Druck- und Lokalversion Regelwerk, Allgemein, SanktionenFrame öffnen

Nds. SVVollzG - Niedersächsisches Sicherungsverwahrungsvollzugsgesetz
- Niedersachsen -

Vom 12. Dezember 2012
(Nds.GVBl. Nr. 32 vom 18.12.2012 S. 566; 15.06.2017 S. 172 17; 20.05.2019 S. 88 19; 17.05.2022 S. 336 22; 22.09.2022 S. 593 22a i.K.)
Gl.-Nr.: 31410



Erstes Kapitel
Allgemeine Vorschriften, Grundsätze

§ 1 Anwendungsbereich

Dieses Gesetz regelt den Vollzug der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung in Niedersachsen.

§ 2 Vollzugsziele

(1) Der Vollzug der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung dient dem Ziel, die Gefährlichkeit der Sicherungsverwahrten für die Allgemeinheit so zu mindern, dass die Vollstreckung der Unterbringung möglichst bald zur Bewährung ausgesetzt oder für erledigt erklärt werden kann.

(2) Im Vollzug sollen die Sicherungsverwahrten fähig werden, künftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen.

(3) Zugleich dient der Vollzug der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung dem Schutz der Allgemeinheit vor weiteren erheblichen Straftaten.

§ 3 Allgemeine Gestaltungsgrundsätze

(1) Der Vollzug der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung ist freiheitsorientiert und therapiegerichtet auszugestalten.

(2) Das Leben im Vollzug ist den allgemeinen Lebensverhältnissen anzupassen, soweit die Sicherungsverwahrten nicht den in diesem Gesetz vorgesehenen Beschränkungen ihrer Freiheit unterliegen. Der Bezug zum Leben außerhalb des Vollzuges ist zu erhalten und zu fördern.

(3) Schädlichen Folgen des Freiheitsentzuges ist entgegenzuwirken.

(4) Die unterschiedlichen Lebenslagen und Bedürfnisse der Sicherungsverwahrten, insbesondere im Hinblick auf Alter, Geschlecht und Herkunft, sind bei der Gestaltung des Vollzuges und bei Maßnahmen zur Regelung einzelner Angelegenheiten zu berücksichtigen.

§ 4 Maßnahmen zur Erreichung der Vollzugsziele

(1) Der oder dem Sicherungsverwahrten sind die zur Erreichung der Vollzugsziele nach § 2 Abs. 1 und 2 erforderlichen Betreuungs- und sonstigen Maßnahmen unverzüglich anzubieten. Die Bereitschaft der oder des Sicherungsverwahrten, an der Erreichung der Vollzugsziele nach § 2 Abs. 1 und 2 mitzuwirken, ist fortwährend zu wecken und zu fördern.

(2) Zu den Betreuungsmaßnahmen nach Absatz 1 zählen insbesondere psychiatrische, psychotherapeutische und sozialtherapeutische Behandlungsmaßnahmen. Behandlungsmaßnahmen müssen dem Stand der Wissenschaft entsprechen. Soweit standardisierte Behandlungsmaßnahmen nicht ausreichen oder keinen Erfolg versprechen, sind neue Behandlungsangebote zu entwickeln.

(3) Die Betreuung der oder des Sicherungsverwahrten erfolgt durch Justizvollzugsbedienstete (§ 113), die verschiedenen Fachrichtungen angehören. Soweit geeignete Justizvollzugs-bedienstete nicht vorhanden sind oder es aus anderen Gründen zur Erreichung der Vollzugsziele nach § 2 Abs. 1 und 2 erforderlich ist, sind beauftragte Personen oder Stellen (§ 114) oder sonstige Personen einzubeziehen. Bei der Durchführung der Behandlungsmaßnahmen wirken die in den Sätzen 1 und 2 genannten Personen oder Stellen in der Regel in enger Abstimmung zusammen, bei der Durchführung von sonstigen Maßnahmen, soweit dies erforderlich ist.

(4) Die angebotenen oder durchgeführten wesentlichen Maßnahmen sind zu dokumentieren.

§ 5 Rechtsstellung der Sicherungsverwahrten

Die oder der Sicherungsverwahrte unterliegt den in diesem Gesetz vorgesehenen Beschränkungen ihrer oder seiner Freiheit. Soweit das Gesetz eine besondere Regelung nicht enthält, können ihr oder ihm die Beschränkungen auferlegt werden, die zur Aufrechterhaltung der Sicherheit der Anstalt erforderlich sind. Die Sicherheit der Anstalt umfasst auch den Schutz der Allgemeinheit vor erheblichen Straftaten der Sicherungsverwahrten.

§ 6 Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, Ermessen und Beurteilungsspielräume

(1) Von mehreren geeigneten Maßnahmen ist diejenige zu treffen, die die Sicherungsverwahrte oder den Sicherungsverwahrten voraussichtlich am wenigsten beeinträchtigt. Eine Maßnahme darf nicht zu einem Nachteil führen, der zu dem erstrebten Erfolg erkennbar außer Verhältnis steht. Sie ist nur so lange zulässig, bis ihr Zweck erreicht ist oder nicht mehr erreicht werden kann.

(2) Bei der Ausübung von Ermessen und der Ausfüllung von Beurteilungsspielräumen ist auch zu berücksichtigen, inwieweit die jeweilige Maßnahme geeignet ist, die Bereitschaft der oder des Sicherungsverwahrten, an der Erreichung der Vollzugsziele nach § 2 Abs. 1 und 2 mitzuwirken, zu wecken und zu fördern.

Zweites Kapitel
Planung und Verlauf des Vollzuges

§ 7 Aufnahme in die Anstalt

(1) Bei der Aufnahme in die Anstalt wird mit der oder dem Sicherungsverwahrten unverzüglich ein Zugangsgespräch geführt. Dabei wird sie oder er über ihre oder seine Rechte und Pflichten und grundlegende Fragen der Vollzugsgestaltung unterrichtet. Gleichzeitig soll ihr oder ihm Gelegenheit gegeben werden, zur Vollzugsgestaltung Anregungen zu geben. Diese sind zu berücksichtigen, soweit sie der Erreichung der Vollzugsziele nach § 2 Abs. 1 und 2 dienen.

(2) Die oder der Sicherungsverwahrte und ihre oder seine Sachen werden durchsucht. Sie oder er wird alsbald ärztlich untersucht.

(3) Während des Aufnahmeverfahrens dürfen andere Sicherungsverwahrte nicht anwesend sein. Erfordert die Verständigung mit der oder dem aufzunehmenden Sicherungsverwahrten die Zuziehung einer Dolmetscherin oder eines Dolmetschers, so ist diese unverzüglich zu veranlassen.

§ 8 Behandlungsuntersuchung

(1) Nach der Aufnahme werden unverzüglich die zur Vorbereitung der Aufstellung des Vollzugsplans notwendigen Daten zur Persönlichkeit und zu den Lebensverhältnissen der oder des Sicherungsverwahrten erhoben und die Ursachen der Straftaten untersucht. Die Behandlungsuntersuchung erstreckt sich insbesondere auf die Umstände, die für die Beurteilung der Gefährlichkeit maßgeblich sind. Hierzu zählen die individuellen Risikofaktoren, der Behandlungsbedarf, die Behandlungsfähigkeit und die Behandlungsmotivation sowie die Fähigkeiten der oder des Sicherungsverwahrten, deren Stärkung der Gefährlichkeit entgegenwirkt. Erkenntnisse aus vorangegangenen Freiheitsentziehungen sind einzubeziehen.

(2) Die Behandlungsuntersuchung muss dem Stand der Wissenschaft entsprechen.

§ 9 Vollzugsplan 22

(1) Aufgrund der Behandlungsuntersuchung wird unverzüglich ein Vollzugsplan erstellt, der die individuellen Behandlungsziele festlegt und die zu ihrer Erreichung erforderlichen Maßnahmen benennt. Der Vollzugsplan enthält Angaben mindestens über folgende Maßnahmen:

  1. psychiatrische, psychotherapeutische oder sozialtherapeutische Behandlungsmaßnahmen,
  2. andere Einzel- oder Gruppenbehandlungsmaßnahmen,
  3. die Unterbringung in einer sozialtherapeutischen Anstalt oder Abteilung,
  4. die Zuweisung zu Wohn- oder anderen Gruppen, die der Erreichung der Vollzugsziele nach § 2 Abs. 1 und 2 dienen,
  5. Maßnahmen, die die Bereitschaft der oder des Sicherungsverwahrten zur Mitwirkung an ihrer oder seiner Behandlung wecken und fördern sollen,
  6. Art und Umfang einer anzubietenden Arbeit, Aus- oder Weiterbildung oder arbeitstherapeutischen Beschäftigung,
  7. die Teilnahme an Veranstaltungen der Fortbildung,
  8. die Teilnahme an Freizeitangeboten,
  9. Maßnahmen zur Ordnung der persönlichen, wirtschaftlichen und sozialen Angelegenheiten,
  10. vollzugsöffnende Maßnahmen,
  11. Maßnahmen zur Förderung von Außenkontakten und zur Vorbereitung eines geeigneten sozialen Empfangsraums und
  12. Maßnahmen zur Vorbereitung einer möglichen Entlassung und der durchgängigen Betreuung.

(2) Der Vollzugsplan ist in Einklang mit der Entwicklung der oder des Sicherungsverwahrten und weiteren Erkenntnissen zur Persönlichkeit, insbesondere der Bereitschaft, an der Erreichung der Vollzugsziele nach § 2 Abs. 1 und 2 mitzuarbeiten, fortzuschreiben. Hierfür sind im Vollzugsplan angemessene Fristen vorzusehen.

(3) Zur Vorbereitung der Aufstellung und Fortschreibung des Vollzugsplans werden Konferenzen mit den nach Auffassung der Vollzugsbehörde an der Vollzugsgestaltung maßgeblich beteiligten Personen oder Stellen (§§ 113 und 114) durchgeführt. Sind sonstige Personen an der Vollzugsgestaltung maßgeblich beteiligt, so sollen sie bei der Vorbereitung einbezogen werden. Die in Satz 2 genannten Personen können mit Zustimmung der oder des Sicherungsverwahrten an den Konferenzen beteiligt werden.

(4) Der Vollzugsplan wird mit der oder dem Sicherungsverwahrten erörtert und ihr oder ihm in schriftlicher Form ausgehändigt.

§ 10 Trennungsgebote

(1) Die oder der Sicherungsverwahrte ist von Personen, an denen andere Freiheitsentziehungen vollzogen werden, zu trennen.

(2) Abweichend von Absatz 1 kann der Vollzug der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung in einer für den Vollzug anderer Freiheitsentziehungen nach dem Niedersächsischen Justizvollzugsgesetz (NJVollzG) bestimmten Anstalt oder Abteilung erfolgen,

  1. wenn es die Behandlung der oder des Sicherungsverwahrten ausnahmsweise erfordert,
  2. bei Überstellungen im Interesse der oder des Sicherungsverwahrten,
  3. bei Überstellungen zur Durchführung der Behandlungsuntersuchung nach § 8 sowie einer Begutachtung und körperlichen Untersuchung nach § 19,
  4. bei einer Überstellung oder Verlegung in ein Anstaltskrankenhaus oder eine für die Behandlung einer Krankheit besser geeignete Anstalt,
  5. bei einer Unterbringung im offenen Vollzug zur Entlassungsvorbereitung oder
  6. wenn dies für einen kurzen Zeitraum bei Notfällen aus zwingenden Gründen der Vollzugsorganisation unerlässlich ist.

In den Fällen des Satzes 1 Nrn. 1 bis 5 bedarf es der Zustimmung der oder des Sicherungsverwahrten; in den Fällen des Satzes 1 Nr. 4 gilt dies nicht für nach § 97 zulässige Zwangsmaßnahmen. Von der Trennung nach Absatz 1 kann auch abgewichen werden, wenn die oder der Sicherungsverwahrte innerhalb derselben Anstalt Einrichtungen oder Angebote für Personen, an denen andere Freiheitsentziehungen vollzogen werden, nutzen will. Dies gilt insbesondere in den Bereichen Arbeit, Freizeit, Sport, Religionsausübung und Gesundheitsfürsorge.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 dürfen statt der Vorschriften dieses Gesetzes die in der Anstalt oder Abteilung geltenden Vorschriften des Niedersächsischen Justizvollzugsgesetzes angewendet werden, soweit dies aufgrund der örtlichen Gegebenheiten unerlässlich ist oder wenn die oder der Sicherungsverwahrte dem zustimmt. Die Vollzugsbehörde hat unverzüglich alle zumutbaren Maßnahmen zu treffen, um eine Anwendung der Vorschriften dieses Gesetzes zu ermöglichen.

(4) Im Vollzug der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung sind Frauen und Männer zu trennen. Hiervon kann außerhalb der Nachtruhe abgewichen werden, wenn dies erforderlich ist, um der oder dem Sicherungsverwahrten die Teilnahme an vollzuglichen Maßnahmen zu ermöglichen, die nur in einer für den Vollzug an Personen des jeweils anderen Geschlechts bestimmten Anstalt oder Abteilung angeboten werden.

§ 11 Verlegung und Überstellung

(1) Die oder der Sicherungsverwahrte kann abweichend vom Vollstreckungsplan in eine andere für den Vollzug der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung bestimmte Anstalt oder in eine dafür bestimmte Abteilung verlegt werden, wenn

  1. hierdurch die Erreichung der Vollzugsziele nach § 2 Abs. 1 und 2 gefördert wird,
  2. ihr oder sein Verhalten oder Zustand eine Gefahr für die Sicherheit der Anstalt darstellt und diese durch die Verlegung abgewehrt wird,
  3. ohne Rücksicht auf ihr oder sein Verhalten oder ihren oder seinen Zustand eine Gefahr für die Sicherheit der Anstalt nicht anders abgewehrt werden kann oder
  4. dies aus zwingenden Gründen der Vollzugsorganisation oder aus einem anderen wichtigen Grund erforderlich ist.

(2) Die oder der Sicherungsverwahrte kann aus wichtigem Grund in eine andere für den Vollzug der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung bestimmte Anstalt oder in eine dafür bestimmte Abteilung überstellt werden.

(3) Eine Verlegung oder Überstellung der oder des Sicherungsverwahrten in eine andere für den Vollzug von Freiheitsentziehungen nach dem Niedersächsischen Justizvollzugsgesetz bestimmte Anstalt oder in eine dafür bestimmte Abteilung ist nur unter den Voraussetzungen des § 10 Abs. 2 Sätze 1 und 2 zulässig. Satz 1 gilt entsprechend, wenn die oder der Sicherungsverwahrte in derselben Anstalt in einer für den Vollzug von Freiheitsentziehungen nach dem Niedersächsischen Justizvollzugsgesetz bestimmten Abteilung untergebracht werden soll.

(4) Die oder der Sicherungsverwahrte kann zurückverlegt werden, wenn sie oder er durch ihr oder sein Verhalten den Behandlungsverlauf anderer wiederholt erheblich stört.

§ 12 Ausantwortung

Die oder der Sicherungsverwahrte kann mit ihrer oder seiner Zustimmung befristet dem Gewahrsam einer anderen Behörde überlassen werden, wenn diese zur Erfüllung ihrer Aufgaben darum ersucht (Ausantwortung). Die Ausantwortung ist auch ohne Zustimmung der oder des Sicherungsverwahrten zulässig, wenn die ersuchende Behörde aufgrund einer Rechtsvorschrift das Erscheinen der oder des Sicherungsverwahrten zwangsweise durchsetzen könnte. Die Verantwortung für die Sicherung des Gewahrsams und für das Vorliegen der Voraussetzungen des Satzes 2 trägt die ersuchende Behörde.

§ 13 Transport

Der Transport findet nicht zusammen mit Personen statt, an denen andere Freiheitsentziehungen vollzogen werden. Er soll als Einzeltransport durchgeführt werden.

§ 14 Länderübergreifende Verlegungen

(1) Die oder der Sicherungsverwahrte kann mit Zustimmung des für Justiz zuständigen Ministeriums (Fachministerium) in eine Anstalt eines anderen Landes verlegt werden, wenn die in diesem Gesetz geregelten Voraussetzungen für eine Verlegung vorliegen und die zuständige Behörde des anderen Landes der Verlegung in die dortige Anstalt zustimmt. Dabei ist sicherzustellen, dass die nach diesem Gesetz erworbenen Ansprüche auf Arbeitsentgelt, Freistellung nach § 41, Entschädigung nach § 42 Abs. 4 und Ausbildungsbeihilfe entweder durch das Land erfüllt oder in dem anderen Land anerkannt werden. § 40 Abs. 10 NJVollzG gilt entsprechend, soweit Ansprüche auf Freistellung (§ 41) infolge der Verlegung nicht erfüllt werden können.

(2) Sicherungsverwahrte aus einer Anstalt eines anderen Landes können mit Zustimmung des Fachministeriums in eine Anstalt des Landes aufgenommen werden.

§ 15 Vollzugsform

(1) Die oder der Sicherungsverwahrte wird im geschlossenen Vollzug untergebracht.

(2) Zur Vorbereitung einer möglichen Entlassung kann die oder der Sicherungsverwahrte mit ihrer oder seiner Zustimmung unter Beachtung der §§ 10 und 11 in Anstalten oder Abteilungen des offenen Vollzuges untergebracht werden, wenn sie oder er dessen besonderen Anforderungen genügt, namentlich nicht zu befürchten ist, dass sie oder er sich dem Vollzug entziehen oder die Möglichkeiten des offenen Vollzuges zur Begehung erheblicher Straftaten missbrauchen wird.

§ 16 Vollzugsöffnende Maßnahmen 22

(1) Die zur Erreichung der Vollzugsziele nach § 2 Abs. 1 und 2 erforderlichen vollzugsöffnenden Maßnahmen sind anzuordnen, soweit nicht zwingende Gründe entgegenstehen, insbesondere nicht konkrete Anhaltspunkte die Gefahr begründen, dass die oder der Sicherungsverwahrte sich dem Vollzug der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung entziehen oder die vollzugsöffnende Maßnahme zur Begehung erheblicher Straftaten missbrauchen wird. Die Anordnung bedarf der Zustimmung der oder des Sicherungsverwahrten.

(2) Als vollzugsöffnende Maßnahme kann insbesondere angeordnet werden, dass die oder der Sicherungsverwahrte

  1. die Anstalt für eine bestimmte Zeit eines Tages mit einer von der Vollzugsbehörde zugelassenen Begleitung (Begleitausgang) oder ohne Begleitung (Ausgang) verlassen darf,
  2. die Anstalt ohne Begleitung für mehr als einen Kalendertag (Langzeitausgang) bis zu zwei Wochen verlassen darf,
  3. die Anstalt zur Vorbereitung einer möglichen Entlassung im Langzeitausgang bis zu sechs Monaten verlassen darf oder
  4. außerhalb der Anstalt regelmäßig einer Beschäftigung unter Aufsicht (Außenbeschäftigung) oder ohne Aufsicht Vollzugsbediensteter (Freigang) nachgehen darf.

(3) Langzeitausgang nach Absatz 2 Nr. 2 soll erst angeordnet werden, wenn sich die oder der Sicherungsverwahrte im Ausgang oder Freigang bewährt hat. Langzeitausgang nach Absatz 2 Nr. 3 soll erst angeordnet werden, wenn sich die oder der Sicherungsverwahrte für eine Dauer von insgesamt mindestens drei Wochen innerhalb eines Vollstreckungsjahres im Langzeitausgang nach Absatz 2 Nr. 2 bewährt hat.

(4) Stehen der Anordnung vollzugsöffnender Maßnahmen nach Absatz 2 zwingende Gründe entgegen, so ist der oder dem Sicherungsverwahrten auf Antrag das Verlassen der Anstalt unter Aufsicht Justizvollzugsbediensteter für eine bestimmte Zeit eines Tages (Ausführung) zu gestatten. Ausführungen erfolgen, soweit es zur Erreichung der Vollzugsziele nach § 2 Abs. 1 und 2 erforderlich ist, nach Aufstellung des Vollzugsplans mindestens jedoch ein Mal im Quartal. Ausführungen dienen insbesondere dem Erhalt der Lebenstüchtigkeit der oder des Sicherungsverwahrten, der Förderung ihrer oder seiner Mitwirkung an Maßnahmen nach § 4 Abs. 1 und 2 oder der Vorbereitung vollzugsöffnender Maßnahmen nach Absatz 2. Sie dürfen nur versagt werden, wenn konkrete Anhaltspunkte in erhöhtem Maß die Gefahr begründen, dass die oder der Sicherungsverwahrte sich dem Vollzug entziehen oder die Ausführung zur Begehung erheblicher Straftaten missbrauchen wird und diese Gefahr nicht durch eine Beaufsichtigung durch höchstens zwei Justizvollzugsbedienstete und angemessene besondere Sicherungsmaßnahmen vermieden werden kann.

§ 17 Vollzugsöffnende Maßnahmen aus wichtigem Anlass, Vorführung

(1) Der oder dem Sicherungsverwahrten sind auf Antrag auch aus wichtigem Anlass vollzugsöffnende Maßnahmen zu gewähren. § 16 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 bis 4 gilt entsprechend. Wichtige Anlässe sind insbesondere die lebensgefährliche Erkrankung oder der Tod einer oder eines Angehörigen sowie die Teilnahme an einem gerichtlichen Termin, zu dem die oder der Sicherungsverwahrte geladen ist.

(2) Auf Ersuchen eines Gerichts oder einer Staatsanwaltschaft wird die oder der Sicherungsverwahrte vorgeführt.

§ 18 Weisungen, Aufhebung von vollzugsöffnenden Maßnahmen 22

(1) Die Vollzugsbehörde kann der oder dem Sicherungsverwahrten für vollzugsöffnende Maßnahmen nach den §§ 16 und 17 Weisungen erteilen, soweit dies erforderlich ist, um die Vollzugsziele nach § 2 Abs. 1 und 2 zu erreichen oder um sicherzustellen, dass die Voraussetzungen für die Anordnung der Maßnahme erfüllt werden. Insbesondere kann die oder der Sicherungsverwahrte angewiesen werden,

  1. sich nur an von der Vollzugsbehörde bestimmten Orten aufzuhalten,
  2. sich nicht an bestimmten Orten aufzuhalten, insbesondere nicht in der Wohnung oder am Arbeitsplatz der oder des durch ihre oder seine Straftat Verletzten oder in einem bestimmten Umkreis dieser Orte,
  3. zu der oder dem durch ihre oder seine Straftat Verletzten oder zu sonstigen bestimmten Personen oder Gruppen keinen Kontakt aufzunehmen,
  4. keine alkoholischen Getränke oder andere berauschende Mittel zu sich zu nehmen und sich Alkohol- oder Suchtmittelkontrollen zu unterziehen, die nicht mit einem körperlichen Eingriff verbunden sind,
  5. sich zu bestimmten Zeiten bei einer bestimmten Stelle oder Person zu melden,
  6. die für eine elektronische Überwachung ihres oder seines Aufenthaltsortes erforderlichen technischen Mittel ständig in betriebsbereitem Zustand bei sich zu führen und deren Funktionsfähigkeit nicht zu beeinträchtigen.

Wird der oder dem Sicherungsverwahrten Langzeitausgang zur Vorbereitung einer möglichen Entlassung nach § 16 Abs. 2 Nr. 3 gewährt, so kann sie oder er insbesondere angewiesen werden, sich einer von der Vollzugsbehörde bestimmten Betreuungsperson zu unterstellen, sich in Einrichtungen außerhalb des Vollzuges aufzuhalten und jeweils für kurze Zeit in die Anstalt zurückzukehren.

(2) Eine Weisung nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 ist nur zulässig, wenn sie erforderlich ist, um die Sicherungsverwahrte oder den Sicherungsverwahrten davon abzuhalten, gegen eine Weisung nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 1 oder 2 zu verstoßen. Die Weisung erteilt die Anstaltsleiterin oder der Anstaltsleiter.

(3) Bei der Ausgestaltung vollzugsöffnender Maßnahmen sind die Belange der oder des durch eine Straftat der oder des Sicherungsverwahrten Verletzten sowie das Schutzinteresse gefährdeter Dritter zu berücksichtigen.

(4) Die Vollzugsbehörde erhebt und speichert bei einer Weisung nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 mithilfe der von der oder dem Sicherungsverwahrten mitgeführten technischen Mittel automatisiert Daten über ihren oder seinen Aufenthaltsort sowie über etwaige Beeinträchtigungen der Datenerhebungen. Es ist sicherzustellen, dass innerhalb der Wohnung der oder des Sicherungsverwahrten keine über den Umstand ihrer oder seiner Anwesenheit hinausgehenden Daten erhoben werden. Die Daten dürfen nur geändert, genutzt oder übermittelt werden, soweit dies

  1. zur Feststellung eines Verstoßes gegen eine Weisung nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 1 oder 2,
  2. zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für das Leben oder einer gegenwärtigen erheblichen Gefahr für die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung Dritter oder
  3. zur Verfolgung einer in § 66 Abs. 3 Satz 1 des Strafgesetzbuchs (StGB) genannten Straftat

erforderlich und die Verarbeitung verhältnismäßig ist.

(5) Die Verarbeitung der Daten nach Absatz 4 Satz 3 Nr. 1 hat automatisiert zu erfolgen. Die nach Absatz 4 Satz 1 erhobenen Daten sind gegen unbefugte Kenntnisnahme besonders zu sichern. Die Daten sind spätestens zwei Monate nach ihrer Erhebung zu löschen, soweit sie nicht für einen der in Absatz 4 Satz 3 genannten Zwecke verarbeitet werden. Werden innerhalb der Wohnung über den Umstand der Anwesenheit der oder des Sicherungsverwahrten hinausgehende Daten erhoben, so dürfen diese nicht geändert, genutzt oder übermittelt werden und sind unverzüglich zu löschen.

(6) Vollzugsöffnende Maßnahmen können widerrufen werden, wenn die Vollzugsbehörde aufgrund nachträglich eingetretener Umstände berechtigt wäre, die Maßnahme zu versagen, die oder der Sicherungsverwahrte die Maßnahme in schwerwiegender Weise missbraucht oder sie oder er den Weisungen nicht nachkommt.

(7) Vollzugsöffnende Maßnahmen können mit Wirkung für die Zukunft zurückgenommen werden, wenn die Voraussetzungen für ihre Anordnung nicht vorgelegen haben.

§ 19 Begutachtung, körperliche Untersuchung

(1) Die Vollzugsbehörde ordnet an, dass sich die oder der Sicherungsverwahrte begutachten oder körperlich untersuchen lässt, soweit dies zur Feststellung der Voraussetzungen für die Versagung einer vollzugsöffnenden Maßnahme nach § 16 Abs. 1 Satz 1 erforderlich ist. Die Begutachtung hat durch fachlich unabhängige, nicht an der Behandlung oder sonstigen Betreuung der oder des Sicherungsverwahrten beteiligte Sachverständige zu erfolgen; es sollen Sachverständige verschiedener Fachrichtungen beteiligt werden. Die Erforderlichkeit einer Begutachtung ist in der Regel gegeben bei der Vorbereitung und Aufstellung des Vollzugsplans sowie bei seiner Fortschreibung und deren Vorbereitung, soweit sich die für die Beurteilung der Gefährlichkeit der oder des Sicherungsverwahrten maßgeblichen Umstände erheblich geändert haben. Die Erforderlichkeit einer körperlichen Untersuchung ist in der Regel gegeben, wenn Tatsachen die Annahme begründen, dass eine Abhängigkeit oder ein Missbrauch von Sucht- oder Arzneimitteln vorliegt.

(2) Blutentnahmen oder andere körperliche Eingriffe sind zulässig, wenn sie von einer Ärztin oder einem Arzt vorgenommen werden und ein Nachteil für die Gesundheit der oder des Sicherungsverwahrten nicht zu befürchten ist.

(3) Die Begutachtung oder körperliche Untersuchung bedarf der Zustimmung der oder des Sicherungsverwahrten. Verweigert die oder der Sicherungsverwahrte die Zustimmung, so ist in der Regel der Schluss zu ziehen, dass die Voraussetzungen für die Versagung der vollzugsöffnenden Maßnahme gegeben sind. Die oder der Sicherungsverwahrte ist hierauf bei der Anordnung hinzuweisen.

(4) Blut und sonstige Körperzellen dürfen nur für den der Anordnung zugrunde liegenden Zweck verwendet werden. Für einen anderen vollzuglichen Zweck dürfen sie verwendet werden, wenn ihre Entnahme auch zu diesem Zweck zulässig wäre oder wenn die oder der Sicherungsverwahrte zustimmt. Liegt eine Zustimmung der oder des Sicherungsverwahrten nicht vor, so ist sie oder er über die Verwendung zu einem anderen vollzuglichen Zweck zu unterrichten. Blut und sonstige Körperzellen sind unverzüglich zu vernichten, sobald sie für Zwecke nach Satz 1 oder 2 nicht mehr benötigt werden.

(5) Eine Begutachtung oder körperliche Untersuchung kann auch angeordnet werden, wenn dies für die Vorbereitung einer anderen vollzuglichen Entscheidung, insbesondere zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Anstalt, erforderlich ist. Die Absätze 2 bis 4 gelten entsprechend.

Drittes Kapitel
Unterbringung, Kleidung, Verpflegung und Einkauf

§ 20 Unterkunftsbereich, Wohngruppen

(1) Die oder der Sicherungsverwahrte erhält einen Unterkunftsbereich, der ausreichenden Raum zum Wohnen und Schlafen bietet, zur alleinigen Nutzung. Der Sanitärbereich ist baulich vollständig abzutrennen.

(2) Zwei Sicherungsverwahrte können gemeinsam in einem Unterkunftsbereich untergebracht werden, wenn eine schädliche Beeinflussung nicht zu befürchten ist und beide zustimmen. Absatz 1 gilt entsprechend.

(3) Zur Förderung sozialen Lernens sollen mehrere Unterkunftsbereiche sowie Gemeinschaftsräume und -einrichtungen zu Wohngruppen zusammengefasst werden. Die oder der Sicherungsverwahrte soll in einer Wohngruppe untergebracht werden, wenn sie oder er hierfür geeignet ist. Den Wohngruppen sollen zur Betreuung der dort untergebrachten Sicherungsverwahrten jeweils bestimmte Justizvollzugsbedienstete fest zugeordnet werden.

§ 21 Sonstige Nutzungsbereiche

In der Anstalt sind weitere Bereiche zur allgemeinen Nutzung durch die Sicherungsverwahrten einzurichten. Hierzu gehört auch ein Bereich im Freien.

§ 22 Bewegungsfreiheit

(1) Die oder der Sicherungsverwahrte hat sich während der Nachtruhe im eigenen Unterkunftsbereich aufzuhalten. Sie oder er darf sich außerhalb der Nachtruhe in den Gemeinschaftsräumen der Wohngruppen und in den in § 21 genannten Bereichen frei bewegen. In diesem Zeitraum darf sie oder er den Unterkunftsbereich einer oder eines anderen Sicherungsverwahrten betreten, wenn diese oder dieser einwilligt.

(2) Das Betreten der in Absatz 1 Satz 2 genannten Bereiche kann in der Hausordnung allgemein auf bestimmte Zeiten des Tages und auf bestimmte Gruppen von Sicherungsverwahrten, insbesondere auf die Mitglieder einer Wohngruppe, beschränkt werden, soweit dies zur Aufrechterhaltung der Sicherheit der Anstalt oder zur Gewährleistung der bestimmungsgemäßen Nutzung erforderlich ist.

(3) Die oder der Sicherungsverwahrte darf außerhalb der Nachtruhe die in den in Absatz 1 Satz 2 genannten Bereichen zur Verfügung gestellten Gemeinschaftseinrichtungen benutzen. Die Nutzung kann in entsprechender Anwendung des Absatzes 2 allgemein beschränkt werden.

(4) Die Bewegungsfreiheit der oder des Sicherungsverwahrten und die Nutzung der zur Verfügung stehenden Gemeinschaftseinrichtungen kann eingeschränkt werden, soweit

  1. ein schädlicher Einfluss auf andere Sicherungsverwahrte zu befürchten ist,
  2. die Sicherheit der Anstalt dies erfordert oder
  3. es zur Abwehr unzumutbarer Störungen anderer Sicherungsverwahrter, Justizvollzugsbediensteter oder sonstiger Personen unerlässlich ist.

Eine Einschränkung, die in ihrer Wirkung einer besonderen Sicherungsmaßnahme oder einer Disziplinarmaßnahme entspricht, ist nur unter den für die entsprechende Maßnahme geltenden Voraussetzungen zulässig.

(5) Die Vollzugsbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen von der Verpflichtung nach Absatz 1 Satz 1 sowie von Einschränkungen nach den Absätzen 2 und 3 Satz 2 und Absatz 4 Satz 1 zulassen.

§ 23 Ausstattung des Unterkunftsbereichs und persönlicher Besitz

Die oder der Sicherungsverwahrte darf ihren oder seinen Unterkunftsbereich mit eigenen Sachen ausstatten und eigene Sachen besitzen, soweit nicht Gründe der Sicherheit der Anstalt entgegenstehen oder die Erreichung des Vollzugsziels nach § 2 Abs. 1 gefährdet wird. Aus Gründen der Sicherheit der Anstalt können die Ausstattung des Unterkunftsbereichs mit und der Besitz von bestimmten Sachen in der Hausordnung allgemein untersagt werden.

§ 24 Kleidung, Wäsche, Bettzeug

Die oder der Sicherungsverwahrte darf eigene Kleidung, eigene Wäsche und eigenes Bettzeug benutzen. Auf Antrag erhält sie oder er Kleidung, Wäsche und Bettzeug von der Vollzugsbehörde zur alleinigen Nutzung.

§ 25 Verpflegung 22

(1) Der oder dem Sicherungsverwahrten ist zu gestatten, sich selbst zu verpflegen, soweit sie oder er dies beantragt und Gründe der Sicherheit der Anstalt nicht entgegenstehen. Der Antrag ist spätestens einen Monat im Voraus zu stellen. Die Kosten der Selbstverpflegung trägt die oder der Sicherungsverwahrte. Zu diesen Kosten erhält sie oder er monatlich im Voraus einen zweckgebundenen Zuschuss mindestens in Höhe der ersparten Sachaufwendungen. Die Gestattung der Selbstverpflegung kann mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden, wenn der Zuschuss dauerhaft nicht zweckentsprechend verwendet wird. § 104 bleibt im Übrigen unberührt.

(2) Soweit der oder dem Sicherungsverwahrten nicht gestattet wird, sich selbst zu verpflegen, nimmt sie oder er an der Gemeinschaftsverpflegung teil. Die oder der Sicherungsverwahrte ist gesund zu ernähren. Auf ärztliche Anordnung wird besondere Verpflegung gewährt. Der oder dem Sicherungsverwahrten ist es zu ermöglichen, Speisevorschriften ihrer oder seiner Religionsgemeinschaft zu befolgen.

(3) Die Sicherungsverwahrten sollen angeleitet werden, sich gesund zu ernähren.

§ 26 Einkauf

(1) Die oder der Sicherungsverwahrte darf aus einem von der Vollzugsbehörde vermittelten Angebot einkaufen. Es ist für ein Angebot zu sorgen, das auf die Wünsche und Bedürfnisse der Sicherungsverwahrten Rücksicht nimmt.

(2) Gegenstände, die die Sicherheit der Anstalt oder die Erreichung des Vollzugsziels nach § 2 Abs. 1 gefährden, sind vom Einkauf ausgeschlossen. Der Umfang des Einkaufs kann beschränkt werden, wenn dies zur Aufrechterhaltung der Sicherheit der Anstalt erforderlich ist. In Anstaltskrankenhäusern und Krankenabteilungen kann der Einkauf einzelner Nahrungs- und Genussmittel auf ärztliche Anordnung allgemein untersagt oder eingeschränkt werden.

Viertes Kapitel
Besuche, Schriftwechsel, Telekommunikation und Pakete

§ 27 Recht auf Besuch

(1) Die oder der Sicherungsverwahrte darf nach vorheriger Anmeldung Besuch empfangen. Die regelmäßigen täglichen Besuchszeiten regelt die Hausordnung.

(2) Besuche sollen außerhalb der Besuchszeiten zugelassen werden, wenn sie der Erledigung wichtiger und unaufschiebbarer Angelegenheiten dienen.

(3) Soweit nicht die Erreichung des Vollzugsziels nach § 2 Abs. 1 gefährdet wird, sollen bei geeigneten Sicherungsverwahrten mehrstündige unbeaufsichtigte Besuche (Langzeitbesuche) zugelassen werden.

(4) Zur Aufrechterhaltung der Sicherheit der Anstalt kann der Besuch einer Person von ihrer Durchsuchung abhängig gemacht und die Anzahl der gleichzeitig zu einem Besuch zugelassenen Personen beschränkt werden.

§ 28 Besuchsverbot 22

Besuche können untersagt werden,

  1. wenn die Sicherheit der Anstalt gefährdet würde oder
  2. bei Besucherinnen und Besuchern, die nicht Angehörige der oder des Sicherungsverwahrten im Sinne des Strafgesetzbuchs sind, wenn zu befürchten ist, dass die Besuche die Erreichung des Vollzugsziels nach § 2 Abs. 1 bei der oder dem Sicherungsverwahrten gefährden würden oder wenn überwiegende Interessen der oder des durch eine Straftat der oder des Sicherungsverwahrten Verletzten entgegenstehen.

§ 29 Besuche von Verteidigerinnen, Verteidigern, Rechtsanwältinnen, Rechtsanwälten, Notarinnen und Notaren

Die regelmäßigen täglichen Besuchszeiten für die Besuche von Verteidigerinnen und Verteidigern sowie von Rechtsanwältinnen, Rechtsanwälten, Notarinnen und Notaren in einer die Sicherungsverwahrte oder den Sicherungsverwahrten betreffenden Rechtssache legt die Vollzugsbehörde im Benehmen mit der Rechtsanwaltskammer in der Hausordnung fest. § 27 Abs. 4 gilt entsprechend. Eine inhaltliche Überprüfung der von der Verteidigerin oder dem Verteidiger mitgeführten Schriftstücke und sonstigen Unterlagen ist nicht zulässig.

§ 30 Überwachung der Besuche

(1) Besuche dürfen offen überwacht werden. Die akustische Überwachung ist nur zulässig, wenn dies im Einzelfall zur Erreichung des Vollzugsziels nach § 2 Abs. 1 oder zur Aufrechterhaltung der Sicherheit der Anstalt erforderlich ist.

(2) Die Vollzugsbehörde kann anordnen, dass für das Gespräch zwischen der oder dem Sicherungsverwahrten und den Besucherinnen und Besuchern Vorrichtungen vorzusehen sind, die die körperliche Kontaktaufnahme sowie die Übergabe von Schriftstücken und anderen Gegenständen ausschließen, wenn dies zur Aufrechterhaltung der Sicherheit der Anstalt unerlässlich ist.

(3) Ein Besuch darf nach vorheriger Androhung abgebrochen werden, wenn Besucherinnen oder Besucher oder die oder der Sicherungsverwahrte gegen die Vorschriften dieses Gesetzes oder die aufgrund dieses Gesetzes getroffenen Anordnungen verstoßen. Der Besuch kann sofort abgebrochen werden, wenn dies unerlässlich ist, um eine Gefahr für die Sicherheit der Anstalt abzuwehren.

(4) Besuche von Verteidigerinnen und Verteidigern werden nicht überwacht.

(5) Gegenstände dürfen beim Besuch nur mit Erlaubnis übergeben werden. Dies gilt nicht für die bei dem Besuch

  1. einer Verteidigerin oder eines Verteidigers oder
  2. einer Rechtsanwältin, eines Rechtsanwalts, einer Notarin oder eines Notars zur Erledigung einer die Sicherungsverwahrte oder den Sicherungsverwahrten betreffenden Rechtssache

übergebenen Schriftstücke und sonstigen Unterlagen. In den Fällen des Satzes 2 Nr. 2 kann die Übergabe aus Gründen der Sicherheit der Anstalt von der Erteilung einer Erlaubnis abhängig gemacht werden.

§ 31 Recht auf Schriftwechsel

(1) Die oder der Sicherungsverwahrte hat das Recht, Schreiben abzusenden und zu empfangen. In dringenden Fällen soll der oder dem Sicherungsverwahrten gestattet werden, Schreiben als Telefaxe aufzugeben.

(2) Schriftwechsel mit bestimmten Personen kann untersagt werden, wenn

  1. die Sicherheit der Anstalt gefährdet würde oder
  2. zu erwarten ist, dass der Schriftwechsel mit Personen, die nicht Angehörige der oder des Sicherungsverwahrten im Sinne des Strafgesetzbuchs sind, die Erreichung des Vollzugsziels nach § 2 Abs. 1 gefährden würde.

§ 32 Überwachung des Schriftwechsels

(1) Der Schriftwechsel darf überwacht werden, soweit es zur Erreichung des Vollzugsziels nach § 2 Abs. 1 oder aus Gründen der Sicherheit der Anstalt erforderlich ist.

(2) Der Schriftwechsel der oder des Sicherungsverwahrten mit der Verteidigerin oder dem Verteidiger wird nicht überwacht.

(3) Nicht überwacht werden Schriftsätze und Schreiben der oder des Sicherungsverwahrten an Gerichte sowie an die in § 119 Abs. 4 Satz 2 der Strafprozessordnung (StPO) genannten Personen und Stellen. Schreiben der in Satz 1 genannten Personen und Stellen, die an eine Sicherungsverwahrte oder einen Sicherungsverwahrten gerichtet sind, werden nicht überwacht, wenn die Identität der Absender zweifelsfrei feststeht.

§ 33 Weiterleitung von Schreiben, Aufbewahrung

(1) Der oder dem Sicherungsverwahrten kann aufgegeben werden, Absendung und Empfang ihrer oder seiner Schreiben durch die Vollzugsbehörde vermitteln zu lassen, soweit dies erforderlich ist, um die Voraussetzungen einer Überwachung des Schriftwechsels zu prüfen.

(2) Eingehende und ausgehende Schreiben sind unverzüglich weiterzuleiten.

(3) Der oder dem Sicherungsverwahrten kann aufgegeben werden, eingehende Schreiben unverschlossen zu verwahren, soweit dies zur Durchführung einer Durchsuchung ihres oder seines Unterkunftsbereichs erforderlich ist; sie oder er kann die Schreiben verschlossen zur Habe geben.

§ 34 Anhalten von Schreiben

(1) Schreiben können angehalten werden, wenn

  1. das Vollzugsziel nach § 2 Abs. 1 oder die Sicherheit der Anstalt gefährdet würden,
  2. ein schädlicher Einfluss auf die Verletzte oder den Verletzten einer Straftat der oder des Sicherungsverwahrten zu befürchten wäre,
  3. die Weitergabe in Kenntnis ihres Inhalts einen Straf- oder Bußgeldtatbestand verwirklichen würde,
  4. sie die Erreichung der Vollzugsziele nach § 2 Abs. 1 und 2 bei anderen Sicherungsverwahrten gefährden können oder
  5. sie in Geheimschrift, unlesbar, unverständlich oder ohne zwingenden Grund in einer fremden Sprache abgefasst sind.

(2) Ist ein Schreiben angehalten worden, so wird das der oder dem Sicherungsverwahrten mitgeteilt. Angehaltene Schreiben werden an die Absender zurückgegeben oder behördlich verwahrt, sofern eine Rückgabe unmöglich oder nicht geboten ist.

(3) Schreiben, deren Überwachung nach § 32 Abs. 2 und 3 ausgeschlossen ist, dürfen nicht angehalten werden.

§ 35 Telekommunikation

(1) Der oder dem Sicherungsverwahrten ist zu gestatten, außerhalb der Nachtruhe Telefongespräche zu führen.

(2) In dringenden Fällen oder wenn der oder dem Sicherungsverwahrten in ihrem oder seinem Unterkunftsbereich ein Telefonanschluss zur Verfügung steht, soll das Führen von Telefongesprächen auch während der Nachtruhe gestattet werden.

(3) Für das Verbot, die akustische Überwachung und den Abbruch von Telefongesprächen gelten die §§ 28 und § 30 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 und 4 entsprechend. Ist eine akustische Überwachung beabsichtigt, so ist dies der Gesprächspartnerin oder dem Gesprächspartner unmittelbar nach Herstellung der Verbindung durch die Vollzugsbehörde oder die Sicherungsverwahrte oder den Sicherungsverwahrten mitzuteilen. Die oder der Sicherungsverwahrte ist rechtzeitig vor Beginn der Unterhaltung über die beabsichtigte Überwachung und die Mitteilungspflicht nach Satz 2 zu unterrichten. Die Unterhaltung kann zeitversetzt überwacht und zu diesem Zweck gespeichert werden.

(4) Telefongespräche der oder des Sicherungsverwahrten werden von der Vollzugsbehörde vermittelt. Die Vollzugsbehörde kann das Nähere in Nutzungsbedingungen regeln. In den Nutzungsbedingungen können auch Regelungen getroffen werden, die zur Durchführung oder Abrechnung der Telefongespräche erforderlich sind. Hat die Vollzugsbehörde Nutzungsbedingungen erlassen, so sind Telefongespräche außer in dringenden Fällen nur zu gestatten, wenn sich die oder der Sicherungsverwahrte mit den Nutzungsbedingungen einverstanden erklärt hat.

(5) Andere nach den allgemeinen Lebensverhältnissen übliche Formen der Telekommunikation sind vom Fachministerium zuzulassen, wenn diese die Sicherheit der Anstalt nicht gefährden. Die Vollzugsbehörde hat der oder dem Sicherungsverwahrten die Nutzung zu gestatten, wenn dadurch die Sicherheit der Anstalt oder die Erreichung des Vollzugsziels des § 2 Abs. 1 nicht gefährdet wird. Für Telekommunikationsformen,

  1. die einem Besuch vergleichbar sind, gilt Absatz 3,
  2. die einem Schriftwechsel vergleichbar sind, gelten § 31 Abs. 2 sowie die §§ 32 bis 34

entsprechend. Im Übrigen gilt Absatz 4 entsprechend.

(6) Durch den Einsatz technischer Mittel kann verhindert werden, dass mittels einer innerhalb der Anstalt befindlichen Mobilfunkendeinrichtung unerlaubte Telekommunikationsverbindungen hergestellt oder aufrechterhalten werden. Der Telekommunikationsverkehr außerhalb des räumlichen Bereichs der Anstalt darf nicht beeinträchtigt werden.

§ 36 Pakete

(1) Die oder der Sicherungsverwahrte darf Pakete empfangen. Pakete dürfen Gegenstände nicht enthalten, die

  1. die Sicherheit der Anstalt oder
  2. die Erreichung des Vollzugsziels nach § 2 Abs. 1 gefährden.

(2) Angenommene Pakete sind in Gegenwart der oder des Sicherungsverwahrten zu öffnen. Gegenstände nach Absatz 1 Satz 2 sind zur Habe zu nehmen, zurückzusenden oder, wenn es erforderlich ist, zu vernichten. Die Maßnahmen werden der oder dem Sicherungsverwahrten mitgeteilt.

(3) Der Empfang von Paketen kann allgemein befristet untersagt werden, wenn dies wegen einer Gefährdung der Sicherheit der Anstalt unerlässlich ist.

(4) Der oder dem Sicherungsverwahrten ist zu gestatten, Pakete zu versenden. Deren Inhalt kann überprüft und der Versand untersagt werden, soweit dies aus Gründen der Sicherheit der Anstalt oder zur Vermeidung eines schädlichen Einflusses auf die oder den Verletzten einer Straftat der oder des Sicherungsverwahrten erforderlich ist.

Fünftes Kapitel
Arbeit, Aus- und Weiterbildung

§ 37 Grundsatz

Die oder der Sicherungsverwahrte ist zu Arbeit, Aus- und Weiterbildung sowie arbeitstherapeutischer Beschäftigung nicht verpflichtet.

§ 38 Arbeit, Aus- und Weiterbildung

(1) Soweit die Vollzugsbehörde der oder dem Sicherungsverwahrten nicht bereits nach § 4 Abs. 1 Satz 1 eine Arbeit, Aus- oder Weiterbildung oder arbeitstherapeutische Beschäftigung anzubieten hat oder die oder der Sicherungsverwahrte eine danach angebotene Tätigkeit ablehnt, soll die Vollzugsbehörde der oder dem Sicherungsverwahrten auf Antrag eine ihren oder seinen Fähigkeiten, Fertigkeiten und Neigungen entsprechende Tätigkeit anbieten.

(2) Die oder der Sicherungsverwahrte darf eine Tätigkeit nicht zur Unzeit niederlegen.

§ 39 Freies Beschäftigungsverhältnis, selbständige Erwerbstätigkeit

(1) Der oder dem Sicherungsverwahrten ist zu gestatten, einer Arbeit oder einer beruflichen Aus- oder Weiterbildung auf der Grundlage eines freien Beschäftigungsverhältnisses außerhalb der Anstalt nachzugehen, soweit dadurch die Erreichung des Vollzugsziels nach § 2 Abs. 1 nicht gefährdet wird und die für die Tätigkeit erforderlichen vollzugsöffnenden Maßnahmen angeordnet werden können.

(2) Der oder dem Sicherungsverwahrten ist zu gestatten, einer selbständigen Erwerbstätigkeit nachzugehen, soweit dadurch die Sicherheit der Anstalt oder die Erreichung des Vollzugsziels nach § 2 Abs. 1 nicht gefährdet wird und sie oder er die für die Erwerbstätigkeit erforderlichen Sachen besitzen darf. Die Gestattung einer selbständigen Erwerbstätigkeit außerhalb der Anstalt setzt außerdem voraus, dass die für die Tätigkeit erforderlichen vollzugsöffnenden Maßnahmen angeordnet werden können.

(3) Die Vollzugsbehörde kann verlangen, dass ihr aus den Tätigkeiten nach Absatz 1 oder 2 erzielte Einkünfte der oder des Sicherungsverwahrten zur Gutschrift überwiesen werden.

§ 40 Abschlusszeugnis

Aus dem Abschlusszeugnis über eine aus- oder weiterbildende Maßnahme darf die Unterbringung im Vollzug der Sicherungsverwahrung nicht erkennbar sein.

§ 41 Freistellung

(1) Hat die oder der Sicherungsverwahrte ein halbes Jahr lang eine angebotene Tätigkeit ausgeübt, so kann sie oder er beanspruchen, für die Dauer des halben jährlichen Mindesturlaubs nach § 3 Abs. 1 des Bundesurlaubsgesetzes freigestellt zu werden; Zeiträume von unter einem halben Jahr bleiben unberücksichtigt. Die Freistellung kann nur innerhalb eines Jahres nach Entstehung des Freistellungsanspruchs in Anspruch genommen werden. Auf die Frist nach Satz 1 werden Zeiten,

  1. in denen die oder der Sicherungsverwahrte infolge Krankheit an ihrer oder seiner Arbeitsleistung gehindert war, mit bis zu sechs Wochen,
  2. in denen die oder der Sicherungsverwahrte Verletztengeld nach § 47 Abs. 6 des Siebten Buchs des Sozialgesetzbuchs erhalten hat,
  3. in denen die oder der Sicherungsverwahrte nach Satz 1 freigestellt war und
  4. die nach Absatz 3 auf die Freistellung angerechnet werden,

angerechnet. Zeiten, in denen die oder der Sicherungsverwahrte die angebotene Tätigkeit aus anderen Gründen nicht ausgeübt hat, können in angemessenem Umfang angerechnet werden. Erfolgt keine Anrechnung nach Satz 3 oder 4, so wird die Frist für die Dauer der Fehlzeit gehemmt. Abweichend von Satz 5 wird die Frist durch eine Fehlzeit unterbrochen, die unter Berücksichtigung des Vollzugsziels nach § 2 Abs. 1 außer Verhältnis zur bereits erbrachten Arbeitsleistung steht.

(2) Der Zeitraum der Freistellung muss mit den betrieblichen Belangen vereinbar sein.

(3) Auf die Zeit der Freistellung wird Langzeitausgang nach § 16 oder § 17 angerechnet, soweit er in die Arbeitszeit fällt und nicht wegen einer lebensgefährlichen Erkrankung oder des Todes Angehöriger gewährt worden ist.

(4) Der oder dem Sicherungsverwahrten wird für die Zeit der Freistellung das Arbeitsentgelt oder die Ausbildungsbeihilfe fortgezahlt. Dabei ist der Durchschnitt der letzten drei abgerechneten Monate zugrunde zu legen.

(5) Urlaubsregelungen der Beschäftigungsverhältnisse außerhalb des Vollzuges bleiben unberührt.

§ 42 Vergütung

(1) Übt die oder der Sicherungsverwahrte eine angebotene Arbeit oder eine angebotene angemessene oder arbeitstherapeutische Beschäftigung aus, so erhält sie oder er ein Arbeitsentgelt. Der Bemessung des Arbeitsentgelts sind 16 vom Hundert der Bezugsgröße nach § 18 des Vierten Buchs des Sozialgesetzbuchs zugrunde zu legen (Eckvergütung).

(2) Das Arbeitsentgelt kann je nach Leistung der oder des Sicherungsverwahrten und der Art der Arbeit gestuft werden. 275 vom Hundert der Eckvergütung dürfen nicht unterschritten werden.

(3) Die Höhe des Arbeitsentgeltes ist der oder dem Sicherungsverwahrten schriftlich bekannt zu geben.

(4) Nimmt die oder der Sicherungsverwahrte während der Arbeitszeit an im Vollzugsplan angegebenen Maßnahmen nach § 9 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 1, 2 oder 5 teil, so erhält sie oder er für die Dauer des Ausfalls der Arbeit eine Entschädigung in Höhe von 50 vom Hundert des Arbeitsentgelts. § 41 Abs. 4 Satz 2 gilt entsprechend.

§ 43 Anerkennung von Aus- und Weiterbildung

Nimmt die oder der Sicherungsverwahrte an einer angebotenen beruflichen Aus- oder Weiterbildung oder an angebotenem Unterricht teil, so erhält sie oder er eine Ausbildungsbeihilfe, soweit ihr oder ihm keine Leistungen zum Lebensunterhalt zustehen, die freien Personen aus solchem Anlass gewährt werden. Der Nachrang der Sozialhilfe nach § 2 Abs. 2 des Zwölften Buchs des Sozialgesetzbuchs bleibt unberührt. Für die Ausbildungsbeihilfe gilt im Übrigen § 42 entsprechend.

§ 44 Einbehaltung von Beitragsteilen

Soweit die Vollzugsbehörde Beiträge an die Bundesagentur für Arbeit zu entrichten hat, hat sie von dem Arbeitsentgelt oder der Ausbildungsbeihilfe einen Betrag einzubehalten, der dem Anteil der oder des Sicherungsverwahrten am Beitrag entspräche, wenn sie oder er diese Bezüge als Arbeitnehmerin oder Arbeitnehmer erhielte.

§ 45 Taschengeld 22

(1) Der oder dem Sicherungsverwahrten ist auf Antrag ein Taschengeld zu gewähren, soweit sie oder er bedürftig ist. Ein Zuschuss zur Selbstverpflegung nach § 25 Abs. 1 Satz 4 bleibt bei der Feststellung der Bedürftigkeit in dem Monat unberücksichtigt, für den der Zuschuss bestimmt ist. Der Bemessung des Taschengeldes sind 24 vom Hundert der Eckvergütung zugrunde zu legen.

(2) Das Taschengeld wird zu Beginn des Monats im Voraus gewährt. Gehen der oder dem Sicherungsverwahrten im laufenden Monat Gelder zu, so werden diese bis zur Höhe des gewährten Taschengeldes einbehalten.

§ 46 Verordnungsermächtigung

Das Fachministerium wird ermächtigt, zur Durchführung der §§ 42, 43 und 45 eine Verordnung über die Vergütungsstufen sowie die Bemessung des Arbeitsentgeltes, der Ausbildungsbeihilfe und des Taschengeldes zu erlassen.

Sechstes Kapitel
Gelder und Kostenbeteiligung

§ 47 Verwaltung der Gelder

(1) Die Ansprüche der oder des Sicherungsverwahrten gegen das Land auf Vergütung (§ 42), Ausbildungsbeihilfe (§ 43), Taschengeld (§ 45) und Zuschuss zur Selbstverpflegung (§ 25) sowie die der Vollzugsbehörde nach § 39 Abs. 3 überwiesenen Ansprüche der oder des Sicherungsverwahrten gegen Dritte aus einem freien Beschäftigungsverhältnis oder einer selbständigen Erwerbstätigkeit werden nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen verwaltet, zu diesem Zweck auf gesonderten Konten als Hausgeld, Überbrückungsgeld oder Eigengeld gutgeschrieben und bestehen als Geldforderungen gegen das Land fort. Gleiches gilt für die Ansprüche der oder des Sicherungsverwahrten gegen das Land auf Auszahlung des von ihr oder ihm in den Vollzug eingebrachten Bargeldes sowie für sonstige der Vollzugsbehörde zur Gutschrift für die oder den Sicherungsverwahrten überwiesenen oder eingezahlten Gelder. Die Ansprüche der oder des Sicherungsverwahrten gegen das Land auf Auszahlung des im Vollzug der Freiheitsstrafe gutgeschriebenen Hausgeldes, Überbrückungsgeldes und Eigengeldes werden bei Antritt des Vollzuges der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung auf den jeweils entsprechenden Konten gutgeschrieben.

(2) Die Befugnis der oder des Sicherungsverwahrten, über ihre oder seine Guthaben auf den jeweiligen Konten zu verfügen, unterliegt während des Vollzuges den in diesem Kapitel geregelten Beschränkungen; Verfügungsbeschränkungen nach anderen Vorschriften dieses Gesetzes bleiben unberührt.

§ 48 Hausgeld

(1) Als Hausgeld gutgeschrieben werden Ansprüche

  1. auf Arbeitsentgelt oder Ausbildungsbeihilfe zu drei Siebteln,
  2. auf Taschengeld in voller Höhe,
  3. auf den Zuschuss zur Selbstverpflegung in voller Höhe sowie
  4. aus einem freien Beschäftigungsverhältnis oder einer selbständigen Erwerbstätigkeit, die der Vollzugsbehörde zur Gutschrift für die oder den Sicherungsverwahrten überwiesen worden sind (§ 39 Abs. 3), oder aus anderen regelmäßigen Einkünften jeweils zu einem angemessenen Teil.

(2) Die oder der Sicherungsverwahrte kann das Hausgeld für den Einkauf (§ 26) oder anderweitig verwenden.

§ 49 Überbrückungsgeld

(1) Als Überbrückungsgeld gutgeschrieben werden Ansprüche

  1. auf Arbeitsentgelt oder Ausbildungsbeihilfe sowie
  2. aus einem freien Beschäftigungsverhältnis oder einer selbständigen Erwerbstätigkeit, die der Vollzugsbehörde zur Gutschrift für die oder den Sicherungsverwahrten überwiesen worden sind (§ 39 Abs. 3), oder aus anderen regelmäßigen Einkünften jeweils zu einem angemessenen Teil,

soweit sie nicht als Hausgeld gutgeschrieben werden und soweit die nach Absatz 2 Satz 2 festgesetzte Höhe noch nicht erreicht ist.

(2) Das Überbrückungsgeld soll den notwendigen Lebensunterhalt der oder des Sicherungsverwahrten und ihrer oder seiner Unterhaltsberechtigten in den ersten vier Wochen nach der Entlassung sichern. Die Höhe des Überbrückungsgeldes wird von der Vollzugsbehörde festgesetzt.

(3) Das Guthaben auf dem Überbrückungsgeldkonto wird der oder dem Sicherungsverwahrten bei der Entlassung ausgezahlt. Die Vollzugsbehörde kann es auch der Bewährungshelferin oder dem Bewährungshelfer oder einer mit der Entlassenenbetreuung befassten Stelle überweisen, die darüber entscheiden, wie das Geld innerhalb der ersten vier Wochen nach der Entlassung an die Sicherungsverwahrte oder den Sicherungsverwahrten ausgezahlt wird. Das Geld ist vom sonstigen Vermögen gesondert zu halten. Mit Zustimmung der oder des Sicherungsverwahrten kann das Überbrückungsgeld auch den Unterhaltsberechtigten überwiesen werden.

(4) Der oder dem Sicherungsverwahrten kann gestattet werden, das Guthaben auf dem Überbrückungsgeldkonto für Ausgaben zu verwenden, die ihrer oder seiner Eingliederung dienen.

§ 50 Eigengeld

(1) Soweit Ansprüche der in § 47 Abs. 1 bezeichneten Art nicht als Hausgeld oder Überbrückungsgeld gutgeschrieben werden, werden sie als Eigengeld gutgeschrieben.

(2) Die oder der Sicherungsverwahrte kann das Eigengeld für den Einkauf (§ 26) oder anderweitig verwenden.

(3) Hat das Überbrückungsgeld noch nicht die nach § 49 Abs. 2 Satz 2 festgesetzte Höhe erreicht, so ist die Verfügung über das Guthaben auf dem Eigengeldkonto in Höhe des Unterschiedsbetrages ausgeschlossen. § 49 Abs. 4 gilt entsprechend.

§ 51 Ersatzleistungen

Leistungen, die die Sicherungsverwahrten als Ersatz für Arbeitsentgelt, Ausbildungsbeihilfe oder Einkünfte aus einem freien Beschäftigungsverhältnis oder einer selbständigen Erwerbstätigkeit erhalten, werden wie die Leistungen behandelt, an deren Stelle sie treten.

§ 52 Abtretbarkeit, Pfändungsschutz

(1) Der Anspruch auf das Hausgeld ist nicht übertragbar.

(2) Der Anspruch auf Auszahlung des Überbrückungsgeldes ist unpfändbar. Erreicht es nicht die in § 49 Abs. 2 Satz 2 festgesetzte Höhe, so ist in Höhe des Unterschiedsbetrages auch der Anspruch auf Auszahlung des Eigengeldes nach § 50 Abs. 1 unpfändbar. Bargeld einer oder eines entlassenen Sicherungsverwahrten, das an sie oder ihn zur Erfüllung der nach Satz 1 oder 2 unpfändbaren Ansprüche ausgezahlt worden ist, ist in den ersten vier Wochen nach der Entlassung in Höhe des Überbrückungsgeldes der Pfändung nicht unterworfen.

(3) Absatz 2 gilt nicht bei einer Pfändung wegen der in § 850d Abs. 1 Satz 1 der Zivilprozessordnung bezeichneten Unterhaltsansprüche. Der oder dem entlassenen Sicherungsverwahrten ist jedoch so viel zu belassen, wie sie oder er für ihren oder seinen notwendigen Unterhalt und zur Erfüllung sonstiger gesetzlicher Unterhaltspflichten für die Zeit von der Pfändung bis zum Ablauf von vier Wochen seit der Entlassung bedarf.

§ 53 Durchsetzung von Ansprüchen des Landes

(1) Zur Durchsetzung eines Anspruches des Landes nach § 93 Abs. 1 Satz 1 oder § 121 des Strafvollzugsgesetzes (StVollzG) kann die Vollzugsbehörde gegen den Anspruch auf Auszahlung des Hausgeldes aufrechnen, soweit dieser den dreifachen Tagessatz der Eckvergütung nach § 42 Abs. 1 Satz 2 übersteigt.

(2) Die Durchsetzung von Ansprüchen des Landes hat zu unterbleiben, wenn dadurch die Erreichung der Vollzugsziele nach § 2 Abs. 1 und 2 behindert würde.

§ 54 Kostenbeteiligung

(1) An den Kosten für Unterbringung und Verpflegung durch die Vollzugsbehörde wird die oder der Sicherungsverwahrte nicht beteiligt.

(2) An den Kosten des Landes für sonstige Leistungen kann die Vollzugsbehörde die Sicherungsverwahrte oder den Sicherungsverwahrten durch Erhebung von Kostenbeiträgen in angemessener Höhe beteiligen. Dies gilt insbesondere

  1. für Leistungen auf dem Gebiet der Gesundheitsfürsorge, soweit das Fünfte Buch des Sozialgesetzbuchs, die Reichsversicherungsordnung und die aufgrund dieser Gesetze erlassenen Regelungen eine Kostenbeteiligung der oder des Versicherten zulassen und die besonderen Verhältnisse des Vollzuges der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung einer Übertragung nicht entgegenstehen, sowie für ärztliche Behandlungen nach § 63,
  2. für die Aufbewahrung, Entfernung, Verwertung oder Vernichtung eingebrachter Sachen,
  3. für die Versorgung des Unterkunftsbereichs mit Strom für das Betreiben von Elektrogeräten, soweit diese Kosten über das zur Sicherstellung einer angemessenen Grundversorgung erforderliche Maß hinausgehen,
  4. für die Reinigung und Trocknung eigener Kleidung, eigener Wäsche und eigenen Bettzeugs,
  5. für den Schriftwechsel, die Telekommunikation und den Paketverkehr der Sicherungsverwahrten sowie
  6. für die Überlassung von Geräten der Unterhaltungs- und Informationselektronik.

Die Erhebung von Kostenbeiträgen nach Satz 2 Nr. 6 ist ausgeschlossen für die Überlassung von Hörfunk- und Fernsehgeräten, soweit hierdurch eine angemessene Grundversorgung mit Hörfunk- und Fernsehempfang sichergestellt wird. Abweichend von den Sätzen 1 und 2 ist die oder der Sicherungsverwahrte an den Kosten des Landes zu beteiligen, soweit sie oder er aus einem privatrechtlichen Versicherungsvertrag einen Anspruch gegen den Versicherer auf Ersatz der Kosten hat.

(3) Das Fachministerium wird ermächtigt, durch Verordnung näher zu regeln, unter welchen Voraussetzungen und in welcher Höhe Kostenbeiträge nach Absatz 2 erhoben werden können. Für die Bemessung können pauschale Sätze festgelegt werden. Für einzelne Kostenbeiträge kann vorgesehen werden, dass die tatsächlich entstandenen Kosten in voller Höhe von den Sicherungsverwahrten zu tragen sind.

(4) Von der Erhebung von Kostenbeiträgen ist abzusehen, soweit dies notwendig ist, um die Vollzugsziele nach § 2 Abs. 1 und 2 nicht zu gefährden. Für Zeiten, in denen die oder der Sicherungsverwahrte unverschuldet bedürftig ist, soll von der Erhebung von Kostenbeiträgen abgesehen werden. Zur Durchsetzung eines Anspruchs nach Absatz 2 kann die Vollzugsbehörde gegen den Anspruch auf Hausgeld aufrechnen.

Siebtes Kapitel
Religionsausübung

§ 55 Seelsorge

(1) Der oder dem Sicherungsverwahrten darf eine religiöse Betreuung durch eine Seelsorgerin oder einen Seelsorger ihrer oder seiner Religionsgemeinschaft nicht versagt werden. Auf ihren oder seinen Wunsch ist ihr oder ihm zu helfen, mit einer Seelsorgerin oder einem Seelsorger ihrer oder seiner Religionsgemeinschaft in Verbindung zu treten.

(2) Die oder der Sicherungsverwahrte darf religiöse Schriften besitzen. Ihre Anzahl kann begrenzt werden, wenn dies zur Aufrechterhaltung der Sicherheit der Anstalt erforderlich ist. Grundlegende religiöse Schriften dürfen der oder dem Sicherungsverwahrten nur bei grobem Missbrauch entzogen werden; auf Verlangen der oder des Sicherungsverwahrten soll ihre oder seine Seelsorgerin oder ihr oder sein Seelsorger über den Entzug unterrichtet werden

(3) Der oder dem Sicherungsverwahrten sind sonstige Gegenstände des religiösen Gebrauchs zu belassen, soweit nicht überwiegende Gründe der Sicherheit der Anstalt entgegenstehen.

§ 56 Religiöse Veranstaltungen

(1) Die oder der Sicherungsverwahrte hat das Recht, am Gottesdienst und an anderen religiösen Veranstaltungen ihres oder seines Bekenntnisses in der Anstalt teilzunehmen.

(2) Die oder der Sicherungsverwahrte wird zu dem Gottesdienst oder zu religiösen Veranstaltungen einer anderen Religionsgemeinschaft zugelassen, wenn deren Seelsorgerin oder Seelsorger zustimmt.

(3) Die oder der Sicherungsverwahrte kann von der Teilnahme am Gottesdienst oder anderen religiösen Veranstaltungen ausgeschlossen werden, wenn dies aus überwiegenden Gründen der Sicherheit der Anstalt oder zur Abwendung einer schwer wiegenden Störung des Gottesdienstes oder der religiösen Veranstaltung erforderlich ist; die Seelsorgerin oder der Seelsorger soll vorher gehört werden.

§ 57 Weltanschauungsgemeinschaften

Für Angehörige weltanschaulicher Bekenntnisse gelten die §§ 55 und 56 entsprechend.

Achtes Kapitel
Gesundheitsfürsorge

§ 58 Allgemeine Bestimmungen

(1) Die Vollzugsbehörde sorgt für die Gesundheit der oder des Sicherungsverwahrten.

(2) Auf Antrag darf sich die oder der Sicherungsverwahrte auf eigene Kosten durch eine Ärztin oder einen Arzt oder eine Zahnärztin oder einen Zahnarzt eigener Wahl behandeln lassen, soweit Gründe der Sicherheit der Anstalt nicht entgegenstehen. Die Behandlung soll in der Anstalt nach vorheriger Anmeldung erfolgen.

(3) Die oder der Sicherungsverwahrte hat die Maßnahmen zum Gesundheitsschutz und zur Hygiene zu unterstützen, die aus Gründen der Sicherheit der Anstalt erforderlich oder zur Abwehr unzumutbarer Störungen anderer Sicherungsverwahrter, Justizvollzugsbediensteter oder sonstiger Personen unerlässlich sind.

§ 59 Medizinische Leistungen

(1) Die oder der Sicherungsverwahrte hat Anspruch auf Schutzimpfungen, medizinische Vorsorgeleistungen, Gesundheitsuntersuchungen und Krankenbehandlung. Eine Sicherungsverwahrte hat für ihre Kinder, die mit ihr in der Anstalt untergebracht sind und das sechste Lebensjahr nicht vollendet haben, auch Anspruch auf Kinderuntersuchungen.

(2) Krankenbehandlung umfasst

  1. ärztliche Behandlung einschließlich Psychotherapie als ärztliche und psychotherapeutische Behandlung,
  2. zahnärztliche Behandlung,
  3. Versorgung mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen,
  4. Versorgung mit Arznei-, Verband- und Heilmitteln,
  5. Versorgung mit Hilfsmitteln und
  6. Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und ergänzende Leistungen.

Leistungen nach Satz 1 Nrn. 5 und 6 werden nur gewährt, soweit Gründe der Sicherheit der Anstalt nicht entgegenstehen. Der Anspruch auf Leistungen nach Satz 1 Nr. 5 umfasst auch die ohne Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit der oder des Sicherungsverwahrten verursachte notwendige Änderung, Instandsetzung und Ersatzbeschaffung von Hilfsmitteln sowie die Ausbildung in ihrem Gebrauch.

(3) Medizinische Vorsorgeleistungen umfassen die ärztliche Behandlung und Versorgung mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln nur nach Maßgabe des § 23 Abs. 1, des § 24a Abs. 1 und des § 24b des Fünften Buchs des Sozialgesetzbuchs. Für die Versorgung mit Hilfsmitteln gilt Absatz 2 Sätze 2 und 3 entsprechend.

§ 60 Krankenbehandlung bei Ausgang, Begleitausgang und Langzeitausgang

Während des Ausgangs, Begleitausgangs und Langzeitausgangs hat die oder der Sicherungsverwahrte gegen das Land nur einen Anspruch auf Krankenbehandlung in der für sie oder ihn zuständigen Anstalt; in Notfällen wird der oder dem Sicherungsverwahrten Krankenbehandlung auch in der nächstgelegenen niedersächsischen Anstalt gewährt.

§ 61 Leistungen, Art und Umfang

Für Art und Umfang der in § 59 Abs. 1 genannten Leistungen gelten die Vorschriften des Fünften Buchs des Sozialgesetzbuchs und die aufgrund dieser Vorschriften getroffenen Regelungen entsprechend, soweit nicht in diesem Gesetz etwas anderes bestimmt ist. Nach dem Fünften Buch des Sozialgesetzbuchs von der Versorgung ausgeschlossene Arznei-, Heil- oder Hilfsmittel können der oder dem Sicherungsverwahrten zur Verfügung gestellt werden, soweit dies medizinisch angezeigt ist.

§ 62 Ruhen der Ansprüche

Der Anspruch auf Leistungen nach § 59 ruht, soweit die oder der Sicherungsverwahrte aufgrund eines freien Beschäftigungsverhältnisses krankenversichert ist.

§ 63 Ärztliche Behandlung zur sozialen Eingliederung

Mit Zustimmung der oder des Sicherungsverwahrten kann die Vollzugsbehörde ärztliche Behandlungen, namentlich Operationen oder prothetische Maßnahmen durchführen lassen, die die soziale Eingliederung fördern.

§ 64 Aufenthalt im Freien

Ist die oder der Sicherungsverwahrte aufgrund einer vollzuglichen Anordnung in der Bewegungsfreiheit so beschränkt, dass sie oder er sich nicht im Freien aufhalten könnte, so wird ihr oder ihm aus Gründen der Gesundheitsfürsorge täglich mindestens eine Stunde Aufenthalt im Freien ermöglicht, wenn die Witterung dies zulässt. Satz 1 gilt nicht im Fall einer Unterbringung in einem besonders gesicherten Raum (§ 86 Abs. 2 Nr. 5), wenn durch den Aufenthalt im Freien der Zweck der Maßnahme gefährdet wird.

§ 65 Behandlung außerhalb des Vollzuges

Kann eine Krankheit in einer Anstalt oder einem Anstaltskrankenhaus nicht erkannt oder behandelt werden oder ist es nicht möglich, die Sicherungsverwahrte oder den Sicherungsverwahrten rechtzeitig in ein Anstaltskrankenhaus zu überstellen oder zu verlegen, so ist sie oder er mit ihrer oder seiner Zustimmung zu einer Ärztin oder einem Arzt, einer Zahnärztin oder einem Zahnarzt oder in ein Krankenhaus außerhalb des Vollzuges zu bringen. Der Zustimmung bedarf es nicht, soweit die Voraussetzungen für eine Zwangsbehandlung nach § 97 vorliegen.

Neuntes Kapitel
Freizeit

§ 66 Freizeit

(1) Die Vollzugsbehörde hat für Freizeitangebote, insbesondere kulturelle Angebote, Sportangebote und Veranstaltungen der Fortbildung, zu sorgen, die auf die Wünsche und Bedürfnisse der Sicherungsverwahrten Rücksicht nehmen. Der oder dem Sicherungsverwahrten ist die Benutzung einer Bücherei zu ermöglichen. Die Vollzugsbehörde soll sie oder ihn an den Umgang mit neuen Medien heranführen, soweit dies mit der Sicherheit der Anstalt vereinbar ist.

(2) Die Bereitschaft der oder des Sicherungsverwahrten zur Teilnahme an Freizeitangeboten ist zu wecken und zu fördern. Sie oder er soll angeleitet werden, an den Freizeitangeboten mitzuwirken. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Gestaltung der Freizeit auch dazu dienen kann, die oder den Sicherungsverwahrten an die zur Erreichung der Vollzugsziele nach § 2 Abs. 1 und 2 erforderlichen Behandlungsmaßnahmen heranzuführen.

§ 67 Zeitungen und Zeitschriften

(1) Die oder der Sicherungsverwahrte darf Zeitungen und Zeitschriften durch Vermittlung der Vollzugsbehörde beziehen.

(2) Ausgeschlossen sind Zeitungen und Zeitschriften, deren Verbreitung mit Strafe oder Geldbuße bedroht ist. Einzelne Ausgaben oder Teile von Zeitungen oder Zeitschriften können der oder dem Sicherungsverwahrten vorenthalten werden, wenn sie das Vollzugsziel nach § 2 Abs. 1 oder die Sicherheit der Anstalt erheblich gefährdeten.

§ 68 Hörfunk und Fernsehen

Unbeschadet des Rechts der oder des Sicherungsverwahrten, in ihrem oder seinem Unterkunftsbereich ein Hörfunk- und Fernsehgerät zu nutzen, ist ihr oder ihm die Teilnahme am gemeinschaftlichen Hörfunk- und Fernsehempfang der Anstalt zu ermöglichen. Die Sendungen sind so auszuwählen, dass Wünsche und Bedürfnisse nach staatsbürgerlicher Information, Bildung und Unterhaltung angemessen berücksichtigt werden. Der Hörfunk- und Fernsehempfang soll vorübergehend ausgesetzt oder einzelnen Sicherungsverwahrten vorübergehend untersagt werden, wenn dies zur Aufrechterhaltung der Sicherheit der Anstalt oder zur Abwehr unzumutbarer Störungen anderer Sicherungsverwahrter unerlässlich ist.

Zehntes Kapitel
Soziale Hilfen, durchgängige Betreuung

§ 69 Soziale Hilfen 22

(1) Soziale Hilfen sollen darauf gerichtet sein, die Sicherungsverwahrte oder den Sicherungsverwahrten in die Lage zu versetzen, ihre oder seine Angelegenheiten selbst zu ordnen und zu regeln.

(2) Es ist Aufgabe der Vollzugsbehörden, darauf hinzuwirken, dass eine durchgängige Betreuung der Sicherungsverwahrten sichergestellt ist, die ihnen auch nach der Entlassung hilft, in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen.

(3) Die Zusammenarbeit mit Stellen und Personen außerhalb des Vollzuges, die besonderen Möglichkeiten dieses Gesetzes für die Entlassungsvorbereitung sowie die Hilfe zur Entlassung sind auf die durchgängige Betreuung auszurichten.

(4) Die Vollzugsbehörden sollen darauf hinwirken, dass die zur durchgängigen Betreuung erforderlichen Informationen über die Sicherungsverwahrten zwischen ihnen und den nach Absatz 3 zu beteiligenden Personen und Stellen außerhalb des Vollzuges ausgetauscht werden, soweit dies nach den für die jeweilige Behörde, Person oder Stelle geltenden Vorschriften über den Datenschutz zulässig ist. Die Vollzugsbehörden sind nach Maßgabe des Satzes 1 insbesondere verpflichtet, der für die Führungsaufsicht nach § 68a StGB zuständigen Aufsichtsstelle und den mit der Bewährungshilfe befassten Stellen die zur Vorbereitung und Durchführung der Führungsaufsicht und der Bewährungshilfe erforderlichen Informationen rechtzeitig, in der Regel spätestens sechs Monate vor der möglichen Entlassung der oder des Sicherungsverwahrten zu übermitteln. Soweit für den Datenaustausch nach Satz 1 die Einwilligung der oder des Sicherungsverwahrten erforderlich ist, soll sie oder er über die Vor- und Nachteile eines solchen Datenaustauschs aufgeklärt und ermutigt werden, die erforderliche Einwilligung zu erklären.

(5) Die Personen und Stellen außerhalb des Vollzuges, die in besonderer Weise geeignet sind, an der durchgängigen Betreuung mitzuwirken, sollen über die Vollzugsplanung unterrichtet werden und Gelegenheit erhalten, sich an der Vollzugsplanung zu beteiligen, soweit dies nach Absatz 4 zulässig ist.

§ 70 Hilfen im Vollzug 22

(1) Während des Vollzuges wird die oder der Sicherungsverwahrte insbesondere in dem Bemühen unterstützt, ihre oder seine Rechte und Pflichten wahrzunehmen, namentlich das Wahlrecht auszuüben sowie für Unterhaltsberechtigte zu sorgen. Gleiches gilt für die Regelung eines durch ihre oder seine Straftat verursachten Schadens. In geeigneten Fällen sollen der oder dem Sicherungsverwahrten zur Durchführung eines Täter-Opfer-Ausgleichs Stellen und Einrichtungen benannt werden.

(2) Um eine mögliche Entlassung vorzubereiten, ist die oder der Sicherungsverwahrte insbesondere bei der Ordnung der persönlichen, wirtschaftlichen und sozialen Angelegenheiten zu beraten. Die Beratung erstreckt sich auch auf die Benennung der für Sozialleistungen zuständigen Stellen. Die oder der Sicherungsverwahrte ist dabei zu unterstützen, Arbeit, Unterkunft und persönlichen Beistand für die Zeit nach der Entlassung zu finden. Ihr oder ihm werden Stellen und Einrichtungen außerhalb des Justizvollzugs benannt, die ihre oder seine berufliche und soziale Eingliederung begleiten und fördern können.

§ 71 Entlassungsbeihilfe

(1) Die oder der Sicherungsverwahrte erhält, soweit eigene Mittel nicht ausreichen, nach Maßgabe des Absatzes 2 eine Beihilfe zu den Reisekosten sowie eine Überbrückungsbeihilfe und erforderlichenfalls ausreichende Kleidung. Soweit es der Eingliederung der oder des Sicherungsverwahrten dient, soll die Vollzugsbehörde den Transport zur Unterkunft sicherstellen.

(2) Bei der Bemessung der Höhe der Überbrückungsbeihilfe sind die Dauer des Freiheitsentzuges und die Wirtschaftlichkeit der Verfügungen der oder des Sicherungsverwahrten über Eigengeld und Hausgeld zu berücksichtigen. Die Überbrückungsbeihilfe kann ganz oder teilweise auch den Unterhaltsberechtigten überwiesen werden.

(3) Der Anspruch auf Beihilfe zu den Reisekosten und die ausgezahlte Reisebeihilfe sind unpfändbar. Für den Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe und für Bargeld nach Auszahlung einer Überbrückungsbeihilfe an die oder den Sicherungsverwahrten gilt § 52 Abs. 2 Sätze 1 und 3 und Abs. 3 entsprechend.

§ 72 Nachgehende Betreuung

(1) Die personelle Ausstattung und die sachlichen Mittel der mit der Bewährungshilfe nach § 68a StGB befassten Stellen des Landes haben sich daran auszurichten, dass die durchgängige nachsorgende Betreuung der oder des entlassenen Sicherungsverwahrten sichergestellt werden kann. Als Bewährungshelfer der unter Führungsaufsicht stehenden Sicherungsverwahrten sollen Personen eingesetzt werden, die dafür besonders geeignet sind. § 68a StGB bleibt unberührt.

(2) Die Anstalt oder Abteilung, die nach dem Vollstreckungsplan für den Vollzug der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung an der oder dem entlassenen Sicherungsverwahrten zuständig war, nimmt für diese oder diesen nach Maßgabe der §§ 68a und 68b StGB die Aufgaben der forensischen Ambulanz wahr. Die Anstalt oder Abteilung soll während der Dauer der Führungsaufsicht im Einvernehmen mit der Führungsaufsichtsstelle auch der oder dem Sicherungsverwahrten, der oder dem keine Weisungen nach § 68b Abs. 2 StGB erteilt worden sind, die Maßnahmen der forensischen Ambulanz anbieten, die zur Sicherstellung der durchgängigen nachsorgenden Betreuung erforderlich sind.

(3) Ergänzend soll auch jede für den Vollzug von Freiheitsentziehungen nach dem Niedersächsischen Justizvollzugsgesetz zuständige Vollzugsbehörde auf Antrag einer oder eines entlassenen Sicherungsverwahrten vorübergehend Hilfestellung gewähren, soweit diese nicht durch eine andere Stelle sichergestellt ist und die Eingliederung gefährdet ist.

§ 73 Verbleib und Aufnahme auf freiwilliger Grundlage

(1) Eine frühere Sicherungsverwahrte oder ein früherer Sicherungsverwahrter darf auf Antrag vorübergehend in Anstalten der Landesjustizverwaltung verbleiben oder ist wieder aufzunehmen, wenn die Eingliederung gefährdet ist. Der Verbleib oder die Aufnahme ist jederzeit widerruflich.

(2) Gegen die verbliebene oder aufgenommene Person dürfen Maßnahmen des Vollzuges nicht mit unmittelbarem Zwang durchgesetzt werden. Im Übrigen finden die sonstigen Vorschriften dieses Gesetzes entsprechende Anwendung.

(3) Auf ihren Antrag ist die verbliebene oder aufgenommene Person unverzüglich zu entlassen.

Elftes Kapitel
Besondere Vorschriften für den Vollzug an weiblichen Sicherungsverwahrten

§ 74 Leistungen bei Schwangerschaft und Mutterschaft

(1) Bei einer Schwangeren oder einer Sicherungsverwahrten, die unlängst entbunden hat, ist auf ihren Zustand Rücksicht zu nehmen. Die Vorschriften des Mutterschutzgesetzes über die Gestaltung des Arbeitsplatzes und das Bestehen von Beschäftigungsverboten gelten entsprechend.

(2) Die Sicherungsverwahrte hat während der Schwangerschaft, bei und nach der Entbindung Anspruch auf ärztliche Betreuung und auf Hebammenhilfe in der Anstalt. Zur ärztlichen Betreuung gehören insbesondere Untersuchungen zur Feststellung der Schwangerschaft sowie Vorsorgeuntersuchungen einschließlich der laborärztlichen Untersuchungen.

(3) Zur Entbindung ist die Schwangere in ein Krankenhaus außerhalb des Vollzuges zu bringen.

(4) Bei Schwangerschaftsbeschwerden und im Zusammenhang mit der Entbindung werden Arznei-, Verband- und Heilmittel geleistet.

(5) Für Leistungen nach den Absätzen 2 bis 4 gelten im Übrigen die Vorschriften der Reichsversicherungsordnung über Leistungen bei Schwangerschaft und Mutterschaft sowie die §§ 60, 62 und 65 entsprechend, § 60 jedoch nicht für die Entbindung.

§ 75 Geburtsanzeige

In der Anzeige der Geburt an das Standesamt dürfen die Anstalt als Geburtsort des Kindes, das Verhältnis der anzeigenden Person zur Anstalt und die Freiheitsentziehung der Mutter nicht vermerkt sein.

§ 76 Mütter mit Kindern

(1) Ist das Kind einer Sicherungsverwahrten noch nicht schulpflichtig, so kann es mit Zustimmung der aufenthaltsbestimmungsberechtigten Person in der Anstalt untergebracht werden, in der sich seine Mutter befindet, wenn dies seinem Wohle dient. Vor der Unterbringung ist das Jugendamt zu hören.

(2) Die Unterbringung erfolgt auf Kosten der für das Kind Unterhaltspflichtigen. Von der Geltendmachung des Kostenersatzanspruchs kann abgesehen werden, wenn hierdurch die gemeinsame Unterbringung von Mutter und Kind gefährdet würde.

Zwölftes Kapitel
Sicherheit und geordnetes Zusammenleben

§ 77 Grundsatz

Das Verantwortungsbewusstsein der oder des Sicherungsverwahrten für ein geordnetes Zusammenleben in der Anstalt ist zu wecken und zu fördern. Sicherungsverwahrte sollen zu einvernehmlicher Streitbeilegung befähigt werden.

§ 78 Störungsverbot

Die oder der Sicherungsverwahrte darf durch ihr oder sein Verhalten andere Sicherungsverwahrte, Vollzugsbedienstete oder sonstige Personen nicht unzumutbar stören. Soweit das Gesetz eine besondere Regelung nicht enthält, kann die Vollzugsbehörde die zur Abwehr unzumutbarer Störungen unerlässlichen Maßnahmen treffen.

§ 79 Verhaltensvorschriften

(1) Die oder der Sicherungsverwahrte hat die rechtmäßigen Anordnungen der Vollzugsbediensteten zu befolgen.

(2) Der Unterkunftsbereich und die von der Vollzugsbehörde überlassenen Sachen sind in Ordnung zu halten und schonend zu behandeln.

(3) Die oder der Sicherungsverwahrte hat Umstände, die eine Gefahr für das Leben oder eine erhebliche Gefahr für die Gesundheit einer Person bedeuten, unverzüglich zu melden.

§ 80 Persönlicher Gewahrsam 19

(1) Die oder der Sicherungsverwahrte darf Sachen nur mit Erlaubnis der Vollzugsbehörde annehmen oder abgeben. Für Sachen von geringem Wert kann die Vollzugsbehörde ihre Zustimmung allgemein erteilen. Die Erlaubnis ist zu erteilen, soweit nicht Gründe der Sicherheit der Anstalt entgegenstehen oder die Erreichung des Vollzugsziels nach § 2 Abs. 1 bei der oder dem annehmenden oder abgebenden Sicherungsverwahrten gefährdet wird.

(2) Eingebrachte Sachen, die die oder der Sicherungsverwahrte nicht in Gewahrsam haben darf, sind zu verwahren, sofern dies nach Art und Umfang möglich ist. Der oder dem Sicherungsverwahrten wird Gelegenheit gegeben, die Sachen abzusenden, die während des Vollzuges und für die Entlassung nicht benötigt werden.

(3) Weigert sich die oder der Sicherungsverwahrte, eingebrachte Sachen, deren Aufbewahrung nach Art und Umfang nicht möglich ist, aus der Anstalt zu entfernen, so darf die Vollzugsbehörde diese Sachen außerhalb der Anstalt verwahren oder nach Maßgabe des Satzes 2 verwerten oder vernichten. Für die Voraussetzungen und das Verfahren der Verwertung und Vernichtung gilt § 28 des Niedersächsischen Polizei- und Ordnungsbehördengesetzes entsprechend.

(4) Aufzeichnungen und andere Gegenstände, die Kenntnisse über Sicherungsvorkehrungen der Anstalt vermitteln, dürfen von der Vollzugsbehörde vernichtet oder unbrauchbar gemacht werden.

§ 81 Durchsuchung

(1) Die oder der Sicherungsverwahrte, ihre oder seine Sachen und ihr oder sein Unterkunftsbereich dürfen durchsucht werden, soweit die Sicherheit der Anstalt dies erfordert. Die Durchsuchung männlicher Sicherungsverwahrter darf nur von Männern, die Durchsuchung weiblicher Sicherungsverwahrter nur von Frauen vorgenommen werden. Satz 2 gilt nicht für das Absuchen mittels technischer Geräte ohne unmittelbaren körperlichen Kontakt. Das Schamgefühl ist zu schonen.

(2) Eine körperliche Durchsuchung nach Absatz 1, die mit einer Entkleidung verbunden ist, ist nur bei Gefahr im Verzuge oder auf Anordnung der Anstaltsleiterin oder des Anstaltsleiters im Einzelfall zulässig. Sie darf bei männlichen Sicherungsverwahrten nur in Gegenwart von Männern, bei weiblichen Sicherungsverwahrten nur in Gegenwart von Frauen erfolgen. Sie ist in einem geschlossenen Raum durchzuführen. Andere Sicherungsverwahrte dürfen nicht anwesend sein.

§ 82 Erkennungsdienstliche Maßnahmen 22

(1) Zur Sicherung des Vollzuges, zur Aufrechterhaltung der Sicherheit der Anstalt oder zur Identitätsfeststellung sind mit Kenntnis der oder des Sicherungsverwahrten zulässig

  1. die Aufnahme von Lichtbildern,
  2. Stimmaufzeichnungen,
  3. Messungen des Körpers sowie
  4. die Feststellung äußerlicher körperlicher Merkmale.

(2) Die Erhebung, Speicherung, Veränderung, Nutzung und Übermittlung (§ 192 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 1 bis 5 NJVollzG) der biometrischen Daten von Fingern, Händen und Gesicht ist mit Kenntnis der oder des Sicherungsverwahrten zulässig, wenn sie zur Erfüllung der Aufgaben nach Absatz 1 unerlässlich ist.

§ 83 Maßnahmen zur Identitätsfeststellung 22

Wenn es die Sicherheit der Anstalt erfordert, kann die oder der Gefangene verpflichtet werden, einen Ausweis mit den in § 82 Abs. 1 und 2 genannten Daten mit sich zu führen.

§ 83a Einsatz optischelektronischer Einrichtungen 22

(1) Bestimmte Bereiche der Anstalt dürfen mit Ausnahme von Hafträumen und medizinischen Behandlungsräumen durch Bildübertragungen und -aufzeichnungen mittels optischelektronischer Einrichtungen überwacht werden, soweit und solange dies zur Aufrechterhaltung der Sicherheit der Anstalt erforderlich und verhältnismäßig ist. Die Beobachtung einer oder eines bestimmten Sicherungsverwahrten mittels optischelektronischer Einrichtungen ist nur nach Maßgabe der §§ 86 und 86a zulässig.

(2) Im Rahmen von Transporten der Sicherungsverwahrten sind Bildübertragungen mittels optischelektronischer Einrichtungen einzelner Bereiche des Transportfahrzeuges zulässig, soweit dies zur Sicherung des Transportes oder des Vollzuges erforderlich und verhältnismäßig ist und überwiegende Interessen der betroffenen Personen nicht entgegenstehen.

(3) Bildübertragungen und -aufzeichnungen des öffentlich frei zugänglichen Raumes außerhalb der Anstalt mittels optischelektronischer Einrichtungen sind zulässig, soweit und solange dies zur Aufrechterhaltung der Sicherheit der Anstalt oder zur Sicherung des Vollzuges, insbesondere um Fluchtversuche sowie Überwürfe von Gegenständen auf das Anstaltsgelände zu verhindern, erforderlich und verhältnismäßig ist und schutzwürdige Interessen der betroffenen Personen nicht entgegenstehen.

(4) Den Einsatz optischelektronischer Einrichtungen nach den Absätzen 1 bis 3 ordnet die Anstaltsleiterin oder der Anstaltsleiter an.

(5) Die Überwachung mittels optischelektronischer Einrichtungen ist durch geeignete Hinweise erkennbar zu machen. Ein verdeckter Einsatz optischelektronischer Einrichtungen ist unzulässig.

(6) Die nach den Absätzen 1 und 3 gefertigten Bildaufzeichnungen sind unverzüglich, spätestens aber eine Woche nach ihrer Erhebung zu löschen. Die Vollzugsbehörde hat durch verfahrensrechtliche Vorkehrungen sicherzustellen, dass diese Frist eingehalten wird.

§ 84 Festnahmerecht 22

Eine Sicherungsverwahrte oder ein Sicherungsverwahrter, die oder der entwichen ist oder sich sonst ohne Erlaubnis außerhalb der Anstalt aufhält, kann durch die Vollzugsbehörde oder auf ihre Veranlassung hin festgenommen und in die Anstalt zurückgebracht werden.

§ 85 Einschluss

(1) Die oder der Sicherungsverwahrte wird während der Nachtruhe in ihrem oder seinem Unterkunftsbereich oder einem anderen für den Aufenthalt während der Nachtruhe bestimmten Raum der Anstalt eingeschlossen. Hiervon kann abgesehen werden, soweit eine Gefahr für die Sicherheit der Anstalt nicht besteht.

(2) Die Vollzugsbehörde kann allgemein anordnen, dass die Sicherungsverwahrten außerhalb der Nachtruhe vorübergehend in ihren Unterkunftsbereichen oder anderen Räumen der Anstalt eingeschlossen werden, soweit dies aus Gründen der Sicherheit der Anstalt unerlässlich ist.

§ 86 Besondere Sicherungsmaßnahmen 17 22

(1) Besondere Sicherungsmaßnahmen sind:

  1. der Entzug oder die Vorenthaltung von Gegenständen,
  2. die Anordnung des Tragens von Anstaltskleidung,
  3. die Beobachtung der oder des Sicherungsverwahrten, auch mittels optischelektronischer Einrichtungen,
  4. die Absonderung von anderen Sicherungsverwahrten,
  5. die Unterbringung in einem besonders gesicherten Raum ohne gefährdende Gegenstände,
  6. die Fesselung und
  7. die Befestigung mindestens der Hände und der Füße an einem Gegenstand mittels dafür vorgesehener Gurte oder anderer mechanischer Vorrichtungen (Fixierung).

(2) Gegen eine Sicherungsverwahrte oder einen Sicherungsverwahrten kann eine besondere Sicherungsmaßnahme nach Absatz 1 Nrn. 1 bis 6 angeordnet werden, wenn nach ihrem oder seinem Verhalten oder aufgrund ihres oder seines seelischen Zustandes in erhöhtem Maße Fluchtgefahr oder die Gefahr von Gewalttätigkeiten gegen Personen oder Sachen oder die Gefahr der Selbsttötung oder der Selbstverletzung besteht und wenn die Maßnahme zur Abwendung der Gefahr unerlässlich ist. Eine Fixierung darf nur angeordnet werden, wenn, soweit und solange sie zur Abwendung einer gegenwärtigen Gefahr von erheblichen Gewalttätigkeiten gegen Personen, einer gegenwärtigen Gefahr der Selbsttötung oder einer gegenwärtigen Gefahr einer erheblichen Selbstverletzung unerlässlich ist.

(3) Eine Maßnahme nach Absatz 1 Nrn. 1, 4 und 5 ist auch zulässig, wenn sie zur Abwendung der Gefahr einer Befreiung unerlässlich ist.

(4) Eine Absonderung von mehr als 24 Stunden Dauer ist nur zulässig, wenn dies aus Gründen, die in der Person der oder des Sicherungsverwahrten liegen, unerlässlich ist.

(5) Bei einer Ausführung, Vorführung oder beim Transport ist die Fesselung nach Absatz 1 Nr. 6 auch dann zulässig, wenn konkrete Anhaltspunkte die Annahme begründen, dass die Beaufsichtigung nicht ausreicht, die Gefahr einer Flucht zu vermeiden oder zu beheben.

§ 86a Beobachtung 17 22

(1) Die Beobachtung mit optischelektronischen Einrichtungen ist nur in besonders dafür vorgesehenen Räumen und in besonders gesicherten Räumen (§ 86 Abs. 2 Nr. 5) zulässig. Dabei dürfen Bildaufzeichnungen angefertigt werden. Zur Abwehr einer Gefahr für das Leben der oder des Sicherungsverwahrten dürfen zur Beobachtung auch optischelektronische Einrichtungen eingesetzt werden, die die Bildaufzeichnungen automatisch verarbeiten. § 83a Abs. 4 bis 6 gilt entsprechend.

(2) Bei der Beobachtung ist das Schamgefühl der oder des Sicherungsverwahrten zu schonen. Die Beobachtung des Toilettenbereichs ist unzulässig.

§ 86b Fesselung 22

Eine Fesselung nach § 86 Abs. 1 Nr. 6 darf nur an den Händen oder an den Füßen erfolgen. Eine von Satz 1 abweichende Art der Fesselung ist zulässig, wenn sie für die Sicherungsverwahrte oder den Sicherungsverwahrten weniger belastend ist oder wenn eine der in § 86 Abs. 2 Satz 1 oder Abs. 5 genannten Gefahren nicht anders abgewendet werden kann. Die Fesselung wird zeitweise gelockert, soweit dies notwendig ist.

§ 87 Vollzug der besonderen Sicherungsmaßnahmen nach § 86 Abs. 1 Nrn. 4 und 5 22

Während der Absonderung und der Unterbringung in einem besonders gesicherten Raum ruhen die Befugnisse der oder des Sicherungsverwahrten aus den §§ 20, 22, 23, 25 Abs. 1, §§ 26, 38 und 66 bis 68. Soweit das Ruhen zur Erreichung des Zwecks der Absonderung nicht erforderlich ist, ist etwas Abweichendes anzuordnen.

§ 88 Anordnung besonderer Sicherungsmaßnahmen nach § 86 Abs. 1 Nrn. 1 bis 6 17 22

(1) Besondere Sicherungsmaßnahmen ordnet die Anstaltsleiterin oder der Anstaltsleiter an. Die Anordnung ist schriftlich zu begründen.

(2) Bei Gefahr im Verzug können auch andere Justizvollzugsbedienstete besondere Sicherungsmaßnahmen vorläufig anordnen; Absatz 1 Satz 2 findet keine Anwendung. Die Entscheidung der Anstaltsleiterin oder des Anstaltsleiters ist unverzüglich einzuholen; Absatz 1 Satz 2 gilt entsprechend.

(3) Wird eine Sicherungsverwahrte oder ein Sicherungsverwahrter ärztlich behandelt oder beobachtet oder bildet ihr oder sein seelischer Zustand den Anlass der Maßnahme, so ist vor einer Anordnung eine Ärztin oder ein Arzt zu hören. Ist dies wegen Gefahr im Verzuge nicht möglich, so wird die ärztliche Stellungnahme unverzüglich eingeholt.

(4) Die Anordnung ist unverzüglich zu widerrufen, wenn die Anordnungsvoraussetzungen nicht mehr vorliegen.

(5) Während der Absonderung nach § 86 Abs. 4 und der Unterbringung in einem besonders gesicherten Raum nach § 86 Abs. 1 Nr. 5 ist die oder der Sicherungsverwahrte besonders zu betreuen, um schädlichen Folgen der Maßnahme aufgrund der Trennung von anderen Sicherungsverwahrten entgegenzuwirken.

(6) Die Absonderung nach § 86 Abs. 4 und die Unterbringung in einem besonders gesicherten Raum nach § 86 Abs. 1 Nr. 5 von mehr als 30 Tagen Gesamtdauer in einem Jahr bedarf der Zustimmung des Fachministeriums. Diese Frist wird nicht dadurch unterbrochen, dass die oder der Sicherungsverwahrte am Gottesdienst oder am Aufenthalt im Freien (§ 64) teilnimmt.

(7) Die Unterbringung in einem besonders gesicherten Raum nach § 86 Abs. 2 Nr. 5 und die Fesselung nach § 86 Abs. 1 Nr. 6 sind unverzüglich dem Fachministerium mitzuteilen, wenn sie länger als drei Tage aufrechterhalten werden.

§ 89 Ärztliche Überwachung bei besonderen Sicherungsmaßnahmen nach § 86 Abs. 1 Nrn. 5 und 6 22

(1) Eine Sicherungsverwahrte oder ein Sicherungsverwahrter, die oder der in einem besonders gesicherten Raum ohne gefährdende Gegenstände untergebracht oder die oder der gefesselt ist, ist alsbald und in der Folge möglichst täglich von einer Ärztin oder einem Arzt aufzusuchen. Dies gilt nicht bei einer Fesselung während einer Ausführung, Vorführung oder eines Transportes. Bei einer Absonderung von anderen Sicherungsverwahrten ist die oder der Sicherungsverwahrte alsbald und in der Folge möglichst wöchentlich von einer Ärztin oder einem Arzt aufzusuchen.

(2) Eine Ärztin oder ein Arzt ist regelmäßig zu hören, solange der oder dem Sicherungsverwahrten nach § 64 Satz 2 der tägliche Aufenthalt im Freien nicht ermöglicht wird.

§ 89a Anordnung der Fixierung, Verfahren, ärztliche Überwachung 22

(1) Eine Fixierung von absehbar kurzfristiger Dauer ordnet die Anstaltsleiterin oder der Anstaltsleiter an; die Anordnung darf nur mit vorheriger Zustimmung einer Ärztin oder eines Arztes erfolgen und ist schriftlich zu begründen. Bei Gefahr im Verzug ist die schriftliche Begründung entbehrlich; sie ist unverzüglich nachzuholen. Die Fixierung darf ohne vorherige ärztliche Zustimmung angeordnet werden, wenn die Ärztin oder der Arzt nicht so rechtzeitig erreichbar ist, dass die gegenwärtige Gefahr einer Selbsttötung oder erheblichen Selbstverletzung noch abgewendet werden kann; die ärztliche Zustimmung ist unverzüglich einzuholen.

(2) Eine Fixierung von mindestens halbstündiger Dauer bedarf der vorherigen richterlichen Anordnung; den Antrag stellt die Vollzugsbehörde. Bei Gefahr im Verzug kann eine Fixierung nach Satz 1 vorläufig in entsprechender Anwendung des Absatzes 1 angeordnet werden; die richterliche Entscheidung ist unverzüglich zu beantragen. Einer richterlichen Entscheidung bedarf es in den Fällen des Satzes 2 nicht, wenn bereits zu Beginn der Fixierung abzusehen ist, dass die Entscheidung erst nach Wegfall des Grundes der Fixierung ergehen wird, oder die Fixierung vor Herbeiführung der richterlichen Entscheidung tatsächlich beendet und auch keine Wiederholung zu erwarten ist. Ist eine richterliche Anordnung oder Entscheidung beantragt und die Fixierung vor deren Erlangung beendet worden, so ist dies dem Gericht unverzüglich mitzuteilen. Für das gerichtliche Verfahren gelten die §§ 121a und 121b StVollzG.

(3) Die Anordnung einer Fixierung sowie der Beginn und das Ende ihrer Durchführung sind jeweils unverzüglich dem Fachministerium mitzuteilen.

(4) Die oder der Sicherungsverwahrte ist mit Beginn ihrer oder seiner Fixierung, im Fall des Absatzes 1 Satz 3 mit Erteilung der Zustimmung von einer Ärztin oder einem Arzt zu überwachen. Zu der Sicherungsverwahrten oder dem Sicherungsverwahrten ist ein ständiger und unmittelbarer Sichtkontakt zu halten; ihre oder seine Vitalfunktionen sind fortlaufend zu kontrollieren. Soweit die Ärztin oder der Arzt die Betreuung der oder des Sicherungsverwahrten nach Satz 2 nicht selbst wahrnimmt, kann sie oder er die Betreuung Personen übertragen, die für die wahrzunehmenden Aufgaben qualifiziert sind. Die Fixierung ist unter Angabe der maßgeblichen Gründe für die Anordnung, der Art und Weise der Durchführung, der Dauer und der vorgenommenen ärztlichen Überwachung zu dokumentieren.

(5) Die Fixierung ist unverzüglich zu beenden, wenn ihre Voraussetzungen nicht mehr vorliegen.

(6) Nach Beendigung einer Fixierung, die nicht richterlich angeordnet oder genehmigt worden ist, hat die Vollzugsbehörde die Sicherungsverwahrte oder den Sicherungsverwahrten auf ihr oder sein Recht nach § 106 hinzuweisen, die Zulässigkeit der durchgeführten Fixierung gerichtlich überprüfen zu lassen. Der Hinweis ist aktenkundig zu machen.

§ 90 Ersatz von Aufwendungen

Auf den Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen der Vollzugsbehörde, die die oder der Sicherungsverwahrte durch eine vorsätzliche oder grob fahrlässige Selbstverletzung oder eine Verletzung einer oder eines anderen Sicherungsverwahrten verursacht hat, findet § 93 Abs. 1 Satz 1 StVollzG Anwendung.

Dreizehntes Kapitel
Unmittelbarer Zwang

§ 91 Allgemeine Voraussetzungen

(1) Justizvollzugsbedienstete dürfen zur Durchsetzung von rechtmäßigen Vollzugs- und Sicherungsmaßnahmen unmittelbaren Zwang anwenden, wenn der damit verfolgte Zweck nicht auf eine andere Weise erreicht werden kann.

(2) Gegen andere Personen als Sicherungsverwahrte darf unmittelbarer Zwang angewendet werden, wenn sie es unternehmen, Sicherungsverwahrte zu befreien oder in den Anstaltsbereich widerrechtlich einzudringen, oder wenn sie sich unbefugt darin aufhalten.

(3) Das Recht zu unmittelbarem Zwang aufgrund anderer Regelungen bleibt unberührt.

§ 92 Begriffsbestimmungen

(1) Unmittelbarer Zwang ist die Einwirkung auf Personen oder Sachen durch körperliche Gewalt, ihre Hilfsmittel und durch Waffen.

(2) Körperliche Gewalt ist jede unmittelbare körperliche Einwirkung auf Personen oder Sachen.

(3) Hilfsmittel der körperlichen Gewalt sind insbesondere Fesseln, Diensthunde sowie Reiz- und Betäubungsstoffe.

(4) Waffen sind die dienstlich zugelassenen Hieb- und Schusswaffen.

§ 93 Handeln auf Anordnung

(1) Wird unmittelbarer Zwang von Vorgesetzten oder einer sonst befugten Person angeordnet, so sind Justizvollzugsbedienstete verpflichtet, ihn anzuwenden, es sei denn, die Anordnung verletzt die Menschenwürde oder ist nicht zu dienstlichen Zwecken erteilt worden.

(2) Die Anordnung darf nicht befolgt werden, wenn dadurch eine Straftat begangen würde. Befolgen Justizvollzugs-bedienstete sie trotzdem, so trifft sie eine Schuld nur, wenn sie erkennen oder wenn es nach den ihnen bekannten Umständen offensichtlich ist, dass dadurch eine Straftat begangen wird.

(3) Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Anordnung haben die Justizvollzugsbediensteten den Anordnenden gegenüber vorzubringen, soweit das nach den Umständen möglich ist. Abweichende Vorschriften des allgemeinen Beamtenrechts über die Mitteilung solcher Bedenken an Vorgesetzte (§ 36 Abs. 2 und 3 des Beamtenstatusgesetzes) sind nicht anzuwenden.

§ 94 Androhung

Unmittelbarer Zwang ist vorher anzudrohen. Die Androhung darf nur dann unterbleiben, wenn die Umstände sie nicht zulassen oder unmittelbarer Zwang sofort angewendet werden muss, um eine rechtswidrige Tat, die den Tatbestand eines Strafgesetzes erfüllt, zu verhindern oder eine gegenwärtige Gefahr abzuwenden.

§ 95 Allgemeine Vorschriften für den Schusswaffengebrauch

(1) Schusswaffen dürfen nur gebraucht werden, wenn andere Maßnahmen des unmittelbaren Zwanges bereits erfolglos waren oder keinen Erfolg versprechen. Gegen Personen ist ihr Gebrauch nur zulässig, wenn der Zweck nicht durch Waffenwirkung gegen Sachen erreicht wird.

(2) Schusswaffen dürfen nur die dazu bestimmten Justiz-vollzugsbediensteten gebrauchen und nur, um angriffs- oder fluchtunfähig zu machen. Ihr Gebrauch unterbleibt, wenn dadurch erkennbar Unbeteiligte mit hoher Wahrscheinlichkeit gefährdet würden.

(3) Der Gebrauch von Schusswaffen ist vorher anzudrohen. Als Androhung gilt auch ein Warnschuss. Ohne Androhung dürfen Schusswaffen nur dann gebraucht werden, wenn das zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben erforderlich ist.

§ 96 Besondere Vorschriften für den Schusswaffengebrauch

(1) Gegen eine Sicherungsverwahrte oder einen Sicherungsverwahrten dürfen Schusswaffen gebraucht werden,

  1. wenn sie oder er eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug trotz wiederholter Aufforderung nicht ablegt,
  2. wenn sie oder er eine Gefangenenmeuterei (§ 121 StGB) unternimmt oder
  3. um ihre oder seine Flucht zu vereiteln oder um sie oder ihn wiederzuergreifen.

Um die Flucht aus einer Anstalt oder Abteilung des offenen Vollzuges zu vereiteln, dürfen keine Schusswaffen gebraucht werden.

(2) Gegen andere Personen dürfen Schusswaffen gebraucht werden, wenn sie es unternehmen, Sicherungsverwahrte gewaltsam zu befreien oder gewaltsam in eine Anstalt einzudringen.

§ 97 Zwangsmaßnahmen auf dem Gebiet der Gesundheitsfürsorge 17 22 22a

(1) Eine medizinische Untersuchung und Behandlung ist ohne Einwilligung der oder des Sicherungsverwahrten zulässig, um den Erfolg eines Selbsttötungsversuches zu verhindern. Eine Maßnahme nach Satz 1 ist auch zulässig, wenn von einer oder einem Sicherungsverwahrten eine schwerwiegende Gefahr für das Leben oder die Gesundheit einer anderen Person ausgeht, die Maßnahme verhältnismäßig ist und

  1. die oder der Sicherungsverwahrte durch eine Ärztin oder einen Arzt über Notwendigkeit, Art, Umfang, Dauer, zu erwartende Folgen und Risiken der Maßnahme in einer ihrer oder seiner Auffassungsgabe und ihrem oder seinem Gesundheitszustand angemessenen Weise informiert wurde sowie
  2. der ernsthafte und ohne Ausübung von Druck unternommene Versuch einer Ärztin oder eines Arztes, eine Einwilligung oder, wenn die oder der Sicherungsverwahrte zur Einsicht in das Vorliegen der Gefahr und die Notwendigkeit der Maßnahme oder zum Handeln gemäß solcher Einsicht krankheitsbedingt nicht fähig ist, ein Einverständnis zu
    der Maßnahme zu erreichen, erfolglos geblieben ist.

(2) Eine medizinische Untersuchung und Behandlung sowie eine Zwangsernährung sind auch bei Lebensgefahr oder schwerwiegender Gefahr für die Gesundheit der oder des Sicherungsverwahrten zulässig, soweit diese oder dieser zur Einsicht in das Vorliegen der Gefahr und die Notwendigkeit der Maßnahme oder zum Handeln gemäß solcher Einsicht krankheitsbedingt nicht fähig ist.

(3) Eine Maßnahme nach Absatz 2 darf nur angeordnet werden, wenn

  1. eine Patientenverfügung im Sinne des § 1827 Abs. 1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, deren Festlegungen auf die aktuelle Lebens- und Behandlungssituation zutreffen und gegen die Durchführung der Maßnahme gerichtet sind, nicht vorliegt,
  2. eine Information gemäß Absatz 1 Satz 2 Nr. 1 erfolgt ist,
  3. der entsprechend Absatz 1 Satz 2 Nr. 2 unternommene Versuch, ein Einverständnis zu erreichen, erfolglos geblieben ist,
  4. die Maßnahme zur Abwendung der Gefahr nach Absatz 2 geeignet, nach ihrer geplanten Art und Dauer einschließlich der Auswahl und Dosierung der Medikamente sowie der begleitenden Kontrollen erforderlich ist, weniger eingreifende Maßnahmen aussichtlos sind und
  5. der von der Maßnahme erwartete Nutzen die mit der Maßnahme verbundenen Belastungen und die durch das Unterlassen der Maßnahme möglichen Schäden deutlich überwiegt.

(4) Maßnahmen nach den Absätzen 1 und 2 dürfen nur auf Anordnung und unter Leitung einer Ärztin oder eines Arztes durchgeführt werden, unbeschadet der Leistung erster Hilfe für den Fall, dass eine Ärztin oder ein Arzt nicht rechtzeitig erreichbar und mit einem Aufschub Lebensgefahr verbunden ist. Die Anordnung bedarf in den Fällen des Absatzes 1 Satz 2 und des Absatzes 2 der Zustimmung einer Ärztin oder eines Arztes, die oder der nicht in der Anstalt tätig ist, in der die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung vollzogen wird, und der Anstaltsleiterin oder des Anstaltsleiters. Die Durchführung einer Maßnahme nach den Absätzen 1 oder 2 ist unter Angabe der Gründe für ihre Anordnung, ihres Zwangscharakters, der Art und Weise ihrer Durchführung, der vorgenommenen Kontrollen und der Überwachung der Wirksamkeit zu dokumentieren. Gleiches gilt für Erklärungen der oder des Sicherungsverwahrten, die im Zusammenhang mit Zwangsmaßnahmen von Bedeutung sein können.

(5) Die Anordnung einer Maßnahme nach Absatz 1 Satz 2 oder Absatz 2 ist der oder dem Sicherungsverwahrten vor ihrer Durchführung schriftlich bekannt zu geben. Dabei sind die Art und Dauer der Maßnahme einschließlich der Auswahl und Dosierung der Medikamente und der begleitenden Kontrollen sowie die Intensität der erforderlichen ärztlichen Überwachung anzugeben. Sie oder er ist darüber zu belehren, dass gegen die Anordnung bei Gericht um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht und auch Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt werden kann. Mit dem Vollzug einer Anordnung ist zuzuwarten, bis die oder der Sicherungsverwahrte Gelegenheit hatte, eine gerichtliche Entscheidung herbeizuführen.

(6) Bei Gefahr im Verzug finden die Bestimmungen in Absatz 1 Satz 2 Nrn. 1 und 2, Absatz 3 Nrn. 2 und 3, Absatz 4 Satz 2 und Absatz 5 keine Anwendung.

(7) Die zwangsweise körperliche Untersuchung der oder des Sicherungsverwahrten zum Gesundheitsschutz und zur Hygiene ist nur zulässig, wenn sie nicht mit einem körperlichen Eingriff verbunden ist. Sie bedarf der Anordnung einer Ärztin oder eines Arztes und ist unter deren oder dessen Leitung durchzuführen.

Vierzehntes Kapitel
Disziplinarmaßnahmen

§ 98 Voraussetzungen

(1) Verstößt eine Sicherungsverwahrte oder ein Sicherungsverwahrter schuldhaft gegen Pflichten, die ihr oder ihm durch dieses Gesetz oder aufgrund dieses Gesetzes auferlegt sind, so können gegen sie oder ihn Disziplinarmaßnahmen angeordnet werden, wenn durch die Maßnahmen die Erreichung der Vollzugsziele nach § 2 Abs. 1 und 2 nicht gefährdet wird. Ist durch den Pflichtenverstoß eine andere Person verletzt worden, so ist bei der Ausübung des Ermessens auch zu berücksichtigen, inwieweit die oder der Sicherungsverwahrte sich bemüht, einen Ausgleich mit der verletzten Person zu erreichen, insbesondere einen Schaden wiedergutzumachen oder sich bei ihr zu entschuldigen. Die Vollzugsbehörde soll die Sicherungsverwahrte oder den Sicherungsverwahrten bei den Bemühungen nach Satz 2 unterstützen.

(2) Von einer Disziplinarmaßnahme wird abgesehen, wenn es genügt, die Sicherungsverwahrte oder den Sicherungsverwahrten zu verwarnen.

(3) Eine Disziplinarmaßnahme ist auch zulässig, wenn wegen derselben Verfehlung ein Straf- oder Bußgeldverfahren eingeleitet wird.

§ 99 Arten der Disziplinarmaßnahmen

(1) Die zulässigen Disziplinarmaßnahmen sind

  1. Verweis,
  2. die Beschränkung oder der Entzug des Fernsehempfangs im Unterkunftsbereich bis zu vier Wochen,
  3. die Beschränkung oder der Entzug von Geräten der Unterhaltungselektronik bis zu vier Wochen,
  4. die Beschränkung oder der Ausschluss von der Teilnahme an einzelnen Freizeitveranstaltungen bis zu vier Wochen sowie
  5. Arrest bis zu vier Wochen.

(2) Arrest darf nur wegen schwerer oder mehrfach wiederholter Verfehlungen verhängt werden.

(3) Mehrere Disziplinarmaßnahmen können miteinander verbunden werden.

§ 100 Vollstreckung der Disziplinarmaßnahmen, Aussetzung zur Bewährung

(1) Disziplinarmaßnahmen werden in der Regel sofort vollstreckt.

(2) Die Vollstreckung einer Disziplinarmaßnahme kann ganz oder teilweise bis zu sechs Monaten zur Bewährung ausgesetzt werden.

(3) Für die Dauer des Arrestes werden die Sicherungsverwahrten abgesondert. Die oder der Sicherungsverwahrte kann in einem besonderen Arrestraum untergebracht werden, der den Anforderungen entsprechen muss, die an einen Unterkunftsbereich nach § 20 Abs. 1 gestellt werden. Soweit nichts anderes angeordnet wird, ruhen die Befugnisse aus § 16 Abs. 4, den §§ 20, 22, 23 und 25 Abs. 1 sowie den §§ 26, 38 und 66 bis 68.

(4) Die Vollstreckung von Disziplinarmaßnahmen ist auszusetzen oder zu unterbrechen, soweit ansonsten die Erreichung der Vollzugsziele nach § 2 Abs. 1 und 2 gefährdet würde oder es zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes gegen die jeweilige Disziplinarmaßnahme erforderlich ist. Pflichtverstöße nach § 98 Abs. 1 sollen im Rahmen der Behandlung aufgearbeitet werden.

§ 101 Disziplinarbefugnis

(1) Disziplinarmaßnahmen ordnet die Anstaltsleiterin oder der Anstaltsleiter an. Bei einer Verfehlung auf dem Weg in eine andere Anstalt zum Zweck der Verlegung oder Überstellung ist die Anstaltsleiterin oder der Anstaltsleiter der Bestimmungsanstalt zuständig.

(2) Das Fachministerium entscheidet, wenn sich die Verfehlung der oder des Sicherungsverwahrten gegen die Anstaltsleiterin oder den Anstaltsleiter richtet.

(3) Disziplinarmaßnahmen, die gegen eine Sicherungsverwahrte oder einen Sicherungsverwahrten in einer anderen Anstalt oder während einer anderen Freiheitsentziehung angeordnet worden sind, werden auf Ersuchen vollstreckt. § 100 Abs. 2 bleibt unberührt.

§ 102 Verfahren

(1) Der Sachverhalt ist zu klären. Die oder der Sicherungsverwahrte wird angehört. Vor der Anhörung wird ihr oder ihm eröffnet, welche Verfehlung ihr oder ihm zur Last gelegt wird. Gleichzeitig ist darauf hinzuweisen, dass es ihr oder ihm freisteht, sich zur Sache zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen. Die Einlassung der oder des Sicherungsverwahrten und Beweiserhebungen werden schriftlich festgehalten.

(2) Bei schweren Verstößen soll die Anstaltsleiterin oder der Anstaltsleiter sich vor der Entscheidung in einer Konferenz mit den Personen und Stellen besprechen, die die oder den Sicherungsverwahrten gemäß § 4 Abs. 3 betreuen. Vor der Anordnung einer Disziplinarmaßnahme gegen eine Sicherungsverwahrte oder einen Sicherungsverwahrten, die oder der sich in ärztlicher Behandlung befindet, oder gegen eine Schwangere oder eine Sicherungsverwahrte, die unlängst entbunden hat, ist die Anstaltsärztin oder der Anstaltsarzt zu hören.

(3) Die Entscheidung wird der oder dem Sicherungsverwahrten von der Anstaltsleiterin oder dem Anstaltsleiter mündlich eröffnet und mit einer kurzen Begründung schriftlich abgefasst. Die schriftliche Begründung wird der oder dem Sicherungsverwahrten auf Verlangen ausgehändigt.

§ 103 Ärztliche Mitwirkung

(1) Bevor der Arrest vollzogen wird, ist die Anstaltsärztin oder der Anstaltsarzt zu hören. Während des Arrestes steht die oder der Sicherungsverwahrte unter ärztlicher Aufsicht.

(2) Der Vollzug des Arrestes unterbleibt oder wird unterbrochen, wenn die Gesundheit der oder des Sicherungsverwahrten gefährdet würde.

Fünfzehntes Kapitel
Aufhebung von Verwaltungsakten, Beschwerderecht, gerichtlicher Rechtsschutz

§ 104 Aufhebung von Verwaltungsakten

Für den Widerruf und die Rücknahme von Verwaltungsakten nach diesem Gesetz gelten die Vorschriften des Niedersächsischen Verwaltungsverfahrensgesetzes über den Widerruf und die Rücknahme von Verwaltungsakten entsprechend, soweit dieses Gesetz eine besondere Regelung nicht enthält.

§ 105 Beschwerderecht

(1) Die oder der Sicherungsverwahrte erhält Gelegenheit, schriftlich und mündlich Wünsche, Anregungen und Beschwerden in eigenen Angelegenheiten bei der Vollzugsbehörde vorzubringen.

(2) Es ist zu gewährleisten, dass sich die oder der Sicherungsverwahrte in eigenen Angelegenheiten auch an Bedienstete der Aufsichtsbehörde wenden kann, die die Anstalt besichtigen.

§ 106 Gerichtlicher Rechtsschutz

Gegen eine Entscheidung oder sonstige Maßnahme zur Regelung einzelner Angelegenheiten oder ihre Ablehnung oder Unterlassung kann gerichtliche Entscheidung nach Maßgabe der §§ 109 bis 121 Abs. 4 StVollzG beantragt werden.

Sechzehntes Kapitel
Vollzugsorganisation

Erster Abschnitt
Zweckbestimmung und Ausstattung der Anstalten, Unterbringung und Trennung

§ 107 Einrichtung von Anstalten und Abteilungen

(1) Die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung wird in Anstalten der Landesjustizverwaltung vollzogen.

(2) Für den Vollzug der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung sowie für den Vollzug dieser Maßregel an Frauen und Männern sind jeweils gesonderte Anstalten oder Abteilungen einzurichten.

§ 108 Gestaltung, Differenzierung und Organisation der Anstalten

Die Anstalten sind vom Fachministerium und von den Vollzugsbehörden so zu gestalten und zu differenzieren, dass Ziele und Aufgaben des Vollzuges gewährleistet werden. Dazu muss insbesondere sichergestellt werden, dass den Sicherungsverwahrten die erforderlichen Betreuungs- und Behandlungsmaßnahmen nach § 4 Abs. 1 und 2 angeboten werden können. Personelle Ausstattung, sachliche Mittel und Organisation der Anstalten sind hieran auszurichten.

§ 109 Belegungsfähigkeit und Ausgestaltung der Räume

(1) Das Fachministerium setzt die Belegungsfähigkeit für jede für den Vollzug der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung bestimmte Anstalt oder Abteilung fest.

(2) Räume für den Aufenthalt während der Nachtruhe und Freizeit sowie Gemeinschafts- und Besuchsräume müssen zweckentsprechend ausgestaltet und für eine gesunde Lebensführung ausreichend mit Heizung, Lüftung, Boden- und Fensterfläche ausgestattet sein. Darüber hinaus sind die Unterkunftsbereiche, Gemeinschafts- und Besuchsräume wohnlich zu gestalten.

§ 110 Vollzugsgemeinschaften

Für den Vollzug der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung können Vollzugsgemeinschaften mit anderen Ländern gebildet werden.

Zweiter Abschnitt
Wahrnehmung der Aufgaben der Vollzugsbehörden

§ 111 Zuständigkeit

(1) Die Anstalt ist als Vollzugsbehörde für die Entscheidungen und sonstigen Maßnahmen nach diesem Gesetz zuständig, soweit nicht etwas anderes bestimmt ist.

(2) Das Fachministerium kann bestimmte vollzugliche Aufgaben anstaltsübergreifend einer nachgeordneten Stelle übertragen.

§ 112 Anstaltsleitung

(1) Die Anstaltsleiterin oder der Anstaltsleiter trägt die Verantwortung für den gesamten Vollzug in der Anstalt, vertritt die Anstalt in den ihr als Vollzugsbehörde obliegenden Angelegenheiten nach außen und regelt die Geschäftsverteilung innerhalb der Anstalt. Die Befugnis, eine mit einer Entkleidung verbundene körperliche Durchsuchung, besondere Sicherungsmaßnahmen und Disziplinarmaßnahmen anzuordnen, darf sie oder er nur mit Zustimmung des Fachministeriums anderen Justizvollzugsbediensteten übertragen.

(2) Die Anstaltsleiterin oder der Anstaltsleiter und ihre oder seine Vertreterinnen oder Vertreter müssen hauptamtlich tätig sein und in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis zum Land stehen. Sie werden vom Fachministerium bestellt.

§ 113 Aufgabenwahrnehmung durch Justizvollzugsbedienstete

(1) Die Wahrnehmung der Aufgaben der Vollzugsbehörden wird Justizvollzugsbeamtinnen und Justizvollzugsbeamten übertragen. Aus besonderen Gründen kann die Wahrnehmung der Aufgaben auch anderen Beamtinnen und Beamten, sonstigen Justizvollzugsbediensteten oder nebenamtlich in einer Anstalt beschäftigten Personen übertragen werden.

(2) Es sollen Justizvollzugsbedienstete eingesetzt werden, die für den Umgang mit Sicherungsverwahrten besonders geeignet sind. Die Eignung ist durch entsprechende Fortbildungen zu fördern. Praxisberatung und Praxisbegleitung werden regelmäßig durchgeführt.

(3) Eine Betreuung der Sicherungsverwahrten ist auch an allgemein arbeitsfreien Tagen zu gewährleisten.

§ 114 Beauftragung

Fachlich geeignete und zuverlässige natürliche Personen, juristische Personen des öffentlichen oder privaten Rechts oder sonstige Stellen können beauftragt werden, Aufgaben für die Vollzugsbehörde wahrzunehmen, soweit dabei keine Entscheidungen oder sonstige in die Rechte der Sicherungsverwahrten oder anderer Personen eingreifende Maßnahmen zu treffen sind. Eine Übertragung von vollzuglichen Aufgaben zur eigenverantwortlichen Wahrnehmung ist ausgeschlossen.

§ 115 Seelsorge

(1) Seelsorgerinnen und Seelsorger werden im Einvernehmen mit der jeweiligen Religionsgemeinschaft im Hauptamt bestellt oder vertraglich verpflichtet.

(2) Wenn die geringe Zahl der Angehörigen einer Religionsgemeinschaft eine Seelsorge nach Absatz 1 nicht rechtfertigt, ist die seelsorgerische Betreuung auf andere Weise zuzulassen.

(3) Mit Zustimmung der Vollzugsbehörde dürfen die Anstaltsseelsorgerinnen und Anstaltsseelsorger freie Seelsorgehelferinnen und Seelsorgehelfer und für Gottesdienste sowie für andere religiöse Veranstaltungen Seelsorgerinnen und Seelsorger von außen zuziehen.

§ 116 Ärztliche Versorgung

(1) Die ärztliche Versorgung ist in der Regel durch hauptberuflich in der Anstalt tätige Ärztinnen und Ärzte sicherzustellen.

(2) Die Pflege der Kranken soll von Personen ausgeübt werden, die eine Erlaubnis nach dem Krankenpflegegesetz besitzen. Solange solche Personen nicht zur Verfügung stehen, können auch Bedienstete des allgemeinen Vollzugsdienstes eingesetzt werden, die anderweitig in der Krankenpflege ausgebildet sind.

§ 117 Zusammenarbeit

Im Vollzug der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung ist unbeschadet der Regelungen des Zehnten Kapitels insbesondere mit den Behörden und Stellen der Entlassenen- und Straffälligenhilfe, der Bewährungshilfe, den Aufsichtsstellen für die Führungsaufsicht, den Agenturen für Arbeit, den Einrichtungen für berufliche Bildung, den Trägern der Sozialversicherung und der Sozialhilfe, Gesundheits-, Ausländer- und Polizeibehörden, Sucht- und Schuldnerberatungsstellen, Ausländer- und Integrationsbeauftragten sowie Hilfeeinrichtungen anderer Behörden und den Verbänden der freien Wohlfahrtspflege eng zusammenzuarbeiten. Die Vollzugsbehörden sollen mit Personen und Vereinen, deren Einfluss die Eingliederung der Sicherungsverwahrten fördern kann, zusammenarbeiten. Die Unterstützung der Sicherungsverwahrten durch ehrenamtliche Helfer ist zu fördern.

§ 118 Interessenvertretung der Sicherungsverwahrten

(1) Den Sicherungsverwahrten ist zu ermöglichen, Vertretungen zu wählen. Diese können in Angelegenheiten von gemeinsamem Interesse, die sich ihrer Eigenart und der Zweckbestimmung der Anstalt nach für eine Mitwirkung eignen, Vorschläge und Anregungen an die Vollzugsbehörde herantragen. Die Vorschläge und Anregungen sind mit der Vertretung zu erörtern.

(2) Ist bei der Anstalt eine Interessenvertretung der Gefangenen gewählt, so gehört ein Mitglied der Interessenvertretung der Sicherungsverwahrten zugleich der Interessenvertretung der Gefangenen an, wenn die Interessenvertretung der Sicherungsverwahrten dies bestimmt und die Interessenvertretung der Gefangenen zustimmt.

§ 119 Hausordnung

(1) Die Anstaltsleiterin oder der Anstaltsleiter erlässt eine Hausordnung für den Vollzug der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung.

(2) In die Hausordnung sind namentlich Regelungen aufzunehmen über

  1. die regelmäßigen täglichen Besuchszeiten nach § 27 Abs. 1 Satz 2 und § 29 Satz 1,
  2. die Tageseinteilung, die insbesondere Zeiten der Behandlung, Arbeit und Freizeit sowie der Nachtruhe umfasst,
  3. die in § 21 genannten Bereiche der Anstalt sowie Beschränkungen nach § 22 Abs. 2 und 3 Satz 2,
  4. die nach § 23 Satz 2 allgemein untersagten Sachen sowie
  5. die Gelegenheit, Anträge und Beschwerden anzubringen, oder sich an eine Vertreterin oder einen Vertreter der Aufsichtsbehörde zu wenden.

(3) Ein Abdruck der Hausordnung ist allgemein zugänglich auszuhängen und auf Verlangen auszuhändigen.

Dritter Abschnitt
Aufsicht und Vollstreckungsplan

§ 120 Aufsicht

(1) Das Fachministerium führt die Aufsicht über die Vollzugsbehörden.

(2) Es kann sich Entscheidungen über Verlegungen vorbehalten oder solche Entscheidungen oder bestimmte Aufsichtsbefugnisse auf ihm nachgeordnete Stellen übertragen. Im Fall der Übertragung wird das Fachministerium oberste Aufsichtsbehörde.

§ 121 Vollstreckungsplan

Das Fachministerium regelt die örtliche und sachliche Zuständigkeit der Vollzugsbehörden nach allgemeinen Merkmalen in einem Vollstreckungsplan.

Vierter Abschnitt
Beiräte

§ 122 Bildung der Beiräte

(1) Sind Anstalten ausschließlich für den Vollzug der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung vorgesehen, sind Beiräte zu bilden. § 186 Abs. 2 NJVollzG gilt entsprechend.

(2) Die §§ 187 und 188 NJVollzG gelten entsprechend.

Fünfter Abschnitt
Evaluation

§ 123 Evaluation 22

(1) Die im Vollzug eingesetzten Maßnahmen, namentlich Therapien und Methoden zur Förderung der Sicherungsverwahrten, sind vom Fachministerium und den Vollzugsbehörden in Zusammenarbeit mit Einrichtungen der Forschung im Hinblick auf ihre Wirksamkeit wissenschaftlich zu überprüfen. Dabei sind alters- und geschlechtsspezifische Besonderheiten des Vollzuges zu berücksichtigen, soweit dies für die Aussagekraft der Untersuchung von Bedeutung ist. Die Ergebnisse der Überprüfung sind für die Zwecke der Strafrechtspflege nutzbar zu machen. Auf Grundlage der gewonnenen Erkenntnisse sind Konzepte für den Einsatz vollzuglicher Maßnahmen zu entwickeln und fortzuschreiben. Auch im Übrigen sind die Erfahrungen mit der Ausgestaltung des Vollzuges durch dieses Gesetz sowie der Art und Weise der Anwendung der Vorschriften dieses Gesetzes zu überprüfen.

(2) Zu diesen Zwecken sind landesweit von den einzelnen Vollzugsbehörden aussagefähige und auf Vergleichbarkeit angelegte Daten zu erheben, die eine Feststellung und Bewertung der Erfolge und Misserfolge des Vollzuges, insbesondere im Hinblick auf Rückfallhäufigkeiten, sowie die gezielte Erforschung der hierfür verantwortlichen Faktoren ermöglichen. Entsprechende Daten für Bereiche außerhalb des räumlichen Geltungsbereiches dieses Gesetzes sind einzubeziehen und zu vergleichen, soweit solche Daten für das Fachministerium zugänglich sind.

Siebzehntes Kapitel
Datenschutz

§ 124 Datenschutz 22

Die §§ 190 bis 207 NJVollzG gelten entsprechend mit der Maßgabe, dass die Erhebung, Speicherung, Veränderung, Nutzung und Übermittlung von Daten zur Abwehr einer Gefahr für die Ordnung der Anstalt nicht zulässig ist.

Achtzehntes Kapitel
Übergangs- und Schlussbestimmungen

§ 125 Übergangsbestimmungen 22

Bis für den Vollzug der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung eine Verordnung über die Vergütungsstufen sowie die Bemessung des Arbeitsentgeltes, der Ausbildungsbeihilfe und des Taschengeldes in Kraft tritt, gelten die Vorschriften des Strafvollzugsgesetzes über die Bemessung des Arbeitsentgeltes und der Ausbildungsbeihilfe sowie die Strafvollzugsvergütungsordnung vom 11. Januar 1977 (BGBl. I S. 57) in der jeweils geltenden Fassung fort.

§ 126 Einschränkung von Grundrechten

Durch dieses Gesetz werden die Grundrechte aus Artikel 2 Abs. 2 Sätze 1 und 2 (körperliche Unversehrtheit und Freiheit der Person), Artikel 6 Abs. 3 (Elternrecht) und Artikel 10 Abs. 1 (Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis) des Grundgesetzes eingeschränkt.

UWS Umweltmanagement GmbHENDEFrame öffnen