erreichen.

Abschnitt 6
Besuche, Telefongespräche, Schriftwechsel, andere Formen der Telekommunikation und Pakete

§ 30 Grundsatz

Die Jugendstrafgefangenen haben das Recht, mit Personen außerhalb der Anstalt im Rahmen der Bestimmungen dieses Gesetzes zu verkehren. Die Anstalt fördert den Kontakt der Jugendstrafgefangenen mit Personen, von denen ein günstiger Einfluss erwartet werden kann.

§ 31 Besuch

(1) Die Jugendstrafgefangenen dürfen regelmäßig Besuch empfangen. Die Gesamtdauer beträgt mindestens vier Stunden im Monat. Kontakte der Jugendstrafgefangenen zu ihren Kindern werden besonders gefördert. Bei Besuchen von ihren Kindern erhöht sich die Gesamtdauer der Besuchszeit des Satzes 2 um zwei weitere Stunden. Besuchsmöglichkeiten sind auch an den Wochenenden und Feiertagen vorzusehen. Näheres zum Verfahren und zum Ablauf der Besuche regelt die Anstalt.

(2) Besuche von Angehörigen im Sinne von § 11 Absatz 1 Nummer 1 des Strafgesetzbuchs werden besonders unterstützt.

(3) Besuche sollen über die Fälle des Absatzes 1 hinaus zugelassen werden, wenn sie die Erziehung oder Eingliederung der Jugendstrafgefangenen fördern oder persönlichen, rechtlichen oder geschäftlichen Angelegenheiten dienen, die nicht von den Jugendstrafgefangenen schriftlich erledigt, durch Dritte wahrgenommen oder bis zur Entlassung aufgeschoben werden können.

(4) Besuche von Verteidigerinnen und Verteidigern sowie von Rechtsanwältinnen, Rechtsanwälten, Notarinnen und Notaren in einer die jeweiligen Jugendstrafgefangenen betreffenden Rechtssache sind zu gestatten. Dies gilt auch für Besuche von Beiständen nach § 69 des Jugendgerichtsgesetzes.

§ 32 Untersagung von Besuchen

Besuche können untersagt werden, wenn

  1. die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt gefährdet würde,
  2. zu befürchten ist, dass Personen, die nicht Angehörige der Jugendstrafgefangenen im Sinne von § 11 Absatz 1 Nummer 1 des Strafgesetzbuchs sind, einen schädlichen Einfluss auf die Jugendstrafgefangenen haben oder die Erreichung des Vollzugsziels behindern,
  3. zu befürchten ist, dass die Begegnung mit den Jugendstrafgefangenen Personen, die Verletzte der Straftat waren, schadet oder
  4. die Personensorgeberechtigten der oder des Jugendstrafgefangenen nicht einverstanden sind.

§ 33 Durchführung der Besuche

(1) Aus Gründen der Sicherheit der Anstalt können Besuche davon abhängig gemacht werden, dass die Besucherinnen und Besucher sich und ihre mitgeführten Sachen durchsuchen und mit technischen oder sonstigen Hilfsmitteln absuchen lassen. Die Durchsuchung darf nur von Personen des gleichen Geschlechts vorgenommen werden; das Schamgefühl ist zu schonen.

(2) Eine inhaltliche Überprüfung der von Verteidigerinnen, Verteidigern und Beiständen nach § 69 des Jugendgerichtsgesetzes beim Besuch mitgeführten Schriftstücke und sonstigen Unterlagen ist nicht zulässig. Dies gilt auch für von Rechtsanwältinnen, Rechtsanwälten, Notarinnen und Notaren in einer die jeweiligen Jugendstrafgefangenen betreffenden Rechtssache mitgeführten Schriftstücke und sonstigen Unterlagen. § 39 Absatz 2 Satz 2 und 3 bleibt unberührt.

(3) Besuche werden vorbehaltlich des Absatzes 4 regelmäßig beaufsichtigt. Über Ausnahmen entscheidet die Anstalt. Die Beaufsichtigung kann mittels optischelektronischer Einrichtungen durchgeführt werden.

(4) Besuche von Verteidigerinnen und Verteidigern sowie von Rechtsanwältinnen, Rechtsanwälten, Notarinnen und Notaren in einer die jeweiligen Jugendstrafgefangenen betreffenden Rechtssache und von Beiständen nach § 69 des Jugendgerichtsgesetzes werden nicht beaufsichtigt.

(5) Besuche dürfen abgebrochen werden, wenn Besucherinnen, Besucher oder Jugendstrafgefangene gegen dieses Gesetz oder aufgrund dieses Gesetzes getroffene Anordnungen trotz Abmahnung verstoßen, oder wenn von Besucherinnen oder Besuchern ein schädlicher Einfluss auf die Jugendstrafgefangenen ausgeht. Die Abmahnung unterbleibt, wenn es unerlässlich ist, den Besuch sofort abzubrechen.

(6) Beim Besuch dürfen Jugendstrafgefangene grundsätzlich keine Gegenstände, und Besucherinnen und Besucher nur Gegenstände, die sie innerhalb der Anstalt an dafür zugelassenen Einrichtungen zum Einkauf für die Jugendstrafgefangenen erworben haben, übergeben. Dies gilt nicht für die bei dem Besuch der Verteidigerinnen, Verteidiger und der Beistände nach § 69 des Jugendgerichtsgesetzes übergebenen Schriftstücke und sonstigen Unterlagen sowie für die bei dem Besuch von Rechtsanwältinnen, Rechtsanwälten, Notarinnen und Notaren zur Erledigung einer die jeweiligen Jugendstrafgefangenen betreffenden Rechtssache übergebenen Schrift stücke und sonstigen Unterlagen. Bei dem Besuch von Rechtsanwältinnen, Rechtsanwälten, Notarinnen und Notaren kann die Übergabe aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt von der Erlaubnis der Anstalt abhängig gemacht werden. § 39 Absatz 2 Satz 2 und 3 bleibt unberührt.

(7) Die Anstalt kann im Einzelfall die Nutzung einer Trennvorrichtung anordnen, wenn dies zum Schutz von Personen oder zur Verhinderung einer Übergabe von Gegenständen erforderlich ist.

§ 34 Überwachung von Gesprächen

(1) Gespräche dürfen nur überwacht werden, soweit es im Einzelfall wegen einer Gefährdung der Erreichung des Vollzugsziels oder aus Gründen der Sicherheit erforderlich ist.

(2) Gespräche mit Verteidigerinnen, Verteidigern und Beiständen nach § 69 des Jugendgerichtsgesetzes sowie mit Rechtsanwältinnen, Rechtsanwälten, Notarinnen und Notaren in einer die jeweiligen Jugendstrafgefangenen betreffenden Rechtssache werden nicht überwacht.

§ 35 Telefongespräche

(1) Den Jugendstrafgefangenen kann gestattet werden, Telefongespräche durch Vermittlung der Anstalt zu führen. Die Vorschriften über den Besuch gemäß § 31 Absatz 4, §§ 32, 33 Absatz 5 und § 34 gelten entsprechend. Eine angeordnete Überwachung teilt die Anstalt den Jugendstrafgefangenen rechtzeitig vor Beginn des Telefongesprächs und den Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartnern der Jugendstrafgefangenen unmittelbar nach Herstellung der Verbindung mit.

(2) Die Kosten der Telefongespräche tragen die Jugendstrafgefangenen. Sind sie dazu nicht in der Lage, so kann die Anstalt die Kosten in begründeten Fällen in angemessenem Umfang übernehmen.

§ 36 Schriftwechsel

(1) Die Jugendstrafgefangenen haben das Recht, Schreiben abzusenden und zu empfangen. Sie sind frühzeitig zu einem Schriftwechsel mit ihren Angehörigen und mit Einrichtungen außerhalb des Vollzugs, die sie bei ihrer Eingliederung unterstützen können, zu motivieren und anzuleiten.

(2) Die Kosten des Schriftwechsels tragen die Jugendstrafgefangenen. Sind sie dazu nicht in der Lage, so kann die Anstalt die Kosten in begründeten Fällen in angemessenem Umfang übernehmen.

§ 37 Untersagung von Schriftwechsel

Der Schriftwechsel mit bestimmten Personen kann untersagt werden, wenn

  1. die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt gefährdet würde,
  2. zu befürchten ist, dass diese Personen, die nicht Angehörige der Jugendstrafgefangenen im Sinne von § 11 Absatz 1 Nummer 1 des Strafgesetzbuchs sind, einen schädlichen Einfluss auf die Jugendstrafgefangenen haben oder die Erreichung des Vollzugsziels behindern,
  3. zu befürchten ist, dass dieser Personen, die Verletzte der Straftat waren, schadet oder
  4. die Personensorgeberechtigten der oder des Jugendstrafgefangenen nicht einverstanden sind.

§ 38 Sichtkontrolle, Weiterleitung und Aufbewahrung von Schreiben

(1) Die Jugendstrafgefangenen haben das Absenden und den Empfang von Schreiben durch die Anstalt vermitteln zu lassen, soweit nichts anderes gestattet ist. Ein- und ausgehende Schreiben sind unverzüglich weiterzuleiten.

(2) Ein- und ausgehende Schreiben werden im geschlossenen Vollzug regelmäßig durch Sichtkontrolle auf verbotene Gegenstände überprüft.

(3) Bei der Sichtkontrolle des Schriftwechsels der Jugendstrafgefangenen mit ihren Verteidigerinnen, Verteidigern und Beiständen nach § 69 des Jugendgerichtsgesetzes sowie mit Rechtsanwältinnen, Rechtsanwälten, Notarinnen und Notaren in einer sie betreffenden Rechtssache dürfen die ein- und ausgehenden Schreiben nur ungeöffnet auf verbotene Gegenstände untersucht werden. Besteht der Verdacht, dass diese Schreiben verbotene Gegenstände enthalten, oder bestehen Zweifel am Vorliegen eines Mandatsverhältnisses oder an der Berufsträgereigenschaft, so werden sie an die Absenderinnen oder Absender zurückgesandt oder den absendenden Jugendstrafgefangenen zurückgegeben, sofern nicht der dringende Verdacht besteht, dass ungeöffnete Schreiben verbotene strafrechtlich relevante Gegenstände enthalten und eine Sicherstellung nach strafprozessualen Vorschriften in Betracht kommt.

(4) Die Jugendstrafgefangenen haben eingehende Schreiben unverschlossen zu verwahren, sofern nichts anderes gestattet wird. Sie können sie verschlossen zu ihrer Habe geben.

§ 39 Überwachung von Schriftwechsel

(1) Der Schriftwechsel darf überwacht werden, soweit dies wegen einer Gefährdung der Erreichung des Vollzugsziels oder aus Gründen der Sicherheit erforderlich ist.

(2) Der Schriftwechsel der Jugendstrafgefangenen mit ihren Verteidigerinnen, Verteidigern und ihren Beiständen nach § 69 des Jugendgerichtsgesetzes sowie mit Rechtsanwältinnen, Rechtsanwälten, Notarinnen und Notaren in einer die jeweiligen Jugendstrafgefangenen betreffenden Rechtssache wird nicht überwacht. Liegt dem Vollzug eine Straftat nach § 129a, auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1 des Strafgesetzbuchs zugrunde, so gelten § 148 Absatz 2 und § 148a der Strafprozessordnung entsprechend; dies gilt nicht, wenn die Jugendstrafgefangenen sich im offenen Vollzug befinden oder wenn ihnen Lockerungen nach § 44 gewährt worden sind und ein Grund, der die Anstalt zum Widerruf von Lockerungen ermächtigt, nicht vorliegt. Satz 2 gilt auch, wenn eine Jugend- oder Freiheitsstrafe wegen einer Straftat nach § 129a, auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1 des Strafgesetzbuchs, erst im Anschluss an den Vollzug der Jugendstrafe, der eine andere Verurteilung zugrunde liegt, zu vollstrecken ist.

§ 40 Anhalten von Schreiben

(1) Schreiben können angehalten werden, wenn

  1. bei deren Weitergabe die Erreichung des Vollzugsziels oder die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt gefährdet würde,
  2. die Weitergabe in Kenntnis ihres Inhalts einen Straf- oder Bußgeldtatbestand verwirklichen würde,
  3. sie grob unrichtige oder erheblich entstellende Darstellungen von Anstaltsverhältnissen oder grobe Beleidigungen enthalten,
  4. sie die Eingliederung anderer Jugendstrafgefangenen gefährden können,
  5. zu befürchten ist, dass der Schriftwechsel mit den Jugendstrafgefangenen Personen, die Verletzte der Straftat waren, schadet oder
  6. sie in Geheim- oder Kurzschrift, unlesbar, unverständlich oder ohne zwingenden Grund in einer fremden Sprache abgefasst sind.

(2) Ausgehenden Schreiben, die unrichtige Darstellungen enthalten, kann ein Begleitschreiben beigefügt werden, wenn die Jugendstrafgefangenen auf das Absenden bestehen.

(3) Sind Schreiben angehalten worden, so wird dies den Jugendstrafgefangenen mitgeteilt. Soweit angehaltene Schreiben nicht als Beweismittel nach strafprozessualen Vorschriften sichergestellt werden, werden sie an die Absenderinnen oder Absender zurückgegeben oder, sofern dies unmöglich oder aus besonderen Gründen nicht angezeigt ist, von der Anstalt verwahrt.

(4) Schreiben, deren Überwachung nach § 39 Absatz 2 ausgeschlossen ist, dürfen nicht angehalten werden.

§ 41 Kontakte mit bestimmten Institutionen und Personen

(1) Der Schriftwechsel der Jugendstrafgefangenen mit

  1. den Volksvertretungen des Bundes und der Länder sowie deren Mitgliedern,
  2. dem Bundesverfassungsgericht und dem für sie zuständigen Landesverfassungsgericht,
  3. der oder dem für sie zuständigen Bürgerbeauftragten eines Landes,
  4. der oder dem Datenschutzbeauftragten des Bundes oder der Länder,
  5. dem europäischen Parlament sowie dessen Mitgliedern,
  6. dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte,
  7. dem Europäischen Gerichtshof,
  8. der oder dem Europäischen Datenschutzbeauftragten,
  9. der oder dem Europäischen Bürgerbeauftragten,
  10. dem Europäischen Ausschuss zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe,
  11. der Europäischen Kommission gegen Rassismus und Intoleranz,
  12. dem Menschenrechtsausschuss der Vereinten Nationen,
  13. den Ausschüssen der Vereinten Nationen für die Beseitigung der Rassendiskriminierung und für die Beseitigung der Diskriminierung der Frau,
  14. dem Ausschuss der Vereinten Nationen gegen Folter, dem zugehörigen Unterausschuss zur Verhütung von Folter und den entsprechenden Nationalen Präventivmechanismen,
  15. den konsularischen Vertretungen ihres Heimatlandes,
  16. der für sie zuständigen Führungsaufsichtsstelle, Bewährungs- und Gerichtshilfe,
  17. der oder dem Opferbeauftragten des Landes Berlin und
  18. den Anstaltsbeiräten und dem Berliner Vollzugsbeirat sowie deren Mitgliedern

wird nicht überwacht, wenn die Schreiben an die Anschriften dieser Stellen oder Personen gerichtet sind und die Absenderinnen oder Absender zutreffend angegeben sind. Schreiben der in Satz 1 genannten Stellen oder Personen, die an die Jugendstrafgefangenen gerichtet sind, dürfen nicht überwacht werden, wenn die Identität der Absenderinnen oder Absender zweifelsfrei feststeht. In diesem Fall ist jedoch eine Sichtkontrolle entsprechend § 38 Absatz 3 vorzunehmen. § 39 Absatz 2 Satz 2 und 3 gilt entsprechend.

(2) Für den Schriftwechsel zur Ausübung des Wahlrechts gilt Absatz 1 entsprechend.

(3) Schreiben, deren Überwachung nach Absatz 1 ausgeschlossen ist, dürfen nicht nach § 40 angehalten werden.

(4) Besuche von Mitgliedern der in Absatz 1 Satz 1 genannten Stellen und von dort aufgeführten Personen sind zu gestatten. Sie werden weder beaufsichtigt noch die geführten Gespräche überwacht. Im Übrigen gilt für die Durchführung der Besuche § 33 Absatz 1, 2, 5 und 6 Satz 3 und 4 sowie Absatz 7 entsprechend.

(5) Telefongespräche mit Mitgliedern der in Absatz 1 Satz 1 genannten Stellen und von dort aufgeführten Personen sind zu gestatten und werden nicht überwacht. Im Übrigen gilt § 35 entsprechend.

§ 42 Andere Formen der Telekommunikation

Die Anstalt kann den Jugendstrafgefangenen gestatten, andere von der Aufsichtsbehörde zugelassene Formen der Telekommunikation auf ihre Kosten zu nutzen. Im Übrigen finden in Abhängigkeit von der Art der Telekommunikation die Vorschriften dieses Abschnitts über den Schriftwechsel, den Besuch und über Telefongespräche entsprechende Anwendung.

§ 43 Pakete

(1) Den Jugendstrafgefangenen kann gestattet werden, Pakete zu empfangen. Der Empfang von Paketen mit Nahrungs-, Genuss- und Körperpflegemitteln sowie Arzneimitteln ist untersagt. Die Anstalt kann Anzahl, Gewicht und Größe von Sendungen und einzelnen Gegenständen festsetzen. Über § 52 Absatz 1 Satz 2 hinaus kann sie Gegenstände und Verpackungsformen ausschließen, die einen unverhältnismäßigen Kontrollaufwand verursachen würden.

(2) Die Anstalt kann die Annahme von Paketen, deren Einbringung nicht gestattet ist oder die die Voraussetzungen des Absatzes 1 nicht erfüllen, ablehnen oder solche Pakete an die Absenderinnen oder Absender zurücksenden.

(3) Pakete sind in Gegenwart der Jugendstrafgefangenen zu öffnen, an die sie adressiert sind. Sie sind auf verbotene Gegenstände zu durchsuchen. Mit nicht zugelassenen oder ausgeschlossenen Gegenständen ist gemäß § 55 Absatz 3 zu verfahren. Sie können auch auf Kosten der Jugendstrafgefangenen zurückgesandt werden.

(4) Der Empfang von Paketen kann vorübergehend versagt werden, wenn dies wegen einer Gefährdung der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt unerlässlich ist.

(5) Den Jugendstrafgefangenen kann gestattet werden, Pakete zu versenden. Der Inhalt kann aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt überprüft werden. § 37 gilt entsprechend.

(6) Die Kosten des Paketversandes tragen die Jugendstrafgefangenen. Sind sie dazu nicht in der Lage, so kann die Anstalt die Kosten in begründeten Fällen in angemessenem Umfang übernehmen.

Abschnitt 7
Lockerungen und sonstige Aufenthalte außerhalb der Anstalt

§ 44 Lockerungen zur Erreichung des Vollzugsziels

(1) Aufenthalte außerhalb der Anstalt ohne Aufsicht (Lockerungen) sind insbesondere

  1. das Verlassen der Anstalt für bis zu 24 Stunden in Begleitung einer von der Anstalt zugelassenen Person (Begleitausgang),
  2. das Verlassen der Anstalt für bis zu 24 Stunden ohne Begleitung (unbegleiteter Ausgang),
  3. das Verlassen der Anstalt für mehr als 24 Stunden (Langzeitausgang),
  4. die regelmäßige Beschäftigung außerhalb der Anstalt (Freigang) und
  5. die Unterbringung in besonderen Erziehungseinrichtungen oder in Übergangseinrichtungen freier Träger.

Vor Gewährung von Lockerungen nach Satz 1 Nummer 5 ist die Vollstreckungsleiterin oder der Vollstreckungsleiter zu hören.

(2) Die Lockerungen dürfen gewährt werden, wenn sie der Erreichung des Vollzugsziels dienen und verantwortet werden kann zu erproben, dass die Jugendstrafgefangenen sich weder dem Vollzug entziehen noch die Lockerungen zur Begehung von Straftaten missbrauchen werden.

(3) Durch Lockerungen wird die Vollstreckung der Jugend- oder Freiheitsstrafe nicht unterbrochen.

§ 45 Lockerungen aus wichtigem Anlass

(1) Lockerungen können auch aus wichtigem Anlass gewährt werden. Wichtige Anlässe sind insbesondere die Teilnahme an gerichtlichen Terminen, die medizinische Behandlung der Jugendstrafgefangenen sowie der Tod oder eine lebensgefährliche Erkrankung naher Angehöriger.

(2) § 44 Absatz 2 und 3 gilt entsprechend.

§ 46 Weisungen für Lockerungen

Für Lockerungen sind die nach den Umständen des Einzelfalles erforderlichen Weisungen zu erteilen. Die Weisungen müssen dem Zweck der Maßnahme Rechnung tragen. Bei der Ausgestaltung der Lockerungen ist auch den Belangen der Verletzten von Straftaten Rechnung zu tragen.

§ 47 Ausführung, Außenbeschäftigung, Vorführung und Ausantwortung

(1) Den Jugendstrafgefangenen kann das Verlassen der Anstalt unter ständiger und unmittelbarer Aufsicht durch Bedienstete (Ausführung) gestattet werden, wenn dies aus besonderen Gründen notwendig ist. Die Jugendstrafgefangenen können auch gegen ihren Willen ausgeführt werden. Liegt die Ausführung ausschließlich im Interesse der Jugendstrafgefangenen, so können ihnen die Kosten auferlegt werden, soweit dies die Erreichung des Vollzugsziels oder die Eingliederung nicht behindert.

(2) Den Jugendstrafgefangenen kann gestattet werden, außerhalb der Anstalt einer regelmäßigen Beschäftigung unter ständiger Aufsicht oder unter Aufsicht in unregelmäßigen Abständen durch Bedienstete (Außenbeschäftigung) nachzugehen. § 44 Absatz 2 und 3 gilt entsprechend.

(3) Auf Ersuchen eines Gerichts werden Jugendstrafgefangene vorgeführt, sofern ein Vorführungsbefehl vorliegt.

(4) Jugendstrafgefangene dürfen befristet dem Gewahrsam eines Gerichts, einer Staatsanwaltschaft oder einer Polizei-, Ordnungs-, Zoll- oder Finanzbehörde auf Antrag überlassen werden (Ausantwortung).

Abschnitt 8
Vorbereitung der Eingliederung, Entlassung und nachgehende Betreuung

§ 48 Vorbereitung der Eingliederung

(1) Die Maßnahmen zur sozialen und beruflichen Eingliederung sind auf den Zeitpunkt der voraussichtlichen Entlassung in die Freiheit abzustellen. Die Jugendstrafgefangenen sind bei der Ordnung ihrer persönlichen, wirtschaftlichen und sozialen Angelegenheiten zu unterstützen. Dies umfasst die Vermittlung in nachsorgende Maßnahmen.

(2) Die Anstalt arbeitet frühzeitig unter Beteiligung der Jugendstrafgefangenen mit den Agenturen für Arbeit, den Meldebehörden, den Trägern der Sozialversicherung und der Sozialhilfe, den Hilfeeinrichtungen anderer Behörden, den Verbänden der Freien Wohlfahrtspflege, der Forensisch-Therapeutischen Ambulanz und weiteren Personen und Einrichtungen außerhalb des Vollzugs zusammen, insbesondere um zu erreichen, dass die Jugendstrafgefangenen nach ihrer Entlassung über eine geeignete Unterkunft und eine Arbeits- oder Ausbildungsstelle verfügen. Die Bewährungshilfe, das Jugendamt und die Führungsaufsichtsaufsichtsstelle beteiligen sich frühzeitig an der sozialen und beruflichen Eingliederung der Jugendstrafgefangenen.

(3) Haben sich die Jugendstrafgefangenen mindestens sechs Monate im Vollzug befunden, so kann ihnen ein zusammenhängender Langzeitausgang von bis zu drei Monaten gewährt werden, wenn dies zur Vorbereitung der Eingliederung erforderlich ist. Die Vollstreckungsleiterin oder der Vollstreckungsleiter ist vor einer Entscheidung nach Satz 1 zu hören. § 44 Absatz 2 und 3 sowie § 46 gelten entsprechend.

(4) In einem Zeitraum von sechs Monaten vor der voraussichtlichen Entlassung sind den Jugendstrafgefangenen die zur Vorbereitung der Eingliederung erforderlichen Lockerungen zu gewähren, sofern nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass die Jugendstrafgefangenen sich dem Vollzug entziehen oder die Lockerungen zur Begehung von Straftaten missbrauchen werden. § 44 Absatz 3 und § 46 gelten entsprechend.

§ 49 Entlassung

(1) Die Jugendstrafgefangenen sollen am letzten Tag ihrer Strafzeit möglichst frühzeitig, jedenfalls noch am Vormittag, entlassen werden.

(2) Fällt das Strafende auf einen Sonnabend oder Sonntag, einen gesetzlichen Feiertag, den ersten Werktag nach Ostern oder Pfingsten oder in die Zeit vom 22. Dezember bis zum 2. Januar, so können die Jugendstrafgefangenen an dem diesem Tag oder Zeitraum vorhergehenden Werktag entlassen werden, wenn dies gemessen an der Dauer der Strafzeit vertretbar ist und fürsorgerische Gründe nicht entgegenstehen.

(3) Der Entlassungszeitpunkt kann bis zu zwei Tage vorverlegt werden, wenn die Jugendstrafgefangenen zu ihrer Eingliederung hierauf dringend angewiesen sind.

(4) Bedürftigen Jugendstrafgefangenen kann eine Entlassungsbeihilfe in Form eines Reisekostenzuschusses, angemessener Kleidung oder einer sonstigen notwendigen Unterstützung gewährt werden.

§ 50 Nachgehende Betreuung

Mit Zustimmung der Anstalt können Bedienstete an der nachgehenden Betreuung entlassener Jugendstrafgefangener mit deren Einverständnis mitwirken, wenn ansonsten die Eingliederung gefährdet wäre. Die nachgehende Betreuung kann auch außerhalb der Anstalt erfolgen. In der Regel ist sie auf die ersten sechs Monate nach der Entlassung begrenzt. Eine nachgehende Betreuung kommt insbesondere für die Fortführung von im Vollzug begonnenen schulischen und beruflichen Qualifizierungsmaßnahmen und Behandlungsmaßnahmen in Betracht, sofern diese nicht anderweitig durchgeführt werden können. Erfolgt die nachgehende Betreuung innerhalb der Anstalt, so gilt § 51 Absatz 1 Satz 3 und Absatz 2 bis 4 entsprechend.

§ 51 Verbleib oder Aufnahme auf freiwilliger Grundlage

(1) Sofern es die Belegungssituation zulässt, können die entlassenen Jugendstrafgefangenen auf Antrag ausnahmsweise vorübergehend in der Anstalt verbleiben oder wieder aufgenommen werden, wenn die Eingliederung gefährdet und ein Aufenthalt in der Anstalt aus diesem Grunde gerechtfertigt ist. § 50 Satz 3 gilt entsprechend. Der freiwillige Aufenthalt erfolgt auf vertraglicher Basis.

(2) Gegen die sich in der Anstalt befugt aufhaltenden Entlassenen dürfen Maßnahmen des Vollzugs nicht mit unmittelbarem Zwang durchgesetzt werden.

(3) Bei Störung des Anstaltsbetriebes durch die Entlassenen oder aus vollzugsorganisatorischen Gründen kann der freiwillige Aufenthalt jederzeit beendet werden. Die Entlassenen sind vorher zu hören.

(4) Die in der Anstalt verbliebenen oder wieder aufgenommenen Entlassenen dürfen die Anstalt auf ihren Wunsch jederzeit unverzüglich verlassen.

Abschnitt 9
Grundversorgung und Freizeit

§ 52 Einbringen von Gegenständen

(1) Gegenstände dürfen durch oder für die Jugendstrafgefangenen nur mit Zustimmung der Anstalt eingebracht werden. Die Anstalt kann die Zustimmung verweigern, wenn die Gegenstände ihrer Art oder Beschaffenheit nach geeignet sind, die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt oder die Erreichung des Vollzugsziels zu gefährden oder ihre Aufbewahrung nach Art oder Umfang nicht möglich ist.

(2) Das Einbringen von Nahrungs-, Genuss- und Körperpflegemitteln sowie von Arzneimitteln ist nicht gestattet. Die Anstalt kann eine abweichende Regelung treffen.

§ 53 Gewahrsam an Gegenständen

(1) Die Jugendstrafgefangenen dürfen Gegenstände nur mit Zustimmung der Anstalt in Gewahrsam haben, annehmen oder abgeben.

(2) Ohne Zustimmung dürfen sie abweichend von Absatz 1 Gegenstände von geringem Wert an andere Jugendstrafgefangene weitergeben und von anderen Jugendstrafgefangenen annehmen; die Abgabe und Annahme dieser Gegenstände nebst dem Gewahrsam daran können von der Zustimmung der Anstalt abhängig gemacht werden.

§ 54 Ausstattung des Haftraums

(1) Die Jugendstrafgefangenen dürfen ihren Haftraum in angemessenem Umfang mit eigenen Gegenständen ausstatten oder diese dort aufbewahren. Gegenstände, die einzeln oder in ihrer Gesamtheit geeignet sind, die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt, insbesondere die Übersichtlichkeit des Haftraumes, oder die Erreichung des Vollzugsziels zu gefährden, dürfen nicht in den Haftraum eingebracht werden. Entgegen Satz 2 eingebrachte Gegenstände werden daraus entfernt.

(2) Die Jugendstrafgefangenen tragen die Kosten für die aus Gründen der Sicherheit der Anstalt notwendige technische Überprüfung der von ihnen im Haftraum genutzten Elektrogeräte. Sind sie dazu nicht in der Lage, so kann die Anstalt die Kosten in begründeten Fällen in angemessenem Umfang übernehmen.

§ 55 Aufbewahrung und Vernichtung von Gegenständen

(1) Gegenstände, die die Jugendstrafgefangenen nicht im Haftraum aufbewahren dürfen oder wollen, werden von der Anstalt aufbewahrt, soweit dies nach Art und Umfang möglich ist und Gründe der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt, insbesondere auch hygienische Gründe, nicht dagegen sprechen. Die Anstalt kann eine angemessene Beschränkung des Umfangs der aufzubewahrenden Gegenstände vornehmen.

(2) Den Jugendstrafgefangenen wird Gelegenheit gegeben, ihre Gegenstände, die sie während des Vollzugs und für ihre Entlassung nicht benötigen, zu versenden. § 43 Absatz 6 gilt entsprechend.

(3) Werden Gegenstände, deren Aufbewahrung nach Absatz 1 ausgeschlossen ist von den Jugendstrafgefangenen trotz Aufforderung nicht innerhalb einer angemessenen Frist aus der Anstalt verbracht, so darf die Anstalt diese Gegenstände auf Kosten der Jugendstrafgefangenen außerhalb der Anstalt verwahren, verwerten oder vernichten. Für das Verfahren der Verwertung und Vernichtung gilt § 40 des Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes in der Fassung vom 11. Oktober 2006 (GVBl. S. 930), das zuletzt durch Gesetz vom 7. April 2015 (GVBl. S. 66) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung entsprechend.

(4) Aufzeichnungen und andere Gegenstände, die Kenntnisse über Sicherungsvorkehrungen der Anstalt vermitteln oder Schlussfolgerungen auf diese zulassen, dürfen vernichtet oder unbrauchbar gemacht werden.

§ 56 Zeitungen und Zeitschriften

Die Jugendstrafgefangenen dürfen auf eigene Kosten Zeitungen und Zeitschriften in angemessenem Umfang durch Vermittlung der Anstalt beziehen. Ausgeschlossen sind Zeitungen und Zeitschriften, deren Verbreitung mit Strafe oder Geldbuße bedroht ist. Einzelne Ausgaben oder Teile von Zeitungen und Zeitschriften können den Jugendstrafgefangenen vorenthalten oder entzogen werden, wenn die Kenntnisnahme von deren Inhalten die Erreichung des Vollzugsziels oder die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt erheblich gefährden würde.

§ 57 Religiöse Schriften und Gegenstände

Die Jugendstrafgefangenen dürfen grundlegende religiöse Schriften sowie in angemessenem Umfang Gegenstände des religiösen Gebrauchs besitzen. Diese dürfen den Jugendstrafgefangenen nur bei grobem Missbrauch entzogen werden.

§ 58 Rundfunk, Informations- und Unterhaltungselektronik

(1) Der Zugang zum Hörfunk- und Fernsehempfang (Rundfunk) ist zu ermöglichen. Die Anstalt entscheidet über die Einspeisung einzelner Hörfunk- und Fernsehprogramme, soweit eine Empfangsanlage vorhanden ist. Die Wünsche und Bedürfnisse der Jugendstrafgefangenen sind angemessen zu berücksichtigen. Die Anstalt kann den Fernsehempfang zeitlich begrenzen.

(2) Eigene Hörfunkgeräte der Jugendstrafgefangenen werden zugelassen, wenn nicht Gründe des § 54 Absatz 1 Satz 2 oder erzieherische Gründe entgegenstehen. Die Jugendstrafgefangenen können auf von der Anstalt vermittelte Mietgeräte oder auf ein Haftraummediensystem verwiesen werden. In diesem Fall ist den Jugendstrafgefangenen abweichend von Satz 1 der Besitz eigener Geräte im Haftraum in der Regel nicht gestattet.

(3) Die Jugendstrafgefangenen können am gemeinschaftlichen Fernsehempfang teilnehmen. Der Besitz eigener Fernsehgeräte im Haftraum kann unter den Voraussetzungen des Absatzes 2 Satz 1 gestattet werden. Bei Zulassung eigener Fernsehgeräte gilt Absatz 2 Satz 2 und 3 entsprechend.

(4) Die Jugendstrafgefangenen haben die Kosten für die Überprüfung, Überlassung und den Betrieb der von ihnen genutzten Hörfunk- und Fernsehgeräte sowie die Bereitstellung des Hörfunk- und Fernsehempfangs zu tragen. Sind sie dazu nicht in der Lage, so kann die Anstalt die Kosten in begründeten Fällen in angemessenem Umfang übernehmen.

(5) Andere Geräte der Informations- und Unterhaltungselektronik können unter den Voraussetzungen des Absatzes 2 Satz 1 zugelassen werden. § 42 bleibt unberührt.

§ 59 Kleidung

(1) Die Jugendstrafgefangenen tragen Anstaltskleidung.

(2) Die Anstalt kann eine von Absatz 1 abweichende Regelung treffen. Für Reinigung, Instandsetzung und regelmäßigen Wechsel der eigenen Kleidung haben die Jugendstrafgefangenen selbst und auf ihre Kosten zu sorgen.

§ 60 Verpflegung 21

Zusammensetzung und Nährwert der Anstaltsverpflegung haben den Anforderungen an eine gesunde Ernährung junger Menschen zu entsprechen. Auf ärztliche Anordnung wird besondere Verpflegung gewährt. Den Jugendstrafgefangenen ist zu ermöglichen, Speisevorschriften ihrer Religionsgemeinschaft zu befolgen sowie sich fleischlos zu ernähren. Geschlechtsspezifische Unterschiede in der Ernährungsweise von Jugendstrafgefangenen sind zu berücksichtigen.

§ 61 Einkauf

(1) Den Jugendstrafgefangenen wird ermöglicht einzukaufen. Die Anstalt wirkt auf ein Angebot hin, das auf Wünsche und Bedürfnisse junger Menschen Rücksicht nimmt. Das Verfahren des Einkaufs regelt die Anstalt. Gegenstände, die nach Art oder Menge geeignet sind, die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt zu gefährden, sind vom Einkauf ausgeschlossen oder mengenmäßig zu beschränken. Ein Ausschluss oder eine Beschränkung von Gegenständen kann auch aus erzieherischen Gründen erfolgen.

(2) Nahrungs- und Genussmittel können nur vom Haus- und Taschengeld, andere Gegenstände in angemessenem Umfang auch vom Eigengeld eingekauft werden. Dies gilt nicht für den ersten Einkauf, den die Jugendstrafgefangenen unmittelbar nach ihrer Aufnahme in eine Anstalt tätigen.

§ 62 Freizeit

(1) Die Ausgestaltung der Freizeit orientiert sich am Vollzugsziel. Dazu sind geeignete Angebote, auch an Wochenenden und Feiertagen, insbesondere zur kulturellen Betätigung, zur Bildung, zur kreativen Entfaltung und zum Erwerb von Medienkompetenz vorzuhalten. Die Anstalt stellt eine angemessen ausgestattete Bücherei zur Verfügung.

(2) Die Jugendstrafgefangenen sind zur Teilnahme und Mitwirkung an für sie geeigneten Freizeitangeboten verpflichtet.

§ 63 Sport

Dem Sport kommt bei der Freizeitgestaltung zur Erreichung des Vollzugsziels eine besondere Bedeutung zu. Er kann zur Diagnostik und gezielten Behandlung eingesetzt werden. Für die Jugendstrafgefangenen sind ausreichende und geeignete Angebote vorzuhalten, um ihnen eine sportliche Betätigung von mindestens zwei Stunden wöchentlich zu ermöglichen.

Abschnitt 10
Vergütung und Gelder der Jugendstrafgefangenen

§ 64 Vergütung

(1) Die Jugendstrafgefangenen erhalten eine Vergütung in Form von

  1. Ausbildungsbeihilfe für die Teilnahme an schulischen und beruflichen Qualifizierungsmaßnahmen nach § 12 Absatz 1 Satz 1 Nummer 11 oder
  2. Arbeitsentgelt für die Teilnahme an arbeitstherapeutischen Maßnahmen oder am Arbeitstraining nach § 12 Absatz 1 Satz 1 Nummer 12 oder für Arbeit nach § 12 Absatz 1 Satz 1 Nummer 13.

(2) Der Bemessung der Vergütung sind 9 Prozent der Bezugsgröße nach § 18 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - in der Fassung der Bekanntmachung vom 12. November 2009 (BGBl. I S. 3710, 3973; 2011 I S. 363), das zuletzt durch Artikel 28 des Gesetzes vom 20. November 2015 (BGBl. I S. 2010) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung zugrunde zu legen (Eckvergütung). Ein Tagessatz ist der 250. Teil der Eckvergütung; die Vergütung kann nach einem Stundensatz bemessen werden.

(3) Die Vergütung kann je nach Art der Maßnahme und Leistung der Jugendstrafgefangenen gestuft werden. Sie beträgt mindestens 75 Prozent der Eckvergütung. Die für Justiz zuständige Senatsverwaltung wird ermächtigt, die Vergütungsstufen durch Rechtsverordnung zu bestimmen. Der Vorrang der schulischen und beruflichen Qualifizierungsmaßnahmen nach § 23 Absatz 1 ist bei der Festsetzung der Ausbildungsbeihilfe und des Arbeitsentgelts zu berücksichtigen.

(4) Soweit Beiträge zur Bundesagentur für Arbeit zu entrichten sind, kann von der Ausbildungsbeihilfe oder dem Arbeitsentgelt ein Betrag einbehalten werden, der dem Anteil der Jugendstrafgefangenen am Beitrag entsprechen würde, wenn sie diese Vergütung als Arbeitnehmerin oder Arbeitnehmer erhielten.

(5) Die Höhe der Vergütung ist den Jugendstrafgefangenen schriftlich bekannt zu geben.

(6) Die Jugendstrafgefangenen, die an einer Maßnahme nach § 23 teilnehmen, erhalten hierfür nur eine Ausbildungsbeihilfe, soweit kein Anspruch auf Leistungen zum Lebensunterhalt besteht, die außerhalb des Vollzugs aus solchem Anlass gewährt werden.

§ 65 Vergütungsfortzahlung

Nehmen Jugendstrafgefangene an Maßnahmen nach § 12 Absatz 1 Satz 1 Nummer 6 bis 10 oder § 3 Absatz 9 Satz 2 teil, die während ihrer regulären Beschäftigungszeit stattfinden und nach § 12 Absatz 2 für zwingend erforderlich erachtet wurden, so wird ihnen als finanzieller Ausgleich für diesen Zeitraum eine Fortzahlung der Vergütung nach § 64 Absatz 1 gewährt.

§ 66 Zusätzliche Anerkennung und Ausgleichsentschädigung

(1) Haben Jugendstrafgefangene jeweils einen Monat lang zusammenhängend eine Tätigkeit nach §§ 23 bis 26 ausgeübt, so erhalten sie auf Antrag als zusätzliche Anerkennung über die Vergütung nach §§ 64 und 65 und die Freistellung nach § 29 hinaus eine weitere Freistellung von einem Beschäftigungstag unter Fortzahlung der Vergütung entsprechend § 29 Absatz 3. Die Jugendstrafgefangenen erhalten auf Antrag die Freistellung in Form von Langzeitausgang, sofern die Voraussetzungen nach § 44 Absatz 2 vorliegen.

(2) Anstatt den weiteren Freistellungstag nach Absatz 1 zu nehmen, können die Jugendstrafgefangenen auch beantragen, dass dieser durch gleichwertige Vergütung entsprechend § 29 Absatz 3, die ihrem Hausgeldkonto gutzuschreiben ist, abgegolten wird.

(3) Nehmen die Jugendstrafgefangenen die zusätzliche Anerkennung nach Absatz 1 oder 2 nicht innerhalb eines Jahres nach Vorliegen der Voraussetzungen in Anspruch, so wird der Entlassungszeitpunkt vorbehaltlich des Absatzes 4 jeweils um den Freistellungstag nach Absatz 1 Satz 1 vorverlegt. Durch Zeiten, in denen die Jugendstrafgefangenen ohne ihr Verschulden durch Krankheit, Lockerungen, Freistellung oder sonstige nicht von ihnen zu vertretende Gründe an der Tätigkeit nach §§ 23 bis 26 gehindert sind, wird die Frist nach Absatz 1 Satz 1 gehemmt. Beschäftigungszeiträume von weniger als einem Monat bleiben unberücksichtigt.

(4) Eine Vorverlegung des Entlassungszeitpunktes ist ausgeschlossen,

  1. bei einer Aussetzung der Vollstreckung des Restes einer Jugendstrafe zur Bewährung, soweit wegen des von der Entscheidung der Vollstreckungsleiterin oder des Vollstreckungsleiters bis zur Entlassung verbleibenden Zeitraums eine Anrechnung nicht mehr möglich ist,
  2. wenn dies von der Vollstreckungsleiterin oder dem Vollstreckungsleiter angeordnet wird, weil bei einer Aussetzung der Vollstreckung des Restes einer Jugendstrafe zur Bewährung die Lebensverhältnisse der Jugendstrafgefangenen oder die Wirkungen, die von der Aussetzung für sie zu erwarten sind, die Vollstreckung bis zu einem bestimmten Zeitpunkt erfordern,
  3. wenn nach § 2 des Jugendgerichtsgesetzes in Verbindung mit § 456a Absatz 1 der Strafprozessordnung von der Vollstreckung abgesehen wird oder
  4. wenn Jugendstrafgefangene im Gnadenwege aus der Haft entlassen werden.

(5) Soweit eine Vorverlegung des Entlassungszeitpunktes nach Absatz 4 ausgeschlossen ist, erhalten Jugendstrafgefangene bei ihrer Entlassung eine Ausgleichsentschädigung von zusätzlich 15 Prozent der ihnen für den Zeitraum, der Grundlage für die Gewährung des Freistellungstages gewesen ist, nach §§ 64 und 65 gezahlten Vergütung. Der Anspruch entsteht erst mit der Entlassung. Vor der Entlassung ist der Anspruch nicht verzinslich.

(6) Bei der Verlegung in ein anderes Land, nach dessen Landesrecht weder erworbene Freistellungstage nach Absatz 1 noch die Vorverlegung des Entlassungszeitpunktes nach Absatz 3 Satz 1 gewährt werden können, hat die Anstalt die gleichwertige Vergütung nach Absatz 2 zu gewähren. Bei der Verlegung in ein anderes Land, das nach seinem Landesrecht keine gleichwertige Vergütung im Sinne von Absatz 2 vorsieht, ist ein Antrag auf Abgeltung der Freistellungstage nach Absatz 2 spätestens am Tag der Verlegung zu stellen.

§ 67 Eigengeld

(1) Das Eigengeld besteht aus den Beträgen, die die Jugendstrafgefangenen bei der Aufnahme in die Anstalt mitbringen und die sie während der Haftzeit erhalten, sowie den Teilen der Vergütung, die nicht als Hausgeld und Eingliederungsgeld in Anspruch genommen werden.

(2) Die Jugendstrafgefangenen können über das Eigengeld verfügen. § 61 Absatz 2 und §§ 70 und 71 bleiben unberührt.

§ 68 Taschengeld

(1) Bedürftigen Jugendstrafgefangenen wird Taschengeld gewährt. Bedürftig sind Jugendstrafgefangene, soweit ihnen aus Hausgeld (§ 70) und Eigengeld (§ 67) monatlich ein Betrag bis zur Höhe des Taschengelds nach Absatz 3 voraussichtlich nicht zur Verfügung steht. Es bleiben bis zur Höhe des Taschengeldbetrages unberücksichtigt Arbeitsentgelt für die Teilnahme an arbeitstherapeutischen Maßnahmen oder am Arbeitstraining nach § 64 Absatz 1 Nummer 2, nicht verbrauchtes Taschengeld sowie zweckgebundene Einzahlungen nach § 71 Absatz 1 Satz 1.

(2) Die Anstalt kann anordnen, dass Jugendstrafgefangene für die Dauer von bis zu drei Monaten nicht als bedürftig gelten, wenn ihnen ein Betrag nach Absatz 1 Satz 2 deshalb nicht zur Verfügung steht, weil sie einer ihnen zugewiesenen zumutbaren Beschäftigung nach §§ 23 bis 26 nicht nachgehen oder von einer ausgeübten Beschäftigung im Sinne von § 27 Absatz 3 Satz 3 verschuldet abgelöst wurden.

(3) Das Taschengeld beträgt 14 Prozent der Eckvergütung nach § 64 Absatz 2 Satz 1. Es wird zu Beginn des Monats im Voraus gewährt. Gehen den Jugendstrafgefangenen im Laufe des Monats nach Absatz 1 zu berücksichtigende Gelder zu, so wird zum Ausgleich ein Betrag bis zur Höhe des gewährten Taschengeldes einbehalten.

(4) Die Jugendstrafgefangenen dürfen über das Taschengeld im Rahmen der Bestimmungen dieses Gesetzes verfügen. Es wird dem Hausgeldkonto gutgeschrieben.

§ 69 Konten, Bargeld

(1) Gelder der Jugendstrafgefangenen werden auf Hausgeld-, Eigengeld- und Eingliederungsgeldkonten in der Anstalt geführt.

(2) Der Besitz von Bargeld in der Anstalt ist den Jugendstrafgefangenen nicht gestattet. Im offenen Vollzug kann eine abweichende Regelung getroffen werden.

(3) Geld in Fremdwährung wird in der Regel in der Zahlstelle verwahrt oder zur Habe genommen.

§ 70 Hausgeld

(1) Das Hausgeld wird aus drei Siebteln der nach §§ 64 und 65 geregelten Vergütung gebildet.

(2) Für Jugendstrafgefangene, die aus einem freien Beschäftigungsverhältnis, aus einer Selbstbeschäftigung oder anderweitig regelmäßige Einkünfte haben, wird daraus ein angemessenes monatliches Hausgeld festgesetzt.

(3) Für Jugendstrafgefangene, die über Eigengeld nach § 67 verfügen und keine hinreichende Vergütung nach diesem Gesetz erhalten, gilt Absatz 2 entsprechend.

(4) Die Jugendstrafgefangenen dürfen über das Hausgeld im Rahmen der Bestimmungen dieses Gesetzes verfügen. Der Anspruch auf Auszahlung ist nicht übertragbar.

§ 71 Zweckgebundene Einzahlungen, Eingliederungsgeld

(1) Für Maßnahmen der Eingliederung, insbesondere Kosten der Gesundheitsfürsorge und der Aus- und Fortbildung, und für Maßnahmen der Pflege sozialer Beziehungen, insbesondere Telefonkosten und Fahrtkosten anlässlich von Lockerungen, kann zweckgebunden Geld eingezahlt werden. Das Geld darf nur für den jeweiligen Zweck verwendet werden. Der Anspruch auf Auszahlung ist nicht übertragbar.

(2) Jugendstrafgefangene dürfen für Zwecke der Eingliederung ein Guthaben in angemessener Höhe bilden (Eingliederungsgeld) und auch bereits vor der Entlassung darüber verfügen. Der Anspruch auf Auszahlung ist nicht übertragbar. Bei der Verlegung in ein anderes Land, nach dessen Landesrecht gebildetes Eingliederungsgeld nicht anerkannt werden kann, wird das Eingliederungsgeld vorbehaltlich des Satzes 4 dem Eigengeldkonto gutgeschrieben. Sofern das aufnehmende Land die Bildung eines Überbrückungsgeldes im Sinne des § 51 des Strafvollzugsgesetzes vorsieht, können die Jugendstrafgefangenen bis spätestens zum Tag ihrer Verlegung erklären, dass ihr Eingliederungsgeld vom aufnehmenden Land als Überbrückungsgeld behandelt werden soll; geben die Jugendstrafgefangenen bis zu ihrer Verlegung diese Erklärung nicht ab, so wird das gebildete Eingliederungsgeld ihrem Eigengeldkonto gutgeschrieben.

Abschnitt 11
Gesundheitsfürsorge

§ 72 Art und Umfang der medizinischen Leistungen, Kostenbeteiligung

(1) Die Jugendstrafgefangenen haben einen Anspruch auf notwendige, ausreichende und zweckmäßige medizinische Leistungen unter Beachtung des Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit und unter Berücksichtigung des Leistungsumfangs der gesetzlichen Krankenversicherung. Der Anspruch umfasst auch Vorsorgeleistungen, ferner die Versorgung mit medizinischen Hilfsmitteln, soweit diese nicht außer Verhältnis zur Dauer des Freiheitsentzugs steht und die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen sind. Den besonderen Belangen behinderter und chronisch kranker Jugendstrafgefangener ist Rechnung zu tragen.

(2) Für Leistungen, die über Absatz 1 hinausgehen, können den Jugendstrafgefangenen oder bei minderjährigen Jugendstrafgefangenen den Personensorgeberechtigten die Kosten auferlegt werden.

§ 73 Durchführung der medizinischen Leistungen, Forderungsübergang

(1) Medizinische Leistungen nach § 72 Absatz 1 erfolgen in der Anstalt, erforderlichenfalls nach § 78 oder § 19 Absatz 2 in einer hierfür besser geeigneten Anstalt, im Vollzugskrankenhaus oder ausnahmsweise auch außerhalb der Anstalt.

(2) Wird die Strafvollstreckung während einer Behandlung von Jugendstrafgefangenen unterbrochen oder beendet, so hat das Land nur für diejenigen Leistungen die Kosten zu tragen, die bis zur Unterbrechung oder Beendigung der Strafvollstreckung erbracht worden sind.

(3) Gesetzliche Schadensersatzansprüche, die Jugendstrafgefangenen infolge einer Körperverletzung zustehen, gehen insoweit auf das Land über, als den Jugendstrafgefangenen Leistungen nach § 72 Absatz 1 zu gewähren sind. Von der Geltendmachung der Ansprüche ist im Interesse der Jugendstrafgefangenen abzusehen, wenn hierdurch die Erreichung des Vollzugsziels oder die Eingliederung gefährdet würde.

§ 74 Medizinische Behandlung zur sozialen Eingliederung

Mit Zustimmung der Jugendstrafgefangenen soll die Anstalt medizinische Behandlungen, insbesondere Operationen oder prothetische Maßnahmen durchführen lassen, die ihre soziale Eingliederung fördern.

§ 75 Gesundheitsschutz und Hygiene

(1) Die Anstalt unterstützt die Jugendstrafgefangenen bei der Wiederherstellung und Erhaltung ihrer körperlichen, geistigen und seelischen Gesundheit. Sie fördert das Bewusstsein für gesunde Ernährung und Lebensführung. Die Jugendstrafgefangenen haben die notwendigen Anordnungen zum Gesundheitsschutz und zur Hygiene zu befolgen.

(2) Den Jugendstrafgefangenen wird ermöglicht, sich täglich mindestens eine Stunde im Freien aufzuhalten. § 88 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 in Verbindung mit Absatz 4 Satz 2 bleibt unberührt.

(3) Der Nichtraucherschutz ist angemessen zu gewährleisten. Den Jugendstrafgefangenen soll die Teilnahme an Raucherentwöhnungsmaßnahmen ermöglicht werden.

§ 76 Krankenbehandlung während Lockerungen

(1) Während Lockerungen haben die Jugendstrafgefangenen außer im Falle unaufschiebbarer Notfallmaßnahmen einen Anspruch auf medizinische Leistungen nach § 72 Absatz 1 gegen das Land nur in der für sie zuständigen Anstalt. Eine ambulante Krankenbehandlung kann in der nächstgelegenen Anstalt erfolgen, wenn eine Rückkehr in die zuständige Anstalt nicht zumutbar ist. § 45 Absatz 1 Satz 2 zweiter Fall bleibt unberührt.

(2) Der Anspruch auf Leistungen nach § 72 Absatz 1 ruht, solange die Jugendstrafgefangenen aufgrund eines freien Beschäftigungsverhältnisses krankenversichert sind.

§ 77 Zwangsmaßnahmen auf dem Gebiet der Gesundheitsfürsorge

(1) Eine medizinische Untersuchung und Behandlung ist ohne Einwilligung der Jugendstrafgefangenen zulässig, um den Erfolg eines Selbsttötungsversuchs zu verhindern. Eine Maßnahme nach Satz 1 ist auch zulässig, wenn von den Jugendstrafgefangenen eine gegenwärtige schwerwiegende Gefahr für die Gesundheit einer anderen Person ausgeht.

(2) Über die Fälle des Absatzes 1 hinaus sind medizinische Untersuchung und Behandlung sowie eine Ernährung unbeschadet der Rechte der Personensorgeberechtigten zwangsweise bei gegenwärtiger Lebensgefahr oder schwerwiegender Gefahr für die Gesundheit der oder des Jugendstrafgefangenen zulässig, wenn diese oder dieser zur Einsicht in das Vorliegen der Gefahr und die Notwendigkeit der Maßnahme oder zum Handeln gemäß solcher Einsicht krankheitsbedingt nicht fähig ist und eine gegen die Durchführung gerichtete wirksame Patientenverfügung im Sinne des § 1901a Absatz 1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs der Anstalt nicht vorliegt.

(3) Zwangsmaßnahmen nach Absatz 1 Satz 2 und Absatz 2 dürfen nur angeordnet werden, wenn

  1. die Jugendstrafgefangenen durch eine Ärztin oder einen Arzt über Notwendigkeit, Art, Umfang, Dauer, zu erwartende Folgen und Risiken der Maßnahme in einer ihrer Auffassungsgabe und ihrem Gesundheitszustand angemessenen Weise aufgeklärt wurden,
  2. der ernsthafte und ohne Ausübung von Druck unternommene Versuch einer Ärztin oder eines Arztes, eine Zustimmung der Jugendstrafgefangenen zu der Maßnahme zu erreichen, erfolglos geblieben ist,
  3. die Maßnahme zur Abwendung einer Gefahr nach Absatz 1 Satz 2 oder Absatz 2 geeignet, in Art, Umfang und Dauer erforderlich und für die Beteiligten zumutbar ist und
  4. der von der Maßnahme erwartete Nutzen die mit der Maßnahme verbundene Belastung deutlich überwiegt und der bei Unterlassen der Maßnahme mögliche Schaden deutlich schwerer wiegt als die mit der Maßnahme verbundene Belastung.

(4) Maßnahmen nach den Absätzen 1 und 2 dürfen nur auf Anordnung und unter Leitung einer Ärztin oder eines Arztes durchgeführt werden. Unberührt bleibt die Leistung erster Hilfe für den Fall, dass eine Ärztin oder ein Arzt nicht rechtzeitig erreichbar und mit einem Aufschub Lebensgefahr verbunden ist. In den Fällen des Absatzes 1 Satz 2 und Absatzes 2 bedarf die Anordnung der Zustimmung der Anstaltsleiterin oder des Anstaltsleiters und der Aufsichtsbehörde. Die Anordnung wird den Verteidigerinnen, Verteidigern und Beiständen gemäß § 69 des Jugendgerichtsgesetzes auf Antrag der Jugendstrafgefangenen unverzüglich mitgeteilt. Die Gründe und die Voraussetzungen für die Anordnung einer Maßnahme nach den Absätzen 1 oder 2, die ergriffenen Maßnahmen einschließlich ihres Zwangscharakters, die Durchsetzungsweise, die Wirkungsüberwachung sowie der Untersuchungs- und Behandlungsablauf sind zu dokumentieren. Gleiches gilt für Erklärungen der Jugendstrafgefangenen und ihrer Personensorgeberechtigten, die im Zusammenhang mit Zwangsmaßnahmen von Bedeutung sein können.

(5) Die Anordnung einer Maßnahme nach Absatz 1 Satz 2 oder Absatz 2 ist den Jugendstrafgefangenen und den Personensorgeberechtigten vor Durchführung der Maßnahme schriftlich bekannt zu geben. Sie sind darüber zu belehren, dass sie gegen die Anordnung bei Gericht um einstweiligen Rechtsschutz ersuchen und auch Antrag auf gerichtliche Entscheidung stellen können. Mit dem Vollzug einer Anordnung ist zuzuwarten, bis die Jugendstrafgefangenen Gelegenheit hatten, eine gerichtliche Entscheidung herbeizuführen.

(6) Bei Gefahr im Verzug finden Absatz 3 Nummer 1 und 2, Absatz 4 Satz 3 und Absatz 5 keine Anwendung.

(7) Zur Gewährleistung des Gesundheitsschutzes und der Hygiene ist die zwangsweise körperliche Untersuchung der Jugendstrafgefangenen zulässig, wenn sie nicht mit einem körperlichen Eingriff verbunden ist. Sie darf nur von den von der Anstaltsleiterin oder dem Anstaltsleiter dazu bestimmten Bediensteten auf der Grundlage einer ärztlichen Stellungnahme angeordnet werden. Durchführung und Überwachung unterstehen ärztlicher Leitung. Kann die körperliche Untersuchung das Schamgefühl verletzen, so wird sie von einer Person gleichen Geschlechts oder von einer Ärztin oder einem Arzt vorgenommen; bei berechtigtem Interesse der Jugendstrafgefangenen soll ihrem Wunsch, die Untersuchung einer Person oder einem Arzt bestimmten Geschlechts zu übertragen, entsprochen werden. Duldungspflichten der Jugendstrafgefangenen nach Vorschriften anderer Gesetze bleiben unberührt.

§ 78 Überstellung und Verlegung aus medizinischen Gründen

(1) Erkrankte Jugendstrafgefangene können in das Justizvollzugskrankenhaus überstellt oder in eine für die medizinische Behandlung und Betreuung besser geeignete Anstalt verlegt werden.

(2) Können Krankheiten von Jugendstrafgefangenen in einer Anstalt oder im Justizvollzugskrankenhaus nicht erkannt oder behandelt werden oder ist es nicht möglich, Jugendstrafgefangene rechtzeitig in das Justizvollzugskrankenhaus zu überstellen, sind sie in ein Krankenhaus oder eine andere entsprechend geeignete medizinische Einrichtung außerhalb des Vollzugs zu bringen.

(3) Zur Entbindung sind schwangere Jugendstrafgefangene in ein Krankenhaus außerhalb des Vollzugs zu bringen, sofern dies im Hinblick auf den Geburtsvorgang möglich ist.

(4) § 19 Absatz 3 Satz 3 gilt entsprechend.

§ 79 Benachrichtigungspflicht

Erkranken Jugendstrafgefangene schwer oder versterben sie, werden die Angehörigen, bei minderjährigen Jugendstrafgefangenen die Personensorgeberechtigten, benachrichtigt. Im Falle einer schweren Erkrankung ist die Einwilligung der volljährigen Jugendstrafgefangenen erforderlich. Kann die Einwilligung, insbesondere aus Krankheitsgründen, nicht erlangt werden, erfolgt die Benachrichtigung, wenn diese dem mutmaßlichen Interesse der volljährigen Jugendstrafgefangenen entspricht. Dem Wunsch der Jugendstrafgefangenen, auch andere Personen zu benachrichtigen, soll nach Möglichkeit entsprochen werden.

Abschnitt 12
Religionsausübung

§ 80 Seelsorge

Den Jugendstrafgefangenen ist religiöse Betreuung durch eine Seelsorgerin oder einen Seelsorger ihrer Religionsgemeinschaft zu ermöglichen. Auf Wunsch ist ihnen zu helfen, mit einer Seelsorgerin oder einem Seelsorger in Verbindung zu treten.

§ 81 Religiöse Veranstaltungen

(1) Die Jugendstrafgefangenen haben das Recht, am Gottesdienst und an anderen religiösen Veranstaltungen ihrer Religionsgemeinschaft teilzunehmen.

(2) Die Zulassung zu den Gottesdiensten oder zu religiösen Veranstaltungen einer anderen Religionsgemeinschaft bedarf der Zustimmung der Seelsorgerin oder des Seelsorgers dieser Religionsgemeinschaft.

(3) Jugendstrafgefangene können von der Teilnahme am Gottesdienst oder anderen religiösen Veranstaltungen ausgeschlossen werden, wenn dies aus überwiegenden Gründen der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt geboten ist. Die Seelsorgerin oder der Seelsorger ist dazu vorher anzuhören; bei einer Gefährdung der Sicherheit der Anstalt kann dies auch nachgeholt werden.

§ 82 Weltanschauungsgemeinschaften

Für Angehörige weltanschaulicher Bekenntnisse gelten §§ 57, 80 und 81 entsprechend.

Abschnitt 13
Sicherheit und Ordnung

§ 83 Grundsatz der Sicherheit und Ordnung

(1) Sicherheit und Ordnung der Anstalt bilden die Grundlage des auf die Förderung und Erziehung aller Jugendstrafgefangenen ausgerichteten Anstaltslebens und tragen dazu bei, dass in der Anstalt ein gewaltfreies Klima herrscht.

(2) Die Pflichten und Beschränkungen, die den Jugendstrafgefangenen zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt auferlegt werden, sind so zu wählen, dass sie in einem angemessenen Verhältnis zu ihrem Zweck stehen und die Jugendstrafgefangenen nicht mehr und nicht länger als notwendig beeinträchtigen. Es sind insbesondere geschlechtsspezifische Belange sowie die besonderen Belange behinderter Jugendstrafgefangener zu berücksichtigen.

§ 84 Allgemeine Verhaltenspflichten

(1) Die Jugendstrafgefangenen sind für das geordnete Zusammenleben in der Anstalt mitverantwortlich und müssen mit ihrem Verhalten dazu beitragen. Ihr Bewusstsein hierfür ist zu entwickeln und zu stärken. Auf eine einvernehmliche und gewaltfreie Streitbeilegung ist hinzuwirken.

(2) Die Jugendstrafgefangenen haben die Anordnungen der Bediensteten zu befolgen, auch wenn sie sich durch diese beschwert fühlen.

(3) Die Jugendstrafgefangenen haben ihren Haftraum und die ihnen von der Anstalt überlassenen Sachen in Ordnung zu halten und schonend zu behandeln.

(4) Die Jugendstrafgefangenen haben Umstände, die eine Gefahr für das Leben oder eine erhebliche Gefahr für die Gesundheit einer Person bedeuten, unverzüglich zu melden.

§ 85 Absuchung, Durchsuchung und Haftraumrevision

(1) Die Jugendstrafgefangenen und ihre Sachen dürfen, auch unter Verwendung technischer oder sonstiger Hilfsmittel, abgesucht und durchsucht werden. Entsprechendes gilt für die Hafträume (Haftraumrevision). Schreiben und Unterlagen, die gemäß § 39 Absatz 2 und § 41 Absatz 1 nicht überwacht werden dürfen, werden in Gegenwart der Jugendstrafgefangenen nur einer groben Sichtung auf verbotene Beilagen oder Schriftstücke unterzogen.

(2) Es kann allgemein angeordnet werden, dass bei der Aufnahme, nach Kontakten mit Besucherinnen oder Besuchern sowie nach jeder Abwesenheit von der Anstalt in der Regel eine mit einer Entkleidung verbundene körperliche Durchsuchung der Jugendstrafgefangenen durchzuführen ist. Ansonsten ist eine solche Durchsuchung nur bei Gefahr im Verzug oder auf Anordnung der von der Anstaltsleiterin oder dem Anstaltsleiter dazu bestimmten Bediensteten im Einzelfall zulässig.

(3) Die Durchsuchung der Jugendstrafgefangenen darf nur von Personen des gleichen Geschlechts vorgenommen werden. Entkleidungen erfolgen einzeln in einem geschlossenen Raum. Während der Entkleidung dürfen bei männlichen Jugendstrafgefangenen nur männliche Bedienstete und bei weiblichen Jugendstrafgefangenen nur weibliche Bedienstete zugegen sein. Abweichend von den Sätzen 1 und 3 soll bei berechtigtem Interesse der Jugendstrafgefangenen ihrem Wunsch, die mit der Entkleidung verbundene körperliche Durchsuchung Bediensteten eines bestimmten Geschlechts zu übertragen, entsprochen werden; nur Bedienstete des benannten Geschlechts dürfen in diesem Fall während der Entkleidung anwesend sein. Das Schamgefühl ist zu schonen.

§ 86 Maßnahmen zur Feststellung von Suchtmittelgebrauch

Zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt können allgemein oder im Einzelfall Maßnahmen angeordnet werden, die geeignet sind, den Gebrauch von Suchtmitteln festzustellen. Diese Maßnahmen dürfen nicht mit einem körperlichen Eingriff verbunden sein.

§ 87 Festnahmerecht

Jugendstrafgefangene, die entwichen sind oder sich sonst ohne Erlaubnis außerhalb der Anstalt aufhalten, können durch die Anstalt oder auf deren Veranlassung festgenommen und zurückgebracht werden. Führt die Verfolgung oder die von der Anstalt veranlasste Fahndung nicht alsbald zur Wiederergreifung, so sind die weiteren Maßnahmen der Vollstreckungsbehörde zu überlassen.

§ 88 Besondere Sicherungsmaßnahmen 21

(1) Gegen Jugendstrafgefangene können besondere Sicherungsmaßnahmen angeordnet werden, wenn nach ihrem Verhalten oder aufgrund ihres seelischen Zustandes in erhöhtem Maße die Gefahr der Entweichung, von Gewalttätigkeiten gegen Personen oder Sachen, der Selbsttötung oder der Selbstverletzung besteht.

(2) Als besondere Sicherungsmaßnahmen sind zulässig:

  1. der Entzug oder die Vorenthaltung von Gegenständen,
  2. die Beobachtung der Jugendstrafgefangenen in ihren Hafträumen, im besonders gesicherten Haftraum oder im Krankenzimmer,
  3. die Trennung von allen anderen Jugendstrafgefangenen (Absonderung),
  4. der Entzug oder die Beschränkung des Aufenthalts im Freien,
  5. die Unterbringung in einem besonders gesicherten Haftraum ohne gefährdende Gegenstände und
  6. die Fesselung oder die Fixierung mittels spezieller Gurtsysteme an dafür vorgesehenen Gegenständen, insbesondere Matratzen oder Liegen.

Mehrere besondere Sicherungsmaßnahmen können nebeneinander angeordnet werden, wenn die Gefahr anders nicht abgewendet werden kann.

(3) Der Entzug oder die Vorenthaltung von Gegenständen und die Absonderung sind auch zulässig, wenn die Gefahr einer Befreiung oder eine erhebliche Störung der Ordnung der Anstalt anders nicht vermieden oder behoben werden kann.

(4) Eine Absonderung von mehr als 24 Stunden Dauer ist nur zulässig, wenn sie zur Abwehr einer in der Person der oder des Jugendstrafgefangenen liegenden Gefahr unerlässlich ist. Ein Entzug des Aufenthalts im Freien ist nur zulässig, wenn eine Unterbringung im besonders gesicherten Haftraum erfolgt und aufgrund fortbestehender erheblicher Gefahr der Selbst- oder Fremdgefährdung nicht verantwortet werden kann, einen täglichen Aufenthalt im Freien zu gewähren.

(5) In der Regel darf die Fesselung nur an den Händen oder an den Füßen der Jugendstrafgefangenen erfolgen. Zur Verhinderung von Entweichungen dürfen Jugendstrafgefangene bei einer Ausführung, Vorführung oder beim Transport auch über die Fälle des Absatzes 1 hinaus im erforderlichen Umfang gefesselt werden.

(6) Eine Fixierung des Körpers oder von Teilen davon ist nur zulässig, wenn die gegenwärtige und erhebliche Gefahr besteht, dass Jugendstrafgefangene sich selbst oder andere ernsthaft zu verletzen oder zu töten versuchen, und die Fixierung zur Abwehr dieser Gefahr unerlässlich ist.

(7) Hinsichtlich der Art und des Umfangs der Fesselung oder Fixierung sind die Jugendstrafgefangenen zu schonen. Die Fesselung oder Fixierung ist unverzüglich zu lockern, wenn die Gefahr sich verringert hat oder dies zeitweise, beispielsweise zur Nahrungsaufnahme oder ärztlichen Untersuchung, notwendig ist. Sie ist zu entfernen, sobald die Gefahr nicht mehr fortbesteht oder durch mildere Mittel abgewendet werden kann.

§ 89 Anordnung besonderer Sicherungsmaßnahmen, Verfahren 21

(1) Besondere Sicherungsmaßnahmen ordnen die von der Anstaltsleiterin oder dem Anstaltsleiter dazu bestimmten Bediensteten an. Bei Gefahr im Verzug können auch andere Bedienstete diese Maßnahmen vorläufig anordnen; die Entscheidung der nach Satz 1 zuständigen Bediensteten ist unverzüglich einzuholen.

(2) Werden die Jugendstrafgefangenen ärztlich behandelt oder beobachtet oder bildet ihr seelischer Zustand den Anlass der besonderen Sicherungsmaßnahme, so ist vorher eine ärztliche Stellungnahme zu den gesundheitlichen Auswirkungen einzuholen. Ist dies wegen Gefahr im Verzug nicht möglich, so wird die Stellungnahme unverzüglich nachträglich eingeholt.

(3) Besondere Sicherungsmaßnahmen sind in angemessenen Abständen daraufhin zu überprüfen, ob und in welchem Umfang sie aufrechterhalten werden müssen.

(4) Den Jugendstrafgefangenen sind besondere Sicherungsmaßnahmen zusammen mit deren Anordnung zu erläutern. Bei einer Gefährdung der Sicherheit kann dies ausnahmsweise nachgeholt werden. Die Anordnung, Entscheidungen zur Fortdauer und die Durchführung der Maßnahmen einschließlich der ärztlichen Beteiligung sind mit einer kurzen Begründung schriftlich abzufassen.

(5) Abweichend von Absatz 1 ist eine nicht nur kurzfristige Fixierung gemäß § 88 Absatz 2 Satz 1 Nummer 6 und Absatz 6 nur auf Grund vorheriger Anordnung durch das zuständige Gericht zulässig. Eine Fixierung ist kurzfristig, wenn sie absehbar die Dauer einer halben Stunde unterschreitet. Die richterliche Entscheidung ist durch die Anstaltsleiterin oder den Anstaltsleiter oder von ihr oder ihm dazu bestimmten Bediensteten zu beantragen. Bei Gefahr im Verzug können auch die Anstaltsleiterin oder der Anstaltsleiter oder, wenn deren Entscheidung nicht rechtzeitig eingeholt werden kann, andere Bedienstete der Anstalt eine Fixierung nach Satz 1 vorläufig anordnen; die richterliche Entscheidung ist unverzüglich nachträglich einzuholen. Ist eine richterliche Entscheidung beantragt und die Fixierung vor deren Erlangung beendet worden, so ist dies dem Gericht unverzüglich mitzuteilen.

(6) Über Absatz 4 Satz 3 hinaus sind bei jeder Fixierung die Anordnung und die dafür maßgeblichen Gründe sowie der Verlauf, die Art der Überwachung und die Beendigung umfassend zu dokumentieren. Nach Beendigung einer Fixierung, die nicht gemäß Absatz 5 richterlich angeordnet worden ist, sind die Jugendstrafgefangenen unverzüglich auf ihr Recht hinzuweisen, die Rechtmäßigkeit der durchgeführten Fixierung gerichtlich überprüfen zu lassen; auch dies ist zu dokumentieren.

(7) Eine Absonderung, Unterbringung im besonders gesicherten Haftraum oder Fixierung sind der Aufsichtsbehörde unverzüglich mitzuteilen, wenn sie länger als drei Tage aufrechterhalten werden. Sind die Jugendstrafgefangenen in einem besonders gesicherten Haftraum untergebracht und fixiert, so hat die Mitteilung an die Aufsichtsbehörde nach Ablauf von 24 Stunden zu erfolgen. Auf Antrag der Jugendstrafgefangenen sind deren Verteidigerinnen, Verteidiger und deren Beistände nach § 69 des Jugendgerichtsgesetzes über die besonderen Sicherungsmaßnahmen nach Satz 1 unverzüglich zu benachrichtigen.

(8) Die Absonderung und die Unterbringung im besonders gesicherten Haftraum von mehr als 14 Tagen Gesamtdauer innerhalb von zwölf Monaten bedürfen der Zustimmung der Aufsichtsbehörde. Während der Absonderung und Unterbringung im besonders gesicherten Haftraum sind die Jugendstrafgefangenen in besonderem Maße zu betreuen. Sind die Jugendstrafgefangenen darüber hinaus fixiert, so sind sie ständig und in unmittelbarem Sichtkontakt zu beobachten.

§ 90 Ärztliche Überwachung 21

(1) Sind die Jugendstrafgefangenen in einem besonders gesicherten Haftraum untergebracht, so sucht sie die Ärztin oder der Arzt alsbald auf. Sind die Jugendstrafgefangenen fixiert, so ist unverzüglich eine Ärztin oder ein Arzt hinzuzuziehen. In den Fällen der Sätze 1 und 2 ist jeweils eine angemessene regelmäßige medizinische Überwachung sicherzustellen.

(2) Die Ärztin oder der Arzt ist regelmäßig zu den gesundheitlichen Auswirkungen zu hören, solange den Jugendstrafgefangenen im besonders gesicherten Haftraum der tägliche Aufenthalt im Freien entzogen ist oder sie länger als 24 Stunden abgesondert sind.

Abschnitt 14
Unmittelbarer Zwang

§ 91 Begriffsbestimmungen

(1) Unmittelbarer Zwang ist die Einwirkung auf Personen oder Sachen durch körperliche Gewalt, durch Hilfsmittel der körperlichen Gewalt oder durch Waffen.

(2) Körperliche Gewalt ist jede unmittelbare körperliche Einwirkung auf Personen oder Sachen.

(3) Hilfsmittel der körperlichen Gewalt sind insbesondere Fesseln und Reizstoffe. Waffen sind Hieb- und Schusswaffen.

(4) Es dürfen nur dienstlich zugelassene Hilfsmittel und Waffen verwendet werden.

§ 92 Allgemeine Voraussetzungen

(1) Zur Durchführung rechtmäßiger Vollzugs- und Sicherungsmaßnahmen dürfen Bedienstete unmittelbaren Zwang anwenden, soweit der damit verfolgte Zweck auf keine andere Weise erreicht werden kann.

(2) Gegen andere Personen als Jugendstrafgefangene darf unmittelbarer Zwang angewendet werden, wenn sie es unternehmen, Jugendstrafgefangene zu befreien oder widerrechtlich in die Anstalt einzudringen, oder wenn sie sich unbefugt darin aufhalten.

(3) Das Recht zur Anwendung unmittelbaren Zwangs durch andere Hoheitsträger, insbesondere Polizeivollzugsbedienstete, bleibt unberührt.

§ 93 Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

(1) Unter mehreren möglichen und geeigneten Maßnahmen des unmittelbaren Zwangs sind diejenigen zu wählen, die Einzelne und die Allgemeinheit voraussichtlich am wenigsten beeinträchtigen.

(2) Unmittelbarer Zwang unterbleibt, wenn ein durch ihn zu erwartender Schaden erkennbar außer Verhältnis zu dem angestrebten Erfolg steht.

§ 94 Androhung

Unmittelbarer Zwang ist vorher anzudrohen. Die Androhung darf nur dann unterbleiben, wenn die Umstände sie nicht zulassen oder unmittelbarer Zwang sofort angewendet werden muss, um eine rechtswidrige Tat, die den Tatbestand eines Strafgesetzes erfüllt, zu verhindern oder eine gegenwärtige Gefahr abzuwenden.

§ 95 Schusswaffengebrauch

(1) Der Gebrauch von Schusswaffen durch Bedienstete innerhalb der Anstalt ist verboten. Das Recht zum Schusswaffengebrauch aufgrund anderer Vorschriften durch Polizeivollzugsbedienstete bleibt davon unberührt.

(2) Außerhalb der Anstalt dürfen Schusswaffen nach Maßgabe der Absätze 3 bis 6 von den dazu bestimmten Bediensteten nur bei Aus- und Vorführungen sowie Gefangenentransporten gebraucht werden.

(3) Schusswaffen dürfen nur gebraucht werden, wenn andere Maßnahmen des unmittelbaren Zwangs bereits erfolglos waren oder keinen Erfolg versprechen. Gegen Personen ist ihr Gebrauch nur zulässig, wenn der Zweck nicht durch Waffenwirkung gegen Sachen erreicht werden kann und nur, um angriffs- oder fluchtunfähig zu machen. Ihr Gebrauch unterbleibt, wenn eine Gefährdung Unbeteiligter nicht ausgeschlossen werden kann.

(4) Der Gebrauch von Schusswaffen ist vorher anzudrohen. Als Androhung gilt auch ein Warnschuss. Ohne Androhung dürfen Schusswaffen nur dann gebraucht werden, wenn dies zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben erforderlich ist.

(5) Gegen Jugendstrafgefangene dürfen Schusswaffen gebraucht werden,

  1. wenn sie eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug trotz wiederholter Aufforderung nicht ablegen,
  2. wenn sie eine Meuterei nach § 121 des Strafgesetzbuchs unternehmen oder
  3. um ihre Entweichung zu vereiteln oder um sie wiederzuergreifen.

Satz 1 Nummer 2 und 3 findet auf minderjährige Jugendstrafgefangene keine Anwendung. Satz 1 Nummer 3 findet keine Anwendung auf Jugendstrafgefangene, die im offenen Vollzug untergebracht sind.

(6) Gegen andere Personen dürfen Schusswaffen gebraucht werden, wenn sie es unternehmen, Jugendstrafgefangene gewaltsam zu befreien.

Abschnitt 15
Erzieherische Maßnahmen, Disziplinarverfahren

§ 96 Einvernehmliche Konfliktregelung, erzieherische Maßnahmen

(1) Verstöße der Jugendstrafgefangenen gegen Pflichten, die ihnen durch oder aufgrund dieses Gesetzes auferlegt sind, sind unverzüglich erzieherisch aufzuarbeiten. Dabei können vorrangig gegenüber den Disziplinarmaßnahmen nach § 97 Maßnahmen der einvernehmlichen Konfliktregelung nach Absatz 2 oder erzieherische Maßnahmen nach Absatz 3 ergriffen werden, sofern diese geeignet sind, den Jugendstrafgefangenen ihr Fehlverhalten und die Notwendigkeit einer Verhaltensänderung bewusst zu machen. Einvernehmliche Konfliktregelungen nach Absatz 2 gehen erzieherischen Maßnahmen nach Absatz 3 vor.

(2) Im Rahmen der einvernehmlichen Konfliktregelung werden mit den Jugendstrafgefangenen Vereinbarungen getroffen. Zur Konfliktregelung kommen insbesondere die Wiedergutmachung des Schadens, die Entschuldigung bei Geschädigten, die Erbringung von Leistungen für die Gemeinschaft, die Teilnahme an einer Mediation und der vorübergehende Verbleib auf dem Haftraum in Betracht. Erfüllen die Jugendstrafgefangenen die Vereinbarung, sind die Anordnung einer erzieherischen Maßnahme nach Absatz 3 sowie die Anordnung einer Disziplinarmaßnahme nach § 97 aufgrund dieser Verfehlung ausgeschlossen.

(3) Als erzieherische Maßnahmen für die Dauer von jeweils bis zu einer Woche kommen in Betracht

  1. die Erteilung von Weisungen und Auflagen,
  2. die Beschränkung oder der Entzug einzelner Gegenstände für die Freizeitbeschäftigung und
  3. der Ausschluss von gemeinsamer Freizeit oder von einzelnen Freizeitveranstaltungen.

Es sollen nur solche erzieherischen Maßnahmen angeordnet werden, die mit der Verfehlung in Zusammenhang stehen. § 100 Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.

(4) Die Anstaltsleiterin oder der Anstaltsleiter legt fest, welche Bediensteten befugt sind, Maßnahmen nach den Absätzen 2 und 3 anzuordnen.

§ 97 Disziplinarmaßnahmen

(1) Disziplinarmaßnahmen dürfen nur angeordnet werden, wenn Maßnahmen nach § 96 Absatz 2 oder 3 nicht ausreichen, um den Jugendstrafgefangenen das Unrecht ihrer Handlung zu verdeutlichen. Ferner ist sowohl bei der Entscheidung, ob eine Disziplinarmaßnahme anzuordnen ist, als auch bei Auswahl der nach Absatz 3 zulässigen Maßnahmen, eine aus demselben Anlass bereits angeordnete besondere Sicherungsmaßnahme zu berücksichtigen.

(2) Disziplinarmaßnahmen können angeordnet werden, wenn die Jugendstrafgefangenen rechtswidrig und schuldhaft

  1. andere Personen oder Mitgefangene mit Worten oder mittels einer Tätlichkeit beleidigen, körperlich misshandeln, bedrohen oder nötigen,
  2. fremde Sachen zerstören, beschädigen oder unbefugt deren Erscheinungsbild nicht nur unerheblich und nicht nur vorübergehend verändern,
  3. in sonstiger Weise gegen Strafgesetze verstoßen oder eine Ordnungswidrigkeit begehen,
  4. Lebensmittel, Verpackungen sowie andere Gegenstände unsachgemäß entgegen der Hausordnung entsorgen,
  5. verbotene Gegenstände in die Anstalt einbringen, sich an deren Einbringung beteiligen, sie besitzen oder weitergeben,
  6. unerlaubt Betäubungsmittel oder andere berauschende Stoffe konsumieren,
  7. entweichen oder zu entweichen versuchen,
  8. gegen Weisungen im Zusammenhang mit der Gewährung von Lockerungen verstoßen,
  9. sich wiederholt zugewiesenen Aufgaben entziehen oder
  10. wiederholt oder schwerwiegend gegen sonstige Pflichten verstoßen, die ihnen durch dieses Gesetz oder aufgrund dieses Gesetzes auferlegt sind, und dadurch das geordnete Zusammenleben in der Anstalt stören.

(3) Zulässige Disziplinarmaßnahmen sind

  1. die Beschränkung oder die Unterbindung des Fernsehempfangs für die Dauer von bis zu zwei Monaten,
  2. der Entzug anderer Geräte der Informations- und Unterhaltungselektronik mit Ausnahme eines Hörfunkgeräts für die Dauer von bis zu zwei Monaten,
  3. die Beschränkung oder der Entzug der Gegenstände für die Freizeitbeschäftigung mit Ausnahme des Lesestoffs für die Dauer von bis zu zwei Monaten,
  4. die Beschränkung oder der Entzug des Aufenthalts in Gemeinschaft oder der Teilnahme an einzelnen Freizeitveranstaltungen für die Dauer von bis zu zwei Monaten,
  5. die Beschränkung des Einkaufs für die Dauer von bis zu einem Monat,
  6. die Kürzung der Vergütung nach §§ 64 und 65 um zehn Prozent für die Dauer von bis zu zwei Monaten,
  7. der Entzug der Teilnahme an Maßnahmen nach §§ 23 bis 25 und der zugewiesenen Arbeit nach § 26 bis zu zwei Wochen unter Wegfall der nach §§ 64 und 65 geregelten Vergütung und
  8. Arrest von bis zu zwei Wochen.

(4) Arrest darf nur wegen schwerer oder wiederholter Verfehlungen verhängt werden. Gegen Schwangere und weibliche Jugendstrafgefangene, die gemeinsam mit ihren Kindern in der Anstalt untergebracht sind, darf ein Arrest nicht verhängt werden.

(5) Mehrere Disziplinarmaßnahmen können miteinander verbunden werden.

(6) Disziplinarmaßnahmen sind auch zulässig, wenn wegen derselben Verfehlung ein Straf- oder Bußgeldverfahren eingeleitet wird.

§ 98 Vollzug der Disziplinarmaßnahmen, Aussetzung zur Bewährung

(1) Disziplinarmaßnahmen werden in der Regel sofort vollstreckt.

(2) Die Vollstreckung von Disziplinarmaßnahmen kann ganz oder teilweise bis zu sechs Monate zur Bewährung ausgesetzt werden. Die Aussetzung zur Bewährung kann ganz oder teilweise widerrufen werden, wenn die Jugendstrafgefangenen die ihr zugrundeliegenden Erwartungen nicht erfüllen.

(3) Für die Dauer des Arrests werden die Jugendstrafgefangenen getrennt von den anderen Jugendstrafgefangenen untergebracht. Die Jugendstrafgefangenen können in einem besonderen Arrestraum untergebracht werden, der den Anforderungen entsprechen muss, die an einen zum Aufenthalt bei Tag und Nacht bestimmten Haftraum gestellt werden. Der Arrest ist erzieherisch zu gestalten. Soweit nichts anderes angeordnet wird, ruhen die Befugnisse der Jugendstrafgefangenen zur Teilnahme an Maßnahmen außerhalb des Raums, in dem Arrest vollstreckt wird, sowie die Befugnisse zur Ausstattung des Haftraums mit eigenen Gegenständen, zum Fernsehempfang und Einkauf. Gegenstände für die Freizeitbeschäftigung mit Ausnahme des Lesestoffs sind nicht zugelassen. Die Rechte zur Teilnahme am Gottesdienst und anderen religiösen Veranstaltungen in der Anstalt sowie auf Aufenthalt im Freien bleiben unberührt.

§ 99 Disziplinarbefugnis

(1) Disziplinarmaßnahmen ordnen die von der Anstaltsleiterin oder dem Anstaltsleiter dazu bestimmten Bediensteten an. Bei einer Verfehlung auf dem Weg in eine andere Anstalt zum Zweck der Verlegung sind die damit betrauten Bediensteten der Anstalt am Bestimmungsort zuständig.

(2) Richtet sich die Verfehlung gegen die Anstaltsleiterin oder den Anstaltsleiter, ist die Aufsichtsbehörde für die Anordnung von Disziplinarmaßnahmen zuständig.

(3) Disziplinarmaßnahmen, die gegen Jugendstrafgefangene in einer anderen Anstalt oder während einer Untersuchungshaft angeordnet worden sind, werden auf Ersuchen vollstreckt. § 98 Absatz 2 bleibt unberührt.

§ 100 Verfahren

(1) Bei der Klärung des Sachverhalts sind sowohl belastende als auch entlastende Umstände zu ermitteln. Die betroffenen Jugendstrafgefangenen werden gehört. Sie werden darüber unterrichtet, welche Verfehlungen ihnen zur Last gelegt werden. Sie sind darauf hinzuweisen, dass es ihnen freisteht, sich zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen. Die Äußerungen der Jugendstrafgefangenen und die Ergebnisse der Ermittlungen sind zu dokumentieren.

(2) Mehrere Verfehlungen, die gleichzeitig zu beurteilen sind, werden durch eine Entscheidung geahndet.

(3) Die für die Anordnung der Disziplinarmaßnahmen zuständigen Bediensteten sollen sich vor der Entscheidung mit anderen Bediensteten besprechen, die maßgeblich an der Erziehung und der Vollzugsgestaltung der Jugendstrafgefangenen mitwirken. Bei Schwangeren, stillenden Jugendstrafgefangenen oder bei Jugendstrafgefangenen, die sich in regelmäßiger ärztlicher Behandlung befinden, ist zudem eine Ärztin oder ein Arzt zu den gesundheitlichen Auswirkungen zu hören.

(4) Die Entscheidung wird den Jugendstrafgefangenen mündlich eröffnet und mit einer kurzen Begründung schriftlich abgefasst.

(5) Bevor Arrest vollzogen wird, ist eine Ärztin oder ein Arzt zur Arrestfähigkeit zu hören. Während des Arrests stehen die Jugendstrafgefangenen unter ärztlicher Aufsicht. Der Vollzug des Arrests unterbleibt oder wird unterbrochen, wenn ansonsten die Gesundheit der oder des Jugendstrafgefangenen gefährdet würde.

Abschnitt 16
Aufhebung von Maßnahmen und Beschwerderecht

§ 101 Aufhebung von Maßnahmen

(1) Die Aufhebung von Maßnahmen zur Regelung einzelner Angelegenheiten auf dem Gebiet des Vollzugs richtet sich nach den Absätzen 2 bis 5, soweit dieses Gesetz keine abweichende Bestimmung enthält.

(2) Rechtswidrige Maßnahmen können ganz oder teilweise mit Wirkung für die Vergangenheit oder die Zukunft zurückgenommen werden.

(3) Rechtmäßige Maßnahmen können ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden, wenn

  1. aufgrund nachträglich eingetretener oder bekannt gewordener Umstände die Maßnahmen hätten versagt werden können,
  2. die Maßnahmen missbraucht werden oder
  3. Weisungen nicht befolgt werden.

(4) Begünstigende Maßnahmen dürfen nach den Absätzen 2 oder 3 nur aufgehoben werden, wenn die vollzuglichen Interessen an der Aufhebung in Abwägung mit dem schutzwürdigen Vertrauen der Betroffenen auf den Bestand der Maßnahmen überwiegen. Davon ist insbesondere auszugehen, wenn die Aufhebung der Maßnahme unerlässlich ist, um die Sicherheit der Anstalt zu gewährleisten.

(5) Der gerichtliche Rechtsschutz bleibt unberührt.

§ 102 Beschwerderecht

(1) Die Jugendstrafgefangenen erhalten Gelegenheit, sich in Angelegenheiten, die sie selbst betreffen, mit Wünschen, Anregungen und Beschwerden an die Anstalt zu wenden.

(2) Besichtigen Vertreterinnen oder Vertreter der Aufsichtsbehörde die Anstalt, so ist zu gewährleisten, dass die Jugendstrafgefangenen sich in Angelegenheiten, die sie selbst betreffen, an diese wenden können.

(3) Die Möglichkeit der Dienstaufsichtsbeschwerde bleibt unberührt.

Abschnitt 17
Kriminologische Forschung

§ 103 Evaluation, kriminologische Forschung 21a

(1) Behandlungsprogramme für die Jugendstrafgefangenen sind auf der Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse zu konzipieren, zu standardisieren und auf ihre Wirksamkeit hin zu überprüfen.

(2) Der Vollzug, insbesondere seine Aufgabenerfüllung und Gestaltung, die Umsetzung seiner Leitlinien sowie die Behandlungsprogramme und deren Wirkungen auf die Erreichung des Vollzugsziels, soll regelmäßig durch den Kriminologischen Dienst, durch eine Hochschule oder durch eine andere geeignete Stelle wissenschaftlich begleitet und erforscht werden. § 42 des Justizvollzugsdatenschutzgesetzes Berlin findet mit der Maßgabe Anwendung, dass die Daten auch an den Kriminologischen Dienst des Berliner Justizvollzugs übermittelt werden dürfen.

Abschnitt 18
Aufbau und Organisation der Anstalten

§ 104 Jugendstrafanstalt

(1) Die Jugendstrafe wird in Jugendstrafanstalten (Anstalten) vollzogen. Jugendstrafgefangene können in einer getrennten Abteilung einer Justizvollzugsanstalt für nach allgemeinem Strafrecht Verurteilte untergebracht werden, wenn dies auf Grund der geringen Anzahl der Jugendstrafgefangenen organisatorisch unumgänglich ist. Das Vollzugsziel darf dadurch nicht gefährdet werden. § 13 bleibt unberührt. Gemeinsame Aus- und Fortbildungsmaßnahmen von nach Jugendstrafrecht und nach allgemeinem Strafrecht Verurteilten sind in geeigneten Fällen zulässig. In jedem Fall erfolgt der Vollzug der Jugendstrafe ausschließlich nach den Bestimmungen dieses Gesetzes.

(2) Es sind bedarfsgerechte Einrichtungen, insbesondere für schulische und berufliche Qualifizierung, Arbeitstraining und Arbeitstherapie sowie zur Ausübung von Arbeit vorzuhalten. Diese können von gemeinnützigen freien Trägern oder anderen Dritten technisch und fachlich geleitet werden.

(3) In den Anstalten werden Teilanstalten oder Bereiche eingerichtet, die, in Wohngruppen gemäß § 16 unterteilt, dem unterschiedlichen Förder- und Erziehungsbedarf der Jugendstrafgefangenen Rechnung tragen. Es sind sozialtherapeutische Einrichtungen gemäß § 21 Absatz 1 vorzusehen.

(4) Haft- und Funktionsräume, insbesondere Gruppen- und Gemeinschaftsräume sind bedarfsgerecht vorzuhalten und zweckentsprechend auszustatten. Entsprechendes gilt für Räume zum Zweck des Besuchs, der Freizeit, des Sports und der Seelsorge.

§ 105 Festsetzung der Belegungsfähigkeit, Verbot der Überbelegung

(1) Die Aufsichtsbehörde setzt die Belegungsfähigkeit der Anstalt so fest, dass eine angemessene Unterbringung der Jugendstrafgefangenen gewährleistet ist. § 104 Absatz 2 bis 4 ist zu berücksichtigen.

(2) Hafträume dürfen nicht mit mehr Jugendstrafgefangenen als zugelassen, im geschlossenen Vollzug jedoch höchstens mit zwei Jugendstrafgefangenen, belegt werden.

(3) Ausnahmen von Absatz 2 sind nur vorübergehend und nur mit Zustimmung der Aufsichtsbehörde zulässig.

§ 106 Leitung der Anstalt

(1) Jede Anstalt wird von einer Anstaltsleiterin oder einem Anstaltsleiter geleitet. Zu ihren oder seinen Aufgaben und Befugnissen als Führungskraft gehören insbesondere

  1. die Gesamtverantwortung für den Vollzug und dessen Gestaltung, auch im Hinblick auf die Eingliederung und sichere Unterbringung der Jugendstrafgefangenen,
  2. die Vertretung der Anstalt nach außen,
  3. die Haushalts- sowie Wirtschaftsführung für die gesamte Anstalt,
  4. die Regelung von Zuständigkeiten in Form eines Geschäftsverteilungsplans,
  5. die Umsetzung der dezentralen Fach- und Ressourcenverantwortung nebst dem dazugehörigen Berichtswesen,
  6. das Personalmanagement, insbesondere die bedarfs-, anforderungs- und eignungsgerechte Beschäftigung der Bediensteten und eine gezielte Personalentwicklung und
  7. das Qualitätsmanagement.

(2) Die Anstalt teilt der Aufsichtsbehörde in regelmäßigen Abständen die im Rahmen ihrer Geschäftsverteilung vorgenommenen personellen Zuständigkeiten hinsichtlich der folgenden Aufgaben mit:

  1. Festsetzung von Einschlusszeiten nach § 14 Absatz 1 Satz 3,
  2. Entscheidungen nach § 18 und über Verlegungen nach § 19 Absatz 1,
  3. Untersagungen oder Überwachungen von Besuchen, Schriftwechseln und Telefonaten nach §§ 32, 34, 35, 37 und 39,
  4. Anordnung der zwangsweisen körperlichen Untersuchung nach § 77 Absatz 7 Satz 2, der mit einer Entkleidung verbundenen körperlichen Durchsuchung nach § 85 Absatz 2, der besonderen Sicherungsmaßnahmen nach § 89 Absatz 1 Satz 1, der Maßnahmen zur Feststellung von Suchtmittelgebrauch nach § 86, der erzieherischen Maßnahmen nach § 96 Absatz 4 sowie der Disziplinarmaßnahmen nach § 99 Absatz 1 Satz 1 und
  5. Erarbeitung und Erlass einer Hausordnung nach § 111.

Die Aufsichtsbehörde kann sich die Zustimmung zur Übertragung einzelner Aufgabenbereiche auf andere Bedienstete vorbehalten.

(3) Die Anstaltsleiterin oder der Anstaltsleiter ist hauptamtlich tätig und steht in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis zum Land.

§ 107 Bedienstete

Die Anstalt wird mit dem für die Erreichung des Vollzugsziels und die Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen Personal, insbesondere im allgemeinen Vollzugsdienst, im Werkdienst, im sozialen, psychologischen, pädagogischen und medizinischen Dienst und im Verwaltungsdienst ausgestattet. Die Aufgaben der Anstalt werden von Vollzugsbeamtinnen und Vollzugsbeamten wahrgenommen. Aus besonderen Gründen können sie auch anderen Bediensteten der Anstalten sowie nebenamtlichen oder vertraglich verpflichteten Personen übertragen werden. Soweit es erforderlich ist, sind externe Fachkräfte einzubeziehen. Die Bediensteten müssen für den auf Förderung und Erziehung der Jugendstrafgefangenen ausgerichteten Vollzug geeignet und qualifiziert sein. Sie werden fortgebildet und erhalten Praxisberatung und -begleitung sowie die Gelegenheit zur Supervision.

§ 108 Seelsorgerinnen und Seelsorger

(1) Seelsorgerinnen und Seelsorger werden im Einvernehmen mit der Aufsichtsbehörde von der jeweiligen Religionsgemeinschaft hauptamtlich oder nebenamtlich berufen. Ist dies aus organisatorischen Gründen einer Religionsgemeinschaft nicht möglich oder rechtfertigt die geringe Anzahl der Angehörigen einer Religionsgemeinschaft eine Seelsorge nach Satz 1 nicht, so ist die seelsorgerische Betreuung auf andere Weise zuzulassen; Näheres hierzu regelt die Aufsichtsbehörde.

(2) Die Seelsorgerinnen und Seelsorger wirken in enger Zusammenarbeit mit den anderen im Vollzug Tätigen eigenverantwortlich an der Erreichung des Vollzugsziels mit.

(3) Mit Zustimmung der Anstalt dürfen die Anstaltsseelsorgerinnen und Anstaltsseelsorger sich freier Seelsorgehelferinnen und Seelsorgehelfer bedienen und diese für Gottesdienste sowie für andere religiöse Veranstaltungen von außen zuziehen.

(4) Seelsorgerische Einzelgespräche und Telefonate mit nach Absatz 1 zugelassenen Seelsorgerinnen und Seelsorgern sind zu gestatten und werden weder beaufsichtigt noch überwacht; seelsorgerischer Schriftwechsel der Jugendstrafgefangenen mit nach Absatz 1 zugelassenen Seelsorgerinnen und Seelsorgern wird ebenfalls nicht überwacht. Im Übrigen gelten § 33 Absatz 1, 2, 5 und 6 Satz 3 und 4 sowie Absatz 7, §§ 35, 38 Absatz 3, § 39 Absatz 2 Satz 2 und 3 sowie § 40 Absatz 4 entsprechend.

§ 109 Medizinische Versorgung

(1) Die ärztliche Versorgung ist sicherzustellen.

(2) Die Pflege der Kranken soll von Bediensteten ausgeführt werden, die eine Erlaubnis nach dem Krankenpflegegesetz vom 16. Juli 2003 (BGBl. I S. 1442), das zuletzt durch Artikel 9 des Gesetzes vom 16. Juli 2015 (BGBl. I S. 1211) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung besitzen. Solange diese nicht zur Verfügung stehen, können auch Bedienstete eingesetzt werden, die eine sonstige Ausbildung in der Krankenpflege erfahren haben.

§ 110 Interessenvertretung der Jugendstrafgefangenen

Den Jugendstrafgefangenen wird ermöglicht, Vertretungen zu wählen. Die Vertretungen können in Angelegenheiten von gemeinsamem Interesse, die sich ihrer Eigenart nach für eine Mitwirkung eignen, Vorschläge und Anregungen an die Anstalt herantragen. Diese sollen mit der Vertretung erörtert werden.

§ 111 Hausordnung

Die Anstalt erlässt zur Gestaltung und Organisation des Vollzugsalltags eine Hausordnung auf der Grundlage dieses Gesetzes. Vor deren Erlass oder Änderung wird die Interessenvertretung der Jugendstrafgefangenen beteiligt. Die Aufsichtsbehörde kann sich die Genehmigung der Hausordnung vorbehalten. Die Hausordnung ist in die am häufigsten benötigten Fremdsprachen zu übersetzen.

Abschnitt 19
Aufsicht, Beirat und Besichtigungen

§ 112 Aufsichtsbehörde

(1) Die für Justiz zuständige Senatsverwaltung führt die Aufsicht über die Anstalten (Aufsichtsbehörde) und sichert gemeinsam mit ihnen die Qualität des Vollzugs.

(2) An der Aufsicht über die Fachdienste sind eigene Fachkräfte zu beteiligen. Soweit die Aufsichtsbehörde nicht über eigene Fachkräfte verfügt, ist fachliche Beratung sicherzustellen.

(3) Die Aufsichtsbehörde kann sich Entscheidungen über Verlegungen und Überstellungen vorbehalten.

§ 113 Vollstreckungsplan, Vollzugsgemeinschaften

(1) Die Aufsichtsbehörde regelt die örtliche und sachliche Zuständigkeit der Anstalten in einem Vollstreckungsplan.

(2) Im Rahmen von Vollzugsgemeinschaften kann der Vollzug auch in Vollzugseinrichtungen anderer Länder vorgesehen werden.

§ 114 Anstaltsbeiräte 21

(1) Bei jeder Anstalt ist ein Anstaltsbeirat zu bilden. Bei der Besetzung des Anstaltsbeirats ist auf ein ausgewogenes Verhältnis der Geschlechter hinzuwirken sowie eine Beteiligung von Vertreterinnen und Vertretern mit Migrationshintergrund gemäß § 4 Absatz 6 in Verbindung mit § 2 des Partizipations- und Integrationsgesetzes des Landes Berlin vom 15. Dezember 2010 (GVBl. S. 560) in der jeweils geltenden Fassung anzustreben. Bedienstete dürfen nicht Mitglieder des Beirats sein. Dem Beirat soll mindestens ein Mitglied angehören, das in der Jugendhilfe erfahren ist.

(2) Die Mitglieder des Beirats wirken beratend bei der Gestaltung des Vollzugs und der Eingliederung der Jugendstrafgefangenen mit. Sie fördern das Verständnis für den Vollzug und seine gesellschaftliche Akzeptanz und vermitteln Kontakte zu öffentlichen und privaten Einrichtungen.

(3) Der Beirat steht der Anstaltsleiterin oder dem Anstaltsleiter, den Bediensteten und den Jugendstrafgefangenen als Ansprechpartner zur Verfügung.

(4) Die Mitglieder des Beirats können sich über die Unterbringung der Jugendstrafgefangenen und die Gestaltung des Vollzugs informieren, die Anstalt gemäß § 116 Absatz 1 besichtigen und sie ohne Begleitung durch Bedienstete begehen. Sie können die Jugendstrafgefangenen in ihren Hafträumen aufsuchen.

(5) Die Mitglieder des Beirats sind verpflichtet, außerhalb ihres Amtes über alle Angelegenheiten, die ihrer Natur nach vertraulich sind, insbesondere über Namen und Persönlichkeit der Jugendstrafgefangenen, Verschwiegenheit zu bewahren. Dies gilt auch nach Beendigung ihres Amtes.

(6) Die Aufsichtsbehörde regelt die Berufung, Zusammensetzung, Amtszeit, Sitzungsgelder und Abberufung der ehrenamtlichen Beiratsmitglieder.

§ 115 Berliner Vollzugsbeirat

(1) Der Berliner Vollzugsbeirat wirkt bei der Planung und Fortentwicklung des gesamten Berliner Vollzugs beratend mit. Er erörtert mit der Aufsichtsbehörde seine Anregungen und Verbesserungsvorschläge in grundlegenden Angelegenheiten. Zur Förderung einer vertrauensvollen Zusammenarbeit informieren sich der Berliner Vollzugsbeirat und die Aufsichtsbehörde in regelmäßigen Abständen gegenseitig.

(2) Der Berliner Vollzugsbeirat besteht aus den jeweils gewählten Vorsitzenden der einzelnen Anstaltsbeiräte oder sonst von diesen bestimmten Mitgliedern. Die weiteren Mitglieder setzen sich aus Personen zusammen, die aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit oder Zugehörigkeit zu einer Organisation besonders geeignet sind, sich für die Belange des gesamten Berliner Vollzugs und entsprechend § 3 Absatz 8 für die unterschiedlichen Bedürfnisse der Jugendstrafgefangenen einzusetzen.

(3) § 114 Absatz 1 Satz 2 und 3 und Absatz 4 bis 6 gilt entsprechend.

§ 116 Besichtigungen

(1) Den Mitgliedern der in § 41 Absatz 1 Satz 1 genannten Stellen und den dort aufgeführten Personen ist die Besichtigung der Anstalten zu gestatten.

(2) Anderen Personen kann die Besichtigung insbesondere zu Ausbildungszwecken und aus Gründen eines beruflichen oder sonstigen sachlichen Interesses gestattet werden. An die Erlaubnis können Auflagen geknüpft werden. Die Erlaubnis ist zu versagen, wenn durch die Besichtigung die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt gefährdet wird. Besichtigungen durch Medienvertreterinnen und Medienvertreter bedürfen der Zustimmung der Aufsichtsbehörde.

(3) Die Persönlichkeitsrechte der Jugendstrafgefangenen sind zu berücksichtigen.

Abschnitt 20
Vollzug des Strafarrests

§ 117 Grundsatz des Vollzugs des Strafarrests

(1) Für den Vollzug des Strafarrests in Anstalten gelten die Bestimmungen der §§ 2 bis 116 entsprechend, sofern die Strafarrestantinnen oder Strafarrestanten zur Tatzeit das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet hatten und das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und soweit § 118 nicht Abweichendes bestimmt.

(2) § 118 Absatz 1 bis 3, 7 und 8 gilt nicht, wenn Strafarrest in Unterbrechung einer anderen freiheitsentziehenden Maßnahme vollzogen wird.

§ 118 Besondere Bestimmungen

(1) Strafarrestantinnen und Strafarrestanten sollen im offenen Vollzug untergebracht werden.

(2) Eine gemeinsame Unterbringung ist nur mit Einwilligung der Strafarrestantinnen und Strafarrestanten zulässig.

(3) Besuche, Telefongespräche und Schriftwechsel dürfen nur untersagt oder überwacht werden, wenn dies aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt notwendig ist.

(4) Den Strafarrestantinnen und Strafarrestanten soll gestattet werden, einmal wöchentlich Besuch zu empfangen.

(5) Strafarrestantinnen und Strafarrestanten dürfen eigene Kleidung tragen und eigenes Bettzeug benutzen, wenn Gründe der Sicherheit der Anstalt nicht entgegenstehen und sie für Reinigung, Instandsetzung und regelmäßigen Wechsel auf eigene Kosten sorgen.

(6) Sie dürfen Nahrungs-, Genuss- und Körperpflegemittel in angemessenem Umfang durch Vermittlung der Anstalt auf eigene Kosten erwerben.

(7) Eine mit einer Entkleidung verbundene körperliche Durchsuchung ist nur bei Gefahr im Verzug zulässig.

(8) Zur Vereitelung einer Entweichung und zur Wiederergreifung dürfen Schusswaffen nicht gebraucht werden.

Abschnitt 21
Schlussbestimmung

§ 119 Einschränkung von Grundrechten

Durch dieses Gesetz werden die Grundrechte der körperlichen Unversehrtheit (Artikel 2 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes), der Freiheit der Person (Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 des Grundgesetzes), und des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses (Artikel 10 Absatz 1 des Grundgesetzes) eingeschränkt.

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