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JVollzGB I LSA - Erstes Buch Justizvollzugsgesetzbuch Sachsen-Anhalt
Erstes Buch Justizvollzugsgesetzbuch Sachsen-Anhalt - Vollzug der Freiheitsstrafe, der Jugendstrafe, der Untersuchungshaft und des Strafarrestes

- Sachsen-Anhalt -

Vom 18. Dezember 2015
(GVBl. LSA Nr. 33 vom 31.12.2015 S. 666; 16.09.2020 S. 444 20; 25.03.2021 S. 120 21; 07.10.2024 S. 274 24)
Gl.-Nr.: 312.16



Siehe auch:
JVollzGB II LSA
JVollzGB III LSA
JVollzGB IV LSA

Überschrift geändert 20

Abschnitt 1
Allgemeine Bestimmungen

§ 1 Anwendungsbereich 20

(1) Dieses Gesetz regelt den Vollzug der Freiheitsstrafe, der Jugendstrafe, der Untersuchungshaft und des Strafarrests in Justizvollzugsanstalten und Jugendstrafanstalten (Anstalten).

(2) Für den Vollzug der Haft nach § 127b Abs. 2, § 230 Abs. 2, den §§ 236 und 329 Abs. 3, § 412 Satz 1 und § 453c der Strafprozessordnung sowie der einstweiligen Unterbringung nach § 275a Abs. 6 der Strafprozessordnung gelten die Bestimmungen für den Vollzug der Untersuchungshaft entsprechend.

(3) Für den Vollzug der einstweiligen Unterbringung nach § 126a der Strafprozessordnung gilt, soweit eine Anordnung nach § 119 Abs. 1 der Strafprozessordnung nicht entgegensteht, das Maßregelvollzugsgesetz Sachsen-Anhalt entsprechend.

(4) Bei Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe, deren Vollstreckung nicht zur Bewährung ausgesetzt wird und die nicht durch Anrechnung der Untersuchungshaft bereits erledigt ist, ist der Gefangene mit Rechtskraft des Urteils nach' den Bestimmungen über den Vollzug der Freiheitsstrafe zu behandeln, soweit sich dies schon vor der Aufnahme zum Vollzug der Freiheitsstrafe durchführen lässt. Dies gilt nicht, wenn aufgrund eines anderen Haftbefehls weiterhin Untersuchungshaft zu vollziehen ist.

(5) Bei rechtskräftiger Verurteilung zu einer Jugendstrafe und bei rechtskräftiger Anordnung einer mit Freiheitsentziehung verbundenen Maßregel der Besserung und Sicherung gilt Absatz 4 sinngemäß.

(6) Von der Anwendung der Bestimmungen dieses Gesetzes über junge Untersuchungsgefangene kann abgesehen werden, wenn diese volljährig sind und die erzieherische Ausgestaltung des Vollzugs für sie nicht oder nicht mehr angezeigt ist. Diese Bestimmungen können ausnahmsweise auch über die Vollendung des 24. Lebensjahres hinaus angewendet werden, wenn dies im Hinblick auf die voraussichtlich nur noch geringe Dauer der Untersuchungshaft zweckmäßig erscheint.

(7) Gefangener im Sinne dieses Gesetzes sind der Strafgefangene, der Jugendstrafgefangene und der Untersuchungsgefangene.

(8) Junger Untersuchungsgefangener im Sinne dieses Gesetzes ist der, der zur Tatzeit das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte und der das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet hat.

(9) Junger Gefangener im Sinne dieses Gesetzes sind der Jugendstrafgefangene und der junge Untersuchungsgefangene.

§ 2 Ziel und Aufgabe des Vollzugs der Freiheitsstrafe oder der Jugendstrafe

(1) Der Vollzug der Freiheitsstrafe oder der Jugendstrafe dient dem Ziel, den Strafgefangenen oder den Jugendstrafgefangenen zu befähigen, künftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen. Der Vollzug hat die Aufgabe, die Allgemeinheit vor weiteren Straftaten zu schützen.

(2) Bei dem Strafgefangenen mit angeordneter oder vorbehaltener Sicherungsverwahrung dient der Vollzug der Freiheitsstrafe und bei dem Jugendstrafgefangenen mit vorbehaltener Sicherungsverwahrung dient der Vollzug der Jugendstrafe auch dem Ziel, die Gefährlichkeit des Straf gefangenen oder des Jugendstrafgefangenen für die Allgemeinheit so zu mindern, dass die Vollstreckung der Unterbringung oder deren Anordnung möglichst entbehrlich wird.

§ 3 Aufgabe des Vollzugs der Untersuchungshaft, Zusammenarbeit

(1) Der Vollzug der Untersuchungshaft hat die Aufgabe, durch sichere Unterbringung des Untersuchungsgefangenen die Durchführung eines geordneten Strafverfahrens zu gewährleisten und der Gefahr weiterer Straftaten zu begegnen.

(2) Die Anstalt, in der die Untersuchungshaft vollzogen wird, trifft die Entscheidungen nach diesem Gesetz. Sie arbeitet eng mit Gericht und Staatsanwaltschaft zusammen, um die Aufgabe des Vollzugs der Untersuchungshaft zu erfüllen und die Sicherheit und Ordnung der Anstalt zu gewährleisten.

(3) Die Anstalt hat Anordnungen nach § 119 Abs. 1 der Strafprozessordnung zu beachten und umzusetzen.

§ 4 Stellung des Gefangenen

(1) Die Persönlichkeit des Gefangenen ist zu achten. Seine Selbständigkeit im Vollzugsalltag ist so weit wie möglich zu erhalten und zu fördern.

(2) Der Gefangene wird an der Gestaltung des Vollzugsalltags beteiligt. Vollzugliche Maßnahmen sollen ihm erläutert werden.

(3) Der Gefangene unterliegt den in diesem Gesetz vorgesehenen Beschränkungen seiner Freiheit. Soweit das Gesetz eine besondere Regelung nicht enthält, dürfen ihm nur Beschränkungen auferlegt werden, die zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder zur Abwendung einer schwerwiegenden Störung der Ordnung der Anstalt oder im Vollzug der Untersuchungshaft zur Umsetzung einer Anordnung nach § 119 Abs. 1 der Strafprozessordnung unerlässlich sind. Sie müssen in einem angemessenen Verhältnis zum Zweck der Anordnung stehen und dürfen den Gefangenen nicht mehr und nicht länger als notwendig beeinträchtigen.

§ 5 Besondere Stellung der Untersuchungsgefangenen

Der Untersuchungsgefangene gilt als unschuldig. Er ist so zu behandeln, dass der Anschein vermieden wird, er würde zur Verbüßung einer Strafe festgehalten.

§ 6 Mitwirkung im Vollzug der Freiheitsstrafe oder der Jugendstrafe

Der Strafgefangene oder der Jugendstrafgefangene ist verpflichtet, an der Erreichung des Vollzugsziels mitzuwirken. Seine Bereitschaft hierzu ist zu wecken und zu fördern. Bei dem Strafgefangenen mit angeordneter oder vorbehaltener Sicherungsverwahrung oder bei dem Jugendstrafgefangenen mit vorbehaltener Sicherungsverwahrung sind die Motivationsmaßnahmen zu dokumentieren.

§ 7 Allgemeine Gestaltungsgrundsätze

(1) Das Leben im Vollzug soll den allgemeinen Lebensverhältnissen so weit wie möglich angeglichen werden.

(2) Schädlichen Folgen des Freiheitsentzugs ist entgegenzuwirken. Ein besonderes Augenmerk ist auf die Verhütung von Selbsttötungen zu richten.

(3) Die unterschiedlichen Bedürfnisse des Gefangenen, insbesondere im Hinblick auf Geschlecht, Alter und Herkunft, sollen bei der Vollzugsgestaltung im Allgemeinen und im Einzelfall berücksichtigt werden.

(4) Im Vollzug der Freiheitsstrafe ist insbesondere mit den Behörden und Stellen der Entlassenen- und Straffälligenhilfe, der Bewährungshilfe, den Aufsichtsstellen für die Führungsaufsicht, den Agenturen für Arbeit, den Einrichtungen für berufliche Bildung, den Trägern der Sozialversicherung und der Sozialhilfe, Gesundheits-, Ausländer- und Polizeibehörden, Sucht- und Schuldnerberatungsstellen, Ausländer- und Integrationsbeauftragten sowie Hilfeeinrichtungen anderer Behörden und den Verbänden der freien Wohlfahrtspflege eng zusammenzuarbeiten. Die Anstalten sollen mit Personen und Vereinen, deren Einfluss die Eingliederung des Gefangenen fördern kann, zusammenarbeiten.

(5) Im Vollzug der Jugendstrafe ist über die in Absatz 4 Satz 1 genannten Stellen hinaus insbesondere mit Schulen und Schulbehörden, der öffentlichen und freien Jugendhilfe sowie den Jugendämtern eng zusammenzuarbeiten.

(6) Im Untersuchungshaftvollzug gelten die Absätze 4 und 5 entsprechend, soweit Zweck und Eigenart der Untersuchungshaft die Zusammenarbeit erfordern.

§ 8 Grundsätze der Gestaltung des Vollzugs der Freiheitsstrafe oder der Jugendstrafe

(1) Der Vollzug der Freiheitsstrafe oder der Jugendstrafe ist auf die Auseinandersetzung des Strafgefangenen oder des Jugendstrafgefangenen mit seinen Straftaten und ihren Folgen auszurichten. Das Bewusstsein für den dem Opfer zugefügten Schaden soll geweckt werden.

(2) Der Vollzug der Freiheitsstrafe oder der Jugendstrafe wird von Beginn an auf die Eingliederung des Strafgefangenen oder des Jugendstrafgefangenen in das Leben in Freiheit ausgerichtet.

(3) Ist Sicherungsverwahrung angeordnet oder vorbehalten, ist bereits im Vollzug der Freiheitsstrafe oder der Jugendstrafe eine individuelle, intensive und therapeutische Betreuung im Sinne des § 66c Abs. 1 Nr. 1 des Strafgesetzbuches anzubieten. Soweit standardisierte Maßnahmen nicht ausreichen oder keinen Erfolg versprechen, sind individuelle Maßnahmen zu entwickeln und zu unterbreiten.

(4) Der Bezug des Strafgefangenen oder des Jugendstrafgefangenen zum gesellschaftlichen Leben ist zu wahren und zu fördern. Personen und Einrichtungen außerhalb des Vollzugs sollen in den Vollzugsalltag einbezogen werden, soweit dies möglich ist und dem Vollzugsziel nicht zuwiderläuft.

§ 9 Erzieherische Gestaltung des Vollzugs der Jugendstrafe

(1) Der Vollzug der Jugendstrafe ist erzieherisch zu gestalten. Der Jugendstrafgefangene ist in der Entwicklung seiner Fähigkeiten und Fertigkeiten so zu fördern, dass er zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Lebensführung in Achtung der Rechte anderer befähigt wird.

(2) Erziehung und Förderung erfolgen durch Maßnahmen und Programme zur Entwicklung und Stärkung der Fähigkeiten und Fertigkeiten des Jugendstrafgefangenen im Hinblick auf die Erreichung des Vollzugsziels.

(3) Durch differenzierte Angebote soll auf den jeweiligen Entwicklungsstand und den unterschiedlichen Erziehungs- und Förderbedarf des Jugendstrafgefangenen eingegangen werden.

(4) Die Maßnahmen und Programme richten sich insbesondere auf die Auseinandersetzung mit den eigenen Straftaten, deren Ursachen und Folgen, schulische und berufliche Qualifizierung, soziale Integration und die verantwortliche Gestaltung des alltäglichen Zusammenlebens, der freien Zeit sowie der Außenkontakte.

(5) Die Personensorgeberechtigten sind, soweit dies möglich ist und dem Vollzugsziel nicht zuwiderläuft, in die Planung und Gestaltung des Vollzugs einzubeziehen.

§ 10 Erzieherische Gestaltung des Vollzugs der Untersuchungshaft an jungen Untersuchungsgefangenen

(1) Für den Vollzug der Untersuchungshaft an jungen Untersuchungsgefangenen gilt § 9 Abs. 1 entsprechend.

(2) Die Personensorgeberechtigten sind, soweit dies möglich ist, in die Gestaltung des Vollzugs einzubeziehen.

(3) Beschränkungen können dem minderjährigen Untersuchungsgefangenen auch auferlegt werden, soweit es dringend geboten ist, um ihn vor einer Gefährdung seiner Entwicklung zu bewahren.

§ 11 Soziale Hilfe

(1) Der Gefangene wird darin unterstützt, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sozialen Schwierigkeiten zu beheben. Er soll dazu angeregt und in die Lage versetzt werden, seine Angelegenheiten selbst zu regeln.

(2) Der Strafgefangene oder der Jugendstrafgefangene soll angehalten werden, den durch die Straftat verursachten materiellen und immateriellen Schaden wiedergutzumachen und eine Schuldenregulierung herbeizuführen.

(3) Der Gefangene soll, soweit erforderlich, über die notwendigen Maßnahmen zur Aufrechterhaltung seiner sozialversicherungsrechtlichen Ansprüche beraten werden.

(4) Die Beratung des Untersuchungsgefangenen soll die Benennung von Stellen und Einrichtungen außerhalb der Anstalt umfassen, die sich um eine Vermeidung der weiteren Untersuchungshaft bemühen. Auf Wunsch des Untersuchungsgefangenen sind ihm Stellen und Einrichtungen zu benennen, die ihn in seinem Bestreben unterstützen können, einen Ausgleich mit dem Tatopfer zu erreichen oder auf andere Weise zur Wiedergutmachung beizutragen.

Abschnitt 2
Aufnahme, Diagnose, Vollzugs- und Eingliederungsplanung

§ 12 Aufnahmeverfahren

(1) Mit dem Gefangenen wird unverzüglich nach der Aufnahme ein Zugangsgespräch geführt, in dem seine gegenwärtige Lebenssituation erörtert wird und er über seine Rechte und Pflichten informiert wird. Ihm wird ein Exemplar der Hausordnung ausgehändigt. Dieses Gesetz, die von ihm in Bezug genommenen Gesetze sowie die zu seiner Ausführung erlassenen Verordnungen und Verwaltungsvorschriften sind dm Gefangenen auf Verlangen zugänglich zu machen.

(2) Während des Aufnahmeverfahrens dürfen andere Gefangene nicht zugegen sein.

(3) Der Gefangene wird alsbald ärztlich untersucht.

(4) Der Gefangene wird dabei unterstützt, etwa notwendige Maßnahmen für hilfsbedürftige Angehörige, zur Erhaltung des Arbeitsplatzes und der Wohnung und zur Sicherung seiner Habe außerhalb der Anstalt zu veranlassen.

(5) Dem Gefangenen ist Gelegenheit zu geben, einen Angehörigen oder eine Vertrauensperson von der Aufnahme in die Anstalt zu benachrichtigen.

(6) Die Personensorgeberechtigten und das Jugendamt werden von der Aufnahme des jungen Gefangenen unverzüglich unterrichtet.

(7) Bei dem Strafgefangenen, der eine Ersatzfreiheitsstrafe verbüßt, sind die Möglichkeiten der Abwendung der Vollstreckung durch freie Arbeit oder ratenweise Tilgung der Geldstrafe zu erörtern und zu fördern, um so auf eine möglichst baldige Entlassung hinzuwirken.

§ 13 Diagnoseverfahren

(1) Bei dem Strafgefangenen oder dem Jugendstrafgefangenen schließt sich an das Aufnahmeverfahren zur Vorbereitung der Vollzugs- und Eingliederungsplanung das Diagnoseverfahren an.

(2) Das Diagnoseverfahren muss wissenschaftlichen Erkenntnissen genügen. Insbesondere bei dem Strafgefangenen mit angeordneter oder vorbehaltener Sicherungsverwahrung oder bei dem Jugendstrafgefangenen mit vorbehaltener Sicherungsverwahrung ist es von Personen mit einschlägiger wissenschaftlicher Qualifikation durchzuführen.

(3) Das Diagnoseverfahren erstreckt sich auf die Persönlichkeit, die Lebensverhältnisse, die Ursachen und Umstände der Straftat sowie alle sonstigen Gesichtspunkte, deren Kenntnis für eine zielgerichtete und wirkungsorientierte Vollzugsgestaltung und die Eingliederung nach der Entlassung notwendig erscheint. Neben den Unterlagen aus der Vollstreckung und dem Vollzug vorangegangener Freiheitsentziehungen sind insbesondere auch Erkenntnisse der Gerichts-, Jugendgerichts- und Bewährungshilfe sowie der Führungsaufsichtsstellen einzubeziehen.

(4) Bei dem Strafgefangenen mit angeordneter oder vorbehaltener Sicherungsverwahrung oder bei dem Jugendstrafgefangenen mit vorbehaltener Sicherungsverwahrung erstreckt sich das Diagnoseverfahren auch auf alle Umstände, die für die Beurteilung der Gefährlichkeit maßgeblich sind.

(5) Im Diagnoseverfahren werden die im Einzelfall die Straffälligkeit begünstigenden Faktoren ermittelt. Gleichzeitig sollen die Fähigkeiten des Strafgefangenen oder des Jugendstrafgefangenen ermittelt werden, deren Stärkung einer erneuten Straffälligkeit entgegenwirken kann.

(6) Im Vollzug der Freiheitsstrafe kann bei einer voraussichtlichen Vollzugsdauer bis zu einem Jahr das Diagnoseverfahren auf die Umstände beschränkt werden, deren Kenntnis für eine angemessene Vollzugsgestaltung unerlässlich und für die Eingliederung erforderlich ist. Unabhängig von der Vollzugsdauer gilt dies auch, wenn ausschließlich Ersatzfreiheitsstrafen zu vollziehen sind.

(7) Im Vollzug der Jugendstrafe ist das Diagnoseverfahren maßgeblich auf die Ermittlung des Förder- und Erziehungsbedarfs auszurichten.

(8) Das Ergebnis des Diagnoseverfahrens wird mit dem Strafgefangenen oder dem Jugendstrafgefangenen erörtert.

§ 14 Vollzugs- und Eingliederungsplanung

(1) Auf der Grundlage des Ergebnisses des Diagnoseverfahrens wird ein Vollzugs- und Eingliederungsplan erstellt. Er zeigt dem Strafgefangenen oder dem Jugendstrafgefangenen bereits zu Beginn der Haftzeit unter Berücksichtigung der voraussichtlichen Vollzugsdauer die zur Erreichung des Vollzugsziels erforderlichen Maßnahmen auf. Daneben kann er weitere Hilfsangebote und Empfehlungen enthalten. Auf die Fähigkeiten, Fertigkeiten und Neigungen des Strafgefangenen oder des Jugendstrafgefangenen ist Rücksicht zu nehmen.

(2) Der Vollzugs- und Eingliederungsplan wird regelmäßig innerhalb der ersten acht Wochen nach der Aufnahme erstellt. Diese Frist verkürzt sich bei einer voraussichtlichen Vollzugsdauer von unter einem Jahr auf vier Wochen.

(3) Der Vollzugs- und Eingliederungsplan sowie die darin vorgesehenen Maßnahmen werden für den Strafgefangenen oder den Jugendstrafgefangenen regelmäßig alle sechs Monate, spätestens aber alle zwölf Monate überprüft und fortgeschrieben. Bei dem Strafgefangenen mit angeordneter oder vorbehaltener Sicherungsverwahrung oder bei dem Jugendstrafgefangenen mit vorbehaltener Sicherungsverwahrung soll die Frist sechs Monate nicht übersteigen. Bei Jugendstrafen von weniger als zwei Jahren erfolgt die Überprüfung regelmäßig alle vier Monate. Die Entwicklung des Strafgefangenen oder des Jugendstrafgefangenen und die in der Zwischenzeit gewonnenen Erkenntnisse sind zu berücksichtigen. Die durchgeführten Maßnahmen sind zu dokumentieren.

(4) Die Vollzugs- und Eingliederungsplanung wird mit dem Strafgefangenen oder dem Jugendstrafgefangenen erörtert. Dabei werden seine Anregungen und Vorschläge einbezogen, soweit sie der Erreichung des Vollzugsziels dienen.

(5) Zur Erstellung und Fortschreibung des Vollzugs- und Eingliederungsplans führt der Anstaltsleiter eine Konferenz mit den an der Vollzugsgestaltung maßgeblich Beteiligten durch. Standen der Strafgefangene oder der Jugendstrafgefangene vor seiner Inhaftierung unter Bewährung oder Führungsaufsicht, können auch die für ihn bislang zuständigen Bewährungshelfer an der Konferenz beteiligt werden. Dem Strafgefangenen oder dem Jugendstrafgefangenen wird der Vollzugs- und Eingliederungsplan in der Konferenz eröffnet und erläutert; er kann auch darüber hinaus an der Konferenz beteiligt werden.

(6) An der Eingliederung mitwirkende Personen außerhalb des Vollzugs sind nach Möglichkeit in die Planung einzubeziehen. Sie können mit Zustimmung des Strafgefangenen oder des Jugendstrafgefangenen auch an der Konferenz beteiligt werden.

(7) Wird der Strafgefangene oder der Jugendstrafgefangene nach der Entlassung voraussichtlich unter Bewährungs- oder Führungsaufsicht gestellt, so ist den künftig zuständigen Bewährungshelfern in den letzten zwölf Monaten vor dem voraussichtlichen Entlassungszeitpunkt, die Teilnahme an der Konferenz zu ermöglichen und sind ihnen der Vollzugs- und Eingliederungsplan und seine Fortschreibungen zu übersenden.

(8) Der Vollzugs- und Eingliederungsplan und seine Fortschreibungen werden dem Strafgefangenen oder dem Jugendstrafgefangenen ausgehändigt. Im Vollzug der Jugendstrafe werden sie dem Vollstreckungsleiter und auf Verlangen den Personensorgeberechtigten mitgeteilt.

§ 15 Inhalt des Vollzugs- und Eingliederungsplans

(1) Der Vollzugs- und Eingliederungsplan sowie seine Fortschreibungen enthalten insbesondere folgende Angaben:

  1. Zusammenfassung der für die Vollzugs- und Eingliederungsplanung maßgeblichen Ergebnisse des Diagnoseverfahrens,
  2. voraussichtlicher Entlassungszeitpunkt,
  3. Unterbringung im geschlossenen oder offenen Vollzug,
  4. Unterbringung in einer Wohngruppe und Teilnahme am Wohngruppenvollzug,
  5. Unterbringung in einer sozialtherapeutischen Abteilung und Teilnahme an deren Behandlungsprogrammen,
  6. Maßnahmen zur Förderung der Mitwirkungsbereitschaft,
  7. Teilnahme an psychiatrischen Maßnahmen,
  8. Teilnahme an einzel- und gruppentherapeutischen Maßnahmen, insbesondere Psychotherapie,
  9. Teilnahme an Maßnahmen zur Behandlung von Suchtmittelabhängigkeit und -missbrauch,
  10. Teilnahme an Trainingsmaßnahmen zur Verbesserung der sozialen Kompetenz,
  11. Teilnahme an schulischen und beruflichen Qualifizierungsmaßnahmen einschließlich Alphabetisierungs- und Deutschkursen,
  12. Teilnahme an arbeitstherapeutischen Maßnahmen oder am Arbeitstraining,
  13. Arbeit,
  14. freies Beschäftigungsverhältnis, Selbstbeschäftigung,
  15. Teilnahme an Sportangeboten und Maßnahmen zur Gestaltung der strukturierten Freizeit,
  16. Lockerungen zur Erreichung des Vollzugsziels,
  17. Aufrechterhaltung, Förderung und Gestaltung von Außenkontakten,
  18. Schuldnerberatung, Schuldenregulierung und Erfüllung von Unterhaltspflichten,
  19. Maßnahmen zur Vorbereitung von Entlassung, Eingliederung und Nachsorge und
  20. Frist zur Fortschreibung des Vollzugs- und Eingliederungsplans.

Bei angeordneter oder vorbehaltener Sicherungsverwahrung enthalten der Vollzugs- und Eingliederungsplan sowie seine Fortschreibungen darüber hinaus Angaben zu individuellen Maßnahmen im Sinne des § 8 Abs. 3 Satz 2 und einer Antragstellung im Sinne des § 119a Abs. 2 des Strafvollzugsgesetzes.

(2) Die Teilnahme an Maßnahmen nach Absatz 1 Satz 1 Nrn. 5, 7 bis 12 und Satz 2 darf durch andere Maßnahmen nach Absatz 1 nicht beeinträchtigt werden.

(3) Der Strafgefangene oder der Jugendstrafgefangene ist verpflichtet, an den im Vollzugs- und Eingliederungsplan als erforderlich erachteten Maßnahmen teilzunehmen.

(4) Spätestens ein Jahr vor dem voraussichtlichen Entlassungszeitpunkt hat die Planung zur Vorbereitung der Eingliederung zu beginnen. Anknüpfend an die bisherige Vollzugsplanung werden ab diesem Zeitpunkt die Maßnahmen nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 19 konkretisiert oder ergänzt. Insbesondere ist Stellung zu nehmen zu:

  1. der. Unterbringung im offenen Vollzug, Aufenthalt in einer Übergangseinrichtung,
  2. der Unterkunft sowie Arbeit oder Ausbildung nach der Entlassung,
  3. der Unterstützung bei notwendigen Behördengängen und der Beschaffung der notwendigen persönlichen, Dokumente,
  4. der Beteiligung der Bewährungshilfe und der Psychotherapeutischen Ambulanzen der Justiz,
  5. der Kontaktaufnahme zu Einrichtungen der Entlassenenhilfe,
  6. der Fortsetzung von im Vollzug noch nicht abgeschlossenen Maßnahmen,
  7. Anregungen von Auflagen und Weisungen für die Bewährungs- oder Führungsaufsicht und
  8. der Vermittlung in nachsorgende Maßnahmen.

§ 16 Ermittlung des Förder- und Erziehungsbedarfs der jungen Untersuchungsgefangenen, Maßnahmen

(1) Nach dem Aufnahmeverfahren wird der Förder- und Erziehungsbedarf des jungen Untersuchungsgefangenen unter Berücksichtigung seiner Persönlichkeit und seiner Lebensverhältnisse ermittelt.

(2) In einer Konferenz mit an der Erziehung maßgeblich beteiligten Bediensteten werden der Förder- und Erziehungsbedarf erörtert und die sich daraus ergebenden

Maßnahmen festgelegt. Diese werden mit dem jungen Untersuchungsgefangenen besprochen und den Personensorgeberechtigten auf Verlangen mitgeteilt.

Abschnitt 3
Unterbringung, Verlegung und Überstellung, Vorführung und Ausantwortung

§ 17 Trennungsgrundsätze

(1) Jeweils getrennt voneinander werden untergebracht

  1. männliche und weibliche Gefangene,
  2. Strafgefangene, Jugendstrafgefangene und Untersuchungsgefangene sowie
  3. junge Untersuchungsgefangene und die übrigen Untersuchungsgefangenen.

Die Unterbringung erfolgt in eigenständigen Anstalten, zumindest in getrennten Abteilungen.

(2) Abweichend von Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 kann der Untersuchungsgefangene zusammen mit Strafgefangenen untergebracht werden

  1. mit Zustimmung des Untersuchungsgefangenen,
  2. zur Umsetzung einer Anordnung nach § 119 Abs. 1 der Strafprozessordnung oder
  3. aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt.

Das gilt für den jungen Untersuchungsgefangenen nur, wenn eine erzieherische Gestaltung des Vollzugs gewährleistet bleibt und schädliche Einflüsse auf ihn nicht zu befürchten sind. Unter den Voraussetzungen der Sätze 1 und 2 kann er auch mit den übrigen Untersuchungsgefangenen oder mit Jugendstrafgefangenen untergebracht werden.

(3) Über Absatz 2 hinaus können Gefangene ausnahmsweise mit solchen anderer Vollzugsarten untergebracht werden, wenn ihre geringe Anzahl eine getrennte Unterbringung nicht zulässt und das Vollzugsziel nicht gefährdet wird. Bei jungen Gefangenen muss zudem die erzieherische Gestaltung des Vollzugs gewährleistet sein.

(4) Absatz 1 gilt nicht für eine Unterbringung zum Zwecke der medizinischen Behandlung.

(5) Gemeinsame Maßnahmen, insbesondere zur schulischen und beruflichen Qualifizierung, sind zulässig.

§ 18 Unterbringung während der Einschlusszeiten

(1) Der Gefangene wird in seinem Haftraum einzeln untergebracht.

(2) Mit seiner Zustimmung darf er gemeinsam mit anderen Gefangenen untergebracht werden, wenn schädliche Einflüsse nicht zu befürchten sind. Bei einer Gefahr für Leben oder Gesundheit oder bei Hilfsbedürftigkeit ist die Zustimmung des gefährdeten oder des hilfsbedürftigen Gefangenen zur gemeinsamen Unterbringung entbehrlich.

(3) Darüber hinaus ist eine gemeinsame Unterbringung mit anderen Gefangenen nur vorübergehend und aus zwingenden Gründen zulässig.

§ 19 Aufenthalt außerhalb der Einschlusszeiten

(1) Außerhalb der Einschlusszeiten darf sich der Gefangene in Gemeinschaft mit anderen Gefangenen aufhalten.

(2) Der gemeinschaftliche Aufenthalt kann eingeschränkt werden,

  1. wenn es die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt erfordert,
  2. wenn ein schädlicher Einfluss auf andere Gefangene zu befürchten ist,
  3. während des Diagnoseverfahrens, aber nicht länger als acht Wochen,
  4. bei dem jungen Gefangenen, wenn dies aus erzieherischen Gründen angezeigt ist,
  5. zur Umsetzung einer Anordnung nach § 119 Abs. 1 der Strafprozessordnung oder
  6. bei dem jungen Untersuchungsgefangenen während der ersten zwei Wochen nach der Aufnahme.

§ 20 Wohngruppenvollzug

(1) Der Wohngruppenvollzug dient der Einübung sozialverträglichen Zusammenlebens, insbesondere von Toleranz sowie der Übernahme von Verantwortung für sich und andere. Er ermöglicht dem dort untergebrachten jungen Gefangenen oder dem dort untergebrachten Strafgefangenen, seinen Vollzugsalltag weitgehend selbstständig zu regeln.

(2) Eine Wohngruppe wird in einem abgegrenzten Bereich eingerichtet, zu dem neben den Hafträumen weitere Räume und Einrichtungen zur gemeinsamen Nutzung gehören. Sie wird in der Regel von fest zugeordneten Bediensteten betreut.

(3) Der geeignete junge Gefangene soll in einer Wohngruppe untergebracht werden. Nicht geeignet ist in der Regel der junge Gefangene, der aufgrund seines Verhaltens nicht gruppenfähig ist.

(4) Der Strafgefangene kann in einer Wohngruppe untergebracht werden.

§ 21 Unterbringung mit Kindern

(1) Ein Kind kann mit Zustimmung des Aufenthaltsbestimmungsberechtigten bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres in der Anstalt untergebracht werden, wenn die baulichen Gegebenheiten dies zulassen und Sicherheitsgründe nicht entgegenstehen und es dem Wohle des Kindes dient. Vor der Unterbringung ist das Jugendamt zu, hören.

(2) Die Unterbringung erfolgt auf Kosten des für das Kind Unterhaltspflichtigen. Von der Geltendmachung des Kostenersatzanspruchs kann ausnahmsweise abgesehen werden, wenn hierdurch die gemeinsame Unterbringung gefährdet würde.

§ 22 Geschlossener und offener Vollzug

(1) Der Strafgefangene oder der Jugendstrafgefangene wird im geschlossenen oder offenen Vollzug untergebracht. Anstalten und Abteilungen des offenen Vollzugs sehen keine oder nur verminderte Vorkehrungen gegen Entweichungen vor.

(2) Der Strafgefangene oder der Jugendstrafgefangene soll im offenen Vollzug untergebracht werden, wenn er dessen besonderen Anforderungen genügt und für die Maßnahme geeignet ist, insbesondere tatsächliche Anhaltspunkte nicht die abstrakte Gefahr begründen, dass er sich dem Vollzug der Freiheitsstrafe entziehen oder die Maßnahme zur Begehung von Straftaten oder auf andere Weise missbrauchen wird. Die Unterbringung im offenen Vollzug kann versagt werden, wenn der Strafgefangene oder der Jugendstrafgefangene seiner Mitwirkungspflicht nach § 15 Abs. 3 nicht nachkommt. Bei der Prüfung von vollzugsöffnenden Maßnahmen sind der Schutz der Allgemeinheit und die Belange des Opferschutzes in angemessener Weise zu berücksichtigen. Bei der Entscheidung sind auch die Feststellungen im Urteil und die im Ermittlungs- oder Strafverfahren erstatteten Gutachten zu berücksichtigen.

(3) Für die Unterbringung im offenen Vollzug ist insbesondere der Strafgefangene oder der Jugendstrafgefangene ungeeignet,

  1. der erheblich suchtgefährdet ist,
  2. der während des laufenden Freiheitsentzugs entwichen ist, eine Flucht versucht, einen Ausbruch unternommen oder sich an einer Gefangenenmeuterei beteiligt hat,
  3. der aus dem letzten Ausgang oder Langzeitausgang nicht freiwillig zurückgekehrt ist oder bei dem zureichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür gegeben sind, dass er während des letzten Ausgangs oder Langzeitausgangs eine strafbare Handlung begangen hat,
  4. gegen den ein Ausweisungs-, Auslieferungs-, Ermittlungs- oder Strafverfahren anhängig ist oder
  5. bei dem zu befürchten ist, dass er einen negativen Einfluss ausüben, insbesondere die Erreichung des Vollzugsziels bei anderen Gefangenen gefährden würde.

(4) Ausnahmen von Absatz 3 können zugelassen werden, wenn besondere Umstände vorliegen; die Gründe hierfür sind aktenkundig zu machen. In den Fällen von Absatz 3 Nr. 4 ist die zuständige Behörde zu hören.

(5) Der Strafgefangene oder der Jugendstrafgefangene, gegen den während des laufenden Freiheitsentzugs eine Strafe wegen einer schwerwiegenden Straftat gegen die körperliche Unversehrtheit oder das Leben oder gegen die sexuelle Selbstbestimmung, mit Ausnahme der §§ 180a und 181a des Strafgesetzbuches, oder wegen Handels mit Stoffen im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes vollzogen wurde oder zu vollziehen ist oder der im Vollzug in den begründeten Verdacht des Handels mit diesen Stoffen oder des Einbringens dieser Stoffe gekommen ist, ist für die Unterbringung im offenen Vollzug ungeeignet. Dies gilt auch für den Strafgefangenen oder den Jugendstrafgefangenen, über den Erkenntnisse vorliegen, dass er der organisierten Kriminalität zuzurechnen ist. Ausnahmen von Satz 1 und 2 können zugelassen werden, wenn besondere Umstände vorliegen; die Gründe hierfür sind aktenkundig zu machen.

(6) Genügt der Strafgefangene oder der Jugendstrafgefangene den besonderen Anforderungen des offenen Vollzugs nicht oder nicht mehr, wird er unverzüglich im geschlossenen Vollzug untergebracht.

(7) Der Untersuchungsgefangene wird im geschlossenen Vollzug untergebracht.

§ 23 Verlegung, Überstellung, Vorführung und Ausantwortung

(1) Der Gefangene kann abweichend vom Vollstreckungsplan in eine andere Anstalt verlegt werden, wenn Gründe der Vollzugsorganisation oder andere wichtige Gründe dies erfordern. Er darf aus wichtigem Grund in eine andere Anstalt überstellt werden.

(2) Darüber hinaus kann der Strafgefangene oder der Jugendstrafgefangene abweichend vom Vollstreckungsplan in eine andere Anstalt verlegt werden, wenn die Erreichung des Vollzugsziels hierdurch gefördert wird.

(3) Der Untersuchungsgefangene kann zur Umsetzung einer Anordnung nach § 119 Abs. 1 der Strafprozessordnung verlegt oder überstellt werden.

(4) Der Strafgefangene oder der Jugendstrafgefangene kann unter den Voraussetzungen der Absätze 1 und 2 mit Zustimmung der Aufsichtsbehörde in eine Anstalt eines anderen Landes verlegt werden, wenn die zuständige Behörde des anderen Landes der Verlegung in die dortige Anstalt zustimmt. Ein Strafgefangener oder ein Jugendstrafgefangener aus einer Anstalt eines anderen Landes kann mit Zustimmung der Aufsichtsbehörde in eine Anstalt des Landes aufgenommen werden.

(5) Vor einer Verlegung oder Überstellung des Untersuchungsgefangenen ist dem Gericht und der Staatsanwaltschaft Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Dem Untersuchungsgefangenen ist Gelegenheit zu geben, einen Angehörigen oder eine Vertrauensperson von der Verlegung oder Überstellung zu benachrichtigen.

(6) Bei dem jungen Gefangenen werden die Personensorgeberechtigten und das Jugendamt, bei dem Jugendstrafgefangenen auch der Vollstreckungsleiter von der Verlegung unverzüglich unterrichtet.

(7) Auf Ersuchen eines Gerichts wird der Gefangene vorgeführt, sofern ein Vorführungsbefehl vorliegt. Über den Untersuchungsgefangenen betreffende Vorführungsersuchen in anderen als dem der Inhaftierung zugrunde liegen den Verfahren sind das Gericht und die Staatsanwaltschaft unverzüglich zu unterrichten.

(8) Der Gefangene darf auf Antrag befristet dem Gewahrsam eines Gerichts, einer Staatsanwaltschaft oder einer Polizei-, Zoll- oder Finanzbehörde überlassen werden (Ausantwortung). § 46 Abs. 3 Satz 2 gilt entsprechend.

Abschnitt 4
Sozialtherapie und psychologische Behandlung im Vollzug

§ 24 Sozialtherapie

(1) Sozialtherapie dient der Verringerung einer erheblichen Gefährlichkeit des Strafgefangenen oder des Jugendstrafgefangenen. Auf der Grundlage einer therapeutischen Gemeinschaft bedient sie sich psychotherapeutischer, sozialpädagogischer und arbeitstherapeutischer Methoden, die in umfassenden Behandlungsprogrammen verbunden werden. Personen aus dem Lebensumfeld des Strafgefangenen oder des Jugendstrafgefangenen außerhalb des Vollzugs werden in die Behandlung einbezogen.

(2) Der Strafgefangene oder der Jugendstrafgefangene ist in einer sozialtherapeutischen Abteilung unterzubringen, wenn seine Teilnahme an den dortigen Behandlungsprogrammen zur Verringerung seiner erheblichen Gefährlichkeit angezeigt ist. Eine erhebliche Gefährlichkeit liegt vor, wenn schwerwiegende Straftaten gegen die körperliche Unversehrtheit, das Leben, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung zu erwarten sind.

(3) Im Übrigen kann der Strafgefangene oder der Jugendstrafgefangene in einer sozialtherapeutischen Abteilung untergebracht werden, wenn die Teilnahme an den dortigen Behandlungsprogrammen zur Erreichung des Vollzugsziels angezeigt ist.

(4) Die Unterbringung soll zu einem Zeitpunkt erfolgen, der entweder den Abschluss der Behandlung zum voraussichtlichen Entlassungszeitpunkt erwarten lässt oder die Fortsetzung der Behandlung nach der Entlassung ermöglicht. Ist Sicherungsverwahrung angeordnet oder vorbehalten, soll die Unterbringung zu einem Zeitpunkt erfolgen, der den Abschluss der Behandlung noch während des Vollzugs der Freiheitsstrafe oder der Jugendstrafe erwarten lässt.

(5) Die Unterbringung wird beendet, wenn das Ziel der Behandlung aus Gründen, die in der Person des Strafgefangenen oder des Jugendstrafgefangenen liegen, nicht erreicht werden kann.

§ 25 Psychologische Behandlung

Psychologische Behandlung dient insbesondere der Behandlung psychischer Störungen des Verhaltens und Erlebens, die in einem Zusammenhang mit der Straffälligkeit stehen. Die psychologischen Behandlungsmethoden haben sich an den wissenschaftlichen Erkenntnissen, insbesondere über die Behandlung von Straftätern, zu orientieren.

Abschnitt 5
Arbeitstherapeutische Maßnahmen, Arbeitstraining, schulische und berufliche Qualifizierungsmaßnahmen, Arbeit

§ 26 Arbeitstherapeutische Maßnahmen

Arbeitstherapeutische Maßnahmen dienen dazu, dass der Gefangene Eigenschaften wie Selbstvertrauen, Durchhaltevermögen und Konzentrationsfähigkeit einübt, um ihn stufenweise an die Grundanforderungen des Arbeitslebens heranzuführen.

§ 27 Arbeitstraining

Arbeitstraining dient dazu, dem Gefangenen, der nicht in der Lage ist, einer regelmäßigen und erwerbsorientierten Beschäftigung nachzugehen, Fähigkeiten und Fertigkeiten zu vermitteln, die eine Eingliederung in das leistungsorientierte Arbeitsleben fördern. Die in der Anstalt dafür vorgehaltenen Maßnahmen sind danach auszurichten, dem Gefangenen für den Arbeitsmarkt relevante Qualifikationen zu vermitteln.

§ 28 Schulische und berufliche Qualifizierungsmaßnahmen

(1) Schulische und berufliche Aus- und Weiterbildung und vorberufliche Qualifizierung im Vollzug haben das Ziel, dem Gefangenen Fähigkeiten zur Eingliederung und zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit nach der Entlassung zu vermitteln sowie vorhandene Fähigkeiten zu verbessern oder zu erhalten. Bei der Festlegung von Inhalten, Methoden und Organisationsformen der Bildungsangebote werden die Besonderheiten der jeweiligen Zielgruppe berücksichtigt. Schulische und berufliche Aus- und Weiterbildung werden in der Regel als Vollzeitmaßnahme durchgeführt.

(2) Der junge Gefangene ist vorrangig zur Teilnahme an schulischen und beruflichen Orientierungs-, Berufsvorbereitungs-, Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen oder speziellen Maßnahmen zur Förderung seiner schulischen, beruflichen oder persönlichen Entwicklung verpflichtet.

(3) Dem geeigneten Strafgefangenen oder dem geeigneten Jugendstrafgefangenen soll die Teilnahme an einer schulischen oder beruflichen Ausbildung ermöglicht werden, die zu einem anerkannten Abschluss führt.

(4) Der geeignete Untersuchungsgefangene soll nach Möglichkeit die Gelegenheit zum Erwerb oder zur Verbesserung schulischer und beruflicher Kenntnisse, auch zum Erwerb eines anerkannten Abschlusses, erhalten, soweit es die besonderen Bedingungen der Untersuchungshaft zulassen.

(5) Berufliche Qualifizierungsmaßnahmen sind danach auszurichten, dem Gefangenen für den Arbeitsmarkt relevante Qualifikationen zu vermitteln.

(6) Bei der Vollzugs- und Eingliederungsplanung ist darauf zu achten, dass der Strafgefangene oder der Jugendstrafgefangene Qualifizierungsmaßnahmen während seiner Haftzeit abschließt oder nach der Inhaftierung fortsetzen kann. Können Maßnahmen während der Haftzeit nicht abgeschlossen werden, trägt die Anstalt in Zusammenarbeit mit außervollzuglichen Einrichtungen dafür Sorge, dass die begonnene Qualifizierungsmaßnahme nach der Entlassung fortgesetzt werden kann.

(7) Nachweise über schulische und berufliche Qualifizierungsmaßnahmen dürfen keinen Hinweis auf die Inhaftierung enthalten.

§ 29 Arbeit

(1) Dem Gefangenen soll wirtschaftlich ergiebige Arbeit zugewiesen und dabei seine Fähigkeiten, Fertigkeiten und Neigungen berücksichtigt werden. Ist der Gefangene zu wirtschaftlich ergiebiger Arbeit nicht fähig, soll ihm eine Maßnahme nach den § § 26 und 27 zugewiesen werden. Die Arbeitsschutz- und Unfallverhütungsvorschriften sind zu beachten.

(2) Der Strafgefangene oder der Jugendstrafgefangene ist verpflichtet, eine ihm zugewiesene, seinen physischen und psychischen Fähigkeiten angemessene Arbeit oder Maßnahme nach den § § 26 und 27 auszuüben, zu deren Verrichtung er aufgrund seines physischen und psychischen Zustandes in der Lage ist. Er kann jährlich bis zu drei Monaten zu Hilfstätigkeiten in der Anstalt verpflichtet werden, mit seiner Zustimmung auch darüber hinaus. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht für

  1. eine schwangere Gefangene oder
  2. eine Gefangene, die entbunden hat,
    soweit gesetzliche Beschäftigungsverbote zum Schutz erwerbstätiger Mütter bestehen,
    oder
  3. für den Gefangenen, der über 65 Jahre alt ist.

(3) Nimmt der Gefangene eine Arbeit auf, gelten die von der Anstalt festgelegten Arbeitsbedingungen. Die Arbeit darf nicht zur Unzeit niedergelegt werden.

§ 30 Freies Beschäftigungsverhältnis, Selbstbeschäftigung

(1) Dem Strafgefangenen oder dem Jugendstrafgefangenen, der zum Freigang zugelassen ist, soll gestattet werden, einer Arbeit oder einer schulischen oder beruflichen Qualifizierungsmaßnahme auf der Grundlage eines freien Beschäftigungsverhältnisses oder der Selbstbeschäftigung außerhalb der Anstalt nachzugehen, wenn dies im Rahmen des Vollzugs- oder Eingliederungsplans dem Ziel dient, Fähigkeiten für eine Erwerbstätigkeit nach der Entlassung zu vermitteln, zu erhalten oder zu fördern, die Beschäftigungsstelle geeignet ist und nicht überwiegende Gründe des Vollzugs entgegenstehen. § 47 gilt entsprechend.

(2) Das Entgelt ist der Anstalt zur Gutschrift für den Strafgefangenen oder den Jugendstrafgefangenen zu überweisen.

§ 31 Freistellung von der Arbeitspflicht

(1) Hat der Gefangene ein halbes Jahr lang eine ihm zugewiesene Maßnahme nach den § § 26 und 27 oder Arbeit oder eine Hilfstätigkeit nach § 29 Abs. 2 Satz 2 ausgeübt, so kann er beanspruchen, zehn Arbeitstage von diesen Beschäftigungen freigestellt zu werden. Zeiten, in denen der Gefangene infolge Krankheit an der Arbeitsleistung gehindert war, werden auf das Halbjahr bis zu 15 Arbeitstagen angerechnet. Der Anspruch verfällt, wenn die Freistellung nicht innerhalb eines Jahres nach seiner Entstehung erfolgt ist.

(2) Der Zeitraum der Freistellung muss mit den betrieblichen Belangen vereinbar sein.

(3) Auf die Zeit der Freistellung wird bei dem Strafgefangenen oder dem Jugendstrafgefangenen der Langzeitausgang im Sinne von § 45 Abs. 1 Nr. 4 angerechnet, soweit er in die Arbeitszeit fällt. Gleiches gilt für einen Langzeitausgang nach § 46 Abs. 1, soweit er nicht wegen des Todes oder einer lebensgefährlichen Erkrankung naher Angehöriger erteilt worden ist.

(4) Der Gefangene erhält für die Zeit der Freistellung sein zuletzt gezahltes Arbeitsentgelt oder seine Ausbildungsbeihilfe weiter.

(5) Urlaubsregelungen freier Beschäftigungsverhältnisse finden Anwendung.

(6) Für Maßnahmen nach § 28 Abs. 1 gelten die Absätze 1 bis 5 entsprechend, sofern sie den Umfang der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit erreichen.

Abschnitt 6
Besuche, Telefongespräche, Schriftwechsel, andere Formen der Telekommunikation, Pakete

§ 32 Grundsatz

Der Gefangene hat das Recht, mit Personen außerhalb der Anstalt im Rahmen der Bestimmungen dieses Gesetzes zu verkehren.

§ 33 Besuch

(1) Der Gefangene darf regelmäßig Besuch empfangen. Die Gesamtdauer beträgt im Vollzug der Freiheitsstrafe oder der Untersuchungshaft monatlich mindestens zwei, im Vollzug der Jugendstrafe oder der Untersuchungshaft an dem jungen Untersuchungsgefangenen monatlich mindestens vier Stunden.

(2) Kontakte des Gefangenen zu seinen Kindern unter 14 Jahren werden besonders gefördert. Ihre Besuche werden im Umfang von bis zu zwei Stunden nicht auf die Regelbesuchszeiten angerechnet. Bei dem jungen Gefangenen erfolgt keine Anrechnung.

(3) Besuche von Angehörigen im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 1 des Strafgesetzbuches werden besonders unterstützt.

(4) Besuche sollen darüber hinaus zugelassen werden, wenn sie

  1. persönlichen, rechtlichen oder geschäftlichen Angelegenheiten des Gefangenen dienen, die von ihm nicht schriftlich erledigt, durch Dritte wahrgenommen oder bis zur voraussichtlichen Entlassung aufgeschoben werden können,
  2. die Eingliederung des Strafgefangenen oder des Jugendstrafgefangenen fördern oder
  3. die Erziehung des jungen Gefangenen fördern.

(5) Der Anstaltsleiter kann mehrstündige, unbeaufsichtigte Besuche (Langzeitbesuche) zulassen, wenn dies der Eingliederung des Strafgefangenen oder des Jugendstrafgefangenen dient und er hierfür geeignet ist.

(6) Besuche von

  1. Verteidigern,
  2. Rechtsanwälten sowie
  3. Notaren

in einer den Gefangenen betreffenden Rechtssache sind zu gestatten. Sie werden nicht auf die Mindestbesuchszeit nach Absatz 1 angerechnet. Dies gilt auch für Besuche von Beiständen nach § 69 des Jugendgerichtsgesetzes.

§ 34 Untersagung der Besuche 20

Der Anstaltsleiter kann in den folgenden Fällen Besuche untersagen:

  1. wenn die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt gefährdet würde,
  2. wenn bei Personen, die nicht Angehörige des Strafgefangenen oder des jungen Gefangenen im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 1 des Strafgesetzbuches sind, zu befürchten ist, dass sie einen schädlichen Einfluss auf den Strafgefangenen oder den jungen Gefangenen haben oder die Erreichung des Vollzugsziels behindern,
  3. wenn bei Personen, die Opfer der Straftat sind oder im Haftbefehl als Opfer benannt werden, zu befürchten ist, dass die Begegnung mit dem Gefangenen einen schädlichen Einfluss auf sie hat,
  4. die Personensorgeberechtigten nicht einverstanden sind oder
  5. in den Fällen des § 25 Abs. 5 des Vierten Buches Justizvollzugsgesetzbuch Sachsen-Anhalt.

§ 35 Durchführung der Besuche 20

(1) Aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung können Besuche davon abhängig gemacht werden, dass der Besucher sich und seine mitgeführten Sachen mit Hilfsmitteln absuchen oder durchsuchen lässt und Anordnungen zur Identitätsfeststellung nach § 22 Abs. 3 des Vierten Buches Justizvollzugsgesetzbuch Sachsen-Anhalt Folge leistet. Aus den gleichen Gründen kann die Anzahl der gleichzeitig zu einem Besuch zugelassenen Personen beschränkt werden. Eine inhaltliche Überprüfung der von Verteidigern oder Beiständen nach § 69 des Jugendgerichtsgesetzes mitgeführten Schriftstücke und sonstigen Unterlagen ist nicht zulässig. § 41 Abs. 2 Satz 2 und 3 findet Anwendung.

(2) Besuche dürfen abgebrochen werden, wenn der Besucher oder der Gefangene gegen dieses Gesetz oder gegen aufgrund dieses Gesetzes getroffene Anordnungen trotz Abmahnung verstößt oder von dem Besucher ein schädlicher Einfluss auf den Gefangenen ausgeht. Dies gilt auch bei einem Verstoß gegen eine Anordnung nach § 119 Abs. 1 der Strafprozessordnung. Die Abmahnung unterbleibt, wenn es zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt unerlässlich ist, den Besuch sofort abzubrechen.

(3) Gegenstände dürfen beim Besuch nicht übergeben werden. Dies gilt nicht für die bei dem Besuch von Verteidigern oder Beiständen nach § 69 des Jugendgerichtsgesetzes übergebenen Schriftstücke und sonstigen Unterlagen sowie für die bei dem Besuch von Rechtsanwälten oder Notaren zur Erledigung einer den Gefangenen betreffenden Rechtssache übergebenen Schriftstücke und sonstigen Unterlagen. Bei dem Besuch von Rechtsanwälten oder Notaren kann die Übergabe aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt von der Erlaubnis des Anstaltsleiters abhängig gemacht werden. § 41 Abs. 2 Satz 2 und 3 findet Anwendung.

(4) Der Anstaltsleiter kann im Einzelfall die Nutzung einer Trennvorrichtung anordnen, wenn dies zum Schutz von Personen oder zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt, insbesondere zur Verhinderung einer Übergabe von Gegenständen, erforderlich ist.

§ 36 Überwachung der Besuche 20

(1) Besuche werden regelmäßig optisch überwacht. Über Ausnahmen entscheidet der Anstaltsleiter. Die optische Überwachung kann mit technischen Hilfsmitteln durchgeführt werden; die betroffenen Personen sind vorher sprachlich und durch Zeichen darauf hinzuweisen.

(2) Besuche werden akustisch nur überwacht, soweit es im Einzelfall

  1. aus Gründen der Sicherheit,
  2. bei dem Strafgefangenen oder dem Jugendstrafgefangenen wegen einer Gefährdung der Erreichung des Vollzugsziels,
  3. bei dem jungen Gefangenen aus Gründen der Erziehung oder
  4. zur Umsetzung einer Anordnung nach § 119 der Strafprozessordnung

erforderlich ist. Die akustische Überwachung kann mit technischen Hilfsmitteln durchgeführt werden; die betroffenen Personen sind vorher sprachlich und durch Zeichen darauf hinzuweisen.

(3) Eine Aufzeichnung der optischen und akustischen Überwachung findet nur nach Maßgabe des § 31 des Vierten Buches Justizvollzugsgesetzbuch Sachsen-Anhalt statt.

(4) Besuche von Verteidigern oder Beiständen nach § 69 des Jugendgerichtsgesetzes werden nicht überwacht.

§ 37 Telefongespräche 20

(1) In dringenden Fällen soll dem Gefangenen gestattet werden, Telefongespräche zu führen. Die § § 34, 35 Abs. 2 und § 36 Abs. 2 und 4 gelten entsprechend. Ist eine akustische Überwachung beabsichtigt, so ist dies dem Gesprächspartner unmittelbar nach Herstellung der Verbindung durch die Anstalt oder den Gefangenen mitzuteilen. Der Gefangene ist rechtzeitig vor Beginn der Unterhaltung über die beabsichtigte Überwachung und die Mitteilungspflicht nach Satz 3 zu unterrichten. Die Unterhaltung kann zeitversetzt überwacht und nach Maßgabe des § 31 des Vierten Buches Justizvollzugsgesetzbuch Sachsen-Anhalt weiterverarbeitet werden.

(2) Dem Gefangenen kann gestattet werden, Telefongespräche zu führen, wenn er sich mit den zur Gewährleistung der Sicherheit und Ordnung der Anstalt von der Vollzugsbehörde erlassenen Nutzungsbedingungen einverstanden erklärt. Die Nutzungsbedingungen dürfen keine Regelungen enthalten, die Absatz 1 Satz 2 bis 5 entgegenstehen.

(3) Die Kosten der Telefongespräche trägt der Gefangene. Ist er dazu nicht in der Lage, kann die Anstalt die Kosten in begründeten Fällen in angemessenem Umfang übernehmen, soweit nicht ein Dritter leistungspflichtig ist.

§ 38 Schriftwechsel

(1) Der Gefangene hat das Recht, Schreiben abzusenden und zu empfangen.

(2) Die Kosten des Schriftwechsels trägt der Gefangene. Ist er dazu nicht in der Lage, kann die Anstalt die Kosten in begründeten Fällen in angemessenem Umfang übernehmen, soweit nicht ein Dritter leistungspflichtig ist.

§ 39 Untersagung des Schriftwechsels

Der Anstaltsleiter kann den Schriftwechsel mit bestimmten Personen untersagen, wenn

  1. die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt gefährdet würde,
  2. bei Personen, die nicht Angehörige des Strafgefangenen oder des jungen Gefangenen im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 1 des Strafgesetzbuches sind, zu befürchten ist, dass sie einen schädlichen Einfluss auf den Strafgefangenen oder den jungen Gefangenen haben oder die Erreichung des Vollzugsziels behindern,
  3. bei Personen, die Opfer der Straftat waren oder im Haftbefehl als Opfer benannt werden, zu befürchten ist, dass der Schriftwechsel mit dem Gefangenen einen schädlichen Einfluss auf sie hat, oder
  4. die Personensorgeberechtigten nicht einverstanden sind.

§ 40 Sichtkontrolle, Weiterleitung und Aufbewahrung von Schreiben

(1) Der Gefangene hat das Absenden und den Empfang seiner Schreiben durch die Anstalt vermitteln zu lassen, soweit nichts anderes gestattet ist.

(2) Ein- und ausgehende Schreiben werden auf verbotene Gegenstände kontrolliert und sind unverzüglich weiterzuleiten.

(3) Der Gefangene hat eingehende Schreiben unverschlossen zu verwahren, sofern nichts anderes gestattet wird. Er kann sie verschlossen zu seiner Habe geben.

§ 41 Überwachung des Schriftwechsels

(1) Der Schriftwechsel darf überwacht werden, soweit es im Einzelfall

  1. aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt,
  2. bei dem Strafgefangenen oder dem Jugendstrafgefangenen wegen einer Gefährdung der Erreichung des Vollzugsziels,
  3. bei dem jungen Gefangenen aus Gründen der Erziehung oder
  4. zur Umsetzung einer Anordnung nach § 119 Abs. 1 der Strafprozessordnung

erforderlich ist.

(2) Nicht überwacht werden Schreiben des Gefangenen an

  1. Gerichte,
  2. Staatsanwaltschaften,
  3. Verteidiger, Beistände nach § 69 des Jugendgerichtsgesetzes,
  4. die Aufsichtsbehörde,
  5. Volksvertretungen des Bundes und der Länder, das Europäische Parlament und seine Mitglieder,
  6. den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte,
  7. den Europäischen Ausschuss zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe und weitere Einrichtungen, mit denen der Schriftverkehr aufgrund völkerrechtlicher Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland geschützt ist,
  8. den Ausschuss der Vereinten Nationen gegen Folter, den zugehörigen Unterausschuss zur Verhütung von Folter und die entsprechenden nationalen Präventionsmechanismen,
  9. den Ausschuss für Angelegenheiten der psychiatrischen Krankenversorgung,
  10. den Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit,
  11. die jeweiligen Landesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit und
  12. die jeweiligen Bürgerbeauftragten der Länder.

Bei ausländischen Staatsangehörigen ist ferner eine Überwachung und Beschränkung des Schriftverkehrs mit der konsularischen oder diplomatischen Vertretung des Heimatlandes nicht zulässig. Schreiben der in den Sätzen 1 bis 2 genannten Stellen, die an den Gefangenen gerichtet sind, werden nicht überwacht, sofern die Identität des Absenders zweifelsfrei feststeht. Liegt dein Vollzug eine Straftat nach § 129a, auch in Verbindung mit § 129b Abs. 1 des Strafgesetzbuches zugrunde, gelten § 148 Abs. 2 und § 148a der Strafprozessordnung entsprechend; dies gilt nicht, wenn der Gefangene sich im offenen Vollzug befindet oder wenn ihm Lockerungen nach § 45 gewährt worden sind und ein Grund, der den Anstaltsleiter zum Widerruf von Lockerungen ermächtigt, nicht vorliegt. Satz 4 gilt auch für den Vollzug, dem eine andere Verurteilung zugrunde liegt, wenn sich daran ein Vollzug anschließt, dem eine Verurteilung wegen einer Straftat nach § 129a, auch in Verbindung mit § 129b Abs. 1 des Strafgesetzbuches zugrunde liegt.

§ 42 Anhalten von Schreiben

(1) Der Anstaltsleiter kann Schreiben anhalten, wenn

  1. die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt gefährdet würde,
  2. die Weitergabe in Kenntnis ihres Inhalts einen Straftatbestand oder Bußgeldtatbestand verwirklichen würde,
  3. sie grob unrichtige oder erheblich entstellende Darstellungen von Anstaltsverhältnissen enthalten,
  4. sie Beleidigungen, üble Nachreden oder Verleumdungen zum Nachteil eines Bediensteten der Anstalt enthalten,
  5. sie in Geheimschrift oder Kurzschrift, unlesbar, unverständlich oder ohne zwingenden Grund in einer fremden Sprache abgefasst sind,
  6. bei dem Strafgefangenen oder dem Jugendstrafgefangenen die Erreichung des Vollzugsziels gefährdet würde,
  7. es die Aufgabe des Vollzugs der Untersuchungshaft erfordert oder
  8. sie die Eingliederung anderer Strafgefangener oder anderer Jugendstrafgefangener gefährden können.

(2) Einem ausgehenden Schreiben, das unrichtige Darstellungen von Anstaltsverhältnissen enthält, kann ein Begleitschreiben beigefügt werden, wenn der Gefangene auf dem Absenden des Schreibens besteht.

(3) Ist ein Schreiben angehalten worden, wird das dem Gefangenen mitgeteilt. Hiervon kann im Vollzug der Untersuchungshaft abgesehen werden, wenn und solange es dessen Aufgabe erfordert. Soweit ein angehaltenes Schreiben nicht beschlagnahmt wird, wird es an den Absender zurückgegeben oder, sofern dies unmöglich oder aus besonderen Gründen nicht angezeigt ist, verwahrt.

(4) Schreiben, deren Überwachung ausgeschlossen ist, dürfen nicht angehalten werden.

§ 43 Andere Formen der Telekommunikation

(1) Die Zulassung anderer Formen der Telekommunikation nach dem Telekommunikationsgesetz in der Anstalt bedarf der Zustimmung der Aufsichtsbehörde. Der Gefangene hat keinen Anspruch auf Erteilung der Zustimmung.

(2) Hat die Aufsichtsbehörde die Zustimmung erteilt, so kann die Anstalt dem Gefangenen die Nutzung der zugelassenen Telekommunikationsform gestatten, wenn sichergestellt ist, dass hierdurch nicht die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt gefährdet wird und sich der Gefangene mit den von der Anstalt zu diesem Zweck erlassenen Nutzungsbedingungen einverstanden erklärt. Die Nutzungsbedingungen dürfen keine Regelungen enthalten, die den Vorschriften dieses Gesetzes über den Schriftwechsel, den Besuch und über Telefongespräche entgegenstehen.

§ 44 Pakete

(1) Dem Gefangenen kann auf Antrag gestattet werden, Pakete zu empfangen. Der Empfang von Paketen mit Nahrungs- und Genussmitteln ist untersagt. Die Anstalt kann Anzahl, Gewicht und Größe von Sendungen und einzelnen Gegenständen festsetzen. Über § 54 Abs. 1 Satz 2 hinaus kann sie Gegenstände und Verpackungsformen ausschließen, die einen unverhältnismäßigen Kontrollaufwand bedingen.

(2) Die Anstalt kann die Annahme von Paketen, deren Einbringung nicht gestattet ist oder die die Voraussetzungen des Absatzes 1 nicht erfüllen, ablehnen oder solche Pakete an den Absender zurücksenden.

(3) Pakete sind in Gegenwart des Gefangenen zu öffnen, an den sie adressiert sind. Mit nicht zugelassenen oder ausgeschlossenen Gegenständen ist gemäß § 57 Abs. 3 zu verfahren. Sie können auch auf Kosten des Gefangenen zurückgesandt werden.

(4) Der Empfang von Paketen kann vorübergehend versagt werden, wenn dies wegen der Gefährdung der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt unerlässlich ist.

(5) Dem Gefangenen kann gestattet werden, Pakete zu versenden. Der Inhalt wird aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt in Gegenwart des Gefangenen überprüft und anschließend in seinem Beisein verschlossen.

(6) Die Kosten des Paketversandes trägt der Gefangene. Ist er dazu nicht in der Lage, kann die Anstalt die Kosten in begründeten Fällen in angemessenem Umfang übernehmen, soweit nicht ein Dritter leistungspflichtig ist.

Abschnitt 7
Lockerungen

§ 45 Lockerungen zur Erreichung des Vollzugsziels

(1) Dem Strafgefangenen oder dem Jugendstrafgefangenen können mit seiner Zustimmung Lockerungen zur Erreichung des Vollzugsziels gewährt werden, insbesondere

  1. das Verlassen der Anstalt für eine bestimmte Tageszeit unter Aufsicht eines Vollzugsbediensteten (Ausführung),
  2. das Verlassen der Anstalt für eine bestimmte Tageszeit in Begleitung einer von der Anstalt zugelassenen Person (Begleitausgang),
  3. das Verlassen der Anstalt für eine bestimmte Tageszeit ohne Begleitung (unbegleiteter Ausgang),
  4. das Verlassen der Anstalt für mehr als einen Tag (Langzeitausgang),
  5. die regelmäßige Beschäftigung außerhalb der Anstalt unter ständiger Aufsicht oder unter Aufsicht eines Vollzugsbediensteten in unregelmäßigen Abständen (Außenbeschäftigung),
  6. die regelmäßige Beschäftigung außerhalb der Anstalt ohne Aufsicht eines Vollzugsbediensteten (Freigang).

(2) Ausführungen dürfen gewährt werden, wenn nicht tatsächliche Anhaltspunkte mit hinreichender Wahrscheinlichkeit unter Berücksichtigung auch einer erhöhten Bewachungsdichte die konkrete Gefahr begründen, dass sich der Strafgefangene oder der Jugendstrafgefangene dem Vollzug der Freiheitsstrafe entziehen oder die Ausführungen zur Begehung von Straftaten oder auf andere Weise missbrauchen wird.

(3) Lockerungen nach Absatz 1 Nrn. 2 bis 6 dürfen gewährt werden, wenn der Strafgefangene oder der Jugendstrafgefangene für die jeweilige Maßnahme geeignet ist, insbesondere keine tatsächlichen Anhaltspunkte die abstrakte Gefahr begründen, dass er sich dem Vollzug der Freiheitsstrafe entziehen oder die Maßnahmen zur Begehung von Straftaten oder auf andere Weise missbrauchen wird. Lockerungen können versagt werden, wenn der Strafgefangene oder der Jugendstrafgefangene seiner Mitwirkungspflicht nach § 15 Abs. 3 nicht nachkommt. Bei der Prüfung von Lockerungen sind der Schutz der Allgemeinheit und die Belange des Opferschutzes in angemessener Weise zu berücksichtigen. Bei der Entscheidung sind auch die Feststellungen im Urteil und die im Ermittlungs- oder Strafverfahren erstatteten Gutachten zu berücksichtigen.

(4) Für Lockerungen ist insbesondere der Strafgefangene oder der Jugendstrafgefangene ungeeignet,

  1. der erheblich suchtgefährdet ist,
  2. der während des laufenden Freiheitsentzugs entwichen ist, eine Flucht versucht, einen Ausbruch unternommen oder sich an einer Gefangenenmeuterei beteiligt hat,
  3. der aus dem letzten Ausgang oder Langzeitausgang nicht freiwillig zurückgekehrt ist oder bei dem zureichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür gegeben sind, dass er während seines letzten Ausgangs oder Langzeitausgangs eine strafbare Handlung begangen hat,
  4. gegen den ein Ausweisungs-, Auslieferungs-, Ermittlungs- oder Strafverfahren anhängig ist oder
  5. bei dem zu befürchten ist, dass er einen negativen Einfluss ausüben, insbesondere die Erreichung des Vollzugsziels bei anderen Gefangenen gefährden würde.

(5) Ausnahmen von Absatz 4 können zugelassen werden, wenn besondere Umstände vorliegen; die Gründe hierfür sind aktenkundig zu machen. In den Fällen von Absatz 4 Nr. 4 ist die zuständige Behörde zu hören.

(6) Der Strafgefangene oder der Jugendstrafgefangene, gegen den während des laufenden Freiheitsentzugs eine Strafe wegen einer schwerwiegenden Straftat gegen die körperliche Unversehrtheit oder das Leben, gegen die sexuelle Selbstbestimmung, mit Ausnahme der §§ 180a und 181a des Strafgesetzbuches, oder wegen Handels mit Stoffen im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes vollzogen wurde oder zu vollziehen ist oder der im Vollzug in den begründeten Verdacht des Handels mit diesen Stoffen oder des Einbringens dieser Stoffe gekommen ist, ist für Lockerungen ungeeignet. Dies gilt auch für den Strafgefangenen oder den Jugendstrafgefangenen, über den Erkenntnisse vorliegen, dass er der organisierten Kriminalität zuzurechnen ist. Ausnahmen von Satz 1 und 2 können zugelassen werden, wenn besondere Umstände vorliegen; die Gründe hierfür sind aktenkundig zu machen.

(7) Langzeitausgang soll 21 Kalendertage im Jahr nicht übersteigen und erst gewährt werden, wenn sich der Strafgefangene oder der Jugendstrafgefangene mindestens sechs Monate im Vollzug der Freiheitsstrafe oder der Jugendstrafe befunden und sich im Ausgang oder Freigang bewährt hat. Der zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilte Strafgefangene kann einen Langzeitausgang in der Regel erst erhalten, wenn er sich einschließlich einer vorhergehenden Untersuchungshaft oder einer anderen Freiheitsentziehung zehn Jahre im Vollzug befunden und sich im Ausgang oder Freigang bewährt hat oder wenn er im offenen Vollzug untergebracht ist.

(8) Lockerungen werden nur zum Aufenthalt innerhalb des Geltungsbereiches des Grundgesetzes gewährt. Durch sie wird die Vollstreckung der Freiheitsstrafe oder der Jugendstrafe nicht unterbrochen.

(9) Die Gewährung von Lockerungen kann davon abhängig gemacht werden, dass die Überwachung erteilter Weisungen nach § 47 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 1 bis 5 durch eine elektronische Aufenthaltsüberwachung unterstützt wird.

§ 46 Lockerungen aus wichtigem Anlass

(1) Lockerungen können auch aus wichtigem Anlass gewährt werden. Wichtige Anlässe sind insbesondere die Teilnahme an gerichtlichen Terminen, die medizinische Behandlung des Strafgefangenen oder des Jugendstrafgefangenen sowie der Tod oder eine lebensgefährliche Erkrankung naher Angehöriger. § 45 Abs. 2 bis 9 sowie die § § 47 und 48 gelten entsprechend.

(2) Ausführungen zur Befolgung einer gerichtlichen Ladung sind zu ermöglichen, soweit darin das persönliche Erscheinen angeordnet ist.

(3) Aus den in Absatz 1 genannten Gründen kann der Untersuchungsgefangene ausgeführt werden. Vor der Gewährung einer Ausführung des Untersuchungsgefangenen ist dem Gericht und der Staatsanwaltschaft Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.

(4) Wird der Gefangene aus wichtigem Anlass ausgeführt und liegt diese Ausführung ausschließlich im Inter esse des Gefangenen, so werden ihm dafür die Kosten auferlegt, soweit dies seine Behandlung oder Eingliederung nicht behindert und kein Dritter leistungspflichtig ist.

(5) Der Gefangene kann aus besonderen Gründen auch gegen seinen Willen ausgeführt werden.

§ 47 Weisungen für Lockerungen

(1) Für Lockerungen sind die nach den Umständen des Einzelfalls erforderlichen Weisungen zu erteilen. Insbesondere kann der Strafgefangene oder der Jugendstrafgefangene angewiesen werden,

  1. Anordnungen zu befolgen, die sich auf Aufenthalt, Ausbildung, Arbeit oder Freizeit oder die Ordnung ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse beziehen,
  2. den Wohn- oder Aufenthaltsort oder einen bestimmten Bereich nicht ohne Erlaubnis zu verlassen,
  3. sich nicht an bestimmten Orten aufzuhalten, insbesondere sich den Opfern und deren Wohnbereich nicht zu nähern,
  4. Kontakte mit bestimmten Personen oder Gruppen zu meiden,
  5. sich zu festgesetzten Zeiten bei einer bestimmten Stelle oder Person zu melden,
  6. sich einer bestimmten Betreuungsperson zu unterstellen,
  7. bestimmte Gegenstände nicht zu besitzen,
  8. Alkohol oder andere berauschende Stoffe zu meiden,
  9. Proben zur Überwachung einer Weisung nach Nummer 8 in einer Anstalt oder bei einer anderen bestimmten Stelle abzugeben oder
  10. die für eine elektronische Überwachung ihres Aufenthaltsortes nach Absatz 2 erforderlichen technischen Mittel ständig in betriebsbereitem Zustand bei sich zu führen und deren Funktionsfähigkeit nicht zu beeinträchtigen.

(2) Der Anstaltsleiter kann eine elektronische Aufenthaltsüberwachung anordnen und eine Weisung nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 10 erteilen, wenn dies erforderlich erscheint, um den Strafgefangenen oder den Jugendstrafgefangenen davon abzuhalten,

  1. gegen Weisungen nach Absatz 1 Satz 2 Nrn. 1 bis 5 zu verstoßen,
  2. sich dem Vollzug der Freiheitsstrafe zu entziehen oder
  3. Straftaten zu begehen.

(3) Bei der Ausgestaltung der Lockerungen ist nach Möglichkeit auch den Belangen des Opfers der Straftat Rechnung zu tragen.

§ 48 Begutachtung und Untersuchung, Zustimmung der Aufsichtsbehörde

(1) Der Anstaltsleiter ordnet an, dass sich der Strafgefangene oder der Jugendstrafgefangene nach wissenschaftlichen Standards begutachten oder körperlich untersuchen lässt, wenn dies zur Feststellung der Voraussetzungen einer Verlegung in den offenen Vollzug oder der Gewährung von Lockerungen erforderlich ist. Die Erforderlichkeit ist in der Regel gegeben

  1. bei Verurteilung zu lebenslanger Freiheitsstrafe,
  2. bei Verurteilungen mit angeordneter oder vorbehaltener Sicherungsverwahrung,
  3. bei Verurteilungen wegen einer Straftat
    1. nach den § § 174 bis 180, 182, 211 oder 212 des Strafgesetzbuches oder
    2. nach § 323a des Strafgesetzbuches, soweit die im Rausch begangene Tat eine der in Buchstabe a genannten Taten ist, oder
  4. wenn Tatsachen die Annahme begründen, dass eine Abhängigkeit oder ein Missbrauch von Suchtmitteln oder Arzneimitteln vorliegt.

Insbesondere in den Fällen des Satzes 2 Nrn. 1 und 2 sollen Sachverständige verschiedener Fachrichtungen an der Begutachtung beteiligt werden.

(2) Blutentnahmen oder andere körperliche Eingriffe sind zulässig, wenn sie von einem Arzt vorgenommen werden und ein Nachteil für die Gesundheit des Strafgefangenen oder des Jugendstrafgefangenen nicht zu befürchten ist.

(3) Die Begutachtung oder körperliche Untersuchung bedarf der Zustimmung des Strafgefangenen oder des Jugendstrafgefangenen. Verweigert der Strafgefangene oder der Jugendstrafgefangene die Zustimmung, so ist in der Regel der Schluss zu ziehen, dass die Voraussetzungen für die Verlegung in den offenen Vollzug oder die Gewährung von Lockerungen nicht gegeben sind. Der Strafgefangene oder der Jugendstrafgefangene ist hierauf bei der Anordnung nach Absatz 1 hinzuweisen.

(4) Blut und sonstige Körperzellen dürfen nur für den der Anordnung zugrunde liegenden Zweck verwendet werden. Für einen anderen vollzuglichen Zweck dürfen sie verwendet werden, wenn ihre Entnahme auch zu diesem Zweck zulässig wäre oder wenn der Strafgefangene oder der Jugendstrafgefangene zustimmt. Liegt eine Zustimmung des Strafgefangenen oder des Jugendstrafgefangenen nicht vor, so ist er über die Verwendung zu einem anderen vollzuglichen Zweck zu unterrichten. Blut und sonstige Körperzellen sind unverzüglich zu vernichten, sobald sie für Zwecke nach Satz 1 oder 2 nicht mehr benötigt werden.

(5) Eine Begutachtung oder körperliche Untersuchung kann auch angeordnet werden, wenn dies für die Vorbereitung einer anderen vollzuglichen Entscheidung, insbesondere zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt, erforderlich ist.

(6) Die Aufsichtsbehörde kann die Verlegung des Strafgefangenen oder des Jugendstrafgefangenen in den offenen Vollzug und die Gewährung von Lockerungen, mit Ausnahme von Ausführungen, von ihrer Einwilligung abhängig machen.

Abschnitt 8
Vorbereitung der Eingliederung, Entlassung und nachgehende Betreuung

§ 49 Vorbereitung der Eingliederung

(1) Die Maßnahmen zur sozialen und beruflichen Eingliederung sind auf den Zeitpunkt der voraussichtlichen Entlassung in die Freiheit abzustellen. Der Strafgefangene oder der Jugendstrafgefangene ist bei der Ordnung seiner persönlichen, wirtschaftlichen und sozialen Angelegenheiten zu unterstützen. Dies umfasst die Vermittlung in nachsorgende Maßnahmen.

(2) Die Anstalt arbeitet frühzeitig mit Personen und Einrichtungen außerhalb des Vollzugs zusammen, insbesondere um zu erreichen, dass der Strafgefangene oder der Jugendstrafgefangene nach seiner Entlassung über eine geeignete Unterbringung und eine Arbeits- oder Ausbildungsstelle verfügt. Bewährungshilfe und Führungsaufsicht beteiligen sich frühzeitig an der sozialen und beruflichen Eingliederung des Strafgefangenen oder des Jugendstrafgefangenen.

(3) Dem Strafgefangenen oder dem Jugendstrafgefangenen können Aufenthalte in Einrichtungen außerhalb des Vollzugs gewährt werden, wenn dies zur Vorbereitung der Eingliederung erforderlich ist und er hierfür geeignet ist, insbesondere keine tatsächlichen Anhaltspunkte die abstrakte Gefahr begründen, dass er sich dem Vollzug der Freiheitsstrafe oder der Jugendstrafe entziehen oder die Möglichkeiten des Aufenthaltes in diesen Einrichtungen zu Straftaten oder auf andere Weise missbrauchen wird. Hat sich der Strafgefangene oder der Jugendstrafgefangene mindestens sechs Monate im Vollzug befunden, kann ihm auch ein zusammenhängender Langzeitausgang bis zu sechs Monaten gewährt werden, wenn dies zur Vorbereitung der Eingliederung erforderlich ist. § 45 Abs. 4 bis 9 sowie die § § 47 und 48 gelten entsprechend.

(4) In einem Zeitraum von sechs Monaten vor der voraussichtlichen Entlassung sind dem Strafgefangenen oder dem Jugendstrafgefangenen die zur Vorbereitung der Eingliederung erforderlichen Lockerungen zu gewähren, wenn er für diese Maßnahmen geeignet ist, insbesondere keine tatsächlichen Anhaltspunkte die abstrakte Gefahr begründen, dass er sich dem Vollzug der Freiheitsstrafe oder der Jugendstrafe entziehen oder die Lockerungen des Vollzugs zu Straftaten oder auf andere Weise missbrauchen wird. § 45 Abs. 4 bis 9 sowie die §§ 47 und 48 gelten entsprechend.

§ 50 Entlassung des Strafgefangenen oder des Jugendstrafgefangenen

(1) Der Strafgefangene oder der Jugendstrafgefangene soll am letzten Tag seiner Strafzeit möglichst frühzeitig, jedenfalls noch am Vormittag, entlassen werden.

(2) Fällt das Strafende auf einen Sonnabend oder Sonntag, einen gesetzlichen Feiertag, den ersten Werktag nach Ostern oder Pfingsten oder in die Zeit vom 22. Dezember bis zum 6. Januar, so kann der Strafgefangene oder der Jugendstrafgefangene an dem diesem Tag oder Zeitraum vorhergehenden Werktag entlassen werden, wenn dies gemessen an der Dauer der Strafzeit vertretbar ist und Gründe der Fürsorge nicht entgegenstehen.

(3) Der Entlassungszeitpunkt kann bis zu zwei Tage vorverlegt werden, wenn der Strafgefangene oder der Jugendstrafgefangene zu seiner Eingliederung hierauf dringend angewiesen ist.

(4) Dem bedürftigen Strafgefangenen oder dem bedürftigen Jugendstrafgefangenen kann eine Entlassungsbeihilfe in Form eines Reisekostenzuschusses, angemessener Kleidung oder einer sonstigen notwendigen Unterstützung gewährt werden.

(5) Der Anspruch auf Auszahlung von Reisekostenzuschuss und sonstiger notwendiger Unterstützung in Geld ist nicht übertragbar. Er ist auch nicht auf andere Leistungen anrechenbar.

§ 51 Nachgehende Betreuung

Der Anstaltsleiter kann mit Zustimmung des Bediensteten gestatten, dass der Bedienstete an der nachgehenden Betreuung eines entlassenen Strafgefangenen oder eines entlassenen Jugendstrafgefangenen mitwirkt, wenn der Strafgefangene oder der Jugendstrafgefangene zustimmt und ohne nachgehende Betreuung die Eingliederung gefährdet wäre. Die nachgehende Betreuung erfolgt nur innerhalb der ersten sechs Monate nach der Entlassung.

§ 52 Verbleib oder Aufnahme auf freiwilliger Grundlage

(1) Sofern es die Belegungssituation zulässt, kann der Strafgefangene oder der Jugendstrafgefangene auf Antrag ausnahmsweise vorübergehend in der Anstalt verbleiben oder wieder aufgenommen werden, wenn die Eingliederung gefährdet und ein Aufenthalt in der Anstalt aus diesem Grund gerechtfertigt ist. Die Unterbringung erfolgt auf vertraglicher Basis. Die Kosten für die Unterbringung trägt der in der Anstalt untergebrachte Entlassene. Ist er dazu nicht in der Lage, kann die Anstalt die Kosten in begründeten Fällen in angemessenem Umfang übernehmen, soweit nicht ein Dritter leistungspflichtig ist.

(2) Der Jugendstrafgefangene kann ausnahmsweise nach seiner Entlassung eine im Vollzug begonnene Ausbildungsmaßnahme oder Behandlungsmaßnahme fortführen, soweit diese nicht anderweitig durchgeführt werden kann. Hierzu kann er vorübergehend auf vertraglicher Basis in der Anstalt untergebracht werden. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Gegen den in der Anstalt untergebrachten Entlassenen dürfen Maßnahmen des Vollzugs nicht mit unmittelbarem Zwang durchgesetzt werden.

(4) Bei Störung des Anstaltsbetriebs durch den Entlassenen oder aus vollzugsorganisatorischen Gründen können die Unterbringung und die Maßnahme jederzeit beendet werden.

(5) Auf ihren Antrag ist die verbliebene oder aufgenommene Person unverzüglich zu entlassen.

§ 53 Entlassung des Untersuchungsgefangenen

(1) Auf Anordnung des Gerichts oder der Staatsanwaltschaft entlässt die Anstalt den Untersuchungsgefangenen unverzüglich aus der Haft, es sei denn, es ist in anderer Sache eine richterlich angeordnete Freiheitsentziehung zu vollziehen.

(2) Aus Gründen der Fürsorge kann dem Untersuchungsgefangenen der freiwillige Verbleib in der Anstalt bis zum Vormittag des zweiten auf den Eingang der Entlassungsanordnung folgenden Werktags gestattet werden. Der freiwillige Verbleib setzt das schriftliche Einverständnis des Untersuchungsgefangenen voraus, dass die bisher bestehenden Beschränkungen aufrechterhalten bleiben.

(3) § 50 Abs. 4 und 5 gilt entsprechend.

Abschnitt 9
Persönlicher Besitz, Einkauf und Verpflegung, Freizeit

§ 54 Einbringen von Gegenständen

(1) Gegenstände dürfen durch oder für den Gefangenen nur mit Zustimmung der Anstalt eingebracht werden. Die Anstalt kann die Zustimmung verweigern, wenn die Gegenstände geeignet sind, die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt oder die Erreichung des Vollzugsziels zu gefährden, oder ihre Aufbewahrung nach Art oder Umfang offensichtlich nicht möglich ist.

(2) Das Einbringen von Nahrungsmitteln, Genussmitteln, Kameras, Computern und technischen Geräten, insbesondere solchen mit der Möglichkeit zur Speicherung und Übertragung von Daten, ist nicht gestattet.

§ 55 Gewahrsam an Gegenständen

(1) Der Gefangene darf Gegenstände nur mit Zustimmung der Anstalt besitzen, annehmen oder abgeben. Die Anstalt kann die Zustimmung verweigern oder widerrufen, wenn die Gegenstände die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt oder die Erreichung des Vollzugsziels gefährden.

(2) Der Gefangene darf ohne Zustimmung der Anstalt Gegenstände von geringem Wert an andere Gefangene weitergeben und von anderen Gefangenen annehmen. Die Anstalt kann Abgabe und Annahme auch dieser Gegenstände von einer Anzeige und ihrer Zustimmung abhängig machen.

(3) Der Besitz, die Annahme und Abgabe von Kameras, Computern sowie von technischen Geräten, insbesondere solchen mit der Möglichkeit zur Speicherung und Übertragung von Daten, ist nicht gestattet.

§ 56 Ausstattung des Haftraums

(1) Der Gefangene darf seinen Haftraum in angemessenem Umfang mit eigenen Gegenständen ausstatten oder diese dort aufbewahren. Gegenstände dürfen nicht in den Haftraum eingebracht werden oder werden aus dem Haftraum entfernt, wenn sie geeignet sind,

  1. die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt, insbesondere die Übersichtlichkeit des Haftraums, zu gefährden oder
  2. bei dem Strafgefangenen oder dem Jugendstrafgefangenen die Erreichung des Vollzugsziels zu gefährden.

(2) Die § § 54 und 55 Abs. 3 gelten entsprechend.

§ 57 Aufbewahrung und Vernichtung von Gegenständen

(1) Gegenstände, die der Gefangene nicht im Haftraum aufbewahren darf oder will, werden von der Anstalt aufbewahrt, soweit dies nach Art und Umfang möglich ist.

(2) Dem Gefangenen wird Gelegenheit gegeben, seine Gegenstände, die er während des Vollzugs und für seine Entlassung nicht benötigt, auf seine Kosten zu versenden.

(3) Werden Gegenstände, deren Aufbewahrung nach Art oder Umfang nicht möglich ist, von dem Gefangenen trotz Aufforderung nicht aus der Anstalt verbracht, so darf die Anstalt diese Gegenstände auf Kosten des Gefangenen außerhalb der Anstalt verwahren, verwerten oder vernichten. Für die Voraussetzungen und das Verfahren der Verwertung und Vernichtung gilt § 47 des Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung des Landes Sachsen-Anhalt entsprechend.

(4) Aufzeichnungen und andere Gegenstände, die Kenntnisse über Sicherungsvorkehrungen einer Anstalt vermitteln oder Schlussfolgerungen auf diese zulassen, dürfen vernichtet oder unbrauchbar gemacht werden.

§ 58 Zeitungen und Zeitschriften

(1) Der Gefangene darf auf eigene Kosten Zeitungen und Zeitschriften in angemessenem Umfang durch Vermittlung der Anstalt beziehen. Ausgeschlossen sind lediglich Zeitungen und Zeitschriften, deren Verbreitung mit Strafe oder Geldbuße bedroht ist.

(2) Dem Strafgefangenen oder dem Jugendstrafgefangenen können einzelne Ausgaben vorenthalten oder entzogen werden, wenn deren Inhalte die Erreichung des Vollzugsziels oder die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt erheblich gefährden würden.

(3) Dem Untersuchungsgefangenen können Zeitungen oder Zeitschriften vorenthalten werden, wenn dies zur Umsetzung einer Anordnung nach § 119 Abs. 1 der Strafprozessordnung erforderlich ist. Für einzelne Ausgaben gilt dies auch dann, wenn deren Inhalte die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt erheblich gefährden würden.

§ 59 Rundfunk, Informations- und Unterhaltungselektronik

(1) Der Hörfunk- und Fernsehempfang ist zu ermöglichen. Er kann vorübergehend ausgesetzt oder dem Gefangenen untersagt werden, wenn dies zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt, bei dem Untersuchungsgefangenen auch zur Umsetzung einer Anordnung nach § 119 Abs. 1 der Strafprozessordnung, unerlässlich ist.

(2) Der Anstaltsleiter erlaubt den Besitz eines Hörfunk- und Fernsehgerätes im Haftraum, wenn nicht Gründe des § 56 Abs. 1 Satz 2 oder bei dem jungen Gefangenen erzieherische Gründe entgegenstehen. In der Erlaubnis kann der Gefangene darauf verwiesen werden, anstelle eigener von der Anstalt überlassene Geräte zu verwenden. Eine solche Bestimmung kann auch nachträglich getroffen werden. Andere Geräte der Informations- und Unterhaltungselektronik können unter diesen Voraussetzungen zugelassen werden. Wird der Gefangene auf überlassene Geräte verwiesen, kann er nicht den Besitz eigener Geräte verlangen.

(3) Der Anstaltsleiter kann den Betrieb von Empfangsanlagen mit Zustimmung der Aufsichtsbehörde einem Dritten übertragen.

(4) Die Zulassung von anderen Geräten der Informations- und Unterhaltungselektronik nach Absatz 2 Satz 4 bedarf der Zustimmung der Aufsichtsbehörde. Diese kann allgemeine Richtlinien für die Gerätebeschaffenheit erlassen. Eine ohne Zustimmung nach Satz 1 erteilte Zulassung kann zurückgenommen werden.

§ 60 Kleidung

(1) Der Strafgefangene oder der Jugendstrafgefangene trägt Anstaltskleidung. Der Anstaltsleiter kann eine abweichende Regelung treffen.

(2) Der Untersuchungsgefangene darf eigene Kleidung tragen. Dieses Recht kann eingeschränkt oder ausgeschlossen werden, soweit es zur Umsetzung einer Anordnung nach § 119 Abs. 1 der Strafprozessordnung oder zur Gewährleistung der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt erforderlich ist.

(3) Für Reinigung und Instandsetzung eigener Kleidung hat der Gefangene auf seine Kosten zu sorgen. Der Anstaltsleiter kann anordnen, dass Reinigung und Instandsetzung nur durch Vermittlung der Anstalt erfolgen dürfen.

§ 61 Anstaltsverpflegung und Einkauf

(1) Zusammensetzung und Nährwert der Anstaltsverpflegung haben den Anforderungen an eine gesunde Ernährung zu entsprechen und werden ärztlich überwacht. Auf ärztliche Anordnung wird besondere Verpflegung gewährt. Dem Gefangenen ist zu ermöglichen, Speisevorschriften seiner Religionsgemeinschaft zu befolgen.

(2) Der Gefangene kann aus einem von der Anstalt vermittelten Angebot Nahrungs-, Genuss- und Körperpflegemittel einkaufen. Die Anstalt wirkt auf ein Angebot hin, das auf Wünsche und Bedürfnisse des Gefangenen Rücksicht nimmt.

(3) Darüber hinaus kann der Gefangene zu Weihnachten, Ostern und einem von ihm zu wählenden weiteren Zeitpunkt von insoweit zweckgebunden eingezahltem Eigengeld einkaufen. Dem Gefangenen, der nicht einer christlichen Religionsgemeinschaft angehört, kann anstelle des Weihnachtseinkaufs und des Ostereinkaufs je ein Einkauf zu einem anderen Zeitpunkt gestattet werden.

(4) Dem Gefangenen soll die Möglichkeit eröffnet werden, Gegenstände durch Vermittlung der Anstalt über den Versandhandel zu beziehen. Nahrungs- und Genussmittel sind vom Versandhandel ausgeschlossen.

(5) Gegenstände, die geeignet sind, das Vollzugsziel oder die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt zu gefährden, insbesondere Kameras, Computer und technische Geräte, insbesondere solche mit der Möglichkeit zur Speicherung und Übertragung von Daten, sind vom Einkauf und Versandhandel ausgeschlossen. In Anstaltskrankenhäusern und Krankenabteilungen kann der Einkauf einzelner Nahrungsmittel und Genussmittel auf ärztliche Anordnung allgemein untersagt oder eingeschränkt werden.

§ 62 Annehmlichkeiten im Vollzug der Untersuchungshaft

Der Untersuchungsgefangene darf sich auf seine Kosten weitere Annehmlichkeiten verschaffen, die über die Annehmlichkeiten der §§ 56 und 58 bis 61 hinausgehen, soweit und solange eine Anordnung nach § 119 Abs. 1 der Strafprozessordnung dem nicht entgegensteht oder die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt nicht gefährdet wird.

§ 63 Freizeit

(1) Zur Ausgestaltung der Freizeit hat die Anstalt insbesondere Angebote zur sportlichen und kulturellen Betätigung sowie Bildungsangebote vorzuhalten. Die Anstalt stellt eine angemessen ausgestattete Mediathek zur Verfügung.

(2) Dem Sport kommt bei der Gestaltung des Vollzugs der Jugendstrafe und der Untersuchungshaft an jungen Untersuchungsgefangenen besondere Bedeutung zu. Für den jungen Gefangenen sind ausreichende und geeignete Angebote vorzuhalten, um ihm eine sportliche Betätigung von mindestens zwei Stunden wöchentlich zu ermöglichen.

(3) Im Vollzug der Jugendstrafe dient der Sport auch der Erreichung des Vollzugsziels und kann zur Diagnostik und gezielten Behandlung eingesetzt werden.

(4) Der Gefangene ist zur Teilnahme und Mitwirkung an Angeboten der Freizeitgestaltung zu motivieren und anzuleiten.

Abschnitt 10
Vergütung und Gelder des Gefangenen, Kostenbeteiligung

§ 64 Vergütung 24

(1) Der Gefangene erhält eine Vergütung in Form von

  1. Arbeitsentgelt, soweit er eine Arbeit, eine arbeitstherapeutische Maßnahme, ein Arbeitstraining oder eine Hilfstätigkeit ausübt, oder
  2. einer Ausbildungsbeihilfe, soweit er während der Arbeitszeit an schulischen und beruflichen Qualifizierungsmaßnahmen teilnimmt und kein Anspruch auf andere Leistungen besteht, die Personen außerhalb des Vollzugs aus solchem Anlass gewährt werden.

(2) Der Gefangene erhält seine Vergütung für die Dauer seiner Teilnahme an Behandlungsmaßnahmen in der Sozialtherapie weiter, soweit diese während der Arbeitszeit stattfinden oder soweit zu diesem Zweck eine Freistellung von schulischen und beruflichen Qualifizierungsmaßnahmen erfolgt.

(3) Der Bemessung der Vergütung sind 9 v. H. der Bezugsgröße nach § 18 (gültig bis 31.12.2024 Abs. 2) des Vierten Buches Sozialgesetzbuch zugrunde zu legen (Eckvergütung). Ein Tagessatz ist der 250. Teil der Eckvergütung; die Vergütung kann nach einem Stundensatz bemessen werden.

(4) Die Vergütung kann je nach Art der Maßnahme und Leistung des Gefangenen gestuft werden. Sie beträgt mindestens 75 v. H. der Eckvergütung.

(5) Soweit Beiträge zur Bundesagentur für Arbeit zu entrichten sind, kann vom Arbeitsentgelt oder der Ausbildungsbeihilfe ein Betrag einbehalten werden, der dem Anteil des Gefangenen am Beitrag entspräche, wenn er diese Bezüge als Arbeitnehmer erhielte.

(6) Die Höhe der Vergütung ist dem Gefangenen schriftlich bekannt zu geben.

§ 65 Taschengeld

(1) Dem Strafgefangenen oder dem Jugendstrafgefangenen wird auf Antrag Taschengeld gewährt, soweit ihm aus Hausgeld und Eigengeld monatlich ein Betrag bis zur Höhe des Taschengeldes voraussichtlich nicht zur Verfügung steht und er auch im Übrigen bedürftig ist.

(2) Der Strafgefangene oder der Jugendstrafgefangene gilt nicht als bedürftig, wenn ihm ein Betrag nach Absatz 1 deshalb nicht zur Verfügung steht, weil er eine ihm zumutbare Tätigkeit nicht angenommen oder eine ausgeübte Tätigkeit verschuldet verloren hat.

(3) Dem bedürftigen Untersuchungsgefangenen wird auf Antrag Taschengeld gewährt. Bedürftig ist er, soweit ihm im laufenden Monat ein Betrag bis zur Höhe des Taschengeldes voraussichtlich nicht aus eigenen Mitteln zur Verfügung steht.

(4) Das Taschengeld beträgt 14 v. H. der Eckvergütung. Es wird zu Beginn des Monats im Voraus gewährt. Gehen dem Gefangenen im Laufe des Monats Gelder zu, wird zum Ausgleich ein Betrag bis zur Höhe des gewährten Taschengeldes einbehalten.

(5) Der Gefangene darf über das Taschengeld im Rahmen der Bestimmungen dieses Gesetzes verfügen. Im Vollzug der Freiheitsstrafe und der Jugendstrafe wird es dem Hausgeldkonto gutgeschrieben.

§ 66 Verordnungsermächtigung

Das für Justizvollzug zuständige Ministerium wird zur Durchführung der § § 64 und 65 ermächtigt, eine Verordnung über die Vergütungsstufen sowie die Bemessung des Arbeitsentgeltes, der Ausbildungsbeihilfe und des Taschengeldes zu erlassen.

§ 67 Verwaltung der Gefangenengelder

(1) Die Ansprüche des Gefangenen gegen das Land auf Arbeitsentgelt, Ausbildungsbeihilfe und Taschengeld sowie die der Anstalt überwiesenen Ansprüche des Gefangenen gegen Dritte aus einem freien Beschäftigungsverhältnis oder einer Selbstbeschäftigung werden nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen verwaltet, zu diesem Zweck auf gesonderten Konten als Hausgeld, Überbrückungsgeld oder Eigengeld gutgeschrieben und bestehen als Geldforderungen gegen das Land fort. Gleiches gilt für die Ansprüche des Gefangenen gegen das Land auf Auszahlung des von ihm in den Vollzug eingebrachten Bargeldes sowie für sonstige der Anstalt zur Gutschrift für den Gefangenen überwiesenen oder eingezahlten Gelder.

(2) Für den Untersuchungsgefangenen wird nur ein Eigengeldkonto in der Anstalt geführt.

(3) Der Besitz von Bargeld in der Anstalt ist dem Gefangenen nicht gestattet. Über Ausnahmen entscheidet der Anstaltsleiter.

(4) Geld in Fremdwährung wird zur Habe genommen.

§ 68 Hausgeld

(1) Als Hausgeld gutgeschrieben werden Ansprüche

  1. auf Arbeitsentgelt oder Ausbildungsbeihilfe zu drei Siebteln,
  2. auf Taschengeld in voller Höhe sowie
  3. aus einem freien Beschäftigungsverhältnis oder einer Selbstbeschäftigung, die der Anstalt zur Gutschrift für den Strafgefangenen oder den Jugendstrafgefangenen überwiesen worden sind, zu einem angemessenen Teil.

Die Summe der Beträge nach Satz 1 Nrn. 1 und 3 darf den Betrag nach Satz 1 Nr. 2 nicht unterschreiten.

(2) Für den Strafgefangenen oder den Jugendstrafgefangenen, der über Eigengeld verfügt und keine hinreichende Vergütung nach diesem Gesetz erhält, gilt Absatz 1 Satz 1 Nr. 3 und Satz 2 entsprechend.

(3) Der Strafgefangene oder der Jugendstrafgefangene darf über das Hausgeld im Rahmen der Bestimmungen dieses Gesetzes verfügen.

(4) Der Anspruch auf Auszahlung des Hausgeldes ist nicht übertragbar.

§ 69 Überbrückungsgeld

(1) Als Überbrückungsgeld gutgeschrieben werden Ansprüche

  1. auf Arbeitsentgelt oder Ausbildungsbeihilfe,
  2. aus einem freien Beschäftigungsverhältnis oder einer Selbstbeschäftigung, die der Anstalt zur Gutschrift für den Strafgefangenen oder den Jugendstrafgefangenen überwiesen worden sind, zu einem angemessenem Teil,

soweit sie nicht als Hausgeld gutgeschrieben werden und soweit die nach Absatz 2 Satz 2 festgesetzte Höhe noch nicht erreicht ist. Wird die Befugnis, über das Hausgeld zu verfügen, disziplinarisch beschränkt oder entzogen, so ist das in dieser Zeit anfallende Hausgeld dem Überbrückungsgeld hinzuzurechnen, auch soweit dadurch die nach Absatz 2 Satz 2 festgesetzte Höhe überschritten wird.

(2) Das Überbrückungsgeld soll den notwendigen Lebensunterhalt des Strafgefangenen oder des Jugendstrafgefangenen und seiner Unterhaltsberechtigten für die ersten vier Wochen nach seiner Entlassung sichern. Die Höhe des Überbrückungsgeldes wird von dem Anstaltsleiter festgesetzt.

(3) Das Guthaben auf dem Überbrückungsgeldkonto wird dem Strafgefangenen oder dem Jugendstrafgefangenen bei seiner Entlassung ausgezahlt. Der Anstaltsleiter kann es auch dem Bewährungshelfer oder einer mit der Entlassenenbetreuung befassten Stelle überweisen, die darüber entscheiden, wie das Geld innerhalb der ersten vier Wochen nach der Entlassung an den Strafgefangenen oder den Jugendstrafgefangenen ausgezahlt wird. Das Geld ist vom sonstigen Vermögen gesondert zu halten. Mit Zustimmung des Strafgefangenen oder des Jugendstrafgefangenen kann das Überbrückungsgeld auch an seine Unterhaltsberechtigten überwiesen werden.

(4) Der Anstaltsleiter kann dem Strafgefangenen oder dem Jugendstrafgefangenen gestatten, dass er das Überbrückungsgeld vor seiner Entlassung für Ausgaben in Anspruch nimmt, die seiner Eingliederung dienen.

§ 70 Eigengeld

(1) Soweit Ansprüche der in § 67 Abs. 1 bezeichneten Art nicht als Hausgeld oder Überbrückungsgeld gutgeschrieben werden, werden sie als Eigengeld gutgeschrieben.

(2) Die Verwendung des Eigengeldes für den Einkauf ist ausgeschlossen. Verfügt der Gefangene ohne Verschulden nicht über Hausgeld, so ist ihm zu gestatten, in angemessenem Umfang vom Eigengeld einzukaufen.

(3) Hat das Überbrückungsgeld noch nicht die nach § 69 Abs. 2 Satz 2 festgesetzte Höhe erreicht, so ist die Verfügung über das Guthaben auf dem Eigengeldkonto in Höhe des Unterschiedsbetrages ausgeschlossen. § 69 Abs. 4 gilt entsprechend.

§ 71 Zweckgebundene Einzahlungen

Für Maßnahmen der Eingliederung, insbesondere Kosten der Gesundheitsfürsorge, der Ausbildung und der Fortbildung, sowie für Maßnahmen der Pflege sozialer Beziehungen, insbesondere Telefonkosten und Fahrtkosten anlässlich von Lockerungen, sowie für den Einkauf nach § 61 Abs. 3 kann zweckgebunden Geld eingezahlt werden. Das Geld darf nur für diese Zwecke verwendet werden. Der Anspruch auf Auszahlung ist nicht übertragbar.

§ 72 Haftkostenbeitrag, Kostenbeteiligung

(1) Die Anstalt erhebt von dem Strafgefangenen oder dem Jugendstrafgefangenen, der sich in einem freien Beschäftigungsverhältnis befindet oder über anderweitige regelmäßige Einkünfte verfügt, für diese Zeit einen Haftkostenbeitrag. Vergütungen nach diesem Gesetz bleiben unberücksichtigt. Dem Strafgefangenen oder dem Jugendstrafgefangenen muss täglich ein Tagessatz gemäß § 64 Abs. 3 Satz 2 verbleiben.

(2) Der Haftkostenbeitrag wird in Höhe des Betrages erhoben, der nach § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch durchschnittlich zur Bewertung der Sachbezüge festgesetzt ist. Bei Selbstverpflegung entfallen die für die Verpflegung vorgesehenen Beträge. Für den Wert der Unterkunft ist die festgesetzte Belegungsfähigkeit maßgebend.

(3) Der Gefangene wird an den Betriebs- und Energiekosten für die in seinem Gewahrsam befindlichen Geräte und an den Kosten für die Überlassung von Hörfunk- und Fernsehgeräten sowie Geräten der Informations- und Unterhaltungselektronik beteiligt.

(4) Das für Justizvollzug zuständige Ministerium wird ermächtigt, durch Verordnung näher zu regeln, unter welchen Voraussetzungen und in welcher Höhe Kostenbeiträge nach Absatz 3 erhoben werden können. Für die Bemessung können pauschale Sätze festgelegt werden. Für einzelne Kostenbeiträge kann vorgesehen werden, dass die tatsächlich entstandenen Kosten in voller Höhe von dem Gefangenen zu tragen sind.

(5) Von der Erhebung von Kostenbeiträgen ist abzusehen, soweit dies notwendig ist, um die Erreichung des Vollzugsziels nicht zu gefährden. Für Zeiten, in denen der Gefangene unverschuldet bedürftig ist, soll von der Erhebung von Kostenbeiträgen abgesehen werden.

(6) Zur Durchsetzung eines Anspruchs nach den Absätzen 1 bis 3 kann die Anstalt gegen den Anspruch auf Auszahlung des Hausgeldes aufrechnen, soweit der Anspruch auf Auszahlung des Hausgeldes den dreifachen Tagessatz der Eckvergütung nach § 64 Abs. 3 übersteigt.

Abschnitt 11
Gesundheitsfürsorge

§ 73 Art und Umfang der medizinischen Leistungen, Kostenbeteiligung

(1) Der Gefangene hat Anspruch auf die notwendigen, ausreichenden und zweckmäßigen medizinischen Leistungen unter Beachtung des Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit und unter Berücksichtigung des allgemeinen Standards der gesetzlichen Krankenversicherung. Der Anspruch umfasst auch Vorsorgeleistungen, ferner die Versorgung mit medizinischen Hilfsmitteln, soweit diese mit Rücksicht auf die Dauer des Freiheitsentzugs nicht ungerechtfertigt ist und die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen sind.

(2) An den Kosten nach Absatz 1 kann der Gefangene in angemessenem Umfang beteiligt werden, höchstens jedoch bis zum Umfang der Beteiligung vergleichbarer gesetzlich Versicherter. Für Leistungen, die über Absatz 1 hinausgehen, werden dem Gefangenen die gesamten Kosten auferlegt.

(3) Erhält der Gefangene Leistungen nach Absatz 1 infolge einer mutwilligen Selbstverletzung, wird er in angemessenem Umfang an den Kosten beteiligt.

(4) Bei dem Strafgefangenen oder dem Jugendstrafgefangenen unterbleibt die Kostenbeteiligung, wenn hierdurch die Erreichung des Vollzugsziels, insbesondere die Eingliederung, gefährdet würde.

(5) Dem Untersuchungsgefangenen soll der Anstaltsleiter nach Anhörung des ärztlichen Dienstes der Anstalt auf seinen Antrag hin gestatten, auf seine Kosten externen ärztlichen Rat einzuholen. Die Erlaubnis kann versagt werden, wenn der Untersuchungsgefangene die gewählte ärztliche Vertrauensperson und den ärztlichen Dienst der Anstalt nicht wechselseitig von der Schweigepflicht entbindet oder wenn es zur Umsetzung einer Anordnung nach § 119 Abs. 1 der Strafprozessordnung oder zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt erforderlich ist. Die Konsultation soll in der Anstalt stattfinden.

§ 74 Durchführung der medizinischen Leistungen, Forderungsübergang 21

(1) Medizinische Diagnose, Behandlung und Versorgung des kranken und hilfsbedürftigen Gefangenen erfolgen in der Anstalt. Ein kranker Gefangener kann in eine hierfür besser geeignete Anstalt oder Einrichtung oder ein Vollzugskrankenhaus, ausnahmsweise auch außerhalb des Vollzugs überstellt oder verlegt werden. Erfolgt eine Behandlung des jungen Gefangenen außerhalb der Anstalt, sind die Personensorgeberechtigten und das Jugendamt, im Vollzug der Jugendstrafe auch der Vollstreckungsleiter zu unterrichten. Im Vollzug der Untersuchungshaft ist dem Gericht und der Staatsanwaltschaft im Falle einer Behandlung außerhalb der Anstalt nach Möglichkeit Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.

(1a) Solange sich eine Einrichtung des Maßregelvollzugs des Landes Sachsen-Anhalt bei Vorliegen einer psychischen Erkrankung als besser geeignet für die erforderliche medizinische Behandlung und Unterbringung erweist, werden Gefangene dorthin verlegt. Absatz 1 Satz 3 und 4 findet entsprechende Anwendung. Für die Zeit des dortigen Aufenthalts gelten die Vorschriften des Abschnitts 2 bis 3 und 5 bis 6 des Maßregelvollzugsgesetzes Sachsen-Anhalt sowie die dazu ergangenen Ausführungsbestimmungen entsprechend. Die medizinische Behandlung und Unterbringung erfolgen nach Maßgabe der Absätze 1c und 1d und für Einrichtungen im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 2 des Maßregelvollzugsgesetzes Sachsen-Anhalt zusätzlich nach Maßgabe des Absatzes 1b.

(1b) Im Einvernehmen mit dem für den Maßregelvollzug zuständigen Ministerium kann das für den Justizvollzug zuständige Ministerium die Aufgabe der medizinischen Behandlung und Unterbringung psychisch erkrankter Gefangener im Rahmen des Vollzuges der Freiheits- und Jugendstrafe Einrichtungen des Maßregelvollzugs nach § 3 Abs. 1 Satz 2 des Maßregelvollzugsgesetzes Sachsen-Anhalt als Aufgabe zur Erledigung in den Handlungsformen des öffentlichen Rechts unter der Aufsicht des Landes widerruflich übertragen. Die Übertragung erfolgt durch Verwaltungsakt oder öffentlich-rechtlichen Vertrag. Das durch Verwaltungsakt begründete Rechtsverhältnis kann ergänzend durch öffentlich-rechtlichen Vertrag geregelt werden. Die Aufgabenübertragung darf nur erfolgen, wenn die Einrichtung im Hinblick auf ihre personelle und sachliche Ausstattung und Organisation sowie medizinische und persönliche Betreuung der Gefangenen für die stationäre Behandlung und Unterbringung geeignet ist.

(1c) Die Einrichtungen sind einem Leiter zu unterstellen. Die Bestellung des Leiters bedarf der Einwilligung der Aufsichtsbehörde. Beschäftigte der Einrichtung dürfen im Rahmen der Unterbringung an der Ausübung hoheitlicher Befugnisse gegenüber Gefangenen nach Weisung des Leiters nur beteiligt sein, wenn sie die Aufsichtsbehörde hierzu unter entsprechender Anwendung der Verordnung über Verwaltungsvollzugsbeamte widerruflich bestellt. Sie dürfen nur bestellt werden, wenn sie die erforderliche Zuverlässigkeit und die erforderliche Sachkunde besitzen.

(1d) Die Einrichtung, ihre Leitung und ihre Beschäftigten unterliegen für die Unterbringung der Gefangenen der unmittelbaren staatlichen Aufsicht. Aufsichtsbehörde ist das für Justizvollzug zuständige Ministerium. Im Rahmen der Aufsicht ist der Aufsichtsbehörde insbesondere Auskunft zu erteilen, Einsicht in Akten und Dateien zu gewähren, ihren Weisungen Folge zu leisten und jederzeit Zugang zu den Räumlichkeiten der Einrichtung zu gewähren. Die Aufsichtsbehörde kann auf Kosten der Einrichtung selbst tätig werden oder Dritte tätig werden lassen, wenn die Einrichtung eine Weisung innerhalb einer bestimmten Frist nicht befolgt. Das Selbsteintrittsrecht nach Satz 3 kann die Aufsichtsbehörde auch durch Weisungen gegenüber den Beschäftigten des Trägers der Einrichtung ausüben.

(2) Wird die Strafvollstreckung während einer Behandlung des Strafgefangenen oder des Jugendstrafgefangenen unterbrochen oder beendet oder wird der Untersuchungsgefangene während einer Behandlung aus der Haft entlassen, so hat das Land nur diejenigen Kosten zu tragen, die bis zur Unterbrechung oder Beendigung der Strafvollstreckung oder bis zur Entlassung angefallen sind.

(3) Gesetzliche Schadensersatzansprüche, die dem Gefangenen infolge einer Körperverletzung gegen Dritte zustehen, gehen insoweit auf das Land über, als dem Gefangenen Leistungen nach § 73 Abs. 1 zu gewähren sind. Von der Geltendmachung der Ansprüche ist im Interesse des Strafgefangenen oder des Jugendstrafgefangenen abzusehen, wenn hierdurch die Erreichung des Vollzugsziels, insbesondere die Eingliederung, gefährdet würde.

§ 75 Ärztliche Behandlung zur sozialen Eingliederung

Mit Zustimmung des Strafgefangenen oder des Jugendstrafgefangenen soll die Anstalt ärztliche Behandlungen, insbesondere Operationen oder prothetische Maßnahmen, durchführen lassen, die seine soziale Eingliederung fördern. Die Kosten trägt der Strafgefangene oder der Jugendstrafgefangene. Ist er dazu nicht in der Lage, kann die Anstalt die Kosten in begründeten Fällen in angemessenem Umfang übernehmen, soweit nicht ein Dritter leistungspflichtig ist.

§ 76 Gesundheitsschutz und Hygiene

(1) Die Anstalt unterstützt den Gefangenen bei der Wiederherstellung und Erhaltung seiner physischen und psychischen Gesundheit. Sie fördert das Bewusstsein für gesunde Ernährung und Lebensführung. Der Gefangene hat die notwendigen Anordnungen zum Gesundheitsschutz und zur Hygiene zu befolgen.

(2) Dem Gefangenen wird ermöglicht, sich täglich mindestens eine Stunde im Freien aufzuhalten.

§ 77 Krankenbehandlung während der Lockerungen

(1) Der Strafgefangene oder der Jugendstrafgefangene hat während der Lockerungen einen Anspruch auf medizinische Leistungen gegen das Land nur in der für ihn zuständigen Anstalt.

(2) Der Anspruch auf Leistungen ruht, solange der Strafgefangene oder der Jugendstrafgefangene aufgrund eines freien Beschäftigungsverhältnisses krankenversichert ist.

§ 78 Zwangsmaßnahmen auf dem Gebiet der Gesundheitsfürsorge 21

(1) Eine medizinische Untersuchung und Behandlung sowie Zwangsernährung ist gegen den natürlichen Willen des Gefangenen zulässig, wenn

  1. der Gefangene zur Einsicht in die Schwere seiner Krankheit und die Notwendigkeit der Maßnahme oder. zum Handeln gemäß solcher Einsicht krankheitsbedingt nicht fähig ist,
  2. die Maßnahme darauf abzielt, eine bestehende Lebensgefahr oder gegenwärtige Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung der körperlichen Unversehrtheit des Gefangenen oder anderer Personen abzuwenden,
  3. eine Patientenverfügung im Sinne des § 1901a Abs. 1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches, deren Festlegungen auf die aktuelle Lebens- und Behandlungssituation zutreffen und gegen die Durchführung der Maßnahme gerichtet sind, nicht vorliegt,
  4. die Maßnahme zur Erreichung des Ziels geeignet und erforderlich ist,
  5. der von der Maßnahme erwartete Nutzen die mit der Maßnahme verbundenen Belastungen und die durch das Unterlassen der Maßnahme möglichen Schäden deutlich überwiegt,
  6. der Gefangene durch einen Arzt über Notwendigkeit, Art, Umfang, Dauer, zu erwartende Folgen und Risiken der Maßnahme in einer seiner Auffassungsgabe und seinem Gesundheitszustand angemessenen Weise informiert wurde und
  7. der ernsthafte, mit dem nötigen Zeitaufwand und ohne Ausübung von Druck unternommene Versuch eines Arztes, ein Einverständnis des Gefangenen zu der Maßnahme zu erreichen, erfolglos geblieben ist.

(2) Maßnahmen nach Absatz 1 dürfen nur auf Anordnung und unter Leitung eines Arztes durchgeführt werden, unbeschadet der Leistung Erster Hilfe für den Fall, dass ein Arzt nicht rechtzeitig erreichbar und mit einem Aufschub Lebensgefahr verbunden ist. Die Anordnung bedarf der Einwilligung des Gerichts.

(3) Anordnungen nach Absatz 2 sind dem Gefangenen unverzüglich bekannt zu geben. Dabei ist der Gefangene über die gegen die Anordnung möglichen Rechtsbehelfe und den beabsichtigten Beginn der Maßnahme rechtzeitig zu informieren.

(4) Die Gründe für die Anordnung der Maßnahme und das Vorliegen der Voraussetzungen, die ergriffene Maßnahme, einschließlich ihres Zwangscharakters, der Durchsetzungsweise und der Wirkungsüberwachung, sowie der Untersuchungs- und Behandlungsverlauf sind zu dokumentieren. Gleiches gilt für Erklärungen des Gefangenen, die im Zusammenhang mit Zwangsmaßnahmen von Bedeutung sein können.

(5) Bei Maßnahmen nach Absatz 1 kann bei Gefahr im Verzug von den Vorgaben gemäß Absatz 1 Nrn. 6 und 7, Absatz 2 Satz 2 und Absatz 3 Satz 2 abgesehen werden. Die Handlungen sind unverzüglich nachzuholen.

(6) Die zwangsweise körperliche Untersuchung des Gefangenen zum Gesundheitsschutz und zur Hygiene ist nur zulässig, wenn sie nicht mit einem körperlichen Eingriff verbunden ist. Sie bedarf der Anordnung eines Arztes und ist unter dessen Leitung durchzuführen.

(7) Die Anwendbarkeit anderer Vorschriften, nach denen Maßnahmen nach Absatz 1 angeordnet werden dürfen, wird nicht eingeschränkt.

§ 79 Benachrichtigungspflicht

Erkrankt der Gefangene schwer oder verstirbt er, werden Angehörige und Personensorgeberechtigte unverzüglich benachrichtigt. Dem Wunsch des Gefangenen, auch andere Personen zu benachrichtigen, soll nach Möglichkeit entsprochen werden.

Abschnitt 12
Religionsausübung

§ 80 Seelsorge

(1) Dem Gefangenen darf religiöse Betreuung durch einen Seelsorger seiner Religionsgemeinschaft nicht versagt werden. Auf Wunsch ist ihm zu helfen, mit einem Seelsorger seiner Religionsgemeinschaft in Verbindung zu treten.

(2) Der Gefangene darf grundlegende religiöse Schriften sowie in angemessenem Umfang Gegenstände des religiösen Gebrauchs besitzen. Diese dürfen ihm nur bei grobem Missbrauch entzogen werden.

§ 81 Religiöse Veranstaltungen

(1) Der Gefangene hat das Recht, am Gottesdienst und an anderen religiösen Veranstaltungen seines Bekenntnisses teilzunehmen.

(2) Die Zulassung zu den Gottesdiensten oder zu religiösen Veranstaltungen einer anderen Religionsgemeinschaft bedarf der Zustimmung des Seelsorgers der Religionsgemeinschaft.

(3) Der Gefangene kann von der Teilnahme am Gottesdienst oder an anderen religiösen Veranstaltungen ausgeschlossen werden, wenn dies aus überwiegenden Gründen der Sicherheit oder Ordnung, bei dem Untersuchungsgefangenen auch zur Umsetzung einer Anordnung nach § 119 Abs. 1 der Strafprozessordnung geboten ist; der Seelsorger soll vorher gehört werden.

§ 82 Weltanschauungsgemeinschaften

Für Angehörige weltanschaulicher Bekenntnisse gelten die §§ 80 und 81 entsprechend.

Abschnitt 13
Sicherheit und Ordnung

§ 83 Grundsatz

(1) Sicherheit und Ordnung der Anstalt bilden die Grundlage für ein geordnetes Zusammenleben in der Anstalt, das im Vollzug der Freiheitsstrafe oder der Jugendstrafe auch auf die Erreichung des Vollzugsziels ausgerichtet ist, und tragen dazu bei, dass in der Anstalt ein gewaltfreies Klima herrscht.

(2) Die Pflichten und Beschränkungen, die dem Gefangenen zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt auferlegt werden, sind so zu wählen, dass sie in einem angemessenen Verhältnis zu ihrem Zweck stehen und den Gefangenen nicht mehr und nicht länger als notwendig beeinträchtigen.

§ 84 Allgemeine Verhaltenspflichten

(1) Der Gefangene ist für das geordnete Zusammenleben in der Anstalt mitverantwortlich, darf dieses nicht stören und muss mit seinem Verhalten dazu beitragen. Auf eine einvernehmliche Streitbeilegung ist hinzuwirken.

(2) Der Gefangene hat sich nach der Tageseinteilung der Anstalt zu richten und die Anordnungen der Bediensteten zu befolgen, auch wenn er sich durch diese beschwert fühlt. Einen ihm zugewiesenen Bereich darf er nicht ohne Erlaubnis verlassen.

(3) Der Gefangene hat seinen Haftraum und die ihm von der Anstalt überlassenen Sachen in Ordnung zu halten und schonend zu behandeln.

(4) Der Gefangene hat Umstände, die eine Gefahr für das Leben oder eine erhebliche Gefahr für die Gesundheit einer Person bedeuten, unverzüglich zu melden.

§ 85 Absuchung, Durchsuchung

(1) Der Gefangene, seine Sachen und sein Haftraum dürfen mit Hilfsmitteln abgesucht und durchsucht werden. Die Durchsuchung eines männlichen Gefangenen darf nur von Männern, die Durchsuchung eines weiblichen Gefangenen darf nur von Frauen vorgenommen werden. Das Schamgefühl ist zu schonen.

(2) Nur bei Gefahr im Verzug oder auf Anordnung des Anstaltsleiters im Einzelfall ist es zulässig, eine mit einer Entkleidung verbundene körperliche Durchsuchung vorzunehmen. Sie darf bei einem männlichen Gefangenen nur in Gegenwart von Männern, bei einem weiblichen Gefangenen nur in Gegenwart von Frauen erfolgen. Sie ist in einem geschlossenen Raum durchzuführen. Andere Gefangene dürfen nicht anwesend sein.

(3) Der Anstaltsleiter kann allgemein anordnen, dass der Gefangene in der Regel bei der Aufnahme, vor und nach Kontakten mit Besuchern sowie vor und nach jeder Abwesenheit von der Anstalt zu durchsuchen ist.

§ 86 Sichere Unterbringung

Der Gefangene kann in eine andere Anstalt verlegt werden, die zu seiner sicheren Unterbringung besser geeignet ist, solange die Gefahr der Entweichung oder Befreiung aus der Anstalt gegeben ist oder sonst sein Verhalten oder sein Zustand eine Gefahr für die Sicherheit der Anstalt darstellt. Hierzu kann die Verlegung auch zeitlich befristet werden. § 23 Abs. 4 bis 6 und § 114 Abs. 2 gelten entsprechend.

§ 87 Maßnahmen zur Feststellung von Suchtmittelkonsum

(1) Zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt kann der Anstaltsleiter allgemein oder im Einzelfall Maßnahmen anordnen, die geeignet sind, den Gebrauch von Suchtmitteln festzustellen. Diese Maßnahmen dürfen nicht mit einem körperlichen Eingriff verbunden sein.

(2) Verweigert der Gefangene die Mitwirkung an Maßnahmen nach Absatz 1 ohne hinreichenden Grund, ist davon auszugehen, dass Suchtmittelfreiheit nicht gegeben ist.

(3) Wird verbotener Suchtmittelgebrauch festgestellt, können die Kosten der Maßnahmen dem Gefangenen auferlegt werden.

§ 88 Festnahmerecht

Der Gefangene, der entwichen ist oder sich sonst ohne Erlaubnis außerhalb der Anstalt aufhält, darf durch die Anstalt oder auf ihre Veranlassung festgenommen und zurückgebracht werden. Führt die Verfolgung oder die von der Anstalt veranlasste Fahndung nicht alsbald zur Wiederergreifung, so sind die weiteren Maßnahmen der Vollstreckungsbehörde zu überlassen.

§ 89 Besondere Sicherungsmaßnahmen 21

(1) Gegen den Gefangenen können besondere Sicherungsmaßnahmen angeordnet werden, wenn nach seinem Verhalten oder aufgrund seines seelischen Zustandes die Gefahr der Entweichung, von Gewalttätigkeiten gegen Personen oder Sachen, der Selbstverletzung oder der Selbsttötung besteht.

(2) Als besondere Sicherungsmaßnahmen sind zulässig:

  1. der Entzug oder die Vorenthaltung von Gegenständen,
  2. die Beobachtung des Gefangenen, auch mit technischen Hilfsmitteln,
  3. die Trennung von allen anderen Gefangenen (Absonderung),
  4. der Entzug oder die Beschränkung des Aufenthalts irrt Freien,
  5. die Unterbringung in einem besonders gesicherten Haftraum ohne gefährdende Gegenstände,
  6. die Fesselung und
  7. die Aufhebung der vollständigen Bewegungsfreiheit durch Fesselung aller Gliedmaßen (Fixierung).

(3) Mehrere besondere Sicherungsmaßnahmen können nebeneinander angeordnet werden, wenn die Gefahr nicht anders abgewendet werden kann.

(4) Maßnahmen nach Absatz 2 Nrn. 1 und 3 bis 5 sind auch zulässig, wenn die Gefahr einer Befreiung oder eine erhebliche Störung der Ordnung anders nicht vermieden oder behoben werden kann, nach Absatz 2 Nr. 4 jedoch nicht bei jungen Gefangenen.

(4a) Eine Fixierung ist nur zulässig, soweit und solange eine gegenwärtige erhebliche Gefahr von Gewalttätigkeiten gegen Personen, der Selbsttötung oder der Selbstverletzung besteht und die Fixierung zur Abwehr dieser Gefahr unerlässlich ist.

(5) Eine Absonderung von mehr als 24 Stunden Dauer ist nur zulässig, wenn sie zur Abwehr einer in der Person des Gefangenen liegenden Gefahr unerlässlich ist.

(6) Fesseln dürfen nur an den Händen oder an den Füßen angelegt werden. Abweichend von Satz 1 kann der Anstaltsleiter

  1. im Interesse des Gefangenen oder
  2. bei einer Ausführung, einer Vorführung oder dem Transport bei Vorliegen tatsächlicher Anhaltspunkte für eine Gefahr der Entweichung oder von Gewalttätigkeiten gegen Personen oder Sachen von bedeutendem Wert

eine andere Art der Fesselung anordnen. Die Fesselung wird zeitweise gelockert, soweit dies notwendig ist.

(7) Der Gefangene wird bei einer Ausführung, Vorführung oder beim Transport gefesselt, wenn nicht Erkenntnisse über ihn vorliegen, aufgrund derer verlässlich beurteilt werden kann, dass er sich dem weiteren Vollzug der Freiheitsstrafe, der Jugendstrafe oder der Untersuchungshaft nicht entziehen wird; dabei sind auch die Belange der Untersuchungshaft, die Vollzugsdauer und die Länge des davon bereits verbüßten Teils zu berücksichtigen.

§ 90 Anordnung besonderer Sicherungsmaßnahmen, Verfahren 21

(1) Besondere Sicherungsmaßnahmen ordnet der Anstaltsleiter an. Bei Gefahr im Verzug können auch andere Bedienstete diese Maßnahmen vorläufig anordnen; die Entscheidung des Anstaltsleiters ist unverzüglich einzuholen.

(2) Wird der Gefangene ärztlich behandelt oder beobachtet oder bildet sein seelischer Zustand den Anlass der besonderen Sicherungsmaßnahme, ist vorher eine ärztliche Stellungnahme einzuholen. Ist dies wegen Gefahr im Verzug nicht möglich, wird die Stellungnahme unverzüglich nachträglich eingeholt.

(3) Die Entscheidung wird dem Gefangenen eröffnet und mit einer kurzen Begründung schriftlich abgefasst.

(3a) Eine Fixierung, die die Dauer von einer halben Stunde voraussichtlich überschreiten wird, bedarf der Einwilligung des Gerichts. Einer gerichtlichen Einwilligung bedarf es nicht bei Gefahr im Verzug. In diesem Fall ist unverzüglich eine richterliche Genehmigung zu beantragen, es sei denn, es ist bereits eindeutig absehbar, dass die Entscheidung erst nach Wegfall der Gefahr nach § 89 Abs. 4a ergehen wird oder die Fixierung vor Erlangung der Entscheidung tatsächlich beendet sein wird und auch keine Wiederholung zu erwarten ist. Ist eine richterliche Entscheidung beantragt und die Fixierung vor deren Erlangung beendet worden, so ist dies dem Gericht unverzüglich mitzuteilen.

(4) Besondere Sicherungsmaßnahmen dürfen nur so weit aufrechterhalten werden, wie es ihr Zweck erfordert. Sie sind in angemessenen Abständen daraufhin zu überprüfen, ob und in welchem Umfang sie aufrechterhalten werden müssen.

(4a) Während der Absonderung und Unterbringung in einem besonders gesicherten Haftraum ist der Gefangene in besonderem Maße zu betreuen. Ist er darüber hinaus gefesselt oder fixiert, stellen ärztlich in solche Aufgaben eingewiesene Bedienstete durch ständigen Sicht- und Sprechkontakt die Betreuung des Gefangenen sicher (Einszu-Eins-Betreuung).

(5) Sofern eine Fixierung ohne gerichtliche Entscheidung durchgeführt wurde, ist der Gefangene auf die Möglichkeit hinzuweisen, die Zulässigkeit der Fixierung nachträglich gerichtlich überprüfen zu lassen.

(6) Die Anordnung einer besonderen Sicherungsmaßnahme, die maßgeblichen Gründe für die Anordnung, Entscheidungen zu ihrer Fortdauer, ihre Durchsetzung, ihre Dauer und die Art und Weise der Überwachung, einschließlich der Beteiligung des Arztes, sowie der Hinweis nach Absatz 5 sind zu dokumentieren.

(7) Besondere Sicherungsmaßnahmen nach § 89 Abs. 2 Nrn. 3, 5 und 6 sind der Aufsichtsbehörde, im Vollzug der Untersuchungshaft auch dem Gericht und der Staatsanwaltschaft, unverzüglich mitzuteilen, wenn sie länger als drei Tage aufrechterhalten werden. Besondere Sicherungsmaßnahmen nach § 89 Abs. 2 Nr. 7 sind den in Satz 1 genannten Stellen unabhängig von der Dauer ihrer Durchführung unverzüglich mitzuteilen. Absonderung und Unterbringung im besonders gesicherten Haftraum von mehr als 30 Tagen Gesamtdauer innerhalb von zwölf Monaten bedürfen der Zustimmung der Aufsichtsbehörde.

§ 91 Ärztliche Überwachung 21

(1) Ist der Gefangene in einem besonders gesicherten Haftraum untergebracht, gefesselt oder fixiert sucht ihn der Arzt alsbald und in der Folge täglich auf und stellt eine angemessene ärztliche Überwachung sicher. Dies gilt nicht bei einer Fesselung während einer Ausführung, Vorführung oder eines Transportes sowie bei Bewegungen innerhalb der Anstalt.

(2) Der Arzt ist regelmäßig zu hören, solange dem Gefangenen der tägliche Aufenthalt im Freien entzogen oder er länger als 24 Stunden abgesondert ist.

Abschnitt 14
Unmittelbarer Zwang

§ 92 Begriffsbestimmungen

(1) Unmittelbarer Zwang ist die Einwirkung auf Personen oder Sachen durch körperliche Gewalt, durch ihre Hilfsmittel oder durch Waffen.

(2) Körperliche Gewalt ist jede unmittelbare körperliche Einwirkung auf Personen oder Sachen.

(3) Hilfsmittel der körperlichen Gewalt sind insbesondere Fesseln und Reizstoffe. Waffen sind Hieb- und Schusswaffen.

(4) Es dürfen nur dienstlich zugelassene Hilfsmittel und Waffen verwendet werden.

§ 93 Allgemeine Voraussetzungen

(1) Bedienstete dürfen unmittelbaren Zwang anwenden, wenn sie Vollzugs- und Sicherungsmaßnahmen rechtmäßig durchführen und der damit verfolgte Zweck auf keine andere Weise erreicht werden kann.

(2) Gegen andere Personen als den Gefangenen darf unmittelbarer Zwang angewendet werden, wenn sie es unternehmen, Gefangene zu befreien oder widerrechtlich in die Anstalt einzudringen, oder wenn sie sich unbefugt darin aufhalten.

(3) Unmittelbarer Zwang darf aufgrund anderer Rechtsvorschriften ausgeübt werden.

§ 94 Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

(1) Unter mehreren möglichen und geeigneten Maßnahmen des unmittelbaren Zwangs sind diejenigen zu wählen, die den Einzelnen und die Allgemeinheit voraussichtlich am wenigsten beeinträchtigen.

(2) Unmittelbarer Zwang unterbleibt, wenn ein durch ihn zu erwartender Schaden erkennbar außer Verhältnis zu dem angestrebten Erfolg steht.

§ 95 Androhung

Unmittelbarer Zwang ist vorher anzudrohen. Die Androhung darf nur dann unterbleiben, wenn die Umstände sie nicht zulassen oder unmittelbarer Zwang sofort angewendet werden muss, um eine rechtswidrige Tat, die den Tatbestand eines Strafgesetzes erfüllt, zu verhindern oder eine gegenwärtige Gefahr abzuwenden.

§ 96 Schusswaffengebrauch

(1) Der Gebrauch von Schusswaffen durch Bedienstete innerhalb der Anstalt ist verboten. Satz 1 gilt nicht für Polizeivollzugsbeamte, die das Recht zum Schusswaffengebrauch aufgrund anderer Vorschriften ausüben.

(2) Außerhalb der Anstalt dürfen Schusswaffen durch Bedienstete nach Maßgabe der folgenden Absätze nur gebraucht werden, wenn andere Maßnahmen des unmittelbaren Zwangs bereits erfolglos waren oder keinen Erfolg versprechen. Gegen Personen ist ihr Gebrauch nur zulässig, wenn der Zweck nicht durch Waffenwirkung gegen Sachen erreicht werden kann.

(3) Schusswaffen dürfen nur die dazu bestimmten Bediensteten gebrauchen und nur, um angriffs- oder fluchtunfähig zu machen. Ihr Gebrauch unterbleibt, wenn dadurch erkennbar Unbeteiligte mit hoher Wahrscheinlichkeit gefährdet würden.

(4) Der Gebrauch von Schusswaffen ist vorher anzudrohen. Als Androhung gilt auch ein Warnschuss. Ohne Androhung dürfen Schusswaffen nur dann gebraucht werden, wenn dies zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben erforderlich ist.

(5) Gegen den Gefangenen dürfen Schusswaffen gebraucht werden,

  1. wenn er eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug trotz wiederholter Aufforderung nicht ablegt,
  2. wenn er eine Meuterei nach § 121 des Strafgesetzbuches unternimmt oder
  3. um seine Entweichung zu vereiteln oder um ihn wiederzuergreifen.

Satz 1 Nrn. 2 und 3 findet auf den minderjährigen Gefangenen oder auf eine Gefangene, die erkennbar schwanger ist, keine Anwendung. Satz 1 Nr. 3 findet keine Anwendung auf den Gefangenen, der im offenen Vollzug untergebracht ist. Satz 3 gilt nicht, wenn der Schusswaffengebrauch das einzige Mittel zur Abwehr einer gegenwärtigen Lebensgefahr ist.

(6) Gegen andere Personen dürfen Schusswaffen gebraucht werden, wenn sie es unternehmen, Gefangene gewaltsam zu befreien.

Abschnitt 15
Erzieherische Maßnahmen, Disziplinarmaßnahmen

§ 97 Erzieherische Maßnahmen

(1) Verstöße des jungen Gefangenen gegen Pflichten, die ihm durch oder aufgrund dieses Gesetzes auferlegt sind, sind unverzüglich im erzieherischen Gespräch aufzuarbeiten. Daneben können erzieherische Maßnahmen angeordnet werden, die geeignet sind, dem jungen Gefangenen sein Fehlverhalten bewusst zu machen. Als erzieherische Maßnahmen kommen insbesondere die Erteilung von Weisungen und Auflagen, die Beschränkung oder der Entzug einzelner Gegenstände für die Freizeitbeschäftigung und der Ausschluss von gemeinsamer Freizeit oder von einzelnen Freizeitveranstaltungen bis zur Dauer einer Woche in Betracht.

(2) In geeigneten Fällen können im Wege einvernehmlicher Streitbeilegung Vereinbarungen getroffen werden. Insbesondere kommen die Wiedergutmachung des Schadens, die Entschuldigung bei den Geschädigten, die Erbringung von Leistungen für die Gemeinschaft und der vorübergehende Verbleib im Haftraum in Betracht. Erfüllt der junge Gefangene die Vereinbarung, ist die Anordnung einer erzieherischen Maßnahme aufgrund dieser Verfehlung ausgeschlossen.

(3) Der Anstaltsleiter legt fest, welche Bediensteten befugt sind, erzieherische Maßnahmen anzuordnen.

(4) Es sollen solche erzieherischen Maßnahmen angeordnet werden, die mit der Verfehlung in Zusammenhang stehen.

§ 98 Disziplinarmaßnahmen

(1) Disziplinarmaßnahmen können angeordnet werden, wenn der Gefangene rechtswidrig und schuldhaft

  1. andere Personen verbal oder tätlich angreift,
  2. Lebensmittel oder fremde Sachen zerstört oder beschädigt,
  3. in sonstiger Weise gegen Strafgesetze verstößt oder eine Ordnungswidrigkeit begeht,
  4. verbotene Gegenstände in die Anstalt einbringt, sich an deren Einbringung beteiligt, sie besitzt, weitergibt oder dies versucht,
  5. unerlaubt Betäubungsmittel oder andere berauschende Stoffe, insbesondere Alkohol, konsumiert, herstellt, besitzt, annimmt, weitergibt oder dies versucht,
  6. entweicht oder zu entweichen versucht,
  7. gegen Weisungen im Zusammenhang mit der Gewährung von Lockerungen verstößt, insbesondere sich während der Lockerungen dem weiteren Vollzug der Freiheitsstrafe oder Jugendstrafe entzieht oder dies versucht,
  8. gegen eine Anordnung nach § 119 Abs. 1 der Strafprozessordnung verstößt,
  9. Anordnungen der Bediensteten nicht befolgt,
  10. sich weigert, an einer Maßnahme nach § 87 Abs. 1 mitzuwirken,
  11. durch sein Verhalten das geordnete Zusammenleben in der Anstalt stört,
  12. wiederholt oder schwerwiegend gegen sonstige Pflichten verstößt, die ihm durch dieses Gesetz oder aufgrund dieses Gesetzes auferlegt sind, oder
  13. sich zugewiesenen Aufgaben oder Bereichen entzieht.

Von einer Disziplinarmaßnahme wird abgesehen, wenn es genügt, den Gefangenen zu verwarnen.

(2) Disziplinarmaßnahmen dürfen gegen den jungen Gefangenen nur angeordnet werden, wenn erzieherische Maßnahmen nicht nach § 97 Abs. 2 Satz 3 ausgeschlossen sind oder nicht ausreichen, um ihm das Unrecht seiner Handlung zu verdeutlichen.

(3) Zulässige Disziplinarmaßnahmen sind

  1. der Verweis,
  2. die Beschränkung oder der Entzug des Fernsehempfangs bis zu drei Monaten,
  3. die Beschränkung oder der Entzug der Gegenstände für die Freizeitbeschäftigung, mit Ausnahme des Lesestoffs, bis zu drei Monaten,
  4. die Beschränkung oder der Entzug des Aufenthalts in Gemeinschaft oder der Teilnahme an einzelnen Freizeitveranstaltungen bis zu drei Monaten,
  5. die Beschränkung der Verfügung über das Hausgeld und des Einkaufs bis zu drei Monaten,
  6. die Beschränkung oder der Entzug von Annehmlichkeiten nach § 62 bis zu drei Monaten,
  7. die Kürzung der in diesem Gesetz geregelten Bezüge um 10 v. H. bis zu drei Monaten,
  8. der Entzug der zugewiesenen Arbeit bis zu vier Wochen und
  9. Arrest bis zu vier Wochen.

Bei dem jungen Gefangenen findet Satz 1 Nr. 1 keine Anwendung; Maßnahmen nach Satz 1 Nrn. 2 bis 7 sind nur bis zu zwei Monaten und Maßnahmen nach Satz 1 Nrn. 8 und 9 nur bis zu zwei Wochen zulässig.

(4) Arrest darf nur wegen schwerer oder mehrfach wiederholter Verfehlungen verhängt werden.

(5) Mehrere Disziplinarmaßnahmen können miteinander verbunden werden.

(6) Disziplinarmaßnahmen sind auch zulässig, wenn wegen derselben Verfehlung ein Strafverfahren oder ein Bußgeldverfahren eingeleitet wird.

(7) Bei der Auswahl der Disziplinarmaßnahmen im Vollzug der Untersuchungshaft sind Grund und Zweck der Haft sowie die psychischen Auswirkungen der Untersuchungshaft und des Strafverfahrens auf den Untersuchungsgefangenen zu berücksichtigen. Durch die Anordnung und den Vollzug einer Disziplinarmaßnahme dürfen im Strafverfahren die Verteidigung, die Verhandlungsfähigkeit und die Verfügbarkeit des Untersuchungsgefangenen für die Verhandlung nicht beeinträchtigt werden.

§ 99 Vollzug der Disziplinarmaßnahmen, Aussetzung zur Bewährung

(1) Disziplinarmaßnahmen werden in der Regel sofort vollstreckt. Die Vollstreckung ist auszusetzen, soweit es zur Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes erforderlich ist.

(2) Disziplinarmaßnahmen können bis zu sechs Monaten zur Bewährung ausgesetzt werden. Die Aussetzung zur Bewährung kann widerrufen werden, wenn der Gefangene die Erwartungen, die mit der Aussetzung der Disziplinarmaßnahme verbunden sind, nicht erfüllt.

(3) Im Vollzug der Untersuchungshaft angeordnete Disziplinarmaßnahmen können auch während einer der Untersuchungshaft unmittelbar nachfolgenden Haft vollstreckt werden.

(4) Für die Dauer des Arrests wird der Gefangene getrennt von anderen Gefangenen untergebracht. Er kann in einem besonderen Arrestraum untergebracht werden, der den Anforderungen entsprechen muss, die an einen zum Aufenthalt bei Tag und Nacht bestimmten Haftraum gestellt werden. Soweit nichts anderes angeordnet wird, ruhen die Befugnisse des Gefangenen zur Ausstattung des Haftraums mit eigenen Gegenständen, zum Fernsehempfang und zum Einkauf. Gegenstände für die Freizeitbeschäftigung, mit Ausnahme des Lesestoffs, sind nicht zugelassen. Die Regelungen dieses Gesetzes zur Religionsausübung und zum Aufenthalt im Freien finden Anwendung.

(5) Für den jungen Gefangenen ist der Arrest erzieherisch auszugestalten.

§ 100 Disziplinarbefugnis

(1) Disziplinarmaßnahmen ordnet der Anstaltsleiter an. Bei einer Verfehlung auf dem Weg in eine andere Anstalt zum Zweck der Verlegung ist der Leiter der Bestimmungsanstalt zuständig.

(2) Die Aufsichtsbehörde entscheidet, wenn sich die Verfehlung gegen den Anstaltsleiter richtet.

(3) Disziplinarmaßnahmen, die in einer anderen Anstalt angeordnet worden sind, werden auf Ersuchen vollstreckt. § 99 Abs. 2 findet Anwendung.

§ 101 Verfahren

(1) Der Sachverhalt ist zu klären. Hierbei sind sowohl belastende als auch entlastende Umstände zu ermitteln. Der betroffene Gefangene wird gehört. Er wird darüber unterrichtet, welche Verfehlungen ihm zur Last gelegt werden. Er ist darauf hinzuweisen, dass es ihm freisteht sich zu äußern. Die Unterrichtung nach Satz 4, die Einlassung des Gefangenen und die Ergebnisse der Ermittlungen sind aktenkundig zu machen.

(2) In geeigneten Fällen können zur Abwendung von Disziplinarmaßnahmen im Wege einvernehmlicher Streitbeilegung Vereinbarungen getroffen werden. Insbesondere kommen die Wiedergutmachung des Schadens, die Entschuldigung bei den Geschädigten, die Erbringung von Leistungen für die Gemeinschaft und der vorübergehende Verbleib im Haftraum in Betracht. Erfüllt der Gefangene die Vereinbarung, ist die Anordnung einer Disziplinarmaßnahme aufgrund dieser Verfehlung unzulässig.

(3) Mehrere Verfehlungen, die gleichzeitig zu beurteilen sind, werden durch eine Entscheidung geahndet.

(4) Der Anstaltsleiter soll sich vor der Entscheidung mit Personen besprechen, die an der Vollzugsgestaltung mitwirken. Bei einer Gefangenen, die schwanger ist oder stillt, oder bei dem Gefangenen, der sich in ärztlicher Behandlung befindet, ist ein Arzt zu hören.

(5) Vor der Entscheidung über eine Disziplinarmaßnahme erhält der Gefangene die Gelegenheit, sich zu dem Ergebnis der Ermittlungen zu äußern. Die Entscheidung wird dem Gefangenen eröffnet und mit einer kurzen Begründung schriftlich abgefasst.

(6) Bevor Arrest vollzogen wird, ist ein Arzt zu hören. Während des Arrests steht der Gefangene unter ärztlicher Aufsicht. Der Vollzug unterbleibt oder wird unterbrochen, wenn ansonsten die Gesundheit des Gefangenen oder im Vollzug der Untersuchungshaft der Fortgang des Strafverfahrens gefährdet würde.

Abschnitt 16
Aufhebung von Maßnahmen, Beschwerderecht

§ 102 Aufhebung von Maßnahmen

(1) Die Aufhebung von Maßnahmen zur Regelung einzelner Angelegenheiten auf dem Gebiet des Vollzugs richtet sich nach den nachfolgenden Absätzen, soweit dieses Gesetz keine abweichende Bestimmung enthält.

(2) Rechtswidrige Maßnahmen können, auch nachdem sie unanfechtbar geworden sind, mit Wirkung für die Vergangenheit und die Zukunft zurückgenommen werden.

(3) Rechtmäßige Maßnahmen können mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden, wenn

  1. aufgrund nachträglich eingetretener oder bekannt gewordener Umstände die Maßnahmen hätten versagt werden können,
  2. die Maßnahmen missbraucht werden oder
  3. Weisungen nicht befolgt werden.

(4) Begünstigende Maßnahmen dürfen nach den Absätzen 2 oder 3 nur aufgehoben werden, wenn die vollzuglichen Interessen an der Aufhebung in Abwägung mit dem schutzwürdigen Vertrauen der Betroffenen auf den Bestand der Maßnahmen überwiegen. Davon ist auszugehen, wenn die Aufhebung der Maßnahme unerlässlich ist, um die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt zu gewährleisten.

§ 103 Beschwerderecht

(1) Der Gefangene erhält die Gelegenheit, sich mit Wünschen, Anregungen und Beschwerden in vollzuglichen Angelegenheiten, die ihn selbst betreffen, an den Anstaltsleiter oder an einen von ihm beauftragten Bediensteten zu wenden. Regelmäßige Sprechstunden sind einzurichten.

(2) Besichtigen Vertreter der Aufsichtsbehörde die Anstalt, so ist zu gewährleisten, dass der Gefangene sich in vollzuglichen Angelegenheiten, die ihn selbst betreffen, an diese wenden kann.

(3) Die Möglichkeit der Dienstaufsichtsbeschwerde besteht daneben fort.

Abschnitt 17
Kriminologische Forschung

§ 104 Evaluation, Kriminologische Forschung

(1) Behandlungs-, Erziehungs- und Förderprogramme für die Strafgefangenen oder die Jugendstrafgefangenen sind auf der Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse zu konzipieren, zu standardisieren und auf ihre Wirksamkeit hin zu überprüfen.

(2) Der Vollzug der Freiheitsstrafe oder der Jugendstrafe, insbesondere seine Aufgabenerfüllung und Gestaltung, die Umsetzung seiner Leitlinien sowie die Behandlungsprogramme und deren Wirkungen auf die Erreichung des Vollzugsziels, soll regelmäßig von dem kriminologischen Dienst, von einer Hochschule oder von einer anderen Stelle wissenschaftlich begleitet und erforscht werden.

(3) Zu diesen Zwecken sind landesweit von den einzelnen Vollzugsbehörden aussagefähige und auf Vergleichbarkeit angelegte Daten zu erheben, die eine Feststellung und Bewertung der Erfolge und Misserfolge des Vollzugs, insbesondere im Hinblick auf Rückfallhäufigkeiten, sowie die gezielte Erforschung der hierfür verantwortlichen Faktoren ermöglichen. Entsprechende Daten für Bereiche außerhalb des räumlichen Geltungsbereiches dieses Gesetzes sind einzubeziehen und zu vergleichen, soweit solche Daten für die Aufsichtsbehörde zugänglich sind.

Abschnitt 18
Aufbau und Organisation der Anstalten

§ 105 Organisation, Gestaltung und Differenzierung der Anstalten

(1) Die Anstalten sind von der Aufsichtsbehörde und den Anstaltsleitern so zu gestalten und zu differenzieren, dass der Vollzug seine Aufgaben erfüllt und die Ziele erreicht. Personelle Ausstattung, sachliche Mittel und Organisation der Anstalten sind hieran auszurichten.

(2) Für die einzelnen Vollzugsarten sind jeweils gesonderte Anstalten oder Abteilungen einzurichten, die den unterschiedlichen vollzuglichen Anforderungen Rechnung tragen. Für den Vollzug der Freiheitsstrafe oder der Jugendstrafe sind insbesondere sozialtherapeutische Abteilungen einzurichten.

(3) Es ist eine bedarfsgerechte Anzahl und Ausstattung von Plätzen für therapeutische Maßnahmen, schulische und berufliche Qualifizierung, Arbeitstraining und Arbeitstherapie sowie zur Ausübung von Arbeit vorzusehen. Gleiches gilt für Besuche, Freizeit, Sport und Seelsorge.

(4) Räume für den Aufenthalt während der Ruhezeit und der Freizeit sowie Gemeinschaftsräume und Besuchsräume müssen zweckentsprechend ausgestaltet und für eine gesunde Lebensführung ausreichend mit Heizung, Lüftung, Bodenfläche und Fensterfläche ausgestattet sein. In Gemeinschaftshafträumen befindliche Sanitärbereiche sind baulich vollständig abzutrennen. Die Größe der Gemeinschaftshafträume muss für die darin untergebrachten Gefangenen unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zumutbar sein.

(5) Der Vollzug an Frauen und Männern erfolgt in den dafür vorgesehenen gesonderten Anstalten oder Abteilungen.

(6) Die einzelnen Vollzugsarten werden jeweils in den dafür bestimmten gesonderten Anstalten oder Abteilungen vollzogen. Abweichend von Satz 1 kann der Vollzug einer Vollzugsart in einer für eine andere Vollzugsart bestimmten Anstalt oder Abteilung erfolgen,

  1. sofern ein Gefangener hilfsbedürftig ist oder für ihn oder für andere Gefangene eine Gefahr für Leben oder Gesundheit besteht,
  2. um einem Gefangenen die Teilnahme an vollzuglichen Maßnahmen in einer anderen Anstalt oder Abteilung zu ermöglichen,
  3. aus erheblichen Gründen der Vollzugsorganisation oder
  4. mit Zustimmung des Gefangenen.

Betrifft die Abweichung von Satz 1 einen Untersuchungsgefangenen, so bedarf es der Zustimmung des zuständigen Gerichts.

§ 106 Belegungsfähigkeit

(1) Die Aufsichtsbehörde setzt die Belegungsfähigkeit der Anstalt so fest, dass eine angemessene Unterbringung der Gefangenen gewährleistet ist. § 105 Abs. 2 ist zu berücksichtigen.

(2) Hafträume dürfen nicht mit mehr Gefangenen als zugelassen belegt werden.

(3) Ausnahmen von Absatz 2 sind nur vorübergehend und nur mit Zustimmung der Aufsichtsbehörde zulässig.

§ 107 Anstaltsleitung

(1) Der Anstaltsleiter trägt die Verantwortung für den gesamten Vollzug, vertritt die Anstalt in den ihr als Vollzugsbehörde obliegenden Angelegenheiten nach außen und regelt die Geschäftsverteilung innerhalb der Anstalt, soweit nicht bestimmte Aufgabenbereiche der Verantwortung anderer Justizvollzugsbediensteter oder ihrer gemeinsamen Verantwortung übertragen sind.

(2) Die Befugnis, eine mit einer Entkleidung verbundene körperliche Durchsuchung, besondere Sicherungsmaßnahmen und Disziplinarmaßnahmen anzuordnen, darf nur mit Zustimmung der Aufsichtsbehörde anderen Justizvollzugsbediensteten übertragen werden.

(3) Der Anstaltsleiter und seine Vertreter müssen hauptamtlich tätig sein und in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis zum Land stehen. Sie werden von der Aufsichtsbehörde bestellt. Der Anstaltsleiter ist ein Beamter der Laufbahngruppe 2, zweites Einstiegsamt.

§ 108 Bedienstete

(1) Die Aufgaben in den Anstalten werden von Justizvollzugsbeamten wahrgenommen. Aus besonderen Gründen kann die Wahrnehmung der Aufgaben auch anderen Bediensteten der Anstalten sowie nebenamtlichen oder vertraglich verpflichteten Personen übertragen werden.

(2) Die im Vollzug der Jugendstrafe und der Untersuchungshaft an jungen Untersuchungsgefangenen tätigen Bediensteten müssen für die erzieherische Gestaltung geeignet und qualifiziert sein. Für die Betreuung von Strafgefangenen mit angeordneter oder vorbehaltener Sicherungsverwahrung oder von Jugendstrafgefangenen mit vorbehaltener Sicherungsverwahrung ist besonders qualifiziertes Personal vorzusehen und eine fachübergreifende Zusammenarbeit zu gewährleisten. Soweit erforderlich, sind externe Fachkräfte einzubeziehen. Die Eignung ist durch entsprechende Fortbildungen sowie Praxisberatungen und Praxisbegleitungen zu gewährleisten und zu fördern.

§ 109 Beauftragung 20

(1) Fachlich geeignete und zuverlässige natürliche Personen, juristische Personen des öffentlichen oder privaten Rechts oder sonstige Stellen können nach sorgfältiger Auswahl von der Anstalt oder der Aufsichtsbehörde beauftragt werden, nichthoheitliche Aufgaben für die Anstalt wahrzunehmen. Sie können für die Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben als Verwaltungshelfer herangezogen werden. Der Auftrag ist schriftlich zu erteilen und hat auch das Erfordernis der Verpflichtung des einzusetzenden Personals nach dem Verpflichtungsgesetz zu enthalten. Eine Übertragung von hoheitlichen Aufgaben zur eigenverantwortlichen Wahrnehmung ist ausgeschlossen.

(2) Unterhalten private Unternehmen Betriebe in Anstalten, kann die technische und fachliche Leitung ihren Mitarbeitern übertragen werden.

§ 110 Seelsorger

(1) Seelsorger werden im Einvernehmen mit der jeweiligen Religionsgemeinschaft in der Regel im Hauptamt bestellt oder vertraglich verpflichtet.

(2) Wenn die geringe Anzahl der Angehörigen einer Religionsgemeinschaft eine Seelsorge nach Absatz 1 nicht rechtfertigt, ist die seelsorgerische Betreuung auf andere Weise zuzulassen.

(3) Mit Zustimmung des Anstaltsleiters darf der Anstaltsseelsorger sich freier Seelsorgehelfer bedienen und für Gottesdienste sowie für andere religiöse Veranstaltungen Seelsorger von außen hinzuziehen.

§ 111 Medizinisches Personal

(1) Die ärztliche Versorgung der Gefangenen ist durch hauptamtliche Anstaltsärzte sicherzustellen. Sie kann aus besonderen Gründen nebenamtlichen oder vertraglich verpflichteten Ärzten übertragen werden.

(2) Stellt eine Katastrophenschutzbehörde den Katastrophenfall aufgrund einer drohenden oder eingetretenen Pandemielage fest oder hat die Weltgesundheitsorganisation die Pandemiestufe 6 ausgerufen, können die hauptamtlichen Anstaltsärzte zugleich als Impfärzte für die Bediensteten tätig werden.

(3) Die Pflege der Kranken soll von Bediensteten ausgeführt werden, die eine Erlaubnis nach dem Krankenpflegegesetz vom 16. Juli 2003 (BGBl. I S. 1442), zuletzt geändert durch Artikel 9 des Gesetzes vom 16. Juli 2015 (BGBl. I S. 1211, 1241), besitzen. Solange diese nicht zur Verfügung stehen, können auch Bedienstete eingesetzt werden, die eine sonstige Ausbildung in der Krankenpflege erfahren haben.

§ 112 Interessenvertretung der Gefangenen

Den Gefangenen soll ermöglicht werden, Vertretungen zu wählen. Diese können in Angelegenheiten von gemeinsamem Interesse, die sich ihrer Eigenart und der Zweckbestimmung der Anstalt nach für eine Mitwirkung eignen, Vorschläge und Anregungen an die Anstalt herantragen. Die Vorschläge und Anregungen sollen mit der Vertretung erörtert werden. Der Anstaltsleiter kann einen Gefangenen von der Interessenvertretung ausschließen, solange durch seine Teilnahme die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt gefährdet wäre.

§ 113 Hausordnung

(1) Der Anstaltsleiter erlässt eine Hausordnung. Die Hausordnung bedarf der Zustimmung der Aufsichtsbehörde.

(2) In die Hausordnung sind insbesondere Anordnungen aufzunehmen über die

  1. Besuchszeiten, Häufigkeit und Dauer der Besuche,
  2. Arbeitszeit, Freizeit und Ruhezeit sowie
  3. Gelegenheit, Anträge und Beschwerden anzubringen oder sich an einen Vertreter der Aufsichtsbehörde zu wenden.

(3) Ein Abdruck der Hausordnung ist allgemein zugänglich auszuhängen und dem Gefangenen auf Verlangen auszuhändigen.

Abschnitt 19
Aufsicht, Beiräte

§ 114 Aufsichtsbehörde

(1) Das für Justizvollzug zuständige Ministerium führt die Aufsicht über die Anstalten (Aufsichtsbehörde).

(2) Die Aufsichtsbehörde kann sich Entscheidungen über Verlegungen und Überstellungen vorbehalten.

(3) Richterliche Entscheidungen im Rahmen des Untersuchungshaftvollzugs unterliegen nicht der Aufsicht.

§ 115 Vollstreckungsplan, Vollzugsgemeinschaften

(1) Die Aufsichtsbehörde regelt die örtliche und sachliche Zuständigkeit der Anstalten nach allgemeinen Merkmalen in einem Vollstreckungsplan.

(2) Im Rahmen von Vollzugsgemeinschaften kann der Vollzug auch in Vollzugseinrichtungen anderer Länder vorgesehen werden.

§ 116 Beiräte

(1) Bei den Anstalten sind Beiräte zu bilden. Justizvollzugsbedienstete sowie Bedienstete der Aufsichtsbehörde dürfen nicht Mitglieder des Beirats sein.

(2) Die Mitglieder des Beirats wirken beratend bei der Gestaltung des Vollzugs und der Eingliederung der Gefangenen mit. Sie fördern das Verständnis für den Vollzug und seine gesellschaftliche Akzeptanz und vermitteln Kontakte zu öffentlichen und privaten Einrichtungen.

(3) Der Beirat steht dem Anstaltsleiter, den Bediensteten und den Gefangenen als Ansprechpartner zur Verfügung.

(4) Die Mitglieder des Beirats können sich über die Unterbringung der Gefangenen und die Gestaltung des Vollzugs unterrichten und die Anstalt besichtigen. Sie können die Gefangenen in ihren Räumen aufsuchen. Unterhaltung und Schriftwechsel werden nicht überwacht.

(5) Die Mitglieder des Beirats sind verpflichtet, außerhalb ihres Amtes über alle Angelegenheiten, die ihrer Natur nach vertraulich sind, besonders über Namen und Persönlichkeit der Gefangenen, Verschwiegenheit zu bewahren. Dies gilt auch nach Beendigung ihres Amtes.

(6) Das Nähere regelt die Aufsichtsbehörde durch Verordnung. Die Verordnung enthält insbesondere Regelungen zur Anzahl der Beiratsmitglieder sowie über deren Berufung und Abberufung. Befindet sich auf dem Gelände einer Anstalt auch die Einrichtung zum Vollzug der Sicherungsverwahrung, so ist dies in der Verordnung, insbesondere bei der Bestimmung der Anzahl der Beiratsmitglieder, zu berücksichtigen.

Abschnitt 20
Verhinderung von Mobilfunkverkehr

§ 117 Störung des Mobilfunkverkehrs

(1) Der Besitz und die Benutzung von Geräten zur funkbasierten Übertragung von Daten sind auf dem Anstaltsgelände verboten, soweit diese nicht dienstlich zugelassen sind. Für Abteilungen des offenen Vollzugs können durch die Aufsichtsbehörde Ausnahmen zugelassen werden.

(2) Die Anstalt darf technische Geräte betreiben, die

  1. das Auffinden von Geräten zur funkbasierten Übertragung von Daten ermöglichen,
  2. Geräte zur funkbasierten Übertragung von Daten zum Zwecke des Auffindens aktivieren können oder
  3. Frequenzen stören oder unterdrücken, die der Herstellung oder Aufrechterhaltung unerlaubter Funkverbindungen auf dem Anstaltsgelände dienen.

(3) Frequenznutzungen außerhalb des Anstaltsgeländes dürfen nicht erheblich gestört werden. Die Anstalt hat die von der Bundesnetzagentur gemäß § 55 Abs. 1 Satz 5 des Telekommunikationsgesetzes festgelegten Rahmenbedingungen einzuhalten.

§ 118 Überflugverbot

(1) Über dem Anstaltsgelände und in einer Entfernung von weniger als 100 Metern von dessen Begrenzung ist der vorsätzliche oder fahrlässige Betrieb von Flugmodellen oder unbemannten Luftfahrtsystemen in einer Höhe von bis zu 150 Metern über Grund und Wasser verboten.

(2) Für vollzugliche oder sonstige öffentliche Zwecke kann die Anstaltsleitung den Betrieb im Einzelfall gestatten.

(3) Für den Bereich außerhalb des Anstaltsgeländes kann die Gestattung auch für private Zwecke erteilt werden, wenn keine Gefährdung für die Sicherheit und Ordnung der Anstalt zu befürchten ist.

(4) § 117 Abs. 2 und 3 gilt entsprechend.

§ 119 Bußgeldvorschriften

(1) Ordnungswidrig handelt, wer

  1. entgegen § 117 Abs. 1 Satz 1 Geräte zur funkbasierten Übertragung von Daten besitzt oder benutzt oder
  2. entgegen § 118 Abs. 1 vorsätzlich oder fahrlässig Flugmodelle oder unbemannte Luftfahrtsysteme über dem Anstaltsgelände oder in einer Entfernung von weniger als 100 Metern von der Begrenzung des Anstaltsgeländes unbefugt betreibt.

(2) Die Ordnungswidrigkeit und der Versuch einer Ordnungswidrigkeit kann in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 mit einer Geldbuße bis zu fünfzehntausend Euro, in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 mit einer Geldbuße bis zu fünfundzwanzigtausend Euro geahndet werden.

(3) Gegenstände, auf die sich die Ordnungswidrigkeit bezieht oder die zu ihrer Vorbereitung oder Begehung verwendet worden sind, können eingezogen werden. § 23 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten findet Anwendung.

(4) Sachlich zuständige Verwaltungsbehörden für die Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten nach Absatz 1 sind die Justizvollzugsanstalten.

Abschnitt 21
Vollzug des Strafarrests

§ 120 Grundsatz

(1) Für den Vollzug des Strafarrests in Anstalten gelten die den Strafgefangenen betreffenden Bestimmungen dieses Gesetzes entsprechend, soweit § 121 nicht Abweichendes bestimmt.

(2) § 121 Abs. 1 bis 3, 7 und 8 gilt nicht, wenn Strafarrest in Unterbrechung einer anderen freiheitsentziehenden Maßnahme vollzogen wird.

§ 121 Besondere Bestimmungen

(1) Der Strafarrestant soll im offenen Vollzug untergebracht werden.

(2) Eine gemeinsame Unterbringung mit Strafgefangenen oder Jugendstrafgefangenen ist nur mit Einwilligung des Strafarrestanten zulässig.

(3) Besuche, Telefongespräche und Schriftwechsel dürfen nur untersagt oder überwacht werden, wenn dies aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt notwendig ist.

(4) Dem Strafarrestanten soll gestattet werden, einmal wöchentlich Besuch zu empfangen.

(5) Der Strafarrestant darf eigene Kleidung tragen und eigenes Bettzeug benutzen, wenn Gründe der Sicherheit nicht entgegenstehen und er für Reinigung, Instandsetzung und regelmäßigen Wechsel auf eigene Kosten sorgt.

(6) Der Strafarrestant darf Nahrungs-, Genuss- und Körperpflegemittel in angemessenem Umfang durch Vermittlung der Anstalt auf eigene Kosten erwerben.

(7) Eine mit einer Entkleidung verbundene körperliche Durchsuchung ist nur bei Gefahr im Verzug zulässig. § 85 Abs. 2 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.

(8) Zur Vereitelung einer Entweichung und zur Wiederergreifung dürfen Schusswaffen nicht gebraucht werden.

Abschnitt 22
Ersatz von Aufwendungen

§ 122 Ersatz von Aufwendungen

(1) Der Gefangene ist unbeschadet der Ansprüche aus sonstigen Rechtsvorschriften verpflichtet, der Anstalt Aufwendungen zu ersetzen, die er durch eine vorsätzlich oder grob fahrlässig begangene Selbstverletzung oder Verletzung anderer verursacht hat.

(2) Die Anstalt kann bei der Geltendmachung von Forderungen nach Absatz 1 oder wegen einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Verletzung fremden Eigentums durch den Gefangenen gegen einen Anspruch des Gefangenen auf das Hausgeld aufrechnen, soweit der Anspruch auf das Hausgeld den dreifachen Tagessatz der Eckvergütung nach § 64 Abs. 3 übersteigt.

(3) Für die in Absatz 1 genannten Forderungen ist der ordentliche Rechtsweg gegeben.

(4) Von der Aufrechnung oder Vollstreckung wegen der in den Absätzen 1 und 2 genannten Forderungen ist abzusehen, wenn hierdurch die Wiedereingliederung des Gefangenen behindert würde.

Abschnitt 23 20 20
Schlussbestimmungen

§ 123 Übergangsbestimmungen 20

(1) Für Anstalten, mit deren Errichtung vor dem 3. Oktober 1990 begonnen wurde, gilt, dass abweichend von § 18 während der Einschlusszeiten bis zu zwei Gefangene gemeinsam untergebracht werden dürfen, solange die räumlichen Verhältnisse der Anstalt dies erfordern; eine gemeinschaftliche Unterbringung ist nur bis zum Ablauf des 31. Dezember 2024 zulässig.

(2) Für die bei Inkrafttreten dieses Gesetzes bestehenden Anstalten kann die Aufsichtsbehörde abweichend von § 106 die Belegungsfähigkeit einer Anstalt nach Maßgabe des Absatzes 1 festsetzen.

(3) Abweichend von § 33 Abs. 5 sind Langzeitbesuche ausgeschlossen, wenn die räumlichen Verhältnisse der Anstalt Langzeitbesuche nicht zulassen.

(4) Bis zum Inkrafttreten einer Verordnung nach § 66 findet die Strafvollzugsvergütungsordnung vom 11. Januar 1977 (BGBl. I S. 57), geändert durch Artikel 6 des Gesetzes vom 13. Dezember 2007 (BGBl. I S. 2894, 2896), in der jeweils geltenden Fassung weiterhin Anwendung.

(5) Daten, die nach Abschnitt 23 dieses Gesetzes zu löschen oder zu sperren sind, nach dem bisher geltenden Recht jedoch gespeichert werden durften und nicht gesperrt werden brauchten, sind spätestens zum 31. Dezember 2017 zu löschen oder zu sperren.

(6) Für die bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Weiterentwicklung des Justizvollzugs in Sachsen-Anhalt nach § 43 Abs. 6 des Strafvollzugsgesetzes oder § 65 Abs. 2 des Jugendstrafvollzugsgesetzes Sachsen-Anhalt erworbenen, aber noch nicht abgegoltenen Freistellungstage findet § 43 Abs. 9 bis 11 des Strafvollzugsgesetzes oder § 65 Abs. 5 bis 7 des Jugendstrafvollzugsgesetzes Sachsen-Anhalt entsprechende Anwendung.

§ 124 Berichtspflicht 20

Die Aufsichtsbehörde berichtet dem Landtag von Sachsen-Anhalt in zweijährigem Abstand, erstmals im ersten Quartal 2019, zum Vollzug der Jugendstrafe in Sachsen-Anhalt.

§ 125 Verhältnis zu Bundesrecht 20

Dieses Gesetz ersetzt nach Artikel 125a Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes in Sachsen-Anhalt das Strafvollzugsgesetz mit Ausnahme der Bestimmungen des Strafvollzugsgesetzes über

  1. den Pfändungsschutz (§ 50 Abs. 2 Satz 5, § 51 Abs. 4 und 5, § 75 Abs. 3), den Nachrang der Sozialhilfe bei der Zahlung von Ausbildungsbeihilfe (§ 44 Abs. 1 Satz 2),
  2. das Handeln auf Anordnung (§ 97),
  3. das gerichtliche Verfahren (§§ 109 bis 121),
  4. die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und einer Entziehungsanstalt (§ § 136 bis 138),
  5. den Vollzug von Ordnungs-, Sicherungs-, Zwangs- und Erzwingungshaft (§ § 171 bis 175) und
  6. den unmittelbaren Zwang in Justizvollzugsanstalten für andere Arten des Freiheitsentzugs (§ 178).

§ 126 Einschränkung von Grundrechten 20

Durch dieses Gesetz werden die folgenden Grundrechte eingeschränkt:

  1. das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit im Sinne von Artikel 2 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes und Artikel 5 Abs. 2 Satz 1 der Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt,
  2. das Grundrecht der Freiheit der Person im Sinne von Artikel 2 Abs. 2 Satz 2 des Grundgesetzes und Artikel 5 Abs. 2 Satz 2 der Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt,
  3. das Grundrecht auf Unverletzlichkeit des Briefgeheimnisses sowie des Post- und Fernmeldegeheimnisses im Sinne von Artikel 10 Abs. 1 des Grundgesetzes und Artikel 14 Abs. 1 der Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt und
  4. das Grundrecht auf den Schutz personenbezogener Daten im Sinne von Artikel 2 Abs. 1 in Verbindung mit Artikel 1 Abs. 1 des Grundgesetzes und Artikel 6 Abs. 1 Satz 1 der Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt.

§ 127 Sprachliche Gleichstellung 20

Personen- und Funktionsbezeichnungen in diesem Gesetz gelten jeweils in männlicher und weiblicher Form.

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