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Regelwerk, Allgemeines, Sanktionen
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HUVollzG - Hessisches Untersuchungshaftvollzugsgesetz
- Hessen -

Vom 28. Juni 2010
(GVBl. Nr. 12 vom 06.07.2010 S. 185; 05.03.2013 S. 46 13; 30.11.2015 S. 498 15; 05.10.2017 S. 294 17; 03.05.2018 S. 82 18; 05.09.2019 S. 225 19; 12.11.2020 S. 778 20)
Gl.-Nr.: 24-43


Erster Abschnitt
Allgemeine Bestimmungen

§ 1 Anwendungsbereich 17 20

(1) Dieses Gesetz regelt den Vollzug der Untersuchungshaft.

(2) Es gilt entsprechend für den Vollzug der Haft nach § 127b Abs. 2, § 230 Abs. 2, § 236, § 329 Abs. 3, § 412 Satz 1 und § 453c der Strafprozessordnung sowie der einstweiligen Unterbringung nach § 275a Abs. 6 der Strafprozessordnung.

§ 2 Aufgabe des Untersuchungshaftvollzugs

Der Vollzug der Untersuchungshaft hat die Aufgabe, die Untersuchungsgefangenen sicher unterzubringen und zu beaufsichtigen, um die Durchführung eines geordneten Strafverfahrens zu gewährleisten und, soweit der Haftgrund des § 112a der Strafprozessordnung besteht, der Gefahr weiterer Straftaten zu begegnen.

§ 3 Zuständigkeit und Zusammenarbeit

(1) Entscheidungen nach diesem Gesetz trifft die Justizvollzugsanstalt, in der die Untersuchungshaft vollzogen wird (Anstalt). Sie arbeitet eng mit Gericht und Staatsanwaltschaft zusammen, um die Aufgabe des Untersuchungshaftvollzugs zu erfüllen und die Sicherheit und Ordnung der Anstalt zu gewährleisten.

(2) Die Anstalt hat Anordnungen, die das Gericht oder die Staatsanwaltschaft trifft, um einer Flucht-, Verdunkelungs- oder Wiederholungsgefahr zu begegnen (verfahrenssichernde Anordnungen), zu beachten und umzusetzen.

§ 4 Stellung der Untersuchungsgefangenen

(1) Die Untersuchungsgefangenen gelten als unschuldig.

(2) Sie unterliegen den in diesem Gesetz vorgesehenen Freiheitsbeschränkungen. Soweit das Gesetz eine besondere Regelung nicht enthält, dürfen den Untersuchungsgefangenen nur Beschränkungen auferlegt werden, die zur Aufrechterhaltung der Sicherheit, zur Abwehr einer schwerwiegenden Störung der Ordnung der Anstalt oder zur Umsetzung einer verfahrenssichernden Anordnung unerlässlich sind.

§ 5 Vollzugsgestaltung, Maßnahmen 20

(1) Die Gestaltung des Vollzugs ist am Grundsatz der Unschuldsvermutung auszurichten, soweit die Aufgabe des Untersuchungshaftvollzugs, die Sicherheit und Ordnung der Anstalt sowie die Erfordernisse eines geordneten Zusammenlebens in der Anstalt dies zulassen und verfahrenssichernde Anordnungen nicht entgegenstehen. Schädlichen Folgen des Freiheitsentzugs ist entgegenzuwirken.

(2) Die unterschiedlichen Lebenslagen und Bedürfnisse der Untersuchungsgefangenen werden bei der Vollzugsgestaltung und bei Einzelmaßnahmen berücksichtigt, insbesondere im Hinblick auf Alter, Behinderungen einschließlich seelischer und psychischer Beeinträchtigungen, Geschlecht und Herkunft.

(3) Den Untersuchungsgefangenen sollen zur sinnvollen Nutzung der Zeit der Untersuchungshaft vollzugliche Maßnahmen angeboten werden. Insbesondere sollen Untersuchungsgefangene, die über keine oder nur geringe Kenntnisse der deutschen Sprache verfügen, zur Sicherstellung der Durchführung notwendiger vollzuglicher Maßnahmen an angebotenen Deutschkursen teilnehmen.

(4) Für den Widerruf und die Rücknahme von Maßnahmen nach diesem Gesetz gelten die Vorschriften der §§ 48 bis 49a des Hessischen Verwaltungsverfahrensgesetzes entsprechend, soweit dieses Gesetz keine abweichende Regelung enthält.

(5) Vollzugliche Maßnahmen sollen den Untersuchungsgefangenen erläutert werden.

Zweiter Abschnitt
Vollzugsverlauf

§ 6 Aufnahme

(1) Mit den Untersuchungsgefangenen wird unverzüglich ein Aufnahmegespräch geführt, bei dem andere Gefangene nicht zugegen sein dürfen, es sei denn die Untersuchungsgefangenen stimmen dem zu. Dabei wird die aktuelle Lebenssituation erörtert und die Untersuchungsgefangenen werden über ihre Rechte und Pflichten informiert. Ihnen ist die Hausordnung sowie ein Exemplar dieses Gesetzes zugänglich zu machen. Die Untersuchungsgefangenen sind verpflichtet, die für den Vollzug erforderlichen Angaben über ihre persönlichen Verhältnisse zu machen.

(2) Die Untersuchungsgefangenen werden alsbald ärztlich untersucht.

(3) Den Untersuchungsgefangenen ist Gelegenheit zu geben, einen Angehörigen oder eine Vertrauensperson von der Aufnahme in die Anstalt zu benachrichtigen, soweit eine verfahrenssichernde Anordnung nicht entgegensteht.

(4) Die Untersuchungsgefangenen sollen dabei unterstützt werden, etwa notwendige Maßnahmen für hilfsbedürftige An gehörige, zur Erhaltung des Arbeitsplatzes und der Wohnung, zur Sicherung ihrer Vermögensgegenstände außerhalb der Anstalt und zur Aufrechterhaltung ihrer sozialversicherungsrechtlichen Ansprüche zu veranlassen.

§ 7 Verlegung und Überstellung

(1) Die Untersuchungsgefangenen können in eine andere Justizvollzugsanstalt verlegt oder überstellt werden, wenn

  1. dies zur Umsetzung einer verfahrenssichernden Anordnung,
  2. aus Gründen der Sicherheit und Ordnung der Anstalt,
  3. aus Gründen der Vollzugsorganisation oder
  4. aus anderen wichtigen Gründen erforderlich ist.

(2) Zuvor ist dem Gericht und der Staatsanwaltschaft Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Ist dies aufgrund von Gefahr im Verzug nicht möglich, ist die Stellungnahme unverzüglich nachzuholen.

(3) § 6 Abs. 3 gilt entsprechend.

§ 8 Vorführung, Ausführung und Ausantwortung 13

(1) Auf Ersuchen eines Gerichts oder einer Staatsanwaltschaft werden Untersuchungsgefangene vorgeführt. Über Vorführungsersuchen in anderen als dem der Inhaftierung zugrunde liegenden Verfahren sind das Gericht und die Staatsanwaltschaft unverzüglich zu unterrichten.

(2) Aus besonderen Gründen können Untersuchungsgefangene die Anstalt für eine bestimmte Zeit unter Aufsicht von Vollzugsbediensteten verlassen, soweit eine verfahrenssichernde Anordnung nicht entgegensteht. Ausführungen, insbesondere aus medizinischen Gründen oder zur Beschaffung von Ausweisdokumenten, sind auch ohne Zustimmung der Untersuchungsgefangenen zulässig. Liegt die Ausführung ausschließlich im Interesse der Untersuchungsgefangenen, können ihnen die Kosten auferlegt werden.

(3) Untersuchungsgefangene dürfen befristet dem Gewahrsam einer Strafverfolgungsbehörde überlassen werden, wenn dies zur Erfüllung der Aufgaben dieser Behörde erforderlich ist (Ausantwortung).

(4) In den Fällen der Abs. 2 und 3 gilt § 7 Abs. 2 entsprechend.

§ 9 Entlassung und Hilfen

(1) Auf Anordnung des Gerichts oder der Staatsanwaltschaft entlässt die Anstalt die Untersuchungsgefangenen unverzüglich aus der Haft, es sei denn, es ist in anderer Sache ein richterlich angeordneter Freiheitsentzug zu vollziehen.

(2) Bedürftigen Untersuchungsgefangenen kann eine Entlassungsbeihilfe, insbesondere ein Reisekostenzuschuss oder angemessene Kleidung gewährt werden.

Dritter Abschnitt
Unterbringung und Versorgung der Untersuchungsgefangenen

§ 10 Unterbringung 20

(1) Während der Ruhezeit werden die Untersuchungsgefangenen einzeln im Haftraum untergebracht. Soweit eine schädliche Beeinflussung der Untersuchungsgefangenen nicht zu befürchten ist, kann eine gemeinsame Unterbringung erfolgen, wenn

  1. die Untersuchungsgefangenen der gemeinsamen Unterbringung zustimmen,
  2. sich die Untersuchungsgefangenen im Justizvollzugskrankenhaus oder auf einer Kranken- oder Pflegestation einer Anstalt befinden,
  3. Untersuchungsgefangene hilfsbedürftig sind oder eine Gefahr für Leben oder Gesundheit der Untersuchungsgefangenen besteht und die anderen von einer gemeinsamen Unterbringung betroffenen Untersuchungsgefangenen dieser zustimmen oder
  4. dies aus wichtigen Gründen, insbesondere zur Überwindung einer Notlage, zur Bewältigung von Belegungsspitzen oder zur Durchführung von Baumaßnahmen, auch in anderen Anstalten, erforderlich und für die betroffenen Untersuchungsgefangenen vorübergehend, maximal bis zu einem Zeitraum von sechs Monaten, ist.

Eine Belegung mit mehr als drei Untersuchungsgefangenen in einem Haftraum ist unzulässig.

(2) Soweit Untersuchungsgefangene arbeiten oder an einer Bildungsmaßnahme teilnehmen, geschieht dies in der Regel gemeinsam. Den Untersuchungsgefangenen kann gestattet werden, sich während der Freizeit in Gemeinschaft aufzuhalten.

(3) Die gemeinschaftliche Unterbringung kann ausgeschlossen oder eingeschränkt werden, soweit es zur Umsetzung einer verfahrenssichernden Anordnung oder zur Gewährleistung der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt erforderlich ist.

§ 11 Ausstattung des Haftraums

(1) Die Untersuchungsgefangenen dürfen ihren Haftraum in angemessenem Umfang mit eigenen Gegenständen ausstatten. Die Übersichtlichkeit des Haftraums darf nicht behindert und Kontrollen nach § 31 Abs. 1 dürfen nicht unzumutbar erschwert werden.

(2) Gegenstände, deren Besitz, Überlassung oder Benutzung mit Strafe oder Geldbuße bedroht ist, deren Überlassung eine verfahrenssichernde Anordnung entgegensteht oder die geeignet sind, die Sicherheit oder die Ordnung der Anstalt zu gefährden, sind ausgeschlossen.

§ 12 Persönlicher Besitz 13 15

(1) Untersuchungsgefangene dürfen Gegenstände nur mit Erlaubnis der jeweiligen Anstalt in diese einbringen, einbringen lassen, annehmen, besitzen oder abgeben. Die Erlaubnis ist, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, bei Gegenständen im Sinne von § 11 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 zu versagen, zurückzunehmen oder zu widerrufen. Sie erlischt, wenn Untersuchungsgefangene an Gegenständen Veränderungen vornehmen, die geeignet sind, die Sicherheit oder die Ordnung der Anstalt zu gefährden. Die Erlaubnis kann auf bestimmte Bereiche der Anstalt beschränkt werden. Die Erteilung oder das Fortbestehen einer Erlaubnis kann insbesondere bei Elektrogeräten von auf Kosten der Untersuchungsgefangenen vorzunehmenden Sicherheitsmaßnahmen abhängig gemacht werden. Ohne Erlaubnis dürfen sie Gegenstände von geringem Wert von anderen Untersuchungsgefangenen annehmen; die Anstalt kann Annahme und Besitz auch dieser Gegenstände von ihrer Erlaubnis abhängig machen oder weitere Ausnahmen zulassen.

(2) Eingebrachte Gegenstände, die die Untersuchungsgefangenen nicht in Besitz haben dürfen, sind für sie aufzubewahren, sofern dies nach Art und Umfang möglich ist. Andernfalls ist den Untersuchungsgefangenen Gelegenheit zu geben, die Gegenstände außerhalb der Anstalt aufbewahren zu lassen. Das Gleiche gilt für Gegenstände, die die Untersuchungsgefangenen während des Vollzugs und für ihre Entlassung nicht benötigen.

(3) Werden Gegenstände, deren Aufbewahrung nach Art oder Umfang nicht zumutbar ist, von den Untersuchungsgefangenen trotz Aufforderung nicht aus der Anstalt verbracht, so darf die Anstalt diese Gegenstände auf Kosten der Untersuchungsgefangenen außerhalb der Anstalt verwahren, verwerten oder vernichten. Für die Voraussetzungen und das Verfahren der Verwertung und Vernichtung gilt § 42 des Hessischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung, für die Inanspruchnahme der Kosten gilt § 37 Abs. 2 entsprechend.

§ 13 Kleidung

(1) Die Untersuchungsgefangenen dürfen eigene Kleidung tragen, soweit sie für Reinigung, Instandhaltung und regelmäßigen Wechsel sorgen. § 11 Abs. 2 gilt entsprechend. Die Anstaltsleitung kann anordnen, dass Reinigung und Instandhaltung nur durch Vermittlung der Anstalt erfolgen dürfen.

(2) Soweit es zur Umsetzung einer verfahrenssichernden Anordnung oder zur Gewährleistung der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt erforderlich ist, kann das in Abs. 1 genannte Recht eingeschränkt oder ausgeschlossen werden.

§ 14 Verpflegung und Einkauf 15

(1) Die Untersuchungsgefangenen erhalten Verpflegung durch die Anstalt. Zusammensetzung und Nährwert müssen den Anforderungen an eine gesunde Ernährung entsprechen und ärztlich überwacht werden. Auf ärztliche Anordnung wird besondere Verpflegung gewährt. Den Untersuchungsgefangenen ist zu ermöglichen, Speisevorschriften ihrer Religionsgemeinschaft zu befolgen.

(2) Die Untersuchungsgefangenen können in angemessenem Umfang von ihrem Eigengeld aus einem von der Anstalt vermittelten Angebot einkaufen. § 11 Abs. 2 gilt entsprechend. Die Anstalt soll für ein Angebot sorgen, das auf Wünsche und Bedürfnisse der Untersuchungsgefangenen Rücksicht nimmt.

§ 15 Zusatzleistungen 15

Über die Grundversorgung hinausgehende zusätzliche Leistungen dürfen sich die Untersuchungsgefangenen auf ihre Kosten verschaffen, soweit und solange weder eine verfahrenssichernde Anordnung entgegensteht noch die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt gefährdet wird.

§ 16 Gesundheitsvorsorge 20

(1) Die Anstalt unterstützt die Untersuchungsgefangenen bei der Erhaltung ihrer körperlichen und geistigen Gesundheit. Die Untersuchungsgefangenen haben an Maßnahmen zum allgemeinen Gesundheitsschutz und zur Hygiene mitzuwirken.

(2) Die Anstalt kann Anordnungen zum Gesundheitsschutz und zur Hygiene treffen. Sofern dies zu den vorgenannten Zwecken unerlässlich ist, kann den Untersuchungsgefangenen auch ein Mundschutz angelegt werden.

(3) Den Untersuchungsgefangenen wird ein Aufenthalt im Freien von mindestens einer Stunde täglich ermöglicht, wenn die Witterung dem nicht zwingend entgegensteht.

§ 17 Medizinische Versorgung 13 18

(1) Untersuchungsgefangene haben einen Anspruch auf notwendige, ausreichende und zweckmäßige medizinische Versorgung unter Beachtung des Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit. Der Anspruch umfasst auch Untersuchungen zur Früherkennung von Krankheiten und Vorsorgeleistungen. Die Beurteilung der Notwendigkeit orientiert sich an der Versorgung der gesetzlich Versicherten.

(2) Der Anspruch umfasst weiter die Versorgung mit Hilfsmitteln nach § 33 des Fünften Buchs Sozialgesetzbuch, sofern dies mit Rücksicht auf die voraussichtliche Dauer des Untersuchungshaftvollzugs zwingend geboten ist.

(3) An den Kosten für Leistungen nach den Abs. 1 und 2 können Untersuchungsgefangene in angemessenem Umfang beteiligt werden, höchstens jedoch bis zum Umfang der Beteiligung vergleichbarer gesetzlich Versicherter.

(4) Kranke oder hilfsbedürftige Untersuchungsgefangene können in eine zur Behandlung ihrer Krankheit oder ihrer Versorgung besser geeignete Justizvollzugsanstalt oder in ein Justizvollzugskrankenhaus überstellt oder verlegt werden. Erforderlichenfalls können Untersuchungsgefangene auch in ein Krankenhaus außerhalb des Vollzugs gebracht werden. § 6 Abs. 3 und § 7 Abs. 2 gelten entsprechend.

(5) Die Anstaltsleitung soll nach Anhörung des ärztlichen Dienstes der Anstalt den Untersuchungsgefangenen auf ihren Antrag hin gestatten, auf ihre Kosten externen ärztlichen Rat einzuholen, wenn eine verfahrenssichernde Anordnung oder Gründe der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt nicht entgegenstehen. Die Untersuchungsgefangenen haben die gewählte ärztliche Vertrauensperson und den ärztlichen Dienst der Anstalt wechselseitig von der Schweigepflicht zu entbinden, um der Anstalt die weitere Erfüllung ihrer Aufgaben nach Abs. 1 bis 4 zu ermöglichen.

(6) Werden Untersuchungsgefangene während einer Behandlung aus der Haft entlassen, so hat die Anstalt nur die Kosten zu tragen, die bis zu diesem Zeitpunkt angefallen sind.

(7) Bei schwerer Erkrankung oder Tod von Untersuchungsgefangenen werden die der Anstalt bekannten nächsten Angehörigen unverzüglich benachrichtigt, im Falle der schweren Erkrankung nur, wenn die Untersuchungsgefangenen hierin eingewilligt haben. Dem Wunsch der Untersuchungsgefangenen, auch andere Personen zu benachrichtigen, soll nach Möglichkeit entsprochen werden. Die Untersuchungsgefangenen sind bei Aufnahme über die Möglichkeit einer Einwilligung zu belehren.

§ 18 Zwangsmaßnahmen auf dem Gebiet der Gesundheitsfürsorge 13

(1) Medizinische Untersuchung und Behandlung sowie Ernährung sind zwangsweise gegen den natürlichen Willen Untersuchungsgefangener nur zulässig bei

  1. Lebensgefahr,
  2. erheblicher Gefahr einer schwerwiegenden Schädigung der Gesundheit der Untersuchungsgefangenen oder
  3. erheblicher Gefahr einer schwerwiegenden Schädigung der Gesundheit anderer Personen.

(2) Zwangsmaßnahmen nach Abs. 1 dürfen nur angeordnet werden, wenn

  1. erfolglos versucht worden ist, die auf Vertrauen gegründete Zustimmung der Untersuchungsgefangenen zu der Untersuchung, Behandlung oder Ernährung zu erwirken,
  2. deren Anordnung den Untersuchungsgefangenen angekündigt wurde und sie über Art, Umfang und Dauer der Maßnahmen durch eine Ärztin oder einen Arzt aufgeklärt wurden,
  3. die Maßnahme zur Abwendung der Lebens- oder Gesundheitsgefahr geeignet, erforderlich, für die Betroffenen nicht mit unverhältnismäßigen Belastungen und Folgen verbunden ist und mildere Mittel keinen Erfolg versprechen und
  4. der zu erwartende Nutzen der Maßnahmen den möglichen Schaden der Nichtbehandlung deutlich überwiegt.

(3) Zur Durchführung von Zwangsmaßnahmen in den Fällen des Abs. 1 Nr. 1 und 2 ist die Anstalt nicht berechtigt, solange von einer freien Willensbestimmung der Untersuchungsgefangenen ausgegangen werden kann. Liegen Anhaltspunkte vor, dass Untersuchungsgefangene zur Einsicht in die Notwendigkeit von medizinischen Behandlungsmaßnahmen oder zum Handeln gemäß solcher Einsicht krankheitsbedingt nicht fähig sind, hat die Anstalt bei dem zuständigen Gericht unverzüglich die Bestellung einer Betreuung von Amts wegen anzuregen. Die Entscheidung des Gerichts ist abzuwarten.

(4) Zwangsmaßnahmen nach Abs. 1 werden durch eine Ärztin oder einen Arzt angeordnet, geleitet und überwacht. Die Anordnung bedarf der Zustimmung der Anstaltsleitung. Die Gründe für die Anordnung der Maßnahmen nach Abs. 1, das Vorliegen der Voraussetzungen nach Abs. 2 sowie die ergriffenen Maßnahmen, einschließlich ihres Zwangscharakters, der Durchsetzungsweise, der Wirkungsüberwachung, sowie der Untersuchungs- und Behandlungsverlauf sind zu dokumentieren.

(5) Anordnungen nach Abs. 4 sind den Untersuchungsgefangenen unverzüglich bekannt zu geben. Sie sind darüber zu belehren, dass sie gegen die Anordnung Antrag auf gerichtliche Entscheidung stellen und bei Gericht um einstweiligen Rechtsschutz ersuchen können. Mit dem Vollzug einer Anordnung ist zuzuwarten, bis die Untersuchungsgefangenen Gelegenheit hatten, eine gerichtliche Entscheidung herbeizuführen.

(6) Von den Anforderungen nach Abs. 2 Nr. 1 und 2, Abs. 3 Satz 3 und Abs. 5 Satz 3 kann abgesehen werden, wenn Gefahr im Verzug besteht.

(7) Zur Gewährleistung des Gesundheitsschutzes und der Hygiene ist die zwangsweise körperliche Untersuchung der Untersuchungsgefangenen zulässig, wenn sie nicht mit einem körperlichen Eingriff verbunden ist.

§ 19 Soziale Hilfe 20

(1) Die Untersuchungsgefangenen werden durch die Anstalt darin unterstützt, ihre persönlichen, wirtschaftlichen und sozialen Schwierigkeiten zu beheben, und angeregt, ihre Angelegenheiten selbst zu regeln; dabei ist der Pflege familiärer Beziehungen besonderes Gewicht beizumessen. Untersuchungsgefangene sind hinsichtlich der Mitgliedschaft in einer Sozialversicherung und deren Leistungen für die Zeit während der Untersuchungshaft und nach der Untersuchungshaft zu beraten

(2) Die Anstalten arbeiten mit öffentlichen Stellen sowie privaten Organisationen und Personen, die soziale Hilfestellung leisten können, zusammen.

(3) Die Beratung soll insbesondere die Benennung von Stellen und Einrichtungen außerhalb der Anstalt umfassen, die sich um eine Vermeidung der weiteren Untersuchungshaft bemühen.

Vierter Abschnitt
Arbeit, Bildung, Freizeit

§ 20 Arbeit und Bildung

(1) Die Untersuchungsgefangenen sind nicht zur Arbeit verpflichtet.

(2) Ihnen soll nach Möglichkeit Arbeit oder sonstige Beschäftigung angeboten werden, die ihre Fähigkeiten, Fertigkeiten und Neigungen berücksichtigt. Nehmen sie eine Arbeit auf, gelten die von der Anstalt festgelegten Arbeitsbedingungen.

(3) Geeigneten Untersuchungsgefangenen soll nach Möglichkeit Gelegenheit zum Erwerb oder zur Verbesserung schulischer und beruflicher Kenntnisse gegeben werden, soweit es die besonderen Bedingungen der Untersuchungshaft zulassen.

(4) Untersuchungsgefangene können von der zugewiesenen Arbeit oder sonstigen Beschäftigung abgelöst werden, wenn

  1. sie den Anforderungen nicht gewachsen sind,
  2. sie die Aufnahme oder Ausübung der Beschäftigung verweigern,
  3. dies zur Umsetzung einer verfahrenssichernden Anordnung erforderlich ist oder
  4. dies aus Gründen der Sicherheit und Ordnung erforderlich ist.

(5) Zeugnisse oder Nachweise über eine Bildungsmaßnahme dürfen keinen Hinweis auf die Inhaftierung enthalten.

§ 21 Arbeitsentgelt und Ausbildungsbeihilfe 13 15

(1) Wer eine Tätigkeit nach § 20 Abs. 2 Satz 1 ausübt, erhält Arbeitsentgelt. Untersuchungsgefangene, die während der Arbeitszeit ganz oder teilweise an einer Maßnahme nach § 20 Abs. 3 teilnehmen, erhalten hierfür eine Ausbildungsbeihilfe, soweit kein Anspruch auf andere Leistungen besteht, die freien Personen aus solchem Anlass zustehen.

(2) Der Bemessung der Vergütung nach Abs. 1 sind neun Prozent der Bezugsgröße nach § 18 des Vierten Buchs Sozialgesetzbuch zugrunde zu legen (Eckvergütung). Ein Tagessatz ist der zweihundertfünfzigste Teil der Eckvergütung; die Vergütung kann nach einem Stunden- oder Minutensatz bemessen werden.

(3) Die Vergütung kann je nach Art der Maßnahme und der Leistung der Untersuchungsgefangenen gestuft werden. Die für Strafvollstreckungs- und Strafvollzugsrecht zuständige Ministerin oder der hierfür zuständige Minister wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung entsprechende Vergütungsstufen festzusetzen sowie die Vergütung im Zeit- oder Leistungslohn und die Gewährung von Zulagen zu regeln.

(4) Die Höhe der Ausbildungsbeihilfe oder des Arbeitsentgelts wird den Untersuchungsgefangenen schriftlich bekannt gegeben.

(5) Soweit Beiträge zur Arbeitslosenversicherung zu entrichten sind, soll vom Arbeitsentgelt oder der Ausbildungsbeihilfe ein Betrag einbehalten werden, der dem Anteil der Untersuchungsgefangenen am Beitrag entsprechen würde, wenn sie diese Bezüge als Arbeitnehmerin oder Arbeitnehmer erhielten.

§ 21a Eigengeld, Kosten 15

(1) Vergütungen nach § 21 sowie Gelder, die Untersuchungsgefangene in die Anstalt einbringen oder die für sie von Dritten eingebracht oder überwiesen werden, sind als Eigengeld gutzuschreiben. Die Untersuchungsgefangenen können über ihr Eigengeld verfügen.

(2) Untersuchungsgefangene können an den über die Grundversorgung der Anstalt hinausgehenden Kosten des Justizvollzugs angemessen beteiligt werden. Sie haben ferner die Kosten zu tragen, die durch die Inanspruchnahme gewünschter Leistungen der Anstalt oder von ihr vermittelter Leistungen Dritter entstehen.

§ 22 Gestaltung der freien Zeit

(1) Die Untersuchungsgefangenen erhalten Gelegenheit, sich in ihrer Freizeit zu beschäftigen. Geeignete Angebote sind vorzuhalten.

(2) Die Anstalt hat eine angemessen ausgestattete Bücherei vorzuhalten. Die Untersuchungsgefangenen dürfen auf eigene Kosten Zeitungen und Zeitschriften in angemessenem Umfang durch Vermittlung der Anstalt beziehen. § 11 Abs. 1 Satz 2 gilt entsprechend. Ausgeschlossen sind Zeitungen und Zeitschriften, deren Verbreitung mit Strafe oder Geldbuße bedroht ist. Einzelne Ausgaben oder Teile von Zeitungen oder Zeitschriften können den Untersuchungsgefangenen vorenthalten werden, wenn dies zur Umsetzung einer verfahrenssichernden Anordnung erforderlich ist oder die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt erheblich gefährdet würde.

(3) Den Untersuchungsgefangenen ist Gelegenheit zu geben, am Fernseh- und Hörfunkempfang teilzunehmen.

(4) Die Untersuchungsgefangenen dürfen eigene Hörfunk- und Fernsehgeräte sowie in angemessenem Umfang Bücher und andere Gegenstände zur Fortbildung oder zur Freizeitbeschäftigung besitzen. Andere elektronische Geräte in den Haft - räumen können zu den in Satz 1 genannten Zwecken im Einzelfall zugelassen werden. Das Einbringen der in Satz 1 und 2 genannten Gegenstände wird durch die Anstalt geregelt. § 11 gilt entsprechend.

(5) Der Hörfunk- und Fernsehempfang kann vorübergehend ausgesetzt oder einzelnen Untersuchungsgefangenen untersagt werden, wenn dies zur Umsetzung einer verfahrenssichernden Anordnung oder zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt unerlässlich ist.

§ 23 Sport

Die Untersuchungsgefangenen erhalten Gelegenheit, in ihrer Freizeit Sport zu treiben. Hierfür sind ausreichende Angebote vorzuhalten.

Fünfter Abschnitt
Religionsausübung und Seelsorge

§ 24 Religionsausübung und Seelsorge

(1) Den Untersuchungsgefangenen ist eine seelsorgerische und religiöse Betreuung durch ihre Religionsgemeinschaft zu ermöglichen. Auf ihren Wunsch ist ihnen zu helfen, mit der Seelsorge ihrer Religionsgemeinschaft in Verbindung zu treten.

(2) Den Untersuchungsgefangenen sind Gegenstände des religiösen Gebrauchs in angemessenem Umfang zu belassen. § 11 Abs. 1 Satz 2 gilt entsprechend. Grundlegende religiöse Schriften dürfen ihnen nur bei grobem Missbrauch entzogen werden.

(3) Die Untersuchungsgefangenen haben das Recht, am Gottesdienst und an anderen religiösen Veranstaltungen ihres Bekenntnisses teilzunehmen. Zu religiösen Veranstaltungen einer anderen Religionsgemeinschaft werden Untersuchungsgefangene zugelassen, wenn deren Seelsorgerin oder Seelsorger einwilligt. Untersuchungsgefangene können von der Teilnahme ausgeschlossen werden, wenn dies zur Umsetzung einer verfahrenssichernden Anordnung oder aus überwiegenden Gründen der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt geboten ist; die Seelsorgerin oder der Seelsorger soll vorher gehört werden.

(4) Für Angehörige weltanschaulicher Bekenntnisse gelten die Abs. 1 bis 3 entsprechend.

Sechster Abschnitt
Außenkontakte der Untersuchungsgefangenen

§ 25 Grundsätze 13 15 20

(1) Die Untersuchungsgefangenen haben im Rahmen der Vorschriften dieses Abschnitts das Recht, mit Personen außerhalb der Anstalt zu verkehren, soweit nicht eine verfahrenssichernde Anordnung oder eine nachfolgend genannte Beschränkung aus vollzuglichen Gründen entgegensteht. Kontakte der Untersuchungsgefangenen zu ihren Angehörigen im Sinne von § 11 Abs. 1 Nr. 1 des Strafgesetzbuchs werden besonders gefördert.

(2) Die Anstaltsleitung kann im Einzelfall den Kontakt untersagen

  1. zu bestimmten Personen, wenn die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt gefährdet würde,
  2. wenn zu befürchten ist, dass der Kontakt geeignet ist, Bestrebungen im Sinne von § 2 Abs. 2 des Hessischen Verfassungsschutzgesetzes in seiner jeweils geltenden Fassung oder entsprechende Verhaltensweisen zu fördern,
  3. zu Opfern der Straftat, wenn zu befürchten ist, dass der Kontakt schädliche Auswirkungen auf diese hat, oder wenn die Untersagung eines Kontakts sonst aus Gründen des Opferschutzes geboten erscheint,
  4. wenn Personensorgeberechtigte nicht einverstanden sind oder
  5. im Übrigen zu Personen, die nicht Angehörige der oder des Untersuchungsgefangenen im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 1 des Strafgesetzbuchs sind, wenn zu befürchten ist, dass sie einen schädlichen Einfluss auf die Untersuchungsgefangene oder den Untersuchungsgefangenen haben oder der Kontakt geeignet ist, auf eine extremistische Verhaltensweise hinzuwirken.

(3) Besuche von und Schriftverkehr mit Verteidigerinnen und Verteidigern sind zu gewährleisten und alle Kontakte mit ihnen dürfen nicht überwacht werden. § 148 Abs. 2 und § 148a der Strafprozessordnung bleiben unberührt. Satz 1 gilt entsprechend für bevollmächtigte Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte sowie Notarinnen und Notare in die Untersuchungsgefangenen betreffenden Rechtssachen.

(4) Nicht überwacht werden auch Kontakte mit den in § 119 Abs. 4 Satz 2 der Strafprozessordnung genannten Personen und Stellen, soweit

  1. bei mündlicher Kommunikation die Identität der Kontaktperson zweifelsfrei feststeht,
  2. ausgehende Schreiben an den jeweiligen Dienstsitz gerichtet sind und den Absender zutreffend angeben oder
  3. bei eingehenden Schreiben begründete Zweifel an der Identität des Absenders nicht vorliegen oder auf andere Weise als durch Überwachung ausgeräumt werden können.

(5) Die Kosten für Telekommunikation sowie abgehende Schreiben oder Pakete tragen die Untersuchungsgefangenen. Sind sie hierzu nicht in der Lage, kann die Anstalt die Kosten in begründeten Fällen in angemessenem Umfang übernehmen.

§ 26 Besuch 13 18 20

(1) Die Untersuchungsgefangenen dürfen regelmäßig Besuch empfangen. Die Gesamtdauer beträgt mindestens zwei Stunden im Monat, auf die auch Zeiten der Videotelekommunikation angerechnet werden. Besuche von Kindern der Untersuchungsgefangenen sind besonders zu fördern.

(2) Besuche sollen darüber hinaus ermöglicht werden, wenn sie der Wahrnehmung persönlicher, familiärer, rechtlicher oder sonstiger wichtiger Angelegenheiten dienen.

(3) Aus Gründen der Sicherheit kann ein Besuch, auch in den Fällen des § 25 Abs. 3 und 4, davon abhängig gemacht werden, dass sich die Besucherin oder der Besucher absuchen oder durchsuchen lässt. § 31 Abs. 1 gilt entsprechend.

(4) Abgesehen von den Fällen des § 25 Abs. 3 und 4 dürfen Besuche aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt oder bei Vorliegen einer entsprechenden verfahrenssichernden Anordnung offen überwacht werden; die Überwachung erstreckt sich hierbei sowohl auf die Untersuchungsgefangenen als auch auf deren Besuch. Die Unterhaltung darf nur überwacht werden, soweit dies im Einzelfall aus den in Satz 1 genannten Gründen erforderlich ist, und, soweit und solange sie besondere Kategorien personenbezogener Daten nach § 41 Nr. 15 des Hessischen Datenschutz- und Informationsfreiheitsgesetzes zum Gegenstand hat, unbedingt erforderlich ist. Ein Besuch darf abgebrochen werden, wenn Beteiligte gegen die Vorschriften dieses Gesetzes oder die aufgrund dieses Gesetzes getroffenen Anordnungen trotz Ermahnung verstoßen. Dies gilt auch bei einem Verstoß gegen verfahrenssichernde Anordnungen. Einer Ermahnung bedarf es nicht, wenn es unerlässlich ist, den Besuch sofort abzubrechen. Gegenstände dürfen beim Besuch nur mit Erlaubnis übergeben werden. Dies gilt nicht für die bei dem Besuch von Verteidigerinnen und Verteidigern sowie von Personen nach § 25 Abs. 4 übergebenen Schriftstücke und sonstigen Unterlagen.

(5) Die optische Überwachung eines Besuchs kann auch durch technische Hilfsmittel erfolgen, insbesondere durch optischelektronische Einrichtungen (Videoüberwachung). Die Aufzeichnung und Speicherung von nach Satz 1 erhobenen Daten ist zulässig, wenn sie zum Erreichen des verfolgten Zwecks unbedingt erforderlich ist. Die betroffenen Personen sind auf Maßnahmen nach Satz 1 und 2 vorher hinzuweisen. Die Anstalt kann die Nutzung einer Trennvorrichtung anordnen, wenn dies zum Schutz von Personen oder zur Verhinderung einer Übergabe von Gegenständen erforderlich ist. Eine Erforderlichkeit ist insbesondere in der Regel anzunehmen, wenn ein Fall des § 32 Abs. 3 vorliegt oder Untersuchungsgefangene aus anderen Gründen im Verdacht stehen, unerlaubt Suchtmittel zu besitzen oder solche konsumiert zu haben oder bei den Untersuchungsgefangenen Gegenstände gefunden wurden, die zu nicht gestatteten Außenkontakten genutzt werden können.

§ 27 Schriftwechsel 15 18

(1) Die Untersuchungsgefangenen haben das Recht, Schreiben abzusenden und zu empfangen. Sie haben Absendung und Empfang ihrer Schreiben durch die Anstalt vermitteln zu lassen, soweit nichts anderes gestattet ist.

(2) Ist die Überwachung des Schriftverkehrs nach § 119 Abs. 1 der Strafprozessordnung angeordnet, sind die Schreiben unverzüglich an die hierfür zuständige Stelle weiterzuleiten. Im Übrigen darf der Schriftwechsel von der Anstalt nach Maßgabe der Abs. 3 und 4 kontrolliert werden, soweit es wegen eines in § 25 Abs. 2 genannten Grundes unbedingt erforderlich ist; die Untersuchungsgefangenen sind auf entsprechende Maßnahmen bei Aufnahme hinzuweisen.

(3) Eingehende und ausgehende Schreiben sind umgehend, fristgebundene unverzüglich weiterzuleiten. Davon abweichend soll die Anstaltsleitung Schreiben anhalten, wenn

  1. es die Aufgabe des Untersuchungshaftvollzugs erfordert oder einer der in § 25 Abs. 2 genannten Gründe vorliegt,
  2. der Inhalt des Schreibens einen Straf- oder Bußgeldtatbestand erfüllt oder im Falle der Weiterleitung erfüllen würde,
  3. sie grob unrichtige oder erheblich entstellende Darstellungen von Anstaltsverhältnissen enthalten,
  4. sie in Geheimschrift, unlesbar, unverständlich oder ohne zwingenden Grund in einer fremden Sprache abgefasst sind.

Ausgehenden Schreiben, die unrichtige Darstellungen enthalten, kann ein Begleitschreiben beigefügt werden, wenn die Untersuchungsgefangenen auf der Absendung bestehen. Ist ein Schreiben angehalten worden, wird das den Untersuchungsgefangenen mitgeteilt. Angehaltene Schreiben werden an die Absender zurückgegeben oder, sofern dies unmöglich oder aus besonderen Gründen untunlich ist, von der Anstalt verwahrt.

(4) Besteht der Verdacht, dass ein Schreiben, das nach § 25 Abs. 3 und 4 keiner Überwachung unterliegt, unzulässige Einlagen enthält, so wird dieses mit Einverständnis und im Beisein der Untersuchungsgefangenen einer Sichtkontrolle ohne Kenntnisnahme des gedanklichen Inhalts unterzogen, andernfalls an den Absender zurückgesandt oder den Untersuchungsgefangenen zurückgegeben.

§ 28 Telekommunikation 13 15 20

(1) Den Untersuchungsgefangenen kann gestattet werden, Telefongespräche zu führen. Aus wichtigen Gründen können sie andere Telekommunikationsmittel durch Vermittlung und unter Aufsicht der Anstalt nutzen.

(2) Für Telefongespräche und sonstige Kommunikation im Sinne des Abs. 1 gilt § 26 Abs. 4 entsprechend. Findet danach eine Überwachung statt, so sind die Untersuchungsgefangenen und die anderen Gesprächsbeteiligten vor Beginn der Überwachung hierauf hinzuweisen. Für schriftliche Kommunikation gelten die Vorschriften über den Schriftwechsel entsprechend.

(3) Ist ein Telekommunikationssystem eingerichtet, kann außer in den Fällen des § 25 Abs. 3 und 4 die Teilnahme daran davon abhängig gemacht werden, dass die Untersuchungsgefangenen und die anderen Gesprächsbeteiligten in eine mögliche stichprobenartige Überwachung der Telekommunikation, auch zur Feststellung der Identität der Gesprächsbeteiligten, einwilligen. Die Gesprächsbeteiligten sind auf die mögliche Überwachung unmittelbar nach Herstellung der Verbindung hinzuweisen.

(4) Untersuchungsgefangenen ist der Besitz und Betrieb von Mobilfunkendgeräten und sonstigen Telekommunikationsanlagen auf dem Gelände der Anstalt untersagt. Die Anstalt darf technische Geräte zur Feststellung, Störung oder Unterdrückung von Frequenzen betreiben, die der Herstellung unerlaubter Telekommunikation auf dem Anstaltsgelände, insbesondere des Mobilfunkverkehrs, dienen. Frequenznutzungen außerhalb des Geländes der Anstalten dürfen nicht erheblich gestört werden.

§ 29 Pakete

(1) Der Empfang von Paketen bedarf der Erlaubnis der Anstalt. Sie kann Zeitpunkt und Höchstmenge für die Sendung und für einzelne Gegenstände festsetzen. Der Empfang von Paketen mit Nahrungs- und Genussmitteln ist den Untersuchungsgefangenen nicht gestattet. Für den Ausschluss von Gegenständen gilt § 11 Abs. 2 entsprechend. Der Empfang von Paketen kann versagt werden, wenn dies zur Umsetzung einer verfahrenssichernden Anordnung erforderlich oder wegen Gefährdung der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt unerlässlich ist.

(2) Pakete sind in Gegenwart der Untersuchungsgefangenen zu öffnen. Ausgeschlossene Gegenstände können zu ihrer Habe genommen oder dem Absender zurückgesandt werden. Sie dürfen vernichtet werden, wenn bei der Versendung oder Aufbewahrung Personen verletzt oder Sachschäden verursacht werden können oder wenn sie leicht verderblich sind. Die hiernach getroffenen Maßnahmen werden den Untersuchungsgefangenen eröffnet.

(3) Den Untersuchungsgefangenen kann gestattet werden, Pakete zu versenden. Die Anstalt kann ihren Inhalt aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt überprüfen.

Siebter Abschnitt
Sicherheit und Ordnung

§ 30 Grundsätze, Verhaltensvorschriften 18 20

(1) Sicherheit und Ordnung der Anstalt tragen maßgeblich zur Erfüllung der Aufgaben des Untersuchungshaftvollzugs bei.

(2) Die Pflichten und Beschränkungen, die den Untersuchungsgefangenen zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt auferlegt werden, sind so zu wählen, dass sie in einem angemessenen Verhältnis zu ihrem Zweck stehen und die Untersuchungsgefangenen nicht mehr und nicht länger als notwendig beeinträchtigen. Soweit es zur Gewährleistung von Sicherheit oder Ordnung der Anstalt unbedingt erforderlich ist, erfolgt eine offene optische Überwachung der Untersuchungsgefangenen außerhalb der Hafträume mit technischen Hilfsmitteln, insbesondere Videoüberwachung. Soweit es zum Schutz von Vollzugsbediensteten, Untersuchungsgefangenen oder Dritten gegen eine Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit unbedingt erforderlich ist, erfolgt in Bereichen einer zu bestimmenden Anstalt und innerhalb von Transportfahrzeugen dieser Anstalt, in denen nicht bereits eine Videoüberwachung erfolgt, unter Rücksichtnahme auf das Schamgefühl der Untersuchungsgefangenen eine Beobachtung durch offenes technisches Erfassen mittels Bild- und Tonübertragung; soweit es für die Durchführung der Beobachtung unerlässlich ist, können hierbei personenbezogene Daten auch über andere Personen als Untersuchungsgefangene verarbeitet werden. § 26 Abs. 5 Satz 2 und 3 gilt für Maßnahmen nach Satz 2 und 3 entsprechend. Die Hessische Ministerin der Justiz oder der Hessische Minister der Justiz wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung die nach Satz 3 zu bestimmende Anstalt und die zeitliche Dauer eines dort durchzuführenden Modellprojekts festzulegen.

(3) Die Untersuchungsgefangenen haben sich nach der Tageseinteilung der Anstalt zu richten. Sie dürfen durch ihr Verhalten gegenüber Vollzugsbediensteten, Mitgefangenen und anderen Personen das geordnete Zusammenleben nicht stören.

(4) Die Untersuchungsgefangenen haben die Anordnungen der Vollzugsbediensteten zu befolgen. Einen ihnen zugewiesenen Bereich dürfen sie nicht ohne Erlaubnis verlassen.

(5) Die Untersuchungsgefangenen haben die Hafträume und die ihnen von der Anstalt überlassenen Sachen in Ordnung zu halten und schonend zu behandeln.

(6) Die Untersuchungsgefangenen haben Umstände, die eine erhebliche Gefahr für eine Person oder eine erhebliche Störung der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt begründen oder darauf hindeuten, unverzüglich zu melden.

(7) Die Anstalt kann die erforderlichen Maßnahmen treffen, um eine im Einzelfall bestehende Gefahr für die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt durch andere Personen als Untersuchungsgefangene abzuwehren.

§ 31 Absuchung, Durchsuchung und Untersuchung 13 15 20

(1) Untersuchungsgefangene, ihre Sachen und die Hafträume dürfen, auch mit technischen oder sonstigen Hilfsmitteln, abgesucht oder durchsucht werden. Die Durchsuchung von Untersuchungsgefangenen darf nur von Personen gleichen Geschlechts vorgenommen werden; bei Personen, die sich weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen lassen oder wenn die Sicherheit und Ordnung der Anstalt dies wegen Gefahr im Verzug erfordert, ist eine Durchsuchung auch durch Bedienstete eines anderen Geschlechts unter besonderer Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles zulässig. Auf das Schamgefühl ist Rücksicht zu nehmen.

(2) Bei Gefahr im Verzuge oder auf Anordnung der Anstaltsleitung im Einzelfall ist es zulässig, eine mit einer Entkleidung verbundene körperliche Durchsuchung vorzunehmen. Abs. 1 Satz 2 und 3 gilt entsprechend Die Durchsuchung ist an einem Ort durchzuführen, der einen Sichtkontakt Unbeteiligter nicht zulässt. Andere Gefangene dürfen nicht anwesend sein.

(3) Abweichend von Abs. 2 Satz 1 kann die Anstaltsleitung anordnen, dass Untersuchungsgefangene bei der Aufnahme, vor und nach Kontakten mit Besuchspersonen sowie vor und nach jeder Abwesenheit von der Anstalt nach Abs. 2 zu durchsuchen sind; im Einzelfall unterbleibt eine Entkleidung, wenn aufgrund besonderer Umstände eine Gefahr für die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt fernliegend erscheint.

(4) Die mit einem medizinischen Eingriff verbundene Untersuchung von Körperöffnungen ist durch den ärztlichen Dienst vorzunehmen.

(5) Bei der Durchsuchung von Hafträumen nach Abs. 1 Satz 1 dürfen Unterlagen, die von Untersuchungsgefangenen als Schreiben von Personen nach § 25 Abs. 3 und 4 gekennzeichnet sind, einer Sichtkontrolle auf verbotene Gegenstände ohne Kenntnisnahme des Inhalts unterzogen werden.

§ 32 Bekämpfung des Suchtmittelmissbrauchs 13 15

(1) Zur Bekämpfung des Suchtmittelmissbrauchs werden Kontrollen durchgeführt.

(2) Eine Kontrolle kann allgemein angeordnet werden, wenn dies zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt oder zur Gesundheitsvorsorge geboten ist. Gegen einzelne Untersuchungsgefangene kann eine Kontrolle angeordnet werden, wenn sie im Verdacht stehen, unerlaubt Suchtmittel zu besitzen oder solche konsumiert zu haben.

(3) Bei Untersuchungsgefangenen, die eine Mitwirkung an der Durchführung der Kontrolle ohne hinreichenden Grund verweigern, ist in der Regel davon auszugehen, dass Suchtmittelfreiheit nicht gegeben ist.

(4) Räumen Untersuchungsgefangene bei einem positiven Kontrollergebnis den Suchtmittelmissbrauch oder bei Verdacht der Manipulation der Probe die Manipulation nicht ein, ist eine Kontrolluntersuchung durch ein externes Fachlabor durchzuführen. Bestätigt sich das positive Kontrollergebnis oder die Manipulation der Probe, haben die Untersuchungsgefangenen die Kosten für die zusätzliche Untersuchung zu tragen.

§ 33 Lichtbildausweise

Die Anstalt kann Untersuchungsgefangene verpflichten, einen Lichtbildausweis mit sich zu führen, wenn dies aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt erforderlich ist. Der Ausweis ist bei der Entlassung oder der Verlegung in eine andere Anstalt einzuziehen und zu vernichten.

§ 34 Festnahmerecht

Untersuchungsgefangene, die entwichen sind oder sich sonst ohne Erlaubnis außerhalb der Anstalt aufhalten, können durch die Anstalt oder auf deren Veranlassung hin im Rahmen der Nacheile festgenommen und in die Anstalt zurückgeführt werden.

§ 35 Besondere Sicherungsmaßnahmen 13 15 18 19 20

(1) Gegen Untersuchungsgefangene können, auch außerhalb der Anstalt, besondere Sicherungsmaßnahmen angeordnet werden, wenn nach deren Verhalten oder aufgrund des seelischen Zustandes in erhöhtem Maße die Gefahr der Entweichung, von Gewalttätigkeiten gegen Personen oder Sachen oder der Selbsttötung oder der Selbstverletzung besteht.

(2) Als besondere Sicherungsmaßnahmen sind zulässig:

  1. der Entzug oder die Vorenthaltung von Gegenständen,
  2. die Beobachtung der Untersuchungsgefangenen, auch durch technische Hilfsmittel, insbesondere Videoüberwachung, soweit dies unbedingt erforderlich ist,
  3. die Absonderung von anderen Untersuchungsgefangenen,
  4. der Entzug oder die Beschränkung des Aufenthalts im Freien,
  5. die Unterbringung in einem besonders gesicherten Haftraum ohne gefährdende Gegenstände und
  6. die Fesselung bis hin zur vollständigen Aufhebung der Bewegungsfreiheit (Fixierung).

Eine Fixierung ist nur zulässig, soweit und solange dies zur Abwendung einer gegenwärtigen Gefahr der erheblichen Selbstverletzung oder Selbsttötung von Untersuchungsgefangenen unerlässlich ist.

(3) Maßnahmen nach Abs. 2 Nr. 1 und 3 bis 5 sind auch zulässig, wenn die Gefahr einer Befreiung oder eine sonstige erhebliche Störung der Anstaltsordnung anders nicht abgewehrt werden kann. Gleiches gilt für Maßnahmen nach Abs. 2 Nr. 1, 3 und 4, wenn Untersuchungsgefangene auf eine extremistische Verhaltensweise hinwirken.

(4) Bei einer Ausführung, Vorführung oder beim Transport ist die Fesselung, nicht jedoch die Fixierung, auch dann zulässig, wenn die vorgesehene Bewachung durch Bedienstete nicht ausreicht, die Gefahr einer Entweichung oder eines Angriffs auf Personen zu beseitigen. Eine Bewachung im Sinne des Satz 1 ist in der Regel nicht ausreichend, wenn

  1. der Untersuchungshaft ein Haftgrund nach § 112 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 oder Abs. 3 der Strafprozessordnung zugrunde liegt,
  2. aufgrund der Kurzfristigkeit der Notwendigkeit der Maßnahme, insbesondere in Fällen der medizinischen Versorgung, eine Bewertung der Gesamtumstände nicht möglich ist oder
  3. die Maßnahme an einem Ort durchgeführt wird, an dem sich die tatsächlichen Verhältnisse nicht mit der erforderlichen Sicherheit vorher bestimmen lassen,

es sei denn das Gericht hat etwas anderes angeordnet oder besondere Umstände lassen im Einzelfall die in Satz 1 genannten Gefahren auch ohne Fesselung fernliegend erscheinen.

(5) In der Regel dürfen Fesseln, abgesehen von der Fixierung, nur an den Händen oder an den Füßen angelegt werden. Im Interesse der Untersuchungsgefangenen kann die Anstaltsleitung eine andere Art der Fesselung anordnen.

(6) Für die Beobachtung der Untersuchungsgefangenen durch technische Hilfsmittel nach Abs. 2 Nr. 2 gilt § 26 Abs. 5 Satz 2 und 3 entsprechend. Eine dauerhafte Beobachtung unter Verwendung technischer Hilfsmittel ist nur zulässig, wenn und solange dies zur Abwendung der Gefahr einer Selbsttötung oder Selbstverletzung unbedingt erforderlich ist. Eine Abdunklung zur Nachtzeit ist zu gewährleisten. Das Schamgefühl ist soweit wie möglich zu schonen.

(7) Eine Absonderung von mehr als 24 Stunden ist nur zulässig, wenn dies unerlässlich ist.

(8) Während der Absonderung oder Unterbringung in einem besonders gesicherten Raum sind die Untersuchungsgefangenen in besonderem Maße zu betreuen. Sind die Untersuchungsgefangenen darüber hinaus gefesselt, sind sie ständig zu beobachten; bei einer Fixierung ist eine Sitzwache durch hierfür besonders geschulte Bedienstete durchzuführen. Eine Absonderung von mehr als 30 Tagen Dauer oder mehr als 90 Tagen innerhalb von zwölf Monaten bedarf der Zustimmung der Aufsichtsbehörde.

§ 36 Anordnung besonderer Sicherungsmaßnahmen, ärztliche Überwachung 15 19

(1) Besondere Sicherungsmaßnahmen ordnet die Anstaltsleitung an. Bei Gefahr im Verzuge können auch andere Bedienstete der Anstalt diese Maßnahmen vorläufig anordnen. Die Entscheidung der Anstaltsleitung ist unverzüglich einzuholen. Abweichend von Satz 1 ordnet das Gericht eine nicht nur kurzfristige Fixierung auf Antrag der Anstaltsleitung an. Bei Gefahr im Verzug kann die Anordnung einer nicht nur kurzfristigen Fixierung vorläufig durch die Anstaltsleitung oder andere Bedienstete der Anstalt getroffen werden; in diesem Fall ist unverzüglich eine Entscheidung des Gerichts über die Fortdauer oder Aufhebung der Maßnahme herbeizuführen. Eine Fixierung gilt als nicht nur kurzfristig, wenn im Zeitpunkt der Anordnung der Maßnahme davon auszugehen ist, dass ihre Dauer eine halbe Stunde überschreiten wird oder dies im Laufe ihres Vollzuges erkennbar wird.

(2) Vor der Anordnung ist eine Stellungnahme des ärztlichen oder psychologischen Dienstes einzuholen, wenn hierzu begründeter Anlass besteht; vor Anordnung einer Fixierung oder deren Beantragung ist regelmäßig eine ärztliche Stellungnahme zur Unerlässlichkeit der Fixierung einzuholen. Ist dies wegen Gefahr im Verzuge nicht möglich, wird die Stellungnahme unverzüglich nachträglich eingeholt. Wenn Untersuchungsgefangenen der tägliche Aufenthalt im Freien entzogen wird oder sie länger als 24 Stunden abgesondert sind, ist eine Stellungnahme des ärztlichen Dienstes spätestens nach drei Tagen und danach in angemessenen Abständen einzuholen.

(3) Besondere Sicherungsmaßnahmen dürfen nur so weit aufrechterhalten werden, wie es ihr Zweck erfordert. Eine Überprüfung hat in angemessenen Abständen zu erfolgen.

(4) Sind Untersuchungsgefangene in einem besonders gesicherten Haftraum untergebracht oder gefesselt (§ 35 Abs. 2 Nr. 5 und 6), so sucht sie der ärztliche Dienst alsbald und danach in der Regel täglich auf. Dies gilt nicht bei einer Fesselung während einer Ausführung, Vorführung oder eines Transports. Während der Dauer einer nicht nur kurzfristigen Fixierung sucht der ärztliche Dienst die Untersuchungsgefangenen mindestens täglich auf und gibt eine ärztliche Stellungnahme zur fortdauernden Unerlässlichkeit der Fixierung ab.

(5) Die besonderen Sicherungsmaßnahmen sind den Untersuchungsgefangenen zu erläutern. Die Anordnung und die Durchführung der Maßnahmen einschließlich der Beteiligung des ärztlichen oder des psychologischen Dienstes sind zu dokumentieren. Im Falle einer Fixierung sind auch ihre maßgeblichen Gründe, die Einholung der Anordnung des Gerichts, ihre Durchsetzung, ihre Dauer und die Überwachung durch eine Sitzwache sowie die ärztlichen Stellungnahmen zu dokumentieren. Nach der Beendigung der Fixierung sind die Untersuchungsgefangenen auf ihr Recht, die Rechtmäßigkeit der Fixierung gerichtlich überprüfen lassen zu können, hinzuweisen; der Hinweis ist aktenkundig zu machen.

(6) Besondere Sicherungsmaßnahmen nach § 35 Abs. 2 Nr. 5 und 6 sind der Aufsichtsbehörde unverzüglich zu berichten, wenn sie länger als drei Tage aufrechterhalten werden. Gericht und Staatsanwaltschaft sind zu informieren.

§ 37 Ersatz von Aufwendungen

(1) Die Untersuchungsgefangenen sind verpflichtet, der Anstalt Aufwendungen zu ersetzen, die sie durch eine vorsätzliche oder grob fahrlässige Selbstverletzung, Verletzung anderer Personen oder Beschädigung fremder Sachen verursacht haben. Ansprüche aufgrund anderer Rechtsvorschriften bleiben unberührt.

(2) Die Anstalt kann den Anspruch durch Bescheid gegen die Untersuchungsgefangenen geltend machen.

Achter Abschnitt
Unmittelbarer Zwang

§ 38 Unmittelbarer Zwang 15 20

(1) Unmittelbarer Zwang ist die Einwirkung auf Personen oder Sachen durch körperliche Gewalt, ihre Hilfsmittel und durch Waffen. Körperliche Gewalt ist jede unmittelbare körperliche Einwirkung auf Personen oder Sachen. Hilfsmittel der körperlichen Gewalt sind namentlich Fesseln. Waffen sind die dienstlich zugelassenen Hieb- und Schusswaffen sowie Reizstoffe.

(2) Vollzugsbedienstete dürfen unmittelbaren Zwang anwenden, wenn sie Vollzugs- und Sicherungsmaßnahmen rechtmäßig durchführen und der damit verfolgte Zweck auf keine andere Weise erreicht werden kann. Gegen andere Personen als Untersuchungsgefangene darf unmittelbarer Zwang angewendet werden, wenn sie es unternehmen, Untersuchungsgefangene zu befreien oder, auch mittels technischer Geräte, insbesondere unbemannter Luftfahrtsysteme und Flugmodelle, in den Anstaltsbereich widerrechtlich einzudringen, unbefugt Gegenstände in den Anstaltsbereich einzubringen oder wenn sie sich unbefugt im Anstaltsbereich aufhalten; das Recht zur Ausübung von unmittelbarem Zwang gegen Sachen wird hierdurch nicht eingeschränkt. Das Recht zur Ausübung von unmittelbarem Zwang aufgrund anderer Regelungen bleibt unberührt.

(3) Unter mehreren möglichen und geeigneten Maßnahmen des unmittelbaren Zwangs ist diejenige zu wählen, die den Einzelnen und die Allgemeinheit voraussichtlich am Wenigsten beeinträchtigt. Unmittelbarer Zwang unterbleibt, wenn ein durch ihn zu erwartender Schaden erkennbar außer Verhältnis zu dem angestrebten Erfolg steht.

(4) Für das Handeln auf Anordnung ist § 97 des Strafvollzugsgesetzes vom 16. März 1976 (BGBl. I S. 581, 2088), zuletzt geändert durch Gesetz vom 9. Dezember 2019 (BGBl. I S. 2146), entsprechend anzuwenden.

(5) Unmittelbarer Zwang ist vorher anzudrohen. Von der Androhung kann abgesehen werden, wenn die Umstände sie nicht zulassen, insbesondere wenn die sofortige Anwendung des Zwangsmittels zur Abwehr einer Gefahr notwendig ist.

§ 39 Schusswaffengebrauch 20

(1) Schusswaffen dürfen gegen Untersuchungsgefangene nur

  1. zur Abwehr eines gegenwärtigen rechtswidrigen Angriffs auf Leib oder Leben oder
  2. zur Vereitelung einer Flucht oder zur Wiederergreifung

gebraucht werden, wenn andere Maßnahmen des unmittelbaren Zwanges bereits erfolglos waren oder keinen Erfolg versprechen. Sie dürfen nur von den dazu bestimmten Vollzugsbediensteten mit dem Ziel gebraucht werden, angriffs- oder fluchtunfähig zu machen. Ihr Gebrauch unterbleibt, wenn dadurch erkennbar Unbeteiligte mit hoher Wahrscheinlichkeit gefährdet würden. Der Gebrauch von Schusswaffen ist vorher anzudrohen. Als Androhung gilt auch ein Warnschuss. Ohne Androhung dürfen Schusswaffen nur dann gebraucht werden, wenn das zur Abwehr eines Angriffs nach Satz 1 Nr. 1 unerlässlich ist.

(2) Gegen andere Personen dürfen Schusswaffen gebraucht werden, wenn sie es unternehmen, Untersuchungsgefangene gewaltsam zu befreien oder gewaltsam in eine Anstalt einzudringen. Abs. 1 Satz 2 bis 6 gilt entsprechend.

(3) Gegen Sachen, insbesondere gegen unbemannte Luftfahrtsysteme und Flugmodelle, dürfen Waffen gebraucht werden; Abs. 1 Satz 3 gilt entsprechend.

Neunter Abschnitt
Disziplinarmaßnahmen

§ 40 Disziplinarmaßnahmen 13 15 20

(1) Disziplinarmaßnahmen können angeordnet werden, wenn Untersuchungsgefangene rechtswidrig und schuldhaft

  1. gegen Strafgesetze verstoßen oder eine Ordnungswidrigkeit begehen,
  2. gegen eine verfahrenssichernde Anordnung verstoßen,
  3. ohne erforderliche Erlaubnis nach § 12 Abs. 1 Gegenstände in die Anstalt einbringen, einbringen lassen, annehmen, besitzen oder abgeben,
  4. entweichen oder zu entweichen versuchen,
  5. unerlaubt Betäubungsmittel oder andere berauschende Stoffe herstellen, konsumieren oder eine Kontrolle nach § 32 Abs. 2 verweigern oder manipulieren,
  6. wiederholt oder schwerwiegend gegen sonstige Pflichten verstoßen, die ihnen durch dieses Gesetz oder aufgrund dieses Gesetzes auferlegt sind.

(2) Zulässige Disziplinarmaßnahmen sind

  1. der Verweis,
  2. der Ausschluss von gemeinsamer Freizeit bis zu vier Wochen oder von einzelnen Freizeitveranstaltungen bis zu drei Monaten,
  3. der Entzug des Fernsehgeräts oder die Beschränkung des Fernsehempfangs bis zu drei Monaten,
  4. die Beschränkung oder der Entzug von Gegenständen für eine Beschäftigung in der Freizeit bis zu drei Monaten,
  5. die Beschränkung oder der Entzug von Zusatzleistungen nach § 15 bis zu drei Monaten,
  6. die Beschränkung oder der Entzug des Einkaufs bis zu drei Monaten,
  7. der Entzug der Arbeit bis zu vier Wochen unter Wegfall der in diesem Gesetz geregelten Bezüge,
  8. Arrest bis zu zwei Wochen.

(3) In geeigneten Fällen kann von Disziplinarmaßnahmen abgesehen werden, wenn andere Maßnahmen ausreichend erscheinen. Zu berücksichtigen ist ferner eine aus demselben Anlass angeordnete besondere Sicherungsmaßnahme.

(4) Eine Disziplinarmaßnahme ist auch zulässig, wenn wegen derselben Verfehlung ein Straf- oder Bußgeldverfahren eingeleitet wird. Mehrere Disziplinarmaßnahmen können miteinander verbunden werden. Der Verweis kann auch mit der Anordnung, gemeinnützige Arbeit zu leisten, verbunden werden. Arrest darf nur wegen schwerer oder mehrfach wiederholter Verfehlungen verhängt werden.

(5) Bei der Auswahl der Disziplinarmaßnahmen sind Grund und Zweck der Haft sowie die psychischen Auswirkungen der Untersuchungshaft und des Strafverfahrens auf die Untersuchungsgefangenen zu berücksichtigen. Durch die Anordnung und den Vollzug einer Disziplinarmaßnahme dürfen die Verteidigung, die Verhandlungsfähigkeit und die Verfügbarkeit der Untersuchungsgefangenen für das Verfahren nicht beeinträchtigt werden.

§ 41 Verfahren und Vollstreckung 13 20

(1) Disziplinarmaßnahmen ordnet die Anstaltsleitung an. Bei einer Verfehlung, die während der Verlegung in eine andere Vollzugsanstalt begangen wird, ist die Leitung dieser Anstalt zuständig. Wenn sich die Verfehlung gegen die Anstaltsleitung richtet, entscheidet die Aufsichtsbehörde.

(2) Im Rahmen der Sachverhaltsaufklärung sind sowohl die belastenden als auch die entlastenden Umstände zu ermitteln. Die Untersuchungsgefangenen werden gehört. Sie sind darauf hinzuweisen, dass es ihnen freisteht, sich zu äußern. Die Erhebungen werden in einer Niederschrift festgelegt; die Einlassung der Untersuchungsgefangenen wird vermerkt. Bei schweren Verstößen soll sich die Anstaltsleitung vor der Entscheidung mit Personen besprechen, die an der Betreuung der Untersuchungsgefangenen mitwirken. § 36 Abs. 2 Satz 1 und 2 gilt entsprechend. Die Entscheidung wird den Untersuchungsgefangenen mündlich eröffnet und schriftlich kurz begründet.

(3) Disziplinarmaßnahmen werden in der Regel sofort vollstreckt. Eine Disziplinarmaßnahme kann ganz oder teilweise bis zu sechs Monaten zur Bewährung ausgesetzt werden; die Aussetzung zur Bewährung kann widerrufen werden, wenn die Untersuchungsgefangenen erneut gegen Pflichten verstoßen. Disziplinarmaßnahmen, die gegen Untersuchungsgefangene in einer anderen Justizvollzugsanstalt oder während einer anderen Haft angeordnet worden sind, werden auf Ersuchen vollstreckt. Die Befugnis nach Satz 2 steht auch der ersuchten Anstalt zu.

(4)Für die Dauer des Arrests werden die Untersuchungsgefangenen abgesondert. Die Untersuchungsgefangenen können dazu in einem besonderen Arrestraum untergebracht werden, der den Anforderungen entsprechen muss, die an einen zum Aufenthalt bei Tag und Nacht bestimmten Haftraum gestellt werden. Soweit nichts anderes angeordnet wird, ruhen die Befugnisse der Untersuchungsgefangenen nach § 11 Abs. 1 Satz 1, § 13 Abs. 1 Satz 1, § 14 Abs. 2 Satz 1, § 15 Satz 1, § 20 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3, § 22 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 und Abs. 4 Satz 1 und 2 sowie § 23 Satz 1. Bevor der Arrest vollzogen wird, ist eine ärztliche Stellungnahme einzuholen. Während des Arrests stehen die Untersuchungsgefangenen unter ärztlicher Aufsicht. Der Vollzug des Arrests unterbleibt oder wird unterbrochen, wenn die Gesundheit der Untersuchungsgefangenen gefährdet würde.

Zehnter Abschnitt
Beschwerde

§ 42 Beschwerderecht

(1) Untersuchungsgefangene können sich mit Wünschen, Anregungen und Beschwerden (Eingaben) in Angelegenheiten, die sie selbst betreffen, an die Anstaltsleitung wenden. Eingaben, die beleidigenden Charakter haben oder bloße Wiederholungen enthalten, brauchen nicht in der Sache beschieden zu werden. Untersuchungsgefangene sind über die Gründe zu unterrichten.

(2) Es ist zu gewährleisten, dass sich Untersuchungsgefangene in eigenen Angelegenheiten an hierfür zuständige Bedienstete der Aufsichtsbehörde, die die Anstalt aufsuchen, wenden können.

(3) Die Möglichkeit der Dienstaufsichtsbeschwerde bleibt unberührt.

Elfter Abschnitt
Ergänzende Bestimmungen für junge Untersuchungsgefangene

§ 43 Anwendungsbereich 15 20

(1) Auf Untersuchungsgefangene, die zu Beginn des Untersuchungshaftvollzugs das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet haben (junge Untersuchungsgefangene), findet dieses Gesetz nach Maßgabe der Vorschriften dieses Abschnitts und des § 89 des Jugendgerichtsgesetzes Anwendung. Bei volljährigen Untersuchungsgefangenen, die sich für den Jugenduntersuchungshaftvollzug nicht oder nicht mehr eignen, soll die Anstalt auf eine Verlegung in eine Anstalt des Untersuchungshaftvollzugs für Erwachsene hinwirken.

(2) An Untersuchungsgefangenen, die zur Tatzeit das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet hatten und zu Beginn des Untersuchungshaftvollzugs schon vollendet haben, kann nach Maßgabe des § 89c des Jugendgerichtsgesetzes, die Untersuchungshaft bis zur Vollendung des 24. Lebensjahres nach den Vorschriften dieses Abschnitts in den für junge Untersuchungsgefangene vorgesehenen Anstalten vollzogen werden. Die Vorschriften dieses Abschnitts können ausnahmsweise auch über die Vollendung des 24. Lebensjahres hinaus angewendet werden, wenn dies im Hinblick auf die voraussichtlich nur noch geringe Dauer der Untersuchungshaft zweckmäßig erscheint. Untersuchungsgefangene nach Satz 1 und 2 gelten als junge Untersuchungsgefangene im Sinne des Abs. 1 Satz 1.

§ 44 Vollzugsgestaltung

(1) Der Vollzug der Untersuchungshaft ist erzieherisch auszugestalten. Die Entwicklung von Fähigkeiten und Fertigkeiten sowie die Bereitschaft zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Lebensführung in Achtung der Rechte anderer sind zu fördern.

(2) Den jungen Untersuchungsgefangenen sollen neben altersgemäßen Bildungs-, Beschäftigungs- und Freizeitmöglichkeiten auch sonstige entwicklungsfördernde Hilfestellungen angeboten werden. Die Bereitschaft zur Annahme der Angebote ist zu wecken und zu fördern.

§ 45 Zusammenarbeit und Einbeziehung Dritter

(1) Die Zusammenarbeit der Anstalt mit öffentlichen Stellen sowie privaten Organisationen erstreckt sich insbesondere auch auf Jugendgerichtshilfe, Jugend - amt, Schulen und berufliche Bildungsträger.

(2) Die Personensorgeberechtigten und die Träger der öffentlichen Jugendhilfe werden in die Planung und erzieherische Gestaltung des Untersuchungshaftvollzugs angemessen einbezogen, soweit eine verfahrenssichernde Anordnung nicht entgegensteht.

(3) Die Personensorgeberechtigten und das Jugendamt werden von der Aufnahme, von einer Verlegung und der Entlassung unverzüglich unterrichtet, soweit eine verfahrenssichernde Anordnung nicht entgegensteht.

§ 46 Ermittlung des Förderbedarfs, Maßnahmen 18

(1) Nach der Aufnahme wird der Förderbedarf der jungen Untersuchungsgefangenen unverzüglich unter Berücksichtigung ihrer Persönlichkeit und ihrer Lebensverhältnisse ermittelt.

(2) In einer Konferenz mit an der Erziehung maßgeblich beteiligten Bediensteten wird der Förderbedarf erörtert und werden die sich daraus ergebenden Maßnahmen festgelegt. Diese werden mit den jungen Untersuchungsgefangenen besprochen und den Personensorgeberechtigten auf Verlangen mitgeteilt, wenn erzieherische Gründe nicht entgegenstehen.

(3) Die Förderung soll zum frühestmöglichen Zeitpunkt beginnen, um die gesamte Vollzugsdauer sinnvoll zu nutzen.

(4) Maßnahmen oder Beschränkungen nach § 7 Abs. 1, § 11 Abs. 2, § 13 Abs. 2, § 22 Abs. 2 Satz 5, § 26 Abs. 4 Satz 1 und 2, § 27 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 und § 32 Abs. 2 Satz 1 können bei jungen Untersuchungsgefangenen auch angeordnet werden, wenn erzieherische Gründe dies erfordern.

(5) Zur Erfüllung der Aufgabe nach Abs. 1 dürfen personenbezogene Daten ohne Mitwirkung der Betroffenen erhoben werden bei Stellen, die Aufgaben der Jugendhilfe wahrnehmen, oder bei der Jugendgerichtshilfe.

§ 47 Unterbringung

(1) Die jungen Untersuchungsgefangenen sind regelmäßig in Wohngruppen unterzubringen, zu denen neben den Haft - räumen weitere Räume zur gemeinsamen Nutzung gehören. Eine Wohngruppe soll in der Regel aus nicht mehr als acht jungen Untersuchungsgefangenen bestehen. Aus erzieherischen Gründen oder Gründen der Vollzugsorganisation können bis zu zwei weitere junge Untersuchungsgefangene aufgenommen werden.

(2) Junge Untersuchungsgefangene, die aufgrund ihres Verhaltens nicht gruppenfähig sind, eine Gefahr für die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt oder für die Mitgefangenen darstellen oder die Freiräume der Wohngruppe wiederholt missbraucht haben, können aus der Wohngruppe ausgeschlossen werden. Eine Wiederaufnahme erfolgt, wenn die Gruppenfähigkeit wieder hergestellt ist. Davon unberührt bleiben Maßnahmen nach § 40 in Verbindung mit § 53.

(3) In der Wohngruppe sollen insbesondere Werte, die ein sozialverträgliches Zusammenleben ermöglichen, gewaltfreie Konfliktlösungen, gegenseitige Toleranz und Verantwortung für den eigenen Lebensbereich vermittelt und eingeübt werden.

(4) Die gemeinschaftliche Unterbringung während der Bildung, Arbeit und Freizeit kann über § 10 Abs. 3 hinaus auch eingeschränkt oder ausgeschlossen werden, wenn dies aus erzieherischen Gründen angezeigt ist, schädliche Einflüsse auf die jungen Untersuchungsgefangenen zu befürchten sind oder während der ersten zwei Wochen nach der Aufnahme.

(5) Eine gemeinsame Unterbringung nach § 10 Abs. 1 Satz 2 ist nur zulässig, wenn schädliche Einflüsse auf die jungen Untersuchungsgefangenen nicht zu befürchten sind.

§ 48 Schulische und berufliche Aus- und Weiterbildung, Arbeit 15 20

(1) Schulpflichtige Untersuchungsgefangene nehmen in der Anstalt am Unterricht in Anlehnung an die für öffentliche Schulen geltenden Vorschriften teil.

(2) Junge Untersuchungsgefangene können zur Teilnahme an schulischen oder beruflichen Orientierungs-, Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen oder speziellen Maßnahmen zur Förderung ihrer schulischen, beruflichen oder persönlichen Entwicklung verpflichtet werden.

(3) Im Übrigen bleibt § 20 Abs. 2 unberührt.

(4) Aus vier Siebtel der Bezüge junger Untersuchungsgefangener nach § 21 Abs. 1 wird ein Überbrückungsgeld gebildet. § 41 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 und Abs. 4 des Hessischen Jugendstrafvollzugsgesetzes vom 19. November 2007 (GVBl. I S. 758), zuletzt geändert durch Gesetz vom 12. November 2020 (GVBl. S. 778), gilt entsprechend.

§ 49 Außenkontakte

(1) Kontakte mit bestimmten Personen können bei jungen Untersuchungsgefangenen über § 25 Abs. 2 hinaus untersagt werden,

  1. bei Personen, die nicht Angehörige im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 1 des Strafgesetzbuchs sind, wenn zu befürchten ist, dass sie einen schädlichen Einfluss auf die jungen Untersuchungsgefangenen haben, oder
  2. wenn Personensorgeberechtigte nicht einverstanden sind.

(2) Abweichend von § 26 Abs. 1 Satz 2 beträgt die Gesamtdauer des Besuchs für junge Untersuchungsgefangene mindestens vier Stunden im Monat. Über § 26 Abs. 2 hinaus sollen Besuche auch dann zugelassen werden, wenn sie die Erziehung fördern.

(3) Besuche dürfen über § 26 Abs. 4 Satz 3 hinaus auch abgebrochen werden, wenn von Besuchern ein schädlicher Einfluss ausgeübt wird.

(4) Beistände nach § 69 des Jugendgerichtsgesetzes stehen bei Kontakten mit jungen Untersuchungsgefangenen Verteidigerinnen und Verteidigern gleich.

§ 50 Gestaltung der freien Zeit

(1) Zur Ausgestaltung der Freizeit sind geeignete Angebote vorzuhalten.

(2) Über § 22 Abs. 4 Satz 2 hinaus ist der Besitz elektronischer Medien nur zugelassen, wenn ihre Nutzung erzieherischen Zwecken dient.

§ 51 Sport

Dem Sport kommt bei der Gestaltung des Vollzugs an jungen Untersuchungsgefangenen besondere Bedeutung zu. Es sind ausreichende und geeignete Angebote vorzuhalten, um den jungen Untersuchungsgefangenen eine sportliche Betätigung von mindestens zwei Stunden wöchentlich zu ermöglichen.

§ 52 Schusswaffengebrauch

§ 39 Abs. 1 gilt mit der Maßgabe, dass Schusswaffen gegen junge Untersuchungsgefangene nur im Fall des Satz 1 Nr. 1 gebraucht werden dürfen und auch nur dazu, um angriffsunfähig zu machen.

§ 53 Erzieherische Maßnahmen, Disziplinarmaßnahmen 20

(1) Verstoßen junge Untersuchungsgefangene gegen Pflichten, die ihnen durch dieses Gesetz oder aufgrund dieses Gesetzes auferlegt sind, sind diese Pflichtverletzungen unverzüglich erzieherisch aufzuarbeiten. Dabei können erzieherische Maßnahmen oder Maßnahmen zur Konfliktregelung ergriffen werden. Als erzieherische Maßnahmen können den jungen Untersuchungsgefangenen insbesondere Handlungsanweisungen erteilt und Verpflichtungen auferlegt werden, die geeignet sind, die Einsicht in das Fehlverhalten und in die Notwendigkeit einer Verhaltensänderung zu wecken und zu stärken. Als Maßnahmen der Konfliktregelung kommen insbesondere eine Entschuldigung, Schadensbeseitigung
oder Schadenswiedergutmachung in Betracht. Es sollen nur solche Maßnahmen angeordnet werden, die mit der Verfehlung in einem engen inhaltlichen und zeitlichen Zusammenhang stehen.

(2) Disziplinarmaßnahmen dürfen nur angeordnet werden, wenn Maßnahmen nach Abs. 1 nicht ausreichen, um den jungen Untersuchungsgefangenen die Pflichtwidrigkeit ihres Verhaltens zu verdeutlichen. Zu berücksichtigen ist ferner eine aus demselben Anlass angeordnete besondere Sicherungsmaßnahme.

(3) Über § 40 Abs. 1 hinaus können Disziplinarmaßnahmen gegen junge Untersuchungsgefangene angeordnet werden, wenn sie einer Verpflichtung nach § 48 Abs. 2 nicht nachkommen.

(4) Gegen junge Untersuchungsgefangene darf eine Disziplinarmaßnahme nach § 40 Abs. 2 Nr. 7 nicht verhängt werden. Maßnahmen nach § 40 Abs. 2 Nr. 2 bis 6 sind statt bis zu drei nur bis zu zwei Monaten, Arrest ist nur bis zu einer Woche zulässig.

Zwölfter Abschnitt
Datenschutz

§ 54 Zulässigkeit der Verarbeitung personenbezogener Daten 13 18

(1) Die Anstalt und die Aufsichtsbehörde dürfen personenbezogene Daten nur verarbeiten, wenn eine Rechtsvorschrift dies vorsieht oder zwingend voraussetzt oder soweit dies für den Vollzug der Untersuchungshaft erforderlich und im Falle der Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten nach § 41 Nr. 15 des Hessischen Datenschutz- und Informationsfreiheitsgesetzes unbedingt erforderlich ist. Soweit in den folgenden Vorschriften nichts Abweichendes geregelt ist, findet das Hessische Datenschutz- und Informationsfreiheitsgesetz Anwendung; dabei finden insbesondere die Vorschriften von Teil 3 des Hessischen Datenschutz- und Informationsfreiheitsgesetzes auf die Datenverarbeitung durch die Anstalt oder Aufsichtsbehörde Anwendung, soweit die Datenverarbeitung zu den in § 40 des Hessischen Datenschutz- und Informationsfreiheitsgesetzes genannten Zwecken erfolgt. Bei der Verarbeitung personenbezogener Daten sind schutzwürdige Interessen der Betroffenen in jedem Fall der Verarbeitung zu berücksichtigen; sofern der Kernbereich privater Lebensgestaltung betroffen ist, darf keine Verarbeitung erfolgen.

(2) Zur Sicherung des Vollzugs, zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt, zur Identitätsfeststellung oder zur Aufrechterhaltung der medizinischen Versorgung und Gesundheitsfürsorge ist, soweit hierfür unbedingt erforderlich, die Verarbeitung folgender Daten von Untersuchungsgefangenen mit deren Kenntnis zulässig:

  1. biometrische Daten von Fingern und Händen,
  2. Lichtbilder,
  3. Feststellungen äußerlicher körperlicher Merkmale,
  4. Körpermessungen und
  5. Gesundheitsdaten.

(3) Alle zur Person der Untersuchungsgefangenen erhobenen und für den Vollzug der Freiheitsstrafe erforderlichen Daten einschließlich derjenigen, die nach Abs. 2 Nr. 1 bis 4 erhoben worden sind, sind in eine Gefangenenpersonalakte aufzunehmen, die auch elektronisch geführt werden kann. Gesundheitsdaten und die sonstigen in § 57 Abs. 2 und 3 aufgeführten personenbezogenen Daten sind getrennt von der Gefangenenpersonalakte zu führen.

(4) Die einzelnen Vollzugsbediensteten sowie die in § 57 Abs. 3, § 67 Abs. 1 Satz 2 und 3, § 68 Abs. 1 und § 72 genannten Personen dürfen von personenbezogenen Daten nur Kenntnis erhalten, soweit dies zur Erfüllung der ihnen obliegenden Aufgabe oder für die Zusammenarbeit nach § 67 Abs. 3 erforderlich ist. Bei personenbezogenen Daten im Sinne von Abs. 2 ist über Satz 1 hinaus erforderlich, dass dies zur Erfüllung der ihnen obliegenden Aufgabe oder für die Zusammenarbeit nach § 67 Abs. 3 unbedingt erforderlich ist.

(5) Die Anstalt ist befugt, zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt hierfür die Identität aller Personen festzustellen, die Zugang zur Anstalt begehren. Sofern unbedingt erforderlich, nimmt die Anstalt den Abgleich biometrischer Daten vor.

(6) Soweit dies zur Aufrechterhaltung von Sicherheit oder Ordnung der Anstalt hierfür erforderlich ist, werden Außenbereiche der Anstalt mit technischen Hilfsmitteln, insbesondere Videoüberwachung, offen überwacht, sofern keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass schutzwürdige Interessen der Betroffenen überwiegen. Der Umstand der Überwachung und der Name und die Kontaktdaten der Verantwortlichen sind den Betroffenen durch geeignete Maßnahmen zum frühestmöglichen Zeitpunkt kenntlich zu machen. § 26 Abs. 5 Satz 2 gilt entsprechend; darüber hinaus ist eine Speicherung nur zulässig, wenn keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass schutzwürdige Interessen der Betroffenen überwiegen.

§ 54a Überprüfung anstaltsfremder Personen 15 18 20

(1) Personen, die in der Anstalt tätig werden sollen und die zur Anstalt oder Aufsichtsbehörde nicht in einem Dienst- oder Arbeitsverhältnis stehen und nicht im Auftrag einer anderen Behörde Zugang begehren, können zu diesen Tätigkeiten nur zugelassen werden, wenn keine Sicherheitsbedenken bestehen. Die Anstalt nimmt zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt mit Einwilligung der betroffenen Person eine Zuverlässigkeitsüberprüfung vor. Sie darf dazu

  1. eine Auskunft nach § 41 Abs. 1 Nr. 1 des Bundeszentralregistergesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 21. September 1984 (BGBl. I S. 1229, 1985 I S. 195), zuletzt geändert durch Gesetz vom 9. Oktober 2020 (BGBl. I S. 2075), einholen,
  2. sicherheitsrelevante Erkenntnisse der Polizeibehörden und, soweit im Einzelfall erforderlich, des Landesamts für Verfassungsschutz abfragen; soweit möglich übermittelt die Anstalt den angefragten Behörden bei Maßnahmen nach Abs. 1 Satz 3 den Nachnamen, den Geburtsnamen, die Vornamen, das Geburtsdatum, das Geschlecht, den Geburtsort, das Geburtsland und die Staatsangehörigkeit der zu überprüfenden Personen sowie bekannt gewordene Aliasnamen.

Ist eine Überprüfung in Eilfällen, beispielsweise bei kurzfristig notwendigen Reparaturarbeiten, nicht möglich, hat eine entsprechende Beaufsichtigung der Person bei der Tätigkeit in der Anstalt zu erfolgen. Die Vorschriften des Hessischen Sicherheitsüberprüfungs- und Verschlusssachengesetzes vom 19. Dezember 2014 (GVBl. S. 364), geändert durch Gesetz vom 11. Dezember 2019 (GVBl. S. 406), in seiner jeweils geltenden Fassung bleiben unberührt.

(2) Abgesehen von den Fällen des § 25 Abs. 3 und 4 darf die Anstalt auch bei Personen, die die Kontaktaufnahme zu von Untersuchungsgefangenen oder zum Besuch der Anstalt begehren, zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt mit ihrer Einwilligung eine Zuverlässigkeitsüberprüfung vornehmen. Abs. 1 Satz 3 gilt entsprechend; hierbei teilt die Anstalt den in Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 genannten Behörden auch mit, dass und zu welchen Untersuchungsgefangenen die Person die Kontaktaufnahme begehrt.

(3) Werden der Anstalt sicherheitsrelevante Erkenntnisse bekannt, wird die betroffene Person nicht oder nur unter Beschränkungen zu der Tätigkeit oder dem Besuch zugelassen. Gleiches gilt, wenn die betroffene Person eine Einwilligung in eine Zuverlässigkeitsüberprüfung verweigert. Sicherheitsrelevant sind insbesondere Erkenntnisse über

  1. strafrechtliche Verurteilungen,
  2. Vorinhaftierungen,
  3. eine bestehende Suchtproblematik,
  4. extremistische oder gewaltorientierte Einstellungen oder Verhaltensweisen sowie
  5. Kontakte zu extremistischen oder gewaltorientierten Organisationen, Gruppierungen oder Personen oder zur organisierten Kriminalität.

(4) Personen nach Abs. 1 und 2 sind über die Benachrichtigung nach § 51 des Hessischen Datenschutz- und Informationsfreiheitsgesetzes hinaus über den Anlass der Zuverlässigkeitsprüfung, ihren möglichen Umfang nach Abs. 1 und 2 und über die Rechtsfolgen nach Abs. 3 mit der Einwilligungsanfrage zu belehren.

(5) Im Rahmen der Überprüfung bekannt gewordene Daten dürfen, soweit nicht aufgrund einer anderen gesetzlichen Vorschrift ihre Übermittlung gestattet oder vorgeschrieben ist, mit Ausnahme des für die Überprüfung einer Entscheidung nach Abs. 3 zuständigen Gerichts nicht an Dritte übermittelt werden.

(6) Die Zuverlässigkeitsüberprüfung ist in der Regel nach Ablauf einer Frist von einem Jahr wiederholen, sofern ihre Erforderlichkeit nach Abs. 1 Satz 1 weiter besteht. Sie kann zudem wiederholt werden, wenn neue sicherheitsrelevante Erkenntnisse dies nahelegen.

§ 54b Überprüfung von Untersuchungsgefangenen, Fallkonferenzen 20

(1) Wenn dies zur Abwehr von einer von Untersuchungsgefangenen ausgehenden Gefährdung für die Sicherheit oder Ordnung einer Anstalt erforderlich ist, prüft die Vollzugsbehörde im Einzelfall, ob sicherheitsrelevante Erkenntnisse im Sinne von § 54a Abs. 3 Satz 3 über Untersuchungsgefangene vorliegen, sofern tatsächliche Anhaltspunkte für solche Erkenntnisse und eine entsprechende Gefährdung vorhanden sind. Hierzu darf sie neben den in § 54a Abs. 1 Satz 3 genannten Maßnahmen auch sicherheitsrelevante Erkenntnisse anderer Justizvollzugsbehörden in Hessen und den übrigen Ländern abfragen.

(2) Über § 54a Abs. 1 Satz 3 hinaus sollen die voraussichtliche Dauer des Vollzugs von Untersuchungshaft sowie das Aktenzeichen der der Untersuchungshaft zugrundeliegenden Entscheidung mitgeteilt werden.

(3) Im Rahmen der Anfrage mitgeteilte sicherheitsrelevante Erkenntnisse sind als gesonderter Teil der Gefangenenpersonalakte zu führen.

(4) Die Verarbeitungs- und Übermittlungsbefugnis für personenbezogene Daten über Untersuchungsgefangene zur Aufrechterhaltung der Sicherheit der Anstalt schließt die Verarbeitungsbefugnis zum Zwecke der Gestaltung des Vollzuges der Untersuchungshaft ein.

(5) Die Anstalt und die Aufsichtsbehörde dürfen personenbezogene Daten, die sie zulässig erhoben haben, im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften zur Übermittlung personenbezogener Daten und innerhalb deren Zuständigkeit der jeweiligen Behörden

  1. mit den Justiz- und Polizeibehörden des Bundes und der Länder in Fallkonferenzen austauschen, wenn
    1. tatsächliche Anhaltspunkte für die nach einer Entlassung fortdauernde erhebliche Gefährlichkeit von Untersuchungsgefangenen für die Allgemeinheit vorliegen und
    2. dies zur Bekämpfung von Straftaten von erheblicher Bedeutung im Sinne von § 13 Abs. 3 Satz 1 des Hessischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung in seiner jeweils geltenden Fassung erforderlich ist,
  2. mit den Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder in Fallkonferenzen austauschen, wenn
    1. bestimmte Tatsachen den Verdacht für Bestrebungen im Sinne von § 2 Abs. 2 des Hessischen Verfassungsschutzgesetzes in seiner jeweils geltenden Fassung begründen und
    2. eine damit im Zusammenhang stehende Gefahr für die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt oder die Erfüllung der Aufgabe des Untersuchungshaftvollzugs in einem übersehbaren Zeitraum einzutreten droht und dies zur Verhütung dieser Gefahren erforderlich ist oder
  3. behördenübergreifend mit den Justiz-, Polizei- und Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder in Fallkonferenzen austauschen, wenn
    1. bestimmte Tatsachen den Verdacht für Bestrebungen im Sinne von § 2 Abs. 2 des Hessischen Verfassungsschutzgesetzes in seiner jeweils geltenden Fassung begründen und
    2. bestimmte Tatsachen die Annahme einer gegenwärtigen Gefahr für Leib, Leben, Gesundheit oder Freiheit von Personen oder für Sachen von bedeutendem Wert, deren Erhaltung im öffentlichen Interesse geboten ist, begründen und die Durchführung von Fallkonferenzen zur Verhütung dieser Gefahren erforderlich ist.

Besondere Kategorien personenbezogener Daten dürfen nur übermittelt werden, wenn dies unbedingt erforderlich ist. Der Datenaustausch nach anderen Bestimmungen dieses Gesetzes bleibt unberührt.

§ 55 Auslesen von Datenspeichern 18

Elektronische Datenspeicher sowie elektronische Geräte mit Datenspeicher, die ohne Erlaubnis in die Anstalt eingebracht wurden, dürfen auf schriftliche Anordnung der Anstaltsleitung ausgelesen werden, soweit konkrete Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass dies für die Erfüllung von Ziel und Aufgabe des Vollzugs der Untersuchungshaft, insbesondere zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt, unbedingt erforderlich ist. Die Gründe sind in der Anordnung festzuhalten. Sind die Betroffenen bekannt, sind ihnen die Gründe vor dem Auslesen mitzuteilen. Die Untersuchungsgefangenen sind bei der Aufnahme über die Möglichkeit des Auslesens von nicht gestatteten Datenspeichern zu belehren.

§ 56 Zweckbindung und Übermittlung 15 18 20

(1) Personenbezogene Daten dürfen zu Zwecken, für die sie nicht erhoben oder gespeichert worden sind, nur verarbeitet, insbesondere übermittelt werden, wenn ein Fall der §§ 20 bis 27 und 44 bis 45 des Hessischen Datenschutz- und Informationsfreiheitsgesetzes vorliegt, insbesondere soweit dies

  1. zu den in § 40 des Hessischen Datenschutz- und Informationsfreiheitsgesetzes genannten Zwecken,
  2. in gerichtlichen Verfahren wegen Maßnahmen nach diesem Gesetz,
  3. für Maßnahmen der Gerichtshilfe, Bewährungshilfe oder Führungsaufsicht,
  4. zur Vorbereitung und Durchführung von Maßnahmen der Entlassungsvorbereitung und Nachsorge,
  5. für Entscheidungen in Gnadensachen,
  6. für sozialrechtliche Maßnahmen,
  7. für die Einleitung von Hilfsmaßnahmen für Angehörige der Untersuchungsgefangenen (§ 11 Abs. 1 Nr. 1 des Strafgesetzbuchs),
  8. für dienstliche Maßnahmen der Bundeswehr im Zusammenhang mit der Aufnahme und Entlassung von Soldaten,
  9. für ausländerrechtliche Maßnahmen,
  10. für die Durchführung der Besteuerung,
  11. zur Ausübung von Aufsichts- und Kontrollbefugnissen sowie zu Ausbildungs- und Prüfungszwecken oder
  12. für gesetzlich angeordnete Statistiken der Rechtspflege

erforderlich und bei besonderen Kategorien personenbezogener Daten nach § 41 Nr. 15 des Hessischen Datenschutz- und Informationsfreiheitsgesetzes unbedingt erforderlich ist.

(2) Bei der Überwachung der Besuche, der Telekommunikation oder des Schriftwechsels sowie bei der Überwachung des Inhalts von Paketen und dem Auslesen von Datenspeichern bekannt gewordene personenbezogene Daten dürfen über ihre Erhebung oder Speicherung hinaus nur verarbeitet, insbesondere übermittelt werden, wenn dies

  1. nach Abs. 1 Nr. 1 oder 2 zulässig ist,
  2. eine Rechtsvorschrift vorsieht, zwingend voraussetzt oder
  3. die Wahrung der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt, die Sicherung des Vollzugs der Untersuchungshaft oder die Umsetzung einer verfahrenssichernden Anordnung gebietet

und es unbedingt erforderlich ist. Daten nach Satz 1 sind hinsichtlich des Ursprungs ihrer Erhebung und Speicherung eindeutig zu kennzeichnen. § 4 Abs. 3 Satz 2 des Hessischen Datenschutz- und Informationsfreiheitsgesetzes bleibt unberührt.

(3) Die Anstalt oder Aufsichtsbehörde kann auf Antrag mitteilen, ob sich jemand in Untersuchungshaft befindet sowie ob und wann die Entlassung voraussichtlich ansteht, soweit dies nach Abs. 1 zulässig ist. Die Untersuchungsgefangenen werden vor der Mitteilung gehört, es sei denn, es ist zu besorgen, dass dadurch die Verfolgung des Interesses der Antragsteller vereitelt oder wesentlich erschwert werden würde. Ist die Anhörung unterblieben, werden die betroffenen Untersuchungsgefangenen über die Mitteilung der Anstalt oder Aufsichtsbehörde nachträglich unterrichtet. Bei einer nicht nur vorläufigen Einstellung des Verfahrens, einer unanfechtbaren Ablehnung der Eröffnung des Hauptverfahrens oder einem rechtskräftigen Freispruch sind auf Antrag der betroffenen Untersuchungsgefangenen die Stellen, die eine Mitteilung nach Satz 1 erhalten haben, in Kenntnis zu setzen. Die betroffenen Untersuchungsgefangenen sind bei der Anhörung nach Satz 2 auf ihr Antragsrecht hinzuweisen.

(4) Akten mit personenbezogenen Daten dürfen nur anderen Anstalten, Aufsichtsbehörden, den für strafvollzugs-, strafvollstreckungs- und strafrechtliche Entscheidungen zuständigen Gerichten sowie den Strafvollstreckungs- und Strafverfolgungsbehörden überlassen werden; die Überlassung an andere öffentliche Stellen ist zulässig, soweit die Erteilung einer Auskunft einen unvertretbaren Aufwand erfordert oder nach Darlegung der die Akteneinsicht begehrenden Stellen für die Erfüllung der Aufgabe nicht ausreicht. Entsprechendes gilt für die Überlassung von Akten an die von der Vollzugsbehörde mit Gutachten beauftragten Personen oder Stellen.

(5) Von der Anstalt oder der Aufsichtsbehörde übermittelte personenbezogene Daten dürfen nur zu dem Zweck verarbeitet werden, zu dessen Erfüllung sie übermittelt worden sind. Der Empfänger darf die Daten für andere Zwecke nur verarbeiten, soweit sie ihm auch für diese Zwecke hätten übermittelt werden dürfen und wenn im Falle einer Übermittlung an nicht öffentliche Stellen die übermittelnde Vollzugsbehörde eingewilligt hat. Die Anstalt oder Aufsichtsbehörde hat den Empfänger auf die Zweckbindung nach Satz 1 hinzuweisen und für den Fall, dass die übermittelten Daten besondere Kategorien personenbezogener Daten nach § 41 Nr. 15 des Hessischen Datenschutz-Informationsfreiheitsgesetzes enthalten, auf diese Einstufung.

(6) Die Übermittlung von personenbezogenen Daten unterbleibt, soweit die in § 57 Abs. 2 und § 61 Abs. 4 und 7 geregelten Einschränkungen oder besondere gesetzliche Verwendungsregelungen entgegenstehen. Dies gilt nicht, wenn ein nach Abs. 1 Nr. 1 bis 3 zuständiges Gericht diese Daten anfordert oder dies zur Erfüllung der Aufgaben der in § 119 Abs. 4 Satz 2 Nr. 13 der Strafprozessordnung genannten Stelle im Rahmen eines Besuchs der Anstalt erforderlich ist.

(7) Die Verantwortung für die Zulässigkeit der Übermittlung trägt die übermittelnde Anstalt oder Aufsichtsbehörde. Erfolgt die Übermittlung auf Ersuchen einer öffentlichen Stelle, trägt diese die Verantwortung. In diesem Fall prüft die übermittelnde Anstalt oder Aufsichtsbehörde nur, ob das Übermittlungsersuchen im Rahmen der Aufgaben des Empfängers liegt und die Abs. 2 und 6 der Übermittlung nicht entgegenstehen, es sei denn, dass besonderer Anlass zur Prüfung der Zulässigkeit der Übermittlung besteht.

§ 57 Schutz besonderer Daten 13 18 20

(1) Besondere Kategorien personenbezogener Daten nach § 41 Nr. 15 des Hessischen Datenschutz- und Informationsfreiheitsgesetzes, insbesondere das religiöse oder weltanschauliche Bekenntnis von Untersuchungsgefangenen und personenbezogene Daten, die anlässlich ärztlicher Untersuchungen erhoben worden sind, dürfen in der Anstalt nicht allgemein kenntlich gemacht werden. Andere personenbezogene Daten über die Gefangenen dürfen innerhalb der Anstalt allgemein kenntlich gemacht werden, soweit dies für ein geordnetes Zusammenleben in der Anstalt erforderlich ist.

(2) Personenbezogene Daten, die in der Anstalt tätigen Personen im Sinne von § 203 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 6 des Strafgesetzbuchs von Untersuchungsgefangenen als Geheimnis anvertraut oder über Untersuchungsgefangene als Geheimnis sonst bekannt geworden sind, unterliegen auch gegenüber der Anstalt und der Aufsichtsbehörde der Schweigepflicht. Die in Satz 1 genannten Personen sind befugt und verpflichtet, diese Daten gegenüber der Anstaltsleitung zu offenbaren, soweit dies für die Sicherheit der Anstalt, zur Planung vollzuglicher Maßnahmen oder zur Abwehr von erheblichen Gefahren für Leben oder Gesundheit von Untersuchungsgefangenen oder Dritten unbedingt erforderlich ist; dies gilt insbesondere dann, wenn eine gemeinsame Unterbringung, eine besondere Sicherungsmaßnahme oder eine Zwangsmaßnahme auf dem Gebiet der Gesundheitsfürsorge angeordnet oder beantragt werden soll oder ein meldepflichtiger Fall nach § 6 Abs. 1 des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen vorliegt. Eine Befugnis zur Offenbarung besteht auch, soweit es die Feststellung betrifft, ob Untersuchungsgefangene fähig sind, an bestimmten vollzuglichen Maßnahmen teilzunehmen.

(3) In Abs. 2 gelten Satz 2 und 3 entsprechend für die in § 203 Abs. 1 Nr. 1, 2, 4 und 6 des Strafgesetzbuchs genannten Personen außerhalb des Vollzugs, die mit der Untersuchung, Behandlung oder Betreuung von Untersuchungsgefangenen beauftragt wurden, mit der Maßgabe, dass die vorgenannten Personen lediglich zu einer Offenbarung befugt sind.

(4) Die Untersuchungsgefangenen sind bei der Aufnahme über die nach Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 bestehenden Offenbarungsbefugnisse und Offenbarungspflichten zu unterrichten.

(5) Die nach Abs. 2 und 3 offenbarten Daten dürfen nur für den Zweck, für den sie offenbart wurden oder für den eine Offenbarung zulässig gewesen wäre, und in dem hierfür unbedingt erforderlichen Umfang verarbeitet werden.

§ 58 Abruf durch die Aufsichtsbehörde, gemeinsame Datei, Einrichtung automatisierter Übermittlungs- und Abrufverfahren 18 20

(1) Zur Erfüllung ihrer Aufgaben kann die Aufsichtsbehörde Daten, die in der Anstalt gespeichert sind, abrufen.

(2) Daten über die persönlichen Verhältnisse der Untersuchungsgefangenen, Vollstreckungsdaten, Daten zum Vollzugsverlauf und sicherheitsrelevante Daten können in einer von der Aufsichtsbehörde eingerichteten und geführten gemeinsamen Datei gespeichert werden. Die Aufsichtsbehörde darf diese Daten, soweit erforderlich, verwenden zur übergeordneten Planung, zur Sicherung der Qualität des Vollzugs oder zur Durchführung von Einzelmaßnahmen. Für die Anstalten sind die Daten Teil der jeweiligen Gefangenenpersonalakte. Eingabe, Änderung und Löschung der Daten erfolgt jeweils durch die Anstalt, die für die Untersuchungsgefangene oder den Untersuchungsgefangenen zuständig ist. Die Übermittlung und der Abruf personenbezogener Daten aus dieser Datei zu den in § 56 Abs. 1 genannten Zwecken sind zulässig, soweit diese Form der Datenübermittlung oder des Datenabrufs unter Berücksichtigung der schutzwürdigen Belange der betroffenen Personen und der Erfüllung des Zwecks der Übermittlung angemessen ist.

(3) Für die Ausgestaltung des Verfahrens nach Abs. 2 gilt § 58 des Hessischen Datenschutz- und Informationsfreiheitsgesetzes.

(4) Zur Überprüfung von Untersuchungsgefangenen nach § 54b Abs. 1 darf zwischen den Justizvollzugsbehörden in Hessen und den übrigen Ländern ein automatisiertes Verfahren zum Abruf von

  1. Nachnamen, Geburtsnamen, Vornamen, Geburtsdatum, Geschlecht, Geburtsort, Geburtsland und Staatsangehörigkeit der zu überprüfenden Untersuchungsgefangenen sowie bekannt gewordene Aliasnamen der Untersuchungsgefangenen,
  2. Vorinhaftierungen der Untersuchungsgefangenen und
  3. Informationen darüber, ob weitere sicherheitsrelevante Erkenntnisse zu den Untersuchungsgefangenen vorliegen

für eine anschließende Anfrage und Übermittlung personenbezogener Daten im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften im Einzelfall bei den Justizvollzugsbehörden eingerichtet werden; die oder der Hessische Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit ist vor der Einrichtung oder wesentlichen Änderung des automatisierten Verfahrens anzuhören. Durch Staatsvertrag kann im Übrigen mit anderen Ländern und dem Bund ein automatisierter Datenverbund nach Maßgabe der Abs. 2 und 3 eingerichtet werden.

§ 59 Datensicherung 18

(1) Mit der Datenverarbeitung befasste Personen dürfen personenbezogene Daten nicht unbefugt verarbeiten. Sie sind über die bei ihrer Tätigkeit zu beachtenden Vorschriften über den Datenschutz zu unterrichten. Auf die besonderen Anforderungen bei der Verarbeitung von Daten, die aus Videoüberwachung oder aus Maßnahmen im Sinne von § 56 Abs. 2, § 57 Abs. 1 und 2 stammen oder besondere Kategorien personenbezogener Daten nach § 41 Nr. 15 des Hessischen Datenschutz- und Informationsfreiheitsgesetzes oder den Kernbereich privater Lebensgestaltung betreffen, sind sie gesondert hinzuweisen. Das Datengeheimnis besteht auch nach der Beendigung der Tätigkeit fort.

(2) Akten und Dateien mit personenbezogenen Daten sind nach Maßgabe des § 59 des Hessischen Datenschutz- und Informationsfreiheitsgesetzes durch technische und organisatorische Maßnahmen gegen unbefugten Zugriff zu schützen. Gefangenenpersonalakten, Gesundheitsakten, Krankenblätter und sonstige in § 57 Abs. 2 und 3 aufgeführte personenbezogene Daten sind getrennt von anderen Unterlagen zu führen und besonders zu sichern.

§ 60 Information und Auskunft an die Betroffenen, Akteneinsicht 18

Die Betroffenen erhalten Auskunft und Information hinsichtlich der zu ihrer Person verarbeiteten Daten nach Maßgabe der §§ 50 bis 52 des Hessischen Datenschutz- und Informationsfreiheitsgesetzes, soweit die Datenverarbeitung zu den in § 40 des Hessischen Datenschutz- und Informationsfreiheitsgesetzes genannten Zwecken erfolgt; im Übrigen nach Maßgabe der §§ 31 bis 33 des Hessischen Datenschutz- und Informationsfreiheitsgesetzes. Soweit dies zur Wahrnehmung rechtlicher Interessen erforderlich ist, wird dem Betroffenen Akteneinsicht gewährt.

§ 61 Berichtigung, Einschränkung der Verarbeitung und Löschung 13 18 20

(1) Personenbezogene Daten sind nach Maßgabe der §§ 53 und 70 des Hessischen Datenschutz- und Informationsfreiheitsgesetzes zu berichtigen, zu löschen oder in der Verarbeitung einzuschränken, soweit sie zu den in § 40 des Hessischen Datenschutz- und Informationsfreiheitsgesetzes genannten Zwecken verarbeitet wurden und in den nachfolgenden Absätzen keine besonderen Regelungen getroffen sind; im Übrigen gilt § 34 des Hessischen Datenschutz- und Informationsfreiheitsgesetzes.

(2) Personenbezogene Daten, die durch den Einsatz eines elektronischen Überwachungssystems erhoben wurden oder hierbei angefallen sind, sind nach Beendigung der Maßnahme unverzüglich, Videoaufnahmen, Aufnahmen mittels Bild- und Tonübertragung oder Ergebnisse von Maßnahmen nach § 55 spätestens 72 Stunden nach Ende des Kalendertages, an dem sie angefallen sind, zu löschen, soweit nicht zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Löschung die weitere Aufbewahrung bei Einschränkung der Verarbeitung zu konkreten Beweiszwecken unbedingt erforderlich ist. Sind personenbezogene Daten entgegen § 54 Abs. 1 Satz 3 verarbeitet worden, sind diese unverzüglich, spätestens 24 Stunden nach Ende des Kalendertages, an dem sie angefallen sind, zu löschen. Die Tatsache der Löschung nach Satz 1 und 2 ist zu dokumentieren; die Dokumentation darf ausschließlich zu Zwecken der Datenschutzkontrolle verwendet werden und ist zu löschen, wenn sie für diese Zwecke nicht mehr erforderlich ist, spätestens jedoch am Ende des Kalenderjahres, das dem Jahr der Dokumentation folgt.

(3) Personenbezogene Daten, die in der Gefangenenpersonalakte oder in anderen zur Person der Untersuchungsgefangenen geführten Dateien und Akten gespeichert sind, sind spätestens zwei Jahre nach der Entlassung oder der Verlegung in eine andere Anstalt zu löschen; personenbezogene Daten, die gemäß § 54b Abs. 3 als besonderer Teil der Gefangenenpersonalakte geführt werden, sind, sofern ihre Speicherung nicht mehr erforderlich ist, unverzüglich, spätestens nach Ablauf von zwei Jahren ab ihrer Erhebung zu löschen. Sonstige personenbezogene Daten, die in anderen Dateien und Akten gespeichert sind, sind, sofern ihre Speicherung nicht mehr erforderlich ist, unverzüglich, spätestens nach Ablauf von fünf Jahren ab ihrer Erhebung zu löschen.

(4) Eine Löschung personenbezogener Daten unterbleibt, soweit und solange ihre Speicherung bei Einschränkung ihrer Verarbeitung nach

  1. § 53 des Hessischen Datenschutz- und Informationsfreiheitsgesetzes, insbesondere aufgrund ärztlicher Dokumentationspflichten, oder
  2. § 34 des Hessischen Datenschutz- und Informationsfreiheitsgesetzes

erfolgt. In ihrer Verarbeitung eingeschränkte Daten sind besonders zu kennzeichnen und dürfen außer bei Einwilligung der Betroffenen nur zu dem Zweck verarbeitet, insbesondere übermittelt werden, der ihrer Löschung entgegenstand. Die Einschränkung der Verarbeitung endet, wenn Untersuchungsgefangene erneut zum Vollzug einer Freiheitsentziehung aufgenommen werden oder die Betroffenen eingewilligt haben. Bei den in der Verarbeitung eingeschränkten personenbezogenen Daten können bis zum Ablauf der Aufbewahrungsfrist für die Gefangenenpersonalakten oder anderer zur Person der Untersuchungsgefangenen geführten Dateien oder Akten die Angaben über Familienname, Vorname, Geburtsname, Geburtstag, Geburtsort, Eintritts- und Austrittsdatum gespeichert werden, soweit dies für das Auffinden dieser Dateien oder Akten erforderlich ist.

(5) Die Erforderlichkeit der Löschung, auch bei in der Verarbeitung eingeschränkten personenbezogenen Daten, ist jährlich zu kontrollieren. Die Frist zur Kontrolle personenbezogener Daten, die in der Gefangenenpersonalakte oder in anderen zur Person der Gefangenen geführten Dateien und Akten gespeichert sind, beginnt mit der Entlassung oder Verlegung des Gefangenen in eine andere Anstalt, in sonstigen Fällen mit Erhebung der personenbezogenen Daten.

(6) Erhält die Anstalt von einer nicht nur vorläufigen Einstellung des Verfahrens, einer unanfechtbaren Ablehnung der Eröffnung des Hauptverfahrens oder einem rechtskräftigen Freispruch Kenntnis, so tritt an die Stelle der in Abs. 3 Satz 1 und der in Abs. 5 Satz 2 genannten Fristen zur Kontrolle personenbezogener Daten, die in der Gefangenenpersonalakte oder in anderen zur Person der Gefangenen geführten Dateien und Akten gespeichert sind, eine Frist von einem Monat ab Kenntniserlangung.

(7) Folgende Aufbewahrungsfristen von Dateien und Akten, soweit diese in der Verarbeitung eingeschränkt sind, dürfen nicht überschritten werden:

  1. 20 Jahre bei Daten aus Gefangenenpersonalakten, Gesundheitsakten und Krankenblättern,
  2. 30 Jahre bei Daten aus Gefangenenbüchern.

Dies gilt nicht, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Aufbewahrung für die in Abs. 4 genannten Zwecke weiterhin erforderlich ist. Die Aufbewahrungsfrist beginnt mit dem auf das Jahr der Weglegung folgenden Kalenderjahr. Die Vorschriften des Hessischen Archivgesetzes vom 26. November 2012 (GVBl. S. 458), geändert durch Gesetz vom 5. Oktober 2017 (GVBl. S. 294), in seiner jeweils geltenden Fassung bleiben unberührt.

Dreizehnter Abschnitt
Anstalten

§ 62 Vollstreckungsplan, Trennungsgrundsätze 20

(1) Die örtliche und sachliche Zuständigkeit der Anstalten wird im Vollstreckungsplan durch die Aufsichtsbehörde nach allgemeinen Merkmalen geregelt.

(2) Untersuchungsgefangene werden von Gefangenen anderer Haftarten, namentlich von Strafgefangenen, getrennt untergebracht. Ausnahmen sind zulässig

  1. mit Zustimmung der einzelnen Untersuchungsgefangenen,
  2. zur Umsetzung einer verfahrenssichernden Anordnung,
  3. aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt oder
  4. wenn die geringe Anzahl der Untersuchungsgefangenen eine getrennte Unterbringung nicht zulässt.

(3) Junge Untersuchungsgefangene werden von den übrigen Untersuchungsgefangenen und von Gefangenen anderer Haftarten getrennt untergebracht. Hiervon kann aus den in Abs. 2 genannten Gründen abgewichen werden, wenn eine Vollzugsgestaltung nach den §§ 43 bis 53 gewährleistet bleibt und schädliche Einflüsse auf die jungen Untersuchungsgefangenen nicht zu befürchten sind.

(4) Gemeinsame Maßnahmen, insbesondere gemeinsame Arbeit und eine gemeinsame Berufs- und Schulausbildung, sind zulässig.

(5) Männliche und weibliche Untersuchungsgefangene werden getrennt untergebracht. Bei Personen, die sich weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen lassen oder wenn die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt dies erfordern, erfolgt die Unterbringung unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles.

§ 63 Belegungsfähigkeit, Räume

(1) Die Aufsichtsbehörde setzt die Belegungsfähigkeit für jede Anstalt fest. Dabei ist zu berücksichtigen, dass eine ausreichende Anzahl von Plätzen für Arbeit und Bildung sowie von Räumen für Seelsorge, Freizeit, Sport und Besuche zur Verfügung steht.

(2) Hafträume dürfen nicht mit mehr Personen als vorgesehen belegt werden. Ausnahmen hiervon sind nur vorübergehend und nur mit Zustimmung der Aufsichtsbehörde zulässig.

(3) Räume für den Aufenthalt während der Ruhe- und Freizeit sowie Gemeinschafts- und Besuchsräume müssen eine hinreichende Grundfläche und lichte Höhe haben und ausreichend mit Heizung, Lüftung und Fensterfläche ausgestattet sein. Sie sind zweckentsprechend auszugestalten.

§ 64 Arbeitsbetriebe, Einrichtungen zur Bildung und Beschäftigung

(1) In den Anstalten sollen Arbeitsbetriebe und Einrichtungen zur beruflichen und schulischen Bildung sowie zur arbeitstherapeutischen Beschäftigung vorgehalten werden.

(2) Bildung und Beschäftigung können auch durch nicht staatliche Stellen organisiert und durchgeführt werden.

§ 65 Unterbringung von Untersuchungsgefangenen mit Kindern

(1) Nicht schulpflichtige Kinder von Untersuchungsgefangenen können mit Einwilligung der Inhaberin oder des Inhabers des Aufenthaltbestimmungsrechts mit ihnen gemeinsam in einer Justizvollzugsanstalt untergebracht werden, wenn dies dem Kindeswohl entspricht. Vor der Unterbringung ist das Jugendamt zu hören.

(2) Die Unterbringung erfolgt auf Kosten der für das Kind Unterhaltspflichtigen. Von der Geltendmachung des Kostenersatzanspruchs kann abgesehen werden, wenn hierdurch die gemeinsame Unterbringung gefährdet würde.

§ 66 Anstaltsleitung 15

(1) Die Anstaltsleitung (Anstaltsleiterin oder Anstaltsleiter) vertritt die Anstalt nach außen und trägt die Verantwortung für den gesamten Vollzug. Sie kann bestimmte Entscheidungsbefugnisse auf andere Vollzugsbedienstete oder andere Vollzugsbehörden übertragen. Die Aufsichtsbehörde kann sich die Zustimmung zur Übertragung vorbehalten.

(2) Für jede Anstalt ist eine Beamtin oder ein Beamter des höheren Dienstes zur hauptamtlichen Leitung zu bestellen. Aus besonderen Gründen kann eine Anstalt auch von einer Beamtin oder einem Beamten des gehobenen Dienstes geleitet werden.

§ 67 Vollzugsbedienstete 15

(1) Die Aufgaben der Anstalt werden von Vollzugsbeamtinnen und Vollzugsbeamten wahrgenommen. Aus besonderen Gründen können sie auch anderen Bediensteten sowie nebenamtlich bestellten oder vertraglich verpflichteten Personen übertragen werden. Nicht hoheitliche Aufgaben können vertraglich verpflichteten Personen übertragen werden.

(2) Die Anstalten werden mit dem für den Vollzug der Untersuchungshaft erforderlichen Personal ausgestattet. Fortbildungen und, soweit es die Aufgabe erfordert, auch Praxisberatung und Begleitung für die Bediensteten werden regelmäßig durchgeführt.

(3) Alle im Untersuchungshaftvollzug Tätigen arbeiten zusammen und wirken daran mit, dessen Aufgaben zu erfüllen.

(4) Das Personal für den Vollzug der Untersuchungshaft an jungen Untersuchungsgefangenen muss für dessen erzieherische Gestaltung persönlich geeignet und fachlich qualifiziert sein. Die Bediensteten werden den Abteilungen und Wohngruppen sowie den Ausbildungs- und Arbeitsstätten zugeordnet. Eine erzieherische Betreuung in den Wohngruppen soll auch in der ausbildungs- und arbeitsfreien Zeit der jungen Untersuchungsgefangenen in dem erforderlichen Umfang gewährleistet werden.

§ 68 Seelsorgerinnen und Seelsorger

(1) Die Seelsorgerin oder der Seelsorger wird im Einvernehmen mit der Religionsgemeinschaft im Hauptamt bestellt oder vertraglich verpflichtet.

(2) Wenn die geringe Zahl der Angehörigen einer Religionsgemeinschaft eine Seelsorge nach Abs. 1 nicht rechtfertigt, ist die seelsorgerische Betreuung auf andere Weise zu ermöglichen.

(3) Mit Zustimmung der Anstaltsleitung kann sich die Anstaltsseelsorge außenstehender Personen bedienen und sie insbesondere zur Mitwirkung an Gottesdiensten und anderen religiösen Veranstaltungen hinzuziehen.

§ 69 Mitwirkung der Untersuchungsgefangenen

Den Untersuchungsgefangenen soll ermöglicht werden, an sie gemeinsam betreffenden Angelegenheiten der Anstalt mitzuwirken. Sie können hierzu Vorschläge und Anregungen an die Anstaltsleitung herantragen.

§ 70 Hausordnung

(1) Die Anstaltsleitung erlässt eine Hausordnung.

(2) In die Hausordnung sind insbesondere Regelungen aufzunehmen über Besuchszeit, Häufigkeit und Dauer des Besuchs sowie Ausbildungs- und Arbeitszeit, Freizeit und Ruhezeit.

Vierzehnter Abschnitt
Aufsicht über die Anstalten, Beiräte

§ 71 Aufsichtsbehörde 13 20

(1) Die Aufsicht über die Anstalten führt das Hessische Ministerium der Justiz.

(2) Die Aufsichtsbehörde bestimmt die Leitlinien des Vollzugs und sorgt in Zusammenarbeit mit den Anstalten für die Qualitätssicherung.

(3) Soweit sich die Aufsichtsbehörde zur Ausübung der Fachaufsicht fachlicher Beratung bedient, findet § 56 Abs. 6 keine Anwendung, soweit dieser die Weitergabe von Daten nach § 57 Abs. 2 ausschließt.

§ 72 Beiräte

(1) Bei den Anstalten sind ehrenamtliche Beiräte zu bilden. Vollzugsbedienstete dürfen nicht Mitglieder der Beiräte sein. Die für Strafvollstreckungs- und Strafvollzugsrecht zuständige Ministerin oder der hierfür zuständige Minister wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung die Bestellung, die Amtszeit und die Abberufung der Mitglieder zu regeln.

(2) Der Beirat wirkt bei der Gestaltung des Vollzugs und bei der Betreuung der Untersuchungsgefangenen mit. Er unterstützt die Anstaltsleitung durch Anregungen.

(3) Der Beirat kann insbesondere Wünsche, Anregungen und Beanstandungen entgegennehmen. Er kann sich über die Unterbringung, Verpflegung, ärztliche Versorgung, Betreuung, Bildung sowie Beschäftigung unterrichten. Hierzu können die Mitglieder des Beirats die Anstalt und ihre Einrichtungen besichtigen und die Untersuchungsgefangenen in ihren Räumen aufsuchen.

(4) Die Mitglieder des Beirats sind, auch nach Beendigung ihrer Tätigkeit, verpflichtet, über alle im Rahmen ihrer Tätigkeit bekannt gewordenen Angelegenheiten Verschwiegenheit zu bewahren. Dies gilt nicht für Mitteilungen, die zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlich sind, oder über Tatsachen, die offenkundig sind oder ihrer Bedeutung nach keiner Geheimhaltung bedürfen.

Fünfzehnter Abschnitt
Schlussvorschriften

§ 73 Einschränkung von Grundrechten 20

Aufgrund dieses Gesetzes können eingeschränkt werden die Grundrechte auf

  1. die körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes und Art. 3 der Verfassung des Landes Hessen),
  2. die Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 des Grundgesetzes und Art. 5 der Verfassung des Landes Hessen),
  3. das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis (Art. 10 Abs. 1 des Grundgesetzes und Art. 12 der Verfassung des Landes Hessen)
  4. das Elternrecht (Art. 6 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes und Art. 4 der Verfassung des Landes Hessen) sowie
  5. die informationelle Selbstbestimmung (Art. 12a der Verfassung des Landes Hessen).

§ 74 Inkrafttreten 15 20

Dieses Gesetz tritt am ersten Tag des vierten Monats, der auf die Verkündung folgt, in Kraft.

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