umwelt-online: SOG M-V - Sicherheits- und Ordnungsgesetz (2)
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Zur aktuellen Fassung

Unterabschnitt 3 06
Prüffristen und Beschreibung von Verfahren

§ 46 Prüffristen

Werden personenbezogene Daten in Dateien gespeichert, so ist innerhalb festzulegender Fristen die Zulässigkeit der weiteren Speicherung dieser Daten zu überprüfen. Die Prüffristen dürfen

  1. bei Erwachsenen fünf Jahre, in besonderen Fällen zehn Jahre,
  2. bei Erwachsenen nach Vollendung des 70. Lebensjahres und bei Jugendlichen fünf Jahre,
  3. bei Kindern zwei Jahre sowie
  4. abweichend von Nummer 1 und 2 bei einer Sexualstraftat nach den §§ 174 bis 180, 182 oder einer Straftat nach den §§ 211 bis 213, 223 bis 227 des Strafgesetzbuches, die sexuell bestimmt ist, 15 Jahre

nicht überschreiten, wobei nach dem Zweck der Speicherung sowie der Art und Bedeutung des Sachverhalts zu unterscheiden ist. Die Frist beginnt regelmäßig mit dem Tag der letzten behördlichen Speicherung eines für die Gefahrenprognose maßgebenden personenbezogenen Datums, jedoch nicht vor der Entlassung des Betroffenen aus einer Justizvollzugsanstalt, der Beendigung einer mit Freiheitsentziehung verbundenen Maßregel der Besserung und Sicherung oder dem Ablauf einer gerichtlich bestimmten Bewährungszeit.

§ 47 Verfahren 06

(1) Verfahren zum Umgang mit personenbezogenen Daten sind auf das erforderliche Maß zu beschränken. In angemessenen Abständen ist die Notwendigkeit ihrer Weiterführung oder Änderung zu prüfen.

(2) Für jedes automatisierte Verfahren ist eine Beschreibung zu erstellen, in der neben den Vorgaben des § 18 des Landesdatenschutzgesetzes zusätzlich Prüffristen nach § 46 anzuordnen sind.

(3) Das Innenministerium regelt das Nähere durch Verwaltungsvorschrift. Die Beschreibung ist dem Landesbeauftragten für den Datenschutz zu übersenden.

Unterabschnitt 4
Auskunftsrecht und Begriffsbestimmung

§ 48 Auskunftsrecht des Betroffenen, Akteneinsicht

(1) Dem Betroffenen ist von der mit den Daten umgehenden Stelle auf Antrag gebührenfrei Auskunft zu erteilen über

  1. die über ihn gespeicherten Daten,
  2. den Zweck und die Rechtsgrundlage der Speicherung sowie
  3. die Empfänger von Übermittlungen und die Teilnehmer an automatisierten Abrufverfahren.

Ein Auskunftsanspruch besteht nicht, wenn eine Auskunft bereits erteilt wurde und die gespeicherten personenbezogenen Daten sich nicht geändert haben oder die Auskunft offensichtlich mißbräuchlich verlangt wird.

(2) Sind personenbezogene Daten in Akten oder nicht automatisierten Dateien gespeichert, ist dem Betroffenen gebührenfrei Einsicht in die jeweiligen ihn betreffenden Akten oder Dateien zu gewähren. Die Einsichtnahme darf nicht erfolgen, wenn die personenbezogenen Daten des Betroffenen mit personenbezogenen Daten Dritter oder geheimhaltungsbedürftigen nicht personenbezogenen Daten derart verbunden sind, daß ihre Trennung nicht oder nur mit unverhältnismäßig großem Aufwand möglich ist. In diesem Fall ist der betroffenen Person jedoch über die zu ihr gespeicherten Daten Auskunft zu erteilen. Rechtsvorschriften über die Akteneinsicht im Verwaltungsverfahren bleiben unberührt.

(3) Die Auskunftserteilung oder die Gewährung von Akteneinsicht entfällt, soweit eine Prüfung ergibt, daß

  1. dadurch die Erfüllung ordnungsbehördlicher oder polizeilicher Aufgaben erheblich erschwert oder gefährdet werden würde,
  2. die personenbezogenen Daten oder die Tatsache ihrer Speicherung nach einer Rechtsvorschrift oder wegen der berechtigten Interessen einer dritten Person geheimgehalten werden müssen oder
  3. durch die Auskunftserteilung oder die Gewährung von Akteneinsicht dem Wohl des Bundes oder eines Landes Nachteile entstehen würden; die Entscheidung über die Auskunftsverweigerung trifft in diesem Fall das Innenministerium.

(4) In den Fällen des Absatzes 3 ist die betroffene Person unter Mitteilung der wesentlichen Gründe für die Auskunftsverweigerung darauf hinzuweisen, daß sie sich an den Landesbeauftragten für den Datenschutz wenden kann. Eine Begründung erfolgt nicht, soweit dadurch der mit der Auskunftsverweigerung verfolgte Zweck gefährdet werden würde. Die Gründe für die Entscheidung nach Satz 2 sind aktenkundig zu machen.

§ 49 Straftaten von erheblicher Bedeutung 06 11

Straftaten von erheblicher Bedeutung im Sinne dieses Gesetzes sind

  1. Verbrechen,
  2. Vergehen nach den §§ 86, 86a, 89a, 89b, 91, 95, 129, 130, 310 Abs. 1 Nr. 2 des Strafgesetzbuches und
  3. banden-, gewerbs-, serienmäßig oder sonst organisiert begangene Vergehen nach den
    1. §§ 125a, 180a, 181a, 224, 243, 244, 260, 263 bis 264a, 265b, 266, 267, 283, 283a und 324 bis 330 des Strafgesetzbuches,
    2. § 52 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe c des Waffengesetzes,
    3. § 29 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 des Betäubungsmittelgesetzes,
    4. § 95 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes.

Abschnitt 4
Besondere Maßnahmen der Polizei und der Ordnungsbehörden

§ 50 Vorladung 06

(1) Eine Person kann schriftlich oder mündlich vorgeladen werden, wenn

  1. Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß die Person sachdienliche Angaben machen kann, die für die Erfüllung einer bestimmten Aufgabe der Ordnungsbehörden oder der Polizei erforderlich sind, oder
  2. dies zur Durchführung einer gesetzlich zugelassenen erkennungsdienstlichen Maßnahme erforderlich ist.

(2) Bei der Vorladung soll deren Grund angegeben werden. Bei der Festsetzung des Zeitpunktes soll auf den Beruf und die sonstigen Lebensverhältnisse der oder des Vorgeladenen Rücksicht genommen werden.

(3) Wird der Vorladung ohne hinreichenden Grund keine Folge geleistet, so kann sie zwangsweise durchgesetzt werden,

  1. wenn die Angaben zur Abwehr einer im einzelnen Falle bevorstehenden Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person erforderlich sind oder
  2. wenn erkennungsdienstliche Maßnahmen durchgeführt werden sollen.

(4) § 136a der Strafprozeßordnung gilt mit Ausnahme seines Absatzes 1 Satz 2 entsprechend.

(5) Maßnahmen nach Absatz 3 im Wege des unmittelbaren Zwanges dürfen nur Polizeivollzugsbeamte vornehmen.

(6) Für die Entschädigung von Personen, die auf Vorladung als Zeugen erscheinen oder die als Sachverständige oder Dolmetscher herangezogen werden, gilt das Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz entsprechend.

§ 51 Verfahren bei der Vorführung

(1) Kommt eine Person der gesetzlichen Verpflichtung, vor einer Behörde zu erscheinen, auf Vorladung nicht nach, so kann sie vorgeführt werden, wenn hierauf in der Vorladung hingewiesen worden ist. Unter der gleichen Voraussetzung kann eine Person vorgeführt werden, wenn sie aufgrund gesetzlicher Vorschrift einer Behörde vorzustellen ist, die Vorstellung aber unterblieben ist.

(2) Die vorgeführte Person darf nicht länger als bis zum Ende der Amtshandlung, zu der sie vorgeladen war, festgehalten werden. Spätestens am Ende des Tages nach der Vorführung ist sie zu entlassen.

(3) § 56 Abs. 2 und 5 gilt entsprechend.

§ 52 Platzverweisung 06

(1) Zur Abwehr einer im einzelnen Falle bevorstehenden Gefahr ist es zulässig, eine Person vorübergehend von einem Ort zu verweisen oder ihr vorübergehend das Betreten eines Ortes zu verbieten. Die Platzverweisung kann auch gegen Personen angeordnet werden, die den Einsatz der Feuerwehr oder von Hilfs- oder Rettungsdiensten behindern.

(2) Die Polizei kann eine Person ihrer Wohnung und des unmittelbar angrenzenden Bereichs verweisen, wenn dies erforderlich ist, um eine gegenwärtige Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit von Bewohnern derselben Wohnung abzuwenden. Unter den gleichen Voraussetzungen kann ein Betretungsverbot angeordnet werden. Eine solche Maßnahme darf die Dauer von 14 Tagen nicht überschreiten. Ergänzend können Maßnahmen zur Durchsetzung der Wegweisung oder des Betretungsverbotes verfügt werden. Im Falle eines Antrags auf zivilrechtlichen Schutz nach dem Gewaltschutzgesetz vom 11. Dezember 2001 (BGBl. I S. 3513) mit dem Ziel des Erlasses einer einstweiligen Anordnung endet die nach Satz 1 oder 2 verfügte polizeiliche Maßnahme bereits mit dem Tag der Wirksamkeit der gerichtlichen Entscheidung. Das Gericht informiert die Polizei über seine Entscheidung.

(3) Rechtfertigen Tatsachen die Annahme, dass eine Person in einem bestimmten örtlichen Bereich eine Straftat begehen wird, so kann ihr bis zu einer Dauer von zehn Wochen untersagt werden, diesen Bereich zu betreten oder sich dort aufzuhalten. Örtlicher Bereich im Sinne des Satzes 1 ist ein Ort oder ein Gebiet innerhalb einer Gemeinde oder auch ein gesamtes Gemeindegebiet. Das Gebot ist zeitlich und örtlich auf den zur Verhütung der Straftat erforderlichen Umfang zu beschränken und darf räumlich nicht den Zugang zur Wohnung der betroffenen Person umfassen. Die Vorschriften des Versammlungsrechts bleiben unberührt.

§ 53 Durchsuchung und Untersuchung von Personen 06 11 

(1) Eine Person kann außer in den Fällen des § 29 Abs. 3 Satz 2 nur durchsucht werden, wenn

  1. tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, daß die Person Sachen bei sich führt, die sichergestellt werden können,
  2. sie nach diesem Gesetz oder anderen Rechtsvorschriften angehalten oder festgehalten werden kann und die Durchsuchung
    1. zum Schutz der Person oder
    2. zur Eigensicherung des Amtsträgers
      erforderlich ist oder
  3. eine Identitätsfeststellung aufgrund des § 29 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, 2 oder 3 zulässig ist.

(2) Die Person kann zum Zwecke der Durchsuchung zur Dienststelle verbracht werden, wenn es sonst nicht möglich ist, die Durchsuchung ordnungsgemäß durchzuführen.

(3) Maßnahmen nach Absatz 1 und 2 dürfen nur Polizeivollzugsbeamte anordnen.

(4) Bei einer lebenden oder verstorbenen Person, von der sich ergibt oder anzunehmen ist, dass sie krank, krankheitsverdächtig, ansteckungsverdächtig ist oder war, können körperliche Untersuchungen, Entnahmen von Blutproben und andere körperliche Eingriffe zur Feststellung des Infektionsstatus angeordnet werden, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass es zu einer Übertragung von Krankheitserregern, wie insbesondere Hepatitis B, Hepatitis C oder Humanes Immundefizienzvirus (HIV) auf eine andere Person gekommen ist und bei dieser Person dadurch eine Gefahr für das Leben oder eine schwerwiegende Gesundheitsgefährdung besteht und die Kenntnis des Infektionsstatus zur Abwehr der Gefahr erforderlich ist. Körperliche Untersuchungen und Eingriffe dürfen nur von einem Arzt nach den Regeln der ärztlichen Kunst durchgeführt werden. Vor einer Blutentnahme soll eine ärztliche Konsultation erfolgen. Körperliche Untersuchungen und Eingriffe sind ohne Einwilligung des Betroffenen zulässig, wenn kein Nachteil für seine Gesundheit zu befürchten ist. Die Maßnahme bedarf der richterlichen Anordnung. Bei Gefahr im Verzug kann die Polizei die Maßnahme anordnen. Zuständig ist das Amtsgericht, in dessen Bezirk die Polizeibehörde ihren Sitz hat. Die bei der Untersuchung erhobenen personenbezogenen Daten dürfen über den Zweck dieses Gesetzes hinaus nur zum Schutz vor oder zur Abwehr von schwerwiegenden Gesundheitsgefährdungen verarbeitet und genutzt werden.

§ 54 Verfahren bei der Durchsuchung von Personen

(1) Bei der Durchsuchung einer Person können der Körper, die Kleidung, der Inhalt der Kleidung und die sonstigen am Körper getragenen Sachen durchsucht werden.

(2) Personen dürfen nur von Personen gleichen Geschlechts oder von Ärzten durchsucht werden; dies gilt nicht, wenn die sofortige Durchsuchung zum Schutz gegen eine im einzelnen Falle bevorstehende Gefahr für Leib oder Leben erforderlich ist.

§ 55 Gewahrsam von Personen

(1) Eine Person kann nur in Gewahrsam genommen werden, wenn dies

  1. zu ihrem Schutz gegen eine im einzelnen Falle bevorstehende Gefahr für Leib oder Leben erforderlich ist, insbesondere, weil sie sich erkennbar in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand oder sonst in hilfloser Lage befindet,
  2. unerlässlich ist, um die unmittelbar bevorstehende Begehung oder Fortsetzung einer Straftat zu verhindern; die Annahme, dass eine Person eine solche Tat begehen oder zu ihrer Begehung beitragen wird, kann sich insbesondere darauf stützen, dass
    1. sie die Begehung der Tat angekündigt oder dazu aufgefordert hat oder Transparente oder sonstige Gegenstände mit einer solchen Aufforderung mit sich führt; dies gilt auch für Flugblätter solchen Inhalts, soweit sie in einer Menge mitgeführt werden, die zur Verteilung geeignet ist,
    2. bei ihr Waffen, Werkzeuge oder sonstige Gegenstände aufgefunden werden, die ersichtlich zur Tatbegehung bestimmt sind oder erfahrungsgemäß bei derartigen Taten verwendet werden oder ihre Begleitperson solche Gegenstände mit sich führt und sie den Umständen nach hiervon Kenntnis haben musste, oder
    3. sie bereits in der Vergangenheit aus vergleichbarem Anlass bei der Begehung von Straftaten als Störer angetroffen worden ist und Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass eine Wiederholung dieser Verhaltensweise zu erwarten ist,
  3. unerlässlich ist, um eine gegenwärtige Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwehren,
  4. unerläßlich ist, um private Rechte zu schützen und eine Festnahme und Vorführung der Person nach den §§ 229 und 230 Abs. 3 des Bürgerlichen Gesetzbuches zulässig ist, oder
  5. unerläßlich ist, um eine Platzverweisung nach § 52 durchzusetzen.

(2) Minderjährige, die sich der Obhut der Sorgeberechtigten entzogen haben, können in Gewahrsam genommen werden, um sie den Sorgeberechtigten oder dem Jugendamt zuzuführen. Satz 1 gilt sinngemäß für unter Betreuung stehende Personen.

(3) Eine Person, die aus dem Vollzug von Untersuchungshaft, Freiheitsstrafen oder freiheitsentziehenden Maßregeln der Besserung und Sicherung entwichen ist oder sich sonst ohne Erlaubnis außerhalb der Justizvollzugsanstalt oder einer Anstalt nach den §§ 129 bis 138 des Strafvollzugsgesetzes aufhält, kann in Gewahrsam genommen und in die Anstalt zurückgebracht werden.

(4) Maßnahmen nach den Absätzen 1 bis 3 dürfen nur Polizeivollzugsbeamte vornehmen.

(5) Der Gewahrsam ist unverzüglich aufzuheben, sobald der Grund weggefallen oder der Zweck erreicht ist. Der Gewahrsam ist spätestens am Ende des Tages nach der Übernahme in den Gewahrsam aufzuheben, sofern nicht vorher die Fortdauer der Freiheitsentziehung gerichtlich angeordnet worden ist.

§ 56 Verfahren bei amtlichem Gewahrsam 10

(1) Wird eine Person in Gewahrsam, Verwahrung oder Haft genommen oder untergebracht (amtlicher Gewahrsam), so sind ihr unverzüglich der Grund der Maßnahme und die zulässigen Rechtsbehelfe bekanntzugeben, es sei denn, die Bekanntgabe wirkt sich für die Person nachteilig aus.

(2) Einer in Gewahrsam genommenen Person ist unverzüglich Gelegenheit zu geben, einen Angehörigen oder eine Person ihres Vertrauens zu benachrichtigen. Ist die betroffene Person nicht in der Lage, von diesem Recht Gebrauch zu machen, so soll die Behörde selbst die Benachrichtigung eines Angehörigen übernehmen. Ist die betroffene Person minderjährig, so ist in jedem Falle diejenige Person unverzüglich zu benachrichtigen, der die Sorge für die betroffene Person obliegt; ist für die betroffene Person ein Betreuer bestellt, so ist dieser zu benachrichtigen. Satz 1 und 2 gelten nicht, soweit der Zweck des Gewahrsams dadurch gefährdet wird.

(3) Die Person soll nicht in einem Raum mit Strafgefangenen, Untersuchungsgefangenen oder Suchtkranken verwahrt werden. Frauen und Männer sollen getrennt untergebracht werden; findet der Gewahrsam in Gewahrsamsräumen statt, sind sie getrennt unterzubringen.

(4) Der Person dürfen nur solche Beschränkungen auferlegt werden, die zur Sicherung des Zwecks oder zur Aufrechterhaltung der Ordnung des amtlichen Gewahrsams notwendig sind.

(5) Nimmt die Polizei eine Person in Gewahrsam, so hat sie unverzüglich eine richterliche Entscheidung über die Zulässigkeit und Fortdauer des Gewahrsams herbeizuführen. Der Herbeiführung der Entscheidung bedarf es nicht, wenn anzunehmen ist, dass die Entscheidung erst nach Wegfall des Grundes des Gewahrsams ergehen würde. In der Entscheidung ist die höchstzulässige Dauer des Gewahrsams zu bestimmen; sie darf im Falle des § 55 Abs. 1 Nr. 2 zehn Tage und in den übrigen Fällen drei Tage nicht überschreiten, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Für die Entscheidung ist das Amtsgericht zuständig, in dessen Bezirk die Person in Gewahrsam genommen worden ist. Das Verfahren richtet sich nach den Vorschriften über das Verfahren in Freiheitsentziehungssachen nach dem Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit

(6) Wird der Gewahrsam nach § 55 Abs. 1 im Wege der Amtshilfe in einer Justizvollzugsanstalt vollzogen, gelten die §§ 171, 173 bis 175 und 178 Abs. 3 des Strafvollzugsgesetzes entsprechend.

§ 57 Durchsuchung von Sachen

Sachen können außer in den Fällen des § 29 Abs. 3 Satz 2 nur durchsucht werden, wenn

  1. eine Person sie mitführt, die nach § 53 durchsucht werden darf,
  2. tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, daß sich darin eine andere Sache befindet, die sichergestellt werden kann,
  3. tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, daß sich darin eine Person befindet, die
    1. in Gewahrsam genommen werden darf,
    2. widerrechtlich festgehalten wird oder
    3. hilflos ist,
  4. sie sich an einem der in § 29 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 genannten Orte befinden,
  5. sie sich in einem Objekt im Sinne des § 29 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 oder 3 oder in dessen unmittelbarer Nähe befinden und tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, daß Straftaten in oder an diesem Objekt begangen werden sollen, oder
  6. es sich um ein Land-, Wasser- oder Luftfahrzeug handelt, in dem sich eine Person befindet, deren Identität nach § 29 festgestellt werden darf; die Durchsuchung kann sich auch auf die in dem Fahrzeug enthaltenen Sachen erstrecken.

§ 58 Verfahren bei der Durchsuchung von Sachen

Bei der Durchsuchung von Sachen hat der Gewahrsamsinhaber das Recht, anwesend zu sein. Ist er abwesend und ein Vertreter oder ein Zeuge anwesend, so soll dieser hinzugezogen werden. Dem Gewahrsamsinhaber ist auf Verlangen eine Bescheinigung über die Durchsuchung und ihren Grund zu erteilen.

§ 59 Betreten und Durchsuchung von Räumen 10

(1) Das Betreten von Wohn- und Geschäftsräumen oder eines befriedeten Besitztums ist gegen den Willen des Inhabers nur zulässig, wenn dies zur Verhütung einer erheblichen Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung erforderlich ist.

(2) Arbeits-, Betriebs- und Geschäftsräume sowie andere Räume und Grundstücke, die der Öffentlichkeit zugänglich sind, dürfen zum Zwecke der Gefahrenabwehr während der Arbeits-, Geschäfts- oder Aufenthaltszeit betreten werden.

(3) Die Durchsuchung von Wohn- und Geschäftsräumen oder eines befriedeten Besitztums ist nur zulässig, wenn

  1. tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, daß sich darin eine Person befindet, die nach § 51 vorgeführt oder nach einer Rechtsvorschrift in Gewahrsam genommen werden darf,
  2. tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, daß sich darin Sachen befinden, die nach § 61 Abs. 1 Nr. 1 sichergestellt werden dürfen, oder
  3. dies zur Abwehr einer gegenwärtigen erheblichen Gefahr erforderlich ist.

(4) Während der Nachtzeit (§ 104 Abs. 3 der Strafprozeßordnung) ist das Betreten und die Durchsuchung nur zur Abwehr einer gegenwärtigen erheblichen Gefahr zulässig. Dies gilt nicht für das Betreten von Räumen,

  1. die zur Nachtzeit jedermann zugänglich sind,
  2. wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, daß
    1. dort Personen Straftaten verabreden, vorbereiten oder verüben,
    2. sich dort Personen treffen, die gegen aufenthaltsrechtliche Vorschriften verstoßen,
    3. sich dort gesuchte Straftäter verbergen oder
    4. dort Personen dem unerlaubten Glücksspiel nachgehen, oder
  3. die der Prostitution dienen.

(5) Durchsuchungen von Wohn- und Geschäftsräumen dürfen, außer bei Gefahr im Verzug, nur aufgrund richterlicher Anordnung erfolgen. Zuständig ist das Amtsgericht, in dessen Bezirk die zu durchsuchenden Räume liegen. Für das Verfahren gelten die Vorschriften des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeitentsprechend.

(6) Maßnahmen nach Absatz 3 und 4 dürfen nur Polizeivollzugsbeamte vornehmen.

§ 60 Verfahren bei der Durchsuchung von Räumen

(1) Bei der Durchsuchung der Wohnung, der Geschäftsräume oder des befriedeten Besitztums hat der Inhaber das Recht, anwesend zu sein. Ist er nicht anwesend, so soll ein Vertreter oder ein Zeuge hinzugezogen werden.

(2) Dem Inhaber oder seinem Vertreter ist vor Beginn der Durchsuchung der Grund der Maßnahme bekanntzugeben. Auf die zulässigen Rechtsbehelfe ist hinzuweisen.

(3) Über die Durchsuchung ist eine Niederschrift zu fertigen, in der die für die Durchführung verantwortliche Behörde, Anlaß, Zeit und Ort der Durchsuchung und die anwesenden Personen namentlich aufzuführen sind. Die Niederschrift ist von dem durchsuchenden Vollzugsbeamten und dem Inhaber des durchsuchten Raumes, seinem Vertreter oder dem hinzugezogenen Zeugen zu unterschreiben. Wird die Unterschrift verweigert, so ist hierüber ein Vermerk aufzunehmen. Dem Inhaber oder seinem Vertreter ist auf Verlangen eine Abschrift der Niederschrift auszuhändigen.

(4) Ist die Anfertigung der Niederschrift oder die Aushändigung ihrer Abschrift unter den vorherrschenden Umständen nicht möglich oder würde sie den Zweck der Durchsuchung gefährden, so sind dem Inhaber oder seinem Vertreter lediglich die Vornahme der Durchsuchung unter Angabe der für die Durchsuchung verantwortlichen Behörde sowie Zeit und Ort der Durchsuchung schriftlich zu bestätigen.

(5) Die nach § 291 der Abgabenordnung für die Vornahme einer Vollstreckungshandlung zur Beitreibung einer Geldforderung erforderliche Niederschrift ersetzt die Niederschrift nach dieser Bestimmung.

§ 61 Sicherstellung von Sachen

(1) Eine Sache kann nur sichergestellt werden,

  1. um eine gegenwärtige Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwehren,
  2. wenn sie von einer Person mitgeführt wird, die nach diesem Gesetz oder anderen Rechtsvorschriften festgehalten wird, und die Sache verwendet werden kann, um
    1. sich zu töten oder zu verletzen,
    2. Leben oder Gesundheit anderer zu schädigen,
    3. fremde Sachen zu beschädigen oder
    4. die Flucht zu ermöglichen oder zu erleichtern,
  3. um den Eigentümer oder den rechtmäßigen Inhaber der tatsächlichen Gewalt vor Verlust oder Beschädigung einer Sache zu schützen oder
  4. wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass sie zur Begehung einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit verwendet werden soll.

(2) Sobald die Voraussetzungen für die Sicherstellung weggefallen sind, sind die Sachen demjenigen herauszugeben, bei dem sie sichergestellt worden sind. Ist die Herausgabe an ihn nicht möglich, können sie an einen anderen herausgegeben werden, der seine Berechtigung glaubhaft macht. Die Herausgabe ist ausgeschlossen, wenn dadurch erneut die Voraussetzungen für eine Sicherstellung eintreten würden.

(3) Die Herausgabe der Sachen kann von der Zahlung der Kosten, die durch die Sicherstellung entstanden sind, abhängig gemacht werden.

§ 62 Verfahren bei der Sicherstellung von Sachen

(1) Hat eine Person eine bewegliche Sache herauszugeben oder vorzulegen, so kann der Vollzugsbeamte (§ 103) sie ihr wegnehmen.

(2) Der herausgabepflichtigen Person ist eine Bescheinigung zu erteilen, die die weggenommene Sache bezeichnet, den Grund der Maßnahme erkennen läßt und eine Belehrung über die zulässigen Rechtsbehelfe enthalten soll.

(3) Wird die Sache nicht vorgefunden, so hat die herausgabepflichtige Person auf Verlangen der Vollzugsbehörde vor dem Amtsgericht an Eides Statt zu versichern, daß sie nicht wisse, wo die Sache sich befinde.

(4) Dem Antrag an das Amtsgericht, der herausgabepflichtigen Person die eidesstattliche Versicherung abzunehmen, sind beglaubigte Abschriften des Verwaltungsaktes sowie eine etwaige Niederschrift über den erfolglosen Wegnahmeversuch beizufügen. Für das Verfahren vor dem Amtsgericht gelten § 883 Abs. 3, die §§ 899, 900 Abs. 1, 3 und 5 und die §§ 901, 902, 904 bis 910 und 913 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(5) Sichergestellte Sachen sind amtlich zu verwahren. Falls die Beschaffenheit der Sache dies nicht zuläßt oder die amtliche Verwahrung unzweckmäßig ist, kann der Zweck der Sicherstellung auf andere Weise gewährleistet werden.

§ 63 Amtliche Verwahrung

(1) Wird eine Sache amtlich oder durch einen Dritten in amtlichem Auftrag verwahrt, so ist das Erforderliche zu veranlassen, um einem Verderb oder einer wesentlichen Minderung ihres Wertes vorzubeugen. Dies gilt nicht, wenn der Dritte auf Verlangen des früheren Gewahrsamsinhabers mit der Verwahrung beauftragt worden ist. Abweichende Rechtsvorschriften bleiben unberührt.

(2) Die verwahrten Sachen sind zu verzeichnen und so zu kennzeichnen, daß Verwechselungen vermieden werden.

§ 64 Verwertung, Vernichtung 06

(1) Die Verwertung verwahrter Sachen ist zulässig, wenn

  1. ihr Verderb oder eine wesentliche Minderung ihres Wertes droht oder ihre Aufbewahrung oder Unterhaltung mit unverhältnismäßig hohen Kosten, erheblichen Schwierigkeiten oder Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung verbunden ist,
  2. die empfangsberechtigte Person die Sache innerhalb einer Frist von sechs Wochen nach schriftlich ergangener Aufforderung nicht in Empfang nimmt oder
  3. die Sache nach einer Frist von sechs Monaten nicht an die empfangsberechtigte Person herausgegeben werden kann, ohne dass die Gründe, die zu ihrer Sicherstellung berechtigten, fortbestehen oder Sicherstellungsgründe erneut entstehen würden.

(2) Die Verwertung soll nach den §§ 296, 298, 302 bis 305 und 308 der Abgabenordnung durchgeführt werden. Der Eigentümer und andere Personen, denen Rechte an der Sache zustehen, sollen vor der Androhung der Verwertung gehört werden; ihnen sollen Ort und Zeit der Verwertung mitgeteilt werden.

(3) Der Erlös tritt an die Stelle der Sache.

(4) Verwahrte Sachen können unbrauchbar gemacht, vernichtet oder eingezogen werden, wenn

  1. im Falle einer Verwertung die Gründe, die zu ihrer Sicherstellung berechtigten, fortbestehen oder Sicherstellungsgründe erneut entstehen würden oder
  2. eine Verwertung aus anderen Gründen nicht möglich ist oder der zu erwartende Erlös aus einer Verwertung die entstehenden Kosten nicht deckt.

Absatz 2 Satz 2 gilt entsprechend.

§ 65 Verfahren bei der Wegnahme einer Person

(1) Hat jemand eine Person herauszugeben, so kann der Vollzugsbeamte (§ 103) sie jeder Person wegnehmen, bei der sie angetroffen wird.

(2) Der herausgabepflichtigen Person ist eine Bescheinigung zu erteilen, die die weggenommene Person bezeichnet, den Grund der Maßnahme erkennen läßt und eine Belehrung über die zulässigen Rechtsbehelfe enthalten soll.

(3) Wird die Person nicht vorgefunden, so hat die herausgabepflichtige Person auf Verlangen der Vollzugsbehörde vor dem Amtsgericht an Eides Statt zu versichern, daß sie nicht wisse, wo die Person sich befinde.

(4) § 62 Abs. 4 gilt entsprechend.

§ 66 Verfahren bei der Zwangsräumung

(1) Hat eine Person eine unbewegliche Sache, einen Raum oder ein Schiff zu räumen oder herauszugeben, so können sie und die ihrem Haushalt oder Geschäftsbetrieb angehörenden Personen aus dem Besitz gesetzt werden. Der Zeitpunkt der Zwangsräumung soll der betroffenen Person in angemessener Zeit vorher angekündigt werden.

(2) Werden bei einer Zwangsräumung bewegliche Sachen vorgefunden, die nicht herauszugeben oder vorzulegen sind, so werden sie der betroffenen Person oder, wenn diese abwesend ist, dem Vertreter oder einer dem Haushalt oder Geschäftsbetrieb der betroffenen Person angehörenden erwachsenen Person übergeben.

(3) Ist keine empfangsberechtigte Person nach Absatz 2 anwesend, so sind die beweglichen Sachen in amtliche Verwahrung zu nehmen. Dies gilt auch, wenn sich die empfangsberechtigte Person weigert, die Sachen anzunehmen.

§ 67 Übertragung des Eigentums

(1) Ist eine Person zur Übertragung des Eigentums an einer Sache verpflichtet, so ist für die nach bürgerlichem Recht erforderlichen Willenserklärungen und für die Eintragung in öffentliche Bücher und Register § 93 anzuwenden.

(2) Die Übergabe der Sache wird dadurch bewirkt, daß der Vollzugsbeamte die Sache in Besitz nimmt. § 62 Abs. 3 und 4 gilt entsprechend. Befindet sich die Sache im Gewahrsam eines Dritten, so ist der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, der Anspruch der betroffenen Person auf Herausgabe der Sache zu überweisen. Die §§ 309 bis 313 und 315 bis 317 der Abgabenordnung sind entsprechend anzuwenden.

Abschnitt 5
In Anspruch zu nehmende Personen

§ 68 Grundsatz

Maßnahmen zur Gefahrenabwehr dürfen nur gegen die nach den §§ 69 oder 70 verantwortlichen Personen gerichtet werden, es sei denn, daß gesetzlich etwas anderes bestimmt ist.

§ 69 Verantwortlichkeit für das Verhalten von Personen

(1) Wird die öffentliche Sicherheit oder Ordnung durch das Verhalten von Personen gestört oder im einzelnen Fall gefährdet, so ist die Person verantwortlich, die die Störung oder Gefahr verursacht hat.

(2) Verursachen Personen, die das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, die Störung oder Gefahr, so ist auch diejenige Person verantwortlich, der die Sorge für die minderjährige Person obliegt. Ist für die Person ein Betreuer bestellt, so können die Maßnahmen im Rahmen seines Aufgabenkreises auch gegen ihn gerichtet werden.

(3) Verursacht eine Person, die zu einer Verrichtung bestellt ist, die Störung oder Gefahr, so ist auch die Person verantwortlich, die die andere Person zu der Verrichtung bestellt hat.

§ 70 Verantwortlichkeit für Sachen

(1) Wird die öffentliche Sicherheit oder Ordnung durch den Zustand einer Sache gestört oder im einzelnen Fall gefährdet, so ist deren Eigentümer verantwortlich.

(2) Eine Person, die die tatsächliche Gewalt über eine Sache ausübt, ist neben dem Eigentümer verantwortlich. Sie ist an Stelle des Eigentümers verantwortlich, wenn sie die tatsächliche Gewalt gegen den Willen des Eigentümers ausübt.

(3) Geht die Störung oder Gefahr von einer herrenlosen Sache aus, so können die Maßnahmen gegen die Person gerichtet werden, die das Eigentum an der Sache aufgegeben hat.

(4) Gesetze, die eine andere Regelung enthalten, bleiben unberührt.

§ 70a Unmittelbare Ausführung einer Maßnahme 11 

Die Ordnungsbehörden und die Polizei können eine Maßnahme selbst oder durch einen Beauftragten (unmittelbar) ausführen, wenn der nach den §§ 69 oder 70 Verantwortliche nicht oder nicht rechtzeitig erreicht werden kann und die Maßnahme dem tatsächlichen oder mutmaßlichen Willen des Verantwortlichen entspricht. Der von der Maßnahme Betroffene ist unverzüglich zu unterrichten.

§ 71 Inanspruchnahme des Nichtstörers

(1) Zur Beseitigung einer Störung oder zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr können Maßnahmen auch gegen andere Personen als die Verantwortlichen (§§ 68 bis 70) getroffen werden, soweit und solange

  1. die Verantwortlichen nicht oder nicht rechtzeitig in Anspruch genommen werden können oder Maßnahmen gegen sie keinen Erfolg versprechen und
  2. die Störung oder Gefahr nicht durch die Behörde selbst oder durch einen Beauftragten beseitigt werden kann und
  3. die andere Person ohne erhebliche eigene Gefährdung oder Verletzung anderer überwiegender Pflichten in Anspruch genommen werden kann.

(2) Wird eine andere Person in Anspruch genommen, so hat die Behörde die verantwortliche Person unverzüglich zu benachrichtigen.

Abschnitt 6
Entschädigungsansprüche

§ 72 Entschädigungsanspruch des Nichtstörers

(1) Wer nach § 71 in Anspruch genommen wird, kann Entschädigung für den ihm hierdurch entstandenen Schaden verlangen.

(2) Ein Entschädigungsanspruch besteht jedoch nicht, soweit

  1. der Geschädigte auf andere Weise Ersatz erlangt hat oder
  2. der Geschädigte oder sein Vermögen durch die Maßnahme geschützt worden ist.

(3) Die Absätze 1 und 2 finden keine Anwendung, soweit die Entschädigungspflicht wegen rechtmäßiger Maßnahmen in anderen gesetzlichen Vorschriften geregelt oder ausgeschlossen ist.

§ 73 Entschädigungsanspruch des unbeteiligten Dritten

§ 72 findet entsprechende Anwendung, wenn ein Dritter, der weder nach den §§ 68 bis 70 verantwortlich noch nach § 71 in Anspruch genommen worden ist, durch Maßnahmen zur Gefahrenabwehr getötet oder verletzt wird oder einen billigerweise nicht zumutbaren Schaden erleidet.

§ 74 Art, Inhalt und Umfang der Entschädigungsleistung

(1) Die Entschädigung wird nur für Vermögensschäden gewährt. Für entgangenen Gewinn, der über den Ausfall des gewöhnlichen Verdienstes oder Nutzungsentgeltes hinausgeht, und für Vermögensnachteile, die nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der zu entschädigenden Maßnahme stehen, ist jedoch eine Entschädigung nur zu leisten, wenn und soweit diese zur Abwendung unbilliger Härten geboten erscheint.

(2) Die Entschädigung ist in Geld zu gewähren. Besteht der Schaden in der Aufhebung oder Verminderung der Erwerbsfähigkeit oder in einer Vermehrung der Bedürfnisse oder in dem Verlust oder der Minderung eines Rechts auf Unterhalt, so ist die Entschädigung durch Entrichtung einer Geldrente zu gewähren. Statt der Rente kann eine Abfindung in Kapital verlangt werden, wenn ein wichtiger Grund vorliegt.

(3) Die Entschädigung ist nur gegen Abtretung der Ansprüche zu gewähren, die dem Entschädigungsberechtigten aufgrund der Maßnahme, auf der die Entschädigung beruht, gegen Dritte zustehen.

(4) Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Betroffenen mitgewirkt, so ist das Mitverschulden zu berücksichtigen.

(5) Der Entschädigungsanspruch kann nur innerhalb eines Jahres geltend gemacht werden; die Frist beginnt, sobald der Geschädigte von dem Schaden und dem entschädigungspflichtigen Träger der öffentlichen Verwaltung Kenntnis erlangt. Ohne Rücksicht auf diese Kenntnis kann der Anspruch nur innerhalb von dreißig Jahren seit der Entstehung des Anspruchs geltend gemacht werden.

(6) Gesetze, die weitergehende Ersatzansprüche gewähren, bleiben unberührt.

§ 75 Entschädigungspflichtiger Rückgriff

(1) Entschädigungspflichtig ist der Träger der öffentlichen Verwaltung, in dessen Dienst derjenige steht, der die Maßnahme getroffen hat.

(2) Hat der Bedienstete für die Behörde eines anderen Trägers gehandelt, so ist letztgenannter entschädigungspflichtig. Ist in den Fällen des Satzes 1 eine Entschädigung nur wegen der Art und Weise der Durchführung der Maßnahme zu gewähren, so kann der entschädigungspflichtige Träger von dem Träger, in dessen Dienst der Bedienstete steht, Ersatz seiner Aufwendungen verlangen, es sei denn, dass er selbst die Verantwortung für die Art und Weise der Durchführung trägt.

(3) In den Fällen des § 72 kann der Entschädigungspflichtige in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches über die Geschäftsführung ohne Auftrag von den nach den §§ 68 bis 70 Verantwortlichen durch Verwaltungsakt Ersatz seiner Aufwendungen verlangen.

§ 76 Schadensersatzansprüche aus der Verarbeitung von Daten

Für Schadensersatzansprüche der nach den §§ 25 bis 48 betroffenen Personen findet § 27 Landesdatenschutzgesetz Anwendung.

§ 77 Rechtsweg

Für Streitigkeiten über die in §§ 72 bis 74 und 76 bezeichneten Ansprüche ist der ordentliche Rechtsweg gegeben.

Abschnitt 7
Einschränkung von Grundrechten

§ 78 Einschränkung von Grundrechten

Für Maßnahmen, die nach den Vorschriften der Abschnitte 1 bis 6 getroffen werden können, werden das Recht auf körperliche Unversehrtheit (Artikel 2 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes), das Recht der Freiheit der Person (Artikel 2 Abs. 2 Satz 2 des Grundgesetzes), das Recht auf Wahrung des Fernmeldegeheimnisses (Artikel 10 Abs. 1 des Grundgesetzes), das Recht der Freizügigkeit (Artikel 11 des Grundgesetzes) und das Recht der Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13 des Grundgesetzes) eingeschränkt.

Abschnitt 8
Erzwingung von Handlungen, Duldungen oder Unterlassungen

Unterabschnitt 1
Allgemeines Vollzugsverfahren

§ 79 Grundsatz

(1) Verwaltungsakte, die auf Herausgabe einer Sache oder auf Vornahme einer Handlung oder auf Duldung oder Unterlassung gerichtet sind, werden im Wege des Verwaltungszwangs durchgesetzt (Vollzug).

(2) Für den Vollzug gelten die §§ 80 bis 99.

(3) Die §§ 80 bis 99 gelten auch für den Vollzug von Verwaltungsakten, die nicht der Gefahrenabwehr dienen und die von Behörden der in § 1 genannten Verwaltungsträger sowie der sonstigen der Aufsicht des Landes unterstehenden Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts erlassen werden.

§ 80 Zulässigkeit des Vollzugs von Verwaltungsakten

(1) Der Vollzug von Verwaltungsakten ist zulässig, wenn

  1. der Verwaltungsakt unanfechtbar ist oder
  2. ein Rechtsbehelf keine aufschiebende Wirkung hat.

(2) Beim Vollzug eines Verwaltungsaktes im Wege der Ersatzvornahme (§ 89) oder der Anwendung unmittelbaren Zwangs (§ 90) kann von Absatz 1 abgewichen werden, wenn

  1. auf andere Weise eine gegenwärtige Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung nicht abgewehrt werden kann oder
  2. eine rechtswidrige Tat oder mit Geldbuße bedrohte Handlung anders nicht verhindert werden kann.

§ 81 Sofortiger Vollzug

(1) Der Verwaltungszwang ohne vorausgegangenen Verwaltungsakt (sofortiger Vollzug) ist im Wege der Ersatzvornahme oder des unmittelbaren Zwangs zulässig, wenn eine gegenwärtige Gefahr auf andere Weise nicht abgewehrt werden kann und die Behörde hierbei innerhalb ihrer gesetzlichen Befugnisse handelt. Dies gilt insbesondere, wenn Maßnahmen gegen Pflichtige nicht oder nicht rechtzeitig möglich sind. Rechtsvorschriften, die die Voraussetzungen des sofortigen Vollzugs abweichend regeln, bleiben unberührt.

(2) Bei einer Ersatzvornahme ist der Verantwortliche unverzüglich zu benachrichtigen.

(3) Für den sofortigen Vollzug gelten die nachfolgenden Vorschriften über den Vollzug von Verwaltungsakten entsprechend, soweit in ihnen nichts anderes bestimmt ist.

§ 82 Vollzugsbehörden

Der Verwaltungsakt wird von der Behörde vollzogen, die ihn erlassen hat; sie vollzieht auch die Widerspruchsentscheidungen.

§ 82a Vollzugshilfe

(1) Die Polizei leistet anderen Behörden im Einzelfall auf Ersuchen Vollzugshilfe, wenn unmittelbarer Zwang anzuwenden ist und die anderen Behörden nicht über die hierzu erforderlichen Dienstkräfte verfügen oder ihre Maßnahmen nicht auf andere Weise selbst durchsetzen können.

(2) Die Polizei ist nur für die Art und Weise der Durchführung verantwortlich. Im übrigen gelten die Grundsätze der Amtshilfe entsprechend.

(3) Die Verpflichtung zur Amtshilfe bleibt unberührt.

§ 82b Verfahren

(1) Vollzugshilfeersuchen sind grundsätzlich schriftlich zu stellen; sie haben den Grund und die Rechtsgrundlage der Maßnahme anzugeben.

(2) In Eilfällen kann das Ersuchen formlos gestellt werden. Es ist jedoch auf Verlangen unverzüglich schriftlich zu bestätigen.

(3) Die ersuchende Behörde ist von der Ausführung des Ersuchens zu verständigen.

§ 82c Vollzugshilfe bei Freiheitsentziehung

(1) Hat das Vollzugshilfeersuchen eine Freiheitsentziehung zum Inhalt, ist auch die richterliche Entscheidung über die Zulässigkeit der Freiheitsentziehung vorzulegen oder in dem Ersuchen zu bezeichnen.

(2) Ist eine vorherige richterliche Entscheidung nicht ergangen, hat die Polizei die festgehaltene Person zu entlassen, wenn die ersuchende Behörde diese nicht übernimmt oder die richterliche Entscheidung nicht unverzüglich nachträglich beantragt.

(3) § 56 Abs. 2 und 5 gilt entsprechend.

§ 83 Pflichtiger

(1) Als Pflichtiger kann in Anspruch genommen werden

  1. derjenige, gegen den sich der Verwaltungsakt richtet,
  2. sein Rechtsnachfolger, soweit der Verwaltungsakt auch gegen ihn wirkt.

(2) Ist jemand nach diesem Gesetz oder nach anderen Rechtsvorschriften verpflichtet, den Vollzug zu dulden, so ist er Pflichtiger, soweit seine Duldungspflicht reicht.

§ 84 Vollzug gegen den Rechtsnachfolger

(1) Der Vollzug gegen den Rechtsnachfolger darf erst beginnen, nachdem er von dem Verwaltungsakt Kenntnis erhalten hat und darauf hingewiesen worden ist, daß der Vollzug gegen ihn durchgeführt werden kann. Von diesen Voraussetzungen kann in den Fällen des § 80 Abs. 2 abgesehen werden.

(2) Der Vollzug, der im Zeitpunkt des Eintritts der Rechtsnachfolge bereits begonnen hat, darf gegen den Rechtsnachfolger fortgesetzt werden. Dabei ist Absatz 1 zu beachten.

§ 85 Vollzug gegen Träger der öffentlichen Verwaltung

Gegen Träger der öffentlichen Verwaltung ist der Vollzug nur zulässig, soweit er durch Rechtsvorschrift ausdrücklich zugelassen ist.

§ 86 Zwangsmittel

(1) Zwangsmittel sind

  1. das Zwangsgeld (§ 88),
  2. die Ersatzvornahme (§ 89),
  3. der unmittelbare Zwang (§ 90).

(2) Die Zwangsmittel können auch neben einer Strafe oder Geldbuße angewandt und solange wiederholt und gewechselt werden, bis der Verwaltungsakt befolgt worden oder auf andere Weise erledigt ist.

§ 87 Androhung von Zwangsmitteln

(1) Die Zwangsmittel müssen schriftlich angedroht werden. Beim Vorliegen der Voraussetzungen des § 80 Abs. 2 sowie des § 81 kann das Zwangsmittel mündlich angedroht werden oder die Androhung unterbleiben.

(2) In der Androhung ist eine Frist zu bestimmen, innerhalb der die Erfüllung der Verpflichtung dem Pflichtigen billigerweise zugemutet werden kann. Eine Frist braucht nicht bestimmt zu werden, wenn eine Duldung oder Unterlassung erzwungen werden soll.

(3) Die Androhung kann mit dem Verwaltungsakt, der vollzogen werden soll, verbunden werden. Sie soll mit ihm verbunden werden, wenn die sofortige Vollziehung angeordnet oder dem Rechtsbehelf keine aufschiebende Wirkung beigelegt ist (§ 80 Abs. 1 Nr. 2).

(4) Die Androhung muß sich auf bestimmte Zwangsmittel beziehen. Werden mehrere Zwangsmittel angedroht, ist anzugeben, in welcher Reihenfolge sie angewandt werden sollen. Unzulässig ist Androhung, mit der sich die Vollzugsbehörde die Wahl zwischen den Zwangsmitteln vorbehält.

(5) Das Zwangsgeld ist in bestimmter Höhe anzudrohen.

(6) Im Falle der Ersatzvornahme (§ 89) ist in der Androhung der Kostenbetrag vorläufig zu veranschlagen. Das Recht auf Nachforderung bleibt unberührt.

§ 88 Zwangsgeld

(1) Das Zwangsgeld ist zulässig, wenn

  1. der Pflichtige angehalten werden soll, eine Handlung vorzunehmen, oder
  2. der Pflichtige seiner Verpflichtung zuwiderhandelt, eine Handlung zu dulden oder zu unterlassen.

(2) Das Zwangsgeld ist schriftlich festzusetzen.

(3) Das Zwangsgeld beträgt mindestens 10 Euro, höchstens 50.000 Euro.

§ 89 Ersatzvornahme

(1) Wird eine Verpflichtung, eine Handlung vorzunehmen, deren Vornahme durch einen anderen möglich ist, nicht erfüllt, so kann die Vollzugsbehörde die Handlung auf Kosten des Pflichtigen ausführen oder durch einen Beauftragten ausführen lassen (Ersatzvornahme).

(2) Die Vollzugsbehörde kann dem Pflichtigen auferlegen, die Kosten in der vorläufig veranschlagten Höhe vorauszuzahlen.

§ 90 Unmittelbarer Zwang

Führen die Ersatzvornahme oder das Zwangsgeld nicht zum Erfolg oder sind sie unzweckmäßig, so kann die Vollzugsbehörde mit unmittelbarem Zwang die Handlung selbst vornehmen oder den Pflichtigen zur Handlung, Duldung oder Unterlassung zwingen.

§ 91 Ersatzzwangshaft

(1) Ist das Zwangsgeld uneinbringlich, so kann das Verwaltungsgericht auf Antrag der Vollzugsbehörde die Ersatzzwangshaft anordnen, wenn bei Androhung des Zwangsgeldes hierauf hingewiesen worden ist. Die Ersatzzwangshaft beträgt mindestens einen Tag, höchstens zwei Wochen.

(2) Die Ersatzzwangshaft ist auf Antrag der Vollzugsbehörde von der Justizverwaltung nach den Bestimmungen der §§ 904 bis 910 der Zivilprozeßordnung zu vollstrecken.

§ 92 Einstellung des Vollzugs

(1) Der Vollzug ist einzustellen, wenn

  1. der Verwaltungsakt aufgehoben worden ist,
  2. die Vollziehung des Verwaltungsaktes ausgesetzt worden ist,
  3. die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs angeordnet oder wiederhergestellt worden ist,
  4. der Zweck des Vollzuges erreicht ist oder
  5. weitere Verstöße gegen eine Duldungs- oder Unterlassungspflicht nicht zu erwarten sind.

(2) Der Vollzugsbeamte (§ 103) ist nur dann verpflichtet, von weiteren Vollzugsmaßnahmen abzusehen, wenn ihm Tatsachen nachgewiesen werden, aus denen sich die Pflicht zur Einstellung eindeutig ergibt.

Unterabschnitt 2
Vollzug von Verwaltungsakten, die auf Abgabe einer Erklärung gerichtet sind

§ 93 Abgabe einer Erklärung

(1) Ist jemand verpflichtet, eine bestimmte Erklärung abzugeben, so gilt diese Erklärung als abgegeben, sobald der Verwaltungsakt, der die Verpflichtung begründet hat, unanfechtbar geworden ist. Voraussetzung ist, daß

  1. der Inhalt der Erklärung in dem Verwaltungsakt festgelegt worden ist,
  2. der Pflichtige auf diese Rechtsfolge hingewiesen worden ist und
  3. er in dem Zeitpunkt des Eintritts der Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes diese Erklärung rechtswirksam abgeben kann.

(2) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, teilt den Beteiligten mit, in welchem Zeitpunkt der Verwaltungsakt unanfechtbar geworden ist. Sie ist berechtigt, die zur Wirksamkeit der Erklärung erforderlichen Genehmigungen und Zustimmungen einzuholen und Anträge auf Eintragungen in öffentliche Bücher und Register zu stellen. § 792 der Zivilprozeßordnung ist anzuwenden.

Unterabschnitt 3
Erweiterte Anwendung der Vollzugsvorschriften

§ 94 Anwendung der Vollzugsvorschriften aufgrund bundesrechtlicher Ermächtigungen

Die Vorschriften über die Erzwingung von Handlungen, Duldungen oder Unterlassungen gelten auch, soweit in Bundesgesetzen die Länder ermächtigt worden sind zu bestimmen, daß die landesrechtlichen Vorschriften über das Verwaltungszwangsverfahren anzuwenden sind oder an die Stelle von bundesrechtlichen Vorschriften treten können.

§ 95 Anwendung der Vollzugsvorschriften auf öffentlich-rechtliche Verträge

Auf öffentlich-rechtliche Verträge im Sinne des § 61 Abs. 1 Verwaltungsverfahrensgesetz sind die Vorschriften über die Erzwingung von Handlungen, Duldungen oder Unterlassungen entsprechend anzuwenden. Richtet sich die Vollstreckung wegen der Erzwingung einer Handlung, Duldung oder Unterlassung gegen einen Träger der öffentlichen Verwaltung, so ist § 172 der Verwaltungsgerichtsordnung entsprechend anzuwenden.

§ 96 Sonstige Anwendung der Vollzugsvorschriften

(1) Die Vorschriften über die Erzwingung von Handlungen, Duldungen oder Unterlassungen gelten entsprechend

  1. für die Vollstreckung aus gerichtlichen Entscheidungen, die nach gesetzlicher Vorschrift von einer Verwaltungsbehörde zu vollziehen sind, und
  2. wenn ein Gericht eine Vollstreckungsbehörde zur Ausführung einer Vollstreckung in Anspruch nimmt und die Vollstreckung nach landesrechtlichen Bestimmungen durchzuführen ist.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 bedarf es einer Androhung der Zwangsmittel (§ 87) nicht.

§ 97 Maßnahmen gegen Tiere

Bei Maßnahmen gegen Tiere aufgrund der Vorschriften dieses Gesetzes sind die für Sachen geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden. Hierbei haben die Behörden die Verantwortung des Menschen für das Tier zu berücksichtigen.

Unterabschnitt 4
Einschränkung von Grundrechten und Rechtsbehelfe

§ 98 Einschränkung von Grundrechten

Für Maßnahmen, die nach den Vorschriften der Unterabschnitte 1 bis 3 getroffen werden können, werden das Recht auf körperliche Unversehrtheit (Artikel 2 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes), das Recht der Freiheit der Person (Artikel 2 Abs. 2 Satz 2 des Grundgesetzes) und das Recht der Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13 des Grundgesetzes) eingeschränkt.

§ 99 Rechtsbehelfe

(1) Die Rechtsmittel und sonstigen Rechtsbehelfe gegen Vollzugsmaßnahmen richten sich, soweit durch Gesetz nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist, nach den Vorschriften über die allgemeine Verwaltungsgerichtsbarkeit. Sie haben keine aufschiebende Wirkung.

(2) Einwendungen gegen den dem Vollzug zugrundeliegenden Verwaltungsakt sind außerhalb des Vollzugsverfahrens mit den dafür zugelassenen Rechtsbehelfen zu verfolgen.

§ 100 (aufgehoben)

Unterabschnitt 5
Ausübung unmittelbaren Zwangs

§ 101 Rechtliche Grundlagen

(1) Lassen Rechtsvorschriften die Anwendung unmittelbaren Zwangs zu, so gelten für die Art und Weise der Ausübung des unmittelbaren Zwangs die §§ 102 bis 112 und, soweit sich aus ihnen nichts Abweichendes ergibt, die übrigen Vorschriften dieses Gesetzes.

(2) Das Recht zur Verteidigung in den Fällen der Notwehr und des Notstandes bleibt unberührt.

§ 102 Begriffsbestimmung 11 

(1) Unmittelbarer Zwang ist die Einwirkung auf Personen oder Sachen durch

  1. körperliche Gewalt,
  2. Hilfsmittel der körperlichen Gewalt,
  3. Waffen.

(2) Körperliche Gewalt ist jede unmittelbare körperliche Einwirkung auf Personen oder Sachen.

(3) Hilfsmittel der körperlichen Gewalt sind insbesondere Fesseln, Wasserwerfer, technische Sperren, Diensthunde, Dienstpferde, Dienstfahrzeuge, Reizstoffe und Sprengmittel; Sprengmittel dürfen nicht gegen Personen angewandt werden.

(4) Als Waffen sind nur Schlagstöcke, Distanz-Elektroimpulsgeräte, Pistolen, Revolver, Gewehre und Maschinenpistolen zugelassen.

§ 103 Vollzugsbeamte

(1) Unmittelbarer Zwang darf nur durch Vollzugsbeamte ausgeübt werden.

(2) Vollzugsbeamte sind

  1. Polizeivollzugsbeamte und
  2. andere Beamte und sonstige Bedienstete, die durch Verordnung der Landesregierung ermächtigt sind, unmittelbaren Zwang auszuüben.

(3) Vollzugsbeamte der Ämter und amtsfreien Gemeinden bedürfen der Bestätigung der Kreisordnungsbehörde.

§ 104 Handeln auf Anordnung 09

(1) Vollzugsbeamte sind verpflichtet, unmittelbaren Zwang anzuwenden, der im Vollzugsdienst von ihrem Vorgesetzten oder einer sonst dazu befugten Person angeordnet wird. Dies gilt nicht, wenn die Anordnung die Menschenwürde verletzt oder nicht zu dienstlichen Zwecken erteilt worden ist.

(2) Eine Anordnung darf nicht befolgt werden, wenn dadurch eine Straftat begangen würde. Befolgt der Vollzugsbeamte die Anordnung trotzdem, so trifft ihn eine Schuld nur, wenn er erkennt oder wenn es nach den ihm bekannten Umständen offensichtlich ist, daß dadurch eine Straftat begangen wird.

(3) Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Anordnung hat der Vollzugsbeamte dem Anordnenden gegenüber vorzubringen, soweit das nach den Umständen möglich ist.

(4) § 36 Abs. 2 und 3 des Beamtenstatusgesetzes ist nicht anzuwenden.

§ 105 Hilfeleistung für Verletzte

Wird unmittelbarer Zwang angewendet, ist Verletzten, soweit es nötig ist und die Lage es zuläßt, Beistand zu leisten und ärztliche Hilfe zu verschaffen.

§ 106 Fesselung von Personen

Eine Person, die nach diesem Gesetz oder anderen Gesetzen festgehalten wird, darf gefesselt werden,

  1. wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß sie
    1. andere Personen angreifen oder Sachen von nicht geringem Wert beschädigen wird,
    2. fliehen wird oder befreit werden soll oder
    3. sich töten oder erheblich verletzen wird, oder
  2. wenn sie Widerstand leistet.

§ 107 Zum Gebrauch von Schußwaffen Berechtigte

Die Befugnis zum Gebrauch von Schußwaffen steht ausschließlich zu

  1. den Polizeivollzugsbeamten,
  2. den Beamten und anderen Bediensteten der Landesforstverwaltung, die im Forst- und Jagdschutz verwendet werden sowie bestätigte Jagdaufseher (§ 25 Landesjagdgesetz), sofern sie Berufsjäger oder forstlich ausgebildet sind,
  3. den Beamten und anderen Bediensteten der Gerichte und Behörden der Justizverwaltung, die mit Sicherungs- und Vollzugsaufgaben betraut sind, jedoch nicht den Gerichtsvollziehern.

§ 108 Allgemeine Vorschriften für den Schußwaffengebrauch

(1) Schußwaffen dürfen nur gebraucht werden, wenn andere Maßnahmen des unmittelbaren Zwangs erfolglos angewendet worden sind oder offensichtlich keinen Erfolg versprechen.

(2) Der Schußwaffengebrauch ist unzulässig, wenn Unbeteiligte gefährdet werden. Dies gilt nicht, wenn der Schußwaffengebrauch das einzige Mittel zur Abwehr einer gegenwärtigen Lebensgefahr ist.

(3) Gegen Personen, die tatsächlich oder dem äußeren Eindruck nach noch nicht 14 Jahre alt sind, dürfen Schußwaffen nicht gebraucht werden. Das gilt nicht, wenn der Schußwaffengebrauch das einzige Mittel zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben ist.

§ 109 Schußwaffengebrauch gegen Personen

(1) Gegen Personen ist der Gebrauch von Schußwaffen nur zulässig, um angriffs- oder fluchtunfähig zu machen und soweit der Zweck nicht durch Schußwaffengebrauch gegen Sachen erreicht werden kann.

(2) Schußwaffen dürfen gegen Personen nur gebraucht werden,

  1. um eine gegenwärtige Gefahr für Leib oder Leben abzuwehren,
  2. um die unmittelbar bevorstehende Begehung oder Fortsetzung eines Verbrechens oder eines Vergehens unter Anwendung oder Mitführung von Schußwaffen oder Explosivmitteln zu verhindern,
  3. um eine Person anzuhalten, die sich der Festnahme oder Identitätsfeststellung durch Flucht zu entziehen versucht, wenn sie
    1. eines Verbrechens dringend verdächtig ist oder
    2. eines Vergehens dringend verdächtig ist und tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, daß sie von einer Schußwaffe oder einem Explosivmittel Gebrauch machen werde,
  4. zur Vereitelung der Flucht oder zur Ergreifung einer Person, die in amtlichem Gewahrsam zu halten oder ihm zuzuführen ist
    1. aufgrund richterlicher Entscheidung wegen eines Verbrechens oder aufgrund des dringenden Verdachts eines Verbrechens oder
    2. aufgrund richterlicher Entscheidung wegen eines Vergehens oder aufgrund des dringenden Verdachts eines Vergehens, sofern tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, daß sie von einer Schußwaffe oder einem Explosivmittel Gebrauch machen wird, oder
  5. um die gewaltsame Befreiung einer Person aus amtlichem Gewahrsam zu verhindern.

(3) Schußwaffen dürfen nach Absatz 2 Nr. 4 nicht gebraucht werden, wenn es sich um den Vollzug eines Jugendarrestes oder eines Strafarrestes handelt oder wenn die Flucht aus einer offenen Anstalt verhindert werden soll.

§ 110 Schußwaffengebrauch gegen Personen in einer Menschenmenge

(1) Schußwaffen dürfen gegen Personen in einer Menschenmenge nur gebraucht werden, wenn von ihr oder aus ihr heraus schwerwiegende Gewalttaten begangen werden oder unmittelbar bevorstehen und andere Maßnahmen keinen Erfolg versprechen.

(2) Wer sich aus einer solchen Menschenmenge nach wiederholter Androhung des Schußwaffengebrauches nicht entfernt, obwohl ihm das möglich ist, ist nicht Unbeteiligter im Sinne des § 108 Abs. 2.

§ 111 Warnung

(1) Bevor unmittelbarer Zwang gegen Personen angewendet wird, ist zu warnen. Von der Warnung kann abgesehen werden, wenn die Umstände sie nicht zulassen, insbesondere wenn die sofortige Anwendung des Zwangsmittels zur Abwehr einer im einzelnen Falle bevorstehenden Gefahr notwendig ist. Als Warnung vor dem Schußwaffengebrauch gilt auch die Abgabe eines Warnschusses.

(2) Schußwaffen dürfen nur dann ohne Warnung gebraucht werden, wenn dies zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben erforderlich ist.

(3) Gegenüber einer Menschenmenge ist vor Anwendung unmittelbaren Zwangs möglichst so rechtzeitig zu warnen, daß sich Unbeteiligte noch entfernen können. Vor Gebrauch von Schußwaffen gegen Personen in einer Menschenmenge ist stets zu warnen; die Warnung ist vor dem Gebrauch zu wiederholen. Bei Gebrauch von technischen Sperren und Einsatz von Dienstpferden kann von der Warnung abgesehen werden.

§ 112 Verwaltungsvorschriften

Die allgemeinen Verwaltungsvorschriften über die Anwendung unmittelbaren Zwangs erläßt das Innenministerium für seinen Geschäftsbereich; die anderen Ministerien erlassen sie für ihren Geschäftsbereich im Einvernehmen mit dem Innenministerium.

§ 113 Einschränkung von Grundrechten

Für Maßnahmen, die nach Vorschriften dieses Unterabschnitts getroffen werden, werden das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Artikel 2 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes), das Recht der Freiheit der Person (Artikel 2 Abs. 2 Satz 2 des Grundgesetzes) und das Recht der Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13 des Grundgesetzes) eingeschränkt.

Abschnitt 9
Kosten

§ 114 Kosten 11 

(1) Für Amtshandlungen nach diesem Gesetz und den zur Durchführung dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen werden Kosten (Gebühren und Auslagen) erhoben.

(2) Die obersten Landesbehörden werden ermächtigt, jeweils für ihren Zuständigkeitsbereich durch Rechtsverordnung die einzelnen Amtshandlungen, für die die Verwaltungsgebühren erhoben werden, und die Gebührensätze im Einvernehmen mit dem Innenministerium und dem Finanzministerium zu bestimmen. Das Verwaltungskostengesetz des Landes Mecklenburg-Vorpommern findet Anwendung, soweit dieses Gesetz keine abweichenden Vorschriften enthält.

(3) Die Kosten trägt der Pflichtige, im Fall der unmittelbaren Ausführung einer Maßnahme (§ 70a) der nach den §§ 69 oder 70 Verantwortliche.

Abschnitt 10
Schlussbestimmungen

§ 115 Übergangsvorschrift 06

Auf Dateien und Datensammlungen, die vor Inkrafttreten des Ersten Gesetzes zur Änderung des Sicherheits- und Ordnungsgesetzes errichtet wurden, sind § 25 Abs. 3 und § 47 Abs. 2 anzuwenden, wenn die datenverarbeitende Stelle im Rahmen ihrer laufenden Prüfungspflichten feststellt, daß Änderungen vorzunehmen sind.

§ 116 (aufgehoben) 11 

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