Druck- und LokalversionFür einen individuellen Ausdruck passen Sie bitte die
Einstellungen in der Druckvorschau Ihres Browsers an.
Regelwerk, Allgemeines, Sanktionen
Frame öffnen

MVollzG - Niedersächsisches Maßregelvollzugsgesetz
- Niedersachsen -

Vom 1. Juni 1982
(Nds. GVBl. 1982 S. 131; 17.12.1991 S. 367; 25.01.2007 S. 51; 10.06.2010 S. 249 10; 12.05.2015 S. 82 15; 16.05.2018 S. 66 18; 20.05.2019 S. 88 19; 17.12.2019 S. 418 19; 23.02.2022 S. 134 22; 15.05.2024 Nr. 36 24)
Gl.-Nr.: 34140 01




Der Niedersächsische Landtag hat das folgende Gesetz beschlossen, das hiermit verkündet wird:

Erster Teil
Anwendungsbereich, Grundsätze, Organisation

§ 1 Anwendungsbereich

Dieses Gesetz regelt den Vollzug der durch strafrichterliche Entscheidung angeordneten freiheitsentziehenden Maßregeln der Besserung und Sicherung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt (Unterbringung).

§ 2 Grundsätze 15

(1) Ziel einer Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus ist es, die untergebrachte Person soweit wie möglich zu heilen oder ihren Zustand so weit zu bessern, dass sie nicht mehr gefährlich ist. Ziel einer Unterbringung in einer Entziehungsanstalt ist es, die untergebrachte Person von ihrem Hang zu heilen und die zugrundeliegende Fehlhaltung zu beheben. Beide Maßregeln dienen zugleich dem Schutz der Allgemeinheit.

(2) Der Vollzug soll den allgemeinen Lebensverhältnissen soweit wie möglich angeglichen werden und die untergebrachte Person auf eine selbständige Lebensführung vorbereiten. Ihre familiäre, soziale und berufliche Eingliederung soll gefördert werden.

(3) Die untergebrachte Person wird unverzüglich über ihre Rechte und Pflichten unterrichtet. Hat sie eine gesetzliche oder rechtsgeschäftliche Vertreterin oder einen gesetzlichen oder rechtsgeschäftlichen Vertreter, so soll diese oder dieser Gelegenheit erhalten, an der Unterrichtung teilzunehmen.

§ 3 Einrichtungen des Maßregelvollzuges 15 19 24

(1) Die Maßregeln werden in psychiatrischen Krankenhäusern und Entziehungsanstalten als Einrichtungen des Landes vollzogen. Das Fachministerium kann den Vollzug von Maßregeln einer juristischen Person des öffentlichen Rechts oder im Wege der Beleihung einer juristischen Person des Privatrechts oder einer Kommanditgesellschaft als Träger einer entsprechenden Einrichtung mit deren Zustimmung durch Verwaltungsakt unter dem Vorbehalt des Widerrufs oder durch öffentlich-rechtlichen Vertrag mit dem Recht zur Kündigung übertragen. Das Fachministerium hat öffentlich bekannt zu machen, auf wen und in welchem Umfang der Vollzug von Maßregeln übertragen worden ist. Von der Übertragung auf eine juristische Person des Privatrechts oder eine Kommanditgesellschaft sind ausgeschlossen

  1. die Aufgaben der Vollzugsleitung,
  2. die Entscheidung über die Einweisung oder Verlegung in den offenen Vollzug (§ 5 Abs. 4),
  3. die Durchführung von Aufnahmeuntersuchungen (§ 6),
  4. die Aufstellung, Anpassung und Erörterung des Behandlungs- und Eingliederungsplans (§ 7),
  5. die Entscheidung über Ansprüche auf Behandlung (§ 8 Abs. 1 und 2),
  6. die Anordnung der Behandlung oder Untersuchung gegen den natürlichen Willen der untergebrachten Person zur Erreichung des Vollzugsziels (§ 8a),
  7. die Anordnung einer Behandlung oder Untersuchung ohne Einwilligung oder gegen den natürlichen Willen einer untergebrachten Person zur Abwehr einer erheblichen Gefahr für das Leben oder die Gesundheit der untergebrachten oder einer anderen Person sowie die Anordnung einer zwangsweisen Untersuchung zum Gesundheits- oder Hygieneschutz (§ 8b),
  8. die Entscheidung über die Berücksichtigung des Bedürfnisses nach Seelsorge bei Beschränkungen (§ 10 Abs. 1),
  9. die Entscheidung über die Beschränkung der freien Verfügung über das Taschengeld (§ 11 Satz 2),
  10. die Entscheidung über die Bildung von Überbrückungsgeld (§ 12 Abs. 3 Satz 1),
  11. die Entscheidung zur Verfügung über Eigengeld (§ 13 Abs. 1 Satz 2),
  12. die Entscheidung über die Gewährung und Gestaltung von Lockerungen des Vollzuges und von Urlaub (§ 15),
  13. die Entscheidung über die Anwendung unmittelbaren Zwangs (§ 18 Abs. 2),
  14. die Entscheidung über die Vorenthaltung oder den Entzug von Sachen sowie über die Beschränkung des Erwerbs und der Verwendung von Sachen (§ 19 Abs. 1),
  15. die Entscheidung über den Besitz, den Empfang, die Weitergabe und die Verwendung von Tonträgern (§ 19 Abs. 3),
  16. die Entscheidung über die Vernichtung oder Unbrauchbarmachung von Aufzeichnungen und anderen Sachen (§ 19 Abs. 5),
  17. die Entscheidung über die Einschränkung oder Untersagung von Besuchen einschließlich der Entscheidung über die Besucherinnen und Besucher und über die Überprüfung der von diesen mitgeführten Gegenstände (§ 20 Abs. 1),
  18. die Entscheidung über den Abbruch von Besuchen (§ 20 Abs. 2 Satz 2),
  19. die Entscheidung über die Speicherung der in § 20 Abs. 3 genannten Daten,
  20. die Entscheidung über die Überwachung und Beschränkung des Postverkehrs und der Telekommunikation, die Erteilung einer erforderlichen Nutzungsgestattung und deren Widerruf sowie die Entscheidung über die Beschränkung des Zugangs zu Hörfunk und Fernsehen (§ 21),
  21. die Entscheidung über die Verarbeitung der Erkenntnisse aus der Überwachung (§ 21a),
  22. die Anordnung von Durchsuchungen der Untergebrachten (§ 22),
  23. die Anordnung besonderer Sicherungsmaßnahmen (§ 23),
  24. die Anordnung der Fesselung der untergebrachten Person (§ 23a) und
  25. die Anordnung der Fixierung der untergebrachten Person (§ 23b).

(2) Die Einrichtungen sind so zu gliedern und auszustatten, daß eine auf die unterschiedlichen Anforderungen abgestimmte Behandlung ermöglicht und die Eingliederung der Untergebrachten gefördert wird. Es sind namentlich die Voraussetzungen für einen offenen und geschlossenen Vollzug sowie für eine gesonderte Behandlung Jugendlicher und Heranwachsender zu schaffen.

(3) Die Maßregeln können auf Grund besonderer Vereinbarungen auch in Einrichtungen außerhalb des Landes Niedersachsen vollzogen werden.

§ 3a Verwaltungsvollzugsbeamtinnen und Verwaltungsvollzugsbeamte, Aufsicht 10 22

(1) Soweit der Vollzug der Maßregeln im Wege der Beleihung übertragen worden ist, dürfen grundrechtseinschränkende Maßnahmen von Beschäftigten des Trägers nur angeordnet und vollzogen werden, wenn diese Beschäftigten über die erforderliche Sachkunde und Zuverlässigkeit verfügen und vom Fachministerium zu Verwaltungsvollzugsbeamtinnen oder Verwaltungsvollzugsbeamten bestellt worden sind. Das Fachministerium wird ermächtigt, durch Verordnung die Anforderungen an die erforderliche Sachkunde und Zuverlässigkeit, einschließlich der für die Prüfung notwendigen Nachweise, festzulegen sowie das Verfahren der Bestellung zu regeln; dabei können auch Berufsgruppen bestimmt werden, deren Angehörige die Anforderungen an die erforderliche Sachkunde in der Regel erfüllen. Die Bestellung erfolgt widerruflich. Die Verwaltungsvollzugsbeamtinnen und Verwaltungsvollzugsbeamten haben die den Beliehenen nach diesem Gesetz zustehenden Befugnisse.

(2) Das Fachministerium oder eine von ihm bestimmte Stelle darf personenbezogene Daten der Beschäftigten des Trägers verarbeiten, soweit dies zur Durchführung des Verfahrens der Bestellung erforderlich ist. Das Fachministerium oder eine von ihm bestimmte Stelle führt ein Verzeichnis der bestellten Verwaltungsvollzugsbeamtinnen und Verwaltungsvollzugsbeamten, in das folgende Daten eingetragen werden:

  1. Titel,
  2. Geschlecht,
  3. Vorname,
  4. Familien- und Geburtsname,
  5. Geburtsdatum,
  6. private Anschrift und Telefonnummer,
  7. Arbeitgeber und Arbeitsort,
  8. Berufsgruppe,
  9. Daten aus Nachweisen über die erforderliche Sachkunde und Zuverlässigkeit,
  10. Datum der Bestellung sowie Datum und Grund eines Widerrufs.

(3) Die Einrichtungen des Landes und die Träger der übrigen Einrichtungen unterliegen der Fachaufsicht des Fachministeriums. Im Rahmen der Fachaufsicht ist dem Fachministerium insbesondere Auskunft zu erteilen, Einsicht in Akten und sonstige Schriftstücke zu gewähren, Weisungen des Fachministeriums Folge zu leisten sowie dem Fachministerium und insbesondere den Mitgliedern der Besuchskommissionen (§ 24) jederzeit Zugang zu den Räumlichkeiten der Einrichtung zu gewähren.

(4) Im Fall der Übertragung nach § 3 Abs. 1 Satz 2 kann das Fachministerium anstelle und auf Kosten des Trägers der Einrichtung tätig werden oder Dritte tätig werden lassen, wenn der Träger eine Weisung innerhalb einer bestimmten Frist nicht befolgt. Das Fachministerium kann das Selbsteintrittsrecht nach Satz 1 auch durch Weisungen gegenüber den Bediensteten des Trägers in der Einrichtung ausüben.

§ 4 Zusammenarbeit der Einrichtungen

Die Einrichtungen sollen mit den Behörden, Stellen und Personen zusammenarbeiten, die das Ziel der Unterbringung fördern können. Die Einrichtungen untereinander sind zu kooperativem Zusammenwirken verpflichtet. In Zusammenarbeit mit den Einrichtungen der Forschung und Lehre sollen insbesondere die Behandlungsmethoden wissenschaftlich fortentwickelt und die Ergebnisse für die Zwecke des Maßregel- und Strafvollzuges nutzbar gemacht werden.

§ 5 Vollstreckungsplan, Einweisung und Verlegung 15

(1) Die örtliche und die sachliche Zuständigkeit der Einrichtungen sind in einem Vollstreckungsplan zu regeln und nach allgemeinen Merkmalen zu bestimmen.

(2) Die untergebrachte Person kann abweichend vom Vollstreckungsplan in eine andere für den Vollzug der jeweiligen Maßregel vorgesehene Einrichtung eingewiesen oder verlegt werden, wenn

  1. hierdurch die Behandlung der untergebrachten Person oder ihre Eingliederung gefördert wird,
  2. ihr Verhalten oder ihr Zustand eine Gefahr für die Sicherheit oder Ordnung in der Einrichtung, in der sie untergebracht ist, darstellt oder in erhöhtem Maße Fluchtgefahr besteht oder die andere Einrichtung zu ihrer sicheren Unterbringung besser geeignet ist oder
  3. dies aus Gründen der Vollzugsorganisation oder aus einem anderen wichtigen Grund erforderlich ist.

(3) Die untergebrachte Person kann in eine Einrichtung, die für Untergebrachte ihres Alters nicht vorgesehen ist, verlegt werden, wenn dies zu ihrer Behandlung notwendig ist. Die Behandlung der übrigen in dieser Einrichtung Untergebrachten darf dadurch nicht gefährdet werden.

(4) Eine untergebrachte Person kann in den offenen Vollzug eingewiesen oder verlegt werden, wenn zu erwarten ist, daß dadurch das Ziel der Unterbringung gefördert wird, und nicht zu befürchten ist, daß sie sich dem Vollzug entziehen oder die Möglichkeiten des offenen Vollzuges mißbrauchen wird.

(5) Die Regelungen nach Absatz 1 und die Entscheidungen nach den Absätzen 2 und 3 trifft das Fachministerium oder die von ihm bestimmte Stelle.

§ 5a Vollzugsleitung und Therapeutische Leitung 15 19 22 24

(1) Die Vollzugsleitung wird vom Fachministerium bestellt. Für die Vollzugsleitung sind Stellvertretungen in ausreichender Zahl zu bestimmen. Zur Vollzugsleitung bestellt wird eine Ärztin oder ein Arzt mit abgeschlossener psychiatrischer oder kinder- und jugendpsychiatrischer Weiterbildung.

(2) Stehen für eine Besetzung nach Absatz 1 Satz 3 keine Ärztinnen und Ärzte zur Verfügung, so kann zur Vollzugsleitung auch eine Psychologische Psychotherapeutin, ein Psychologischer Psychotherapeut, eine Psychologin oder ein Psychologe bestellt werden.

(3) Die Vollzugsleitung trägt die Verantwortung für den gesamten Vollzug in der Einrichtung, soweit Absatz 4 nicht für den Fall der Bestellung einer Therapeutischen Leitung hiervon abweichende Regelungen trifft. Die Vollzugsleitung ist auch gegenüber den Beschäftigten der nach § 3 Abs. 1 beliehenen Träger weisungsbefugt. Die Vollzugsleitung vertritt die Einrichtung in den ihr als Vollzugsbehörde obliegenden Angelegenheiten nach außen und regelt die Geschäftsverteilung in ihrem Zuständigkeitsbereich. Der Geschäftsverteilungsplan bedarf der Zustimmung des Fachministeriums.

(4) Ist die Vollzugsleitung nach Absatz 2 besetzt, so bestellt das Fachministerium zusätzlich eine Therapeutische Leitung und deren Stellvertretung. Diese müssen jeweils die Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 3 erfüllen. Der Therapeutischen Leitung obliegen anstelle der Vollzugsleitung die Aufgaben nach § 3 Abs. 1 Satz 4 Nrn. 3 bis 7 und 25 sowie nach § 8a Abs. 2 Satz 7; vor der jeweiligen Entscheidung hat sie das Benehmen mit der Vollzugsleitung herzustellen. Im Rahmen der Erfüllung ihrer Aufgaben gilt für die Therapeutische Leitung die Weisungsbefugnis nach Absatz 3 Satz 2 entsprechend. Die Vollzugsleitung hat vor ihren Entscheidungen nach § 3 Abs. 1 Satz 4 Nrn. 2, 8, 12, 17, 23 und 24 das Benehmen mit der Therapeutischen Leitung herzustellen.

Zweiter Teil
Untersuchung, Behandlung und Förderung

§ 6 Aufnahmeuntersuchung 15

Nach ihrer Aufnahme wird die untergebrachte Person unverzüglich ärztlich untersucht. Die Aufnahmeuntersuchung erstreckt sich auch auf die Umstände, deren Kenntnis für die Erarbeitung des Behandlungs- und Eingliederungsplans notwendig ist. Für die Aufnahmeuntersuchung gelten die § § 8 bis 8b.

§ 7 Behandlungs- und Eingliederungsplan 15

(1) Unter Berücksichtigung der Persönlichkeit, des Alters, des Entwicklungsstandes und der Lebensverhältnisse der untergebrachten Person wird auf der Grundlage der Ergebnisse der Aufnahmeuntersuchung und, soweit erforderlich, ergänzender human- und sozialwissenschaftlicher Erhebungen unverzüglich ein Behandlungs- und Eingliederungsplan aufgestellt. Er soll mindestens die notwendigen Maßnahmen der Behandlung einschließlich psychotherapeutischer Maßnahmen sowie medizinische, pädagogische, soziale und berufliche Eingliederungsmaßnahmen umfassen.

(2) Der Plan ist, längstens im Abstand von sechs Monaten, der Entwicklung der untergebrachten Person anzupassen. Dabei sind die Möglichkeiten für Lockerungen des Vollzuges, für Beurlaubungen und für eine Aussetzung der Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung zu prüfen. Wenn abzusehen ist, daß die Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt oder daß die untergebrachte Person entlassen wird, so sollen auch Angaben über die notwendigen vorbereitenden Maßnahmen aufgenommen werden.

(3) Der Behandlungs- und Eingliederungsplan ist mit der untergebrachten Person zu erörtern. Die gesetzliche oder rechtsgeschäftliche Vertreterin oder der gesetzliche oder rechtsgeschäftliche Vertreter erhält Gelegenheit, an der Erörterung teilzunehmen.

§ 8 Anspruch auf Behandlung, Aufklärung und Einwilligung 15

(1) Die untergebrachte Person hat Anspruch auf die nach dem aktuellen Stand des Wissens notwendige medizinische, therapeutische, pflegerische und pädagogische Behandlung und Untersuchung ihrer psychischen Krankheit, Störung oder Behinderung, deretwegen die Unterbringung notwendig ist (Anlasskrankheit).

(2) Die untergebrachte Person hat in entsprechender Anwendung des § 57 Abs. 2 und 3 sowie der §§ 58 bis 63 des Niedersächsischen Justizvollzugsgesetzes (NJVollzG) auch Anspruch auf Behandlung anderer Krankheiten als der Anlasskrankheit sowie auf Schutzimpfungen, medizinische Vorsorgeleistungen, Untersuchungen und sonstige Gesundheitsfürsorge sowie in entsprechender Anwendung des § 71 NJVollzG auf Leistungen bei Schwangerschaft und Mutterschaft. Untergebrachte sind anzuhalten, auf die eigene Gesundheit zu achten, auf die Gesundheit anderer Personen Rücksicht zu nehmen und Hygienevorschriften einzuhalten.

(3) Behandlungen und Untersuchungen, insbesondere Eingriffe in den Körper oder die Gesundheit, bedürfen der Einwilligung der untergebrachten Person. Ist diese einwilligungsunfähig, so ist nach Maßgabe des § 630d Abs. 1 Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) die Einwilligung ihrer dazu berechtigten gesetzlichen oder rechtsgeschäftlichen Vertreterin oder ihres dazu berechtigten gesetzlichen oder rechtsgeschäftlichen Vertreters einzuholen. Für die Einwilligung gilt im Übrigen § 630d Abs. 1 Sätze 3 und 4 sowie Abs. 3 BGB entsprechend. Die Wirksamkeit der Einwilligung setzt voraus, dass die untergebrachte Person oder im Fall des Satzes 2 ihre gesetzliche oder rechtsgeschäftliche Vertreterin oder ihr gesetzlicher oder rechtsgeschäftlicher Vertreter über sämtliche für die Einwilligung wesentlichen Umstände aufgeklärt worden ist; für die Aufklärungspflicht gilt § 630e BGB entsprechend. Die Sätze 1 bis 4 gelten nicht in den Fällen des § 8a und des § 8b.

§ 8a Behandlung der Anlasskrankheit gegen den natürlichen Willen zur Erreichung des Vollzugsziels 15 22

(1) Eine Behandlung der Anlasskrankheit gegen den natürlichen Willen der untergebrachten Person darf nur angeordnet werden, wenn

  1. die untergebrachte Person zur Einsicht in die Schwere ihrer Krankheit und die Notwendigkeit von Behandlungsmaßnahmen oder zum Handeln gemäß solcher Einsicht krankheitsbedingt nicht fähig ist,
  2. eine Patientenverfügung im Sinne des § 1827 Abs. 1 Satz 1 BGB, deren Festlegungen auf die aktuelle Lebens- und Behandlungssituation zutreffen und die die Durchführung der Behandlung untersagt, nicht vorliegt,
  3. die untergebrachte Person über die beabsichtigte Behandlung und ihre Wirkungen in einer ihren Verständnismöglichkeiten und ihrem Gesundheitszustand entsprechenden Weise angemessen informiert worden ist,
  4. der ernsthafte, mit dem erforderlichen Zeitaufwand und ohne Ausübung von Druck unternommene Versuch einer zuständigen Ärztin oder eines zuständigen Arztes, eine auf Vertrauen gegründete Zustimmung zu der Behandlung zu erreichen, erfolglos geblieben ist,
  5. die Behandlung dem Ziel dient, die untergebrachte Person entlassungsfähig zu machen,
  6. die Behandlung zur Erreichung ihres Ziels geeignet, nach ihrer geplanten Art und Dauer einschließlich der Auswahl und Dosierung der Medikamente sowie der begleitenden Kontrollen erforderlich ist, weniger eingreifende Behandlungen aussichtslos sind und
  7. der Nutzen der Behandlung die mit ihr einhergehenden Belastungen und den möglichen Schaden bei Nichtbehandlung deutlich überwiegt.

(2) Bevor eine Behandlung nach Absatz 1 angeordnet wird, müssen zwei von der Einrichtung unabhängige Sachverständige das Vorliegen der Voraussetzungen des Absatzes 1 Nrn. 1 und 3 bis 7 in einer schriftlichen Stellungnahme einvernehmlich bestätigen. Eine oder einer der Sachverständigen muss Fachärztin oder Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie sein. Die oder der andere Sachverständige muss Erfahrung im Umgang mit untergebrachten Personen haben. Die Auswahl der Sachverständigen im Einzelfall trifft das Fachministerium oder eine von ihm bestimmte Stelle. Die Sachverständigen sind unabhängig, nicht weisungsgebunden und zur Verschwiegenheit verpflichtet. Sie erhalten eine Vergütung in entsprechender Anwendung der Gebührenordnung für Ärzte. Die Vollzugsleitung oder, wenn eine solche bestellt ist, die Therapeutische Leitung und der Träger der Einrichtung sind verpflichtet, die Sachverständigen bei ihrer Arbeit zu unterstützen. Sie haben ihnen, soweit es zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlich ist, Auskünfte zu erteilen, Akteneinsicht zu gewähren und Gespräche mit den Untergebrachten sowie den Bediensteten zu ermöglichen. Die untergebrachte Person ist von der zuständigen Ärztin oder dem zuständigen Arzt über die bevorstehende Begutachtung durch die Sachverständigen zu unterrichten.

(3) Die zuständige Ärztin oder der zuständige Arzt teilt der untergebrachten Person und ihrer gesetzlichen oder rechtsgeschäftlichen Vertreterin oder ihrem gesetzlichen oder rechtsgeschäftlichen Vertreter das Ergebnis der Stellungnahme der Sachverständigen mit und unterrichtet sie über eine beabsichtigte Anordnung der Behandlung.

(4) Die Anordnung erfolgt schriftlich durch die Vollzugsleitung. In der Anordnung ist die Art und Dauer der Behandlung einschließlich der Auswahl und Dosierung der Medikamente und der begleitenden Kontrollen, deren Zulässigkeit nach Absatz 2 Satz 1 bestätigt worden ist, sowie die Intensität der erforderlichen ärztlichen Überwachung anzugeben. Die Anordnung ist der untergebrachten Person sowie ihrer rechtsgeschäftlichen oder gesetzlichen Vertreterin oder ihrem rechtsgeschäftlichen oder gesetzlichen Vertreter vor Behandlungsbeginn bekannt zu geben und muss eine Belehrung darüber enthalten, dass gegen die Anordnung um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht und auch ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt werden kann. Der Vollzug der Anordnung beginnt frühestens zwei Wochen nach ihrer Bekanntgabe, sofern kein Antrag auf gerichtlichen Rechtsschutz gestellt worden ist.

(5) Die Behandlung ist durch die zuständige Ärztin oder den zuständigen Arzt zu überwachen. Sie ist unter Angabe der maßgeblichen Gründe für ihre Anordnung, ihres Zwangscharakters, der Art und Weise ihrer Durchführung, der vorgenommenen Kontrollen und der Überwachung der therapeutischen Wirksamkeit zu dokumentieren.

(6) Die Behandlung ist nach Erreichen des Behandlungsziels, spätestens jedoch nach Ablauf von sechs Monaten zu beenden. Sie ist auch zu beenden, wenn im Verlauf der Behandlung eine Besserung nicht eintritt oder schwerwiegende Nebenwirkungen einen Abbruch der Behandlung erforderlich machen. Nach Ablauf von jeweils sechs Monaten darf die Behandlung nur unter den Voraussetzungen der Absätze 1 bis 5 erneut angeordnet werden.

(7) Die Absätze 1 bis 6 gelten für Untersuchungen, die im Rahmen der Behandlung der Anlasskrankheit erforderlich und mit einem körperlichen Eingriff verbunden sind, entsprechend.

§ 8b Behandlung ohne Einwilligung oder gegen den natürlichen Willen zur Abwehr erheblicher Gefahren 15 22

(1) Eine Behandlung der untergebrachten Person ist gegen ihren natürlichen Willen unter den Voraussetzungen des § 8a Abs. 1 Nrn. 1 bis 4, 6 und 7 auch zur Abwehr einer erheblichen Gefahr für ihr Leben oder ihre Gesundheit zulässig; bei Vorliegen einer gegenwärtigen erheblichen Gefahr ist § 8a Abs. 1 Nrn. 3 und 4 nicht anzuwenden.

(2) Eine Behandlung ohne Einwilligung einer einwilligungsfähigen untergebrachten Person oder gegen den natürlichen Willen einer einwilligungsunfähigen untergebrachten Person ist zur Abwehr einer erheblichen Gefahr für das Leben oder die Gesundheit einer anderen Person zulässig, wenn die Voraussetzungen des § 8a Abs. 1 Nrn. 3 und 4 vorliegen und die Behandlung verhältnismäßig ist; Absatz 1 Halbsatz 2 gilt entsprechend.

(3) Das Vorliegen der in Absatz 1 oder 2 genannten Voraussetzungen bedarf, sofern nicht eine gegenwärtige erhebliche Gefahr vorliegt, in entsprechender Anwendung des § 8a Abs. 2 der Bestätigung durch die Sachverständigen; im Fall der Hinzuziehung der Sachverständigen gilt § 8a Abs. 3.

(4) Eine Behandlung nach Absatz 1 oder 2 bedarf der Anordnung durch die Vollzugsleitung oder, wenn eine solche bestellt ist, die Therapeutische Leitung und ist durch eine Ärztin oder einen Arzt zu überwachen. Eine gesetzliche oder rechtsgeschäftliche Vertreterin oder ein gesetzlicher oder rechtsgeschäftlicher Vertreter der untergebrachten Person ist unverzüglich zu unterrichten. Die durchgeführte Behandlung ist unter Angabe der maßgeblichen Gründe für ihre Anordnung, des Zwangscharakters der Behandlung, der Art und Weise der Durchführung, der vorgenommenen Kontrollen und der Überwachung der therapeutischen Wirksamkeit zu dokumentieren.

(5) Die Behandlung ist nach Erreichen des Behandlungsziels, spätestens nach Ablauf von sechs Monaten zu beenden. Nach Ablauf von jeweils sechs Monaten darf die Behandlung nur unter den Voraussetzungen der Absätze 1 bis 4 erneut angeordnet werden.

(6) Die Absätze 1 bis 5 gelten für Untersuchungen, die mit einem körperlichen Eingriff verbunden sind, entsprechend. Eine zwangsweise Untersuchung, die nicht mit einem körperlichen Eingriff verbunden ist, darf durch die Vollzugsleitung oder, wenn eine solche bestellt ist, die Therapeutische Leitung auch zum Gesundheits- oder Hygieneschutz angeordnet werden.

§ 9 Ausbildung, berufliche Eingliederung 15

Der untergebrachten Person soll Gelegenheit zur Schulausbildung, zur Berufsausbildung, zur Umschulung, zur Teilnahme an berufsfördernden Maßnahmen oder zur Förderung in einer arbeitstherapeutischen Einrichtung gegeben werden. Aus einem Zeugnis oder einer Teilnahmebescheinigung darf nicht erkennbar sein, daß die Maßnahme im Rahmen einer Unterbringung durchgeführt worden ist.

§ 10 Seelsorge 15

(1) Der untergebrachten Person ist Gelegenheit zu geben, Seelsorge durch eine im Inland bestehende Kirche oder andere Religionsgemeinschaft in Anspruch zu nehmen. Bei Beschränkungen, insbesondere denjenigen des Besuchs, des Schriftwechsels, der Teilnahme an Veranstaltungen sowie des Besitzes und des Erwerbs von Sachen, ist auf das Bedürfnis nach Seelsorge Rücksicht zu nehmen.

(2) Die Einrichtung soll die den Untergebrachten geltenden seelsorgerischen Bemühungen der in Absatz 1 Satz 1 genannten Kirchen und Religionsgemeinschaften fördern, soweit die Ziele der Unterbringung dies zulassen.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten für die der Seelsorge vergleichbare Betreuung von Untergebrachten durch eine den Religionsgemeinschaften gleichstehende Weltanschauungsvereinigung sinngemäß.

§ 11 Taschengeld 15

Die untergebrachte Person erhält ein Taschengeld nach den Grundsätzen und Maßstäben, die für den Barbetrag nach § 27b Abs. 2 des Zwölften Buchs des Sozialgesetzbuchs vom 27. Dezember 2003 (BGBl. I S. 3022), zuletzt geändert durch Artikel 9 des Gesetzes vom 21. Juli 2014 (BGBl. I S. 1133), gelten. Die Verfügbarkeit über das Taschengeld kann beschränkt werden, soweit der Zweck der Unterbringung gefährdet ist.

§ 12 Zuwendungen und sonstige Einkünfte, Überbrückungsgeld 15

(1) Für die Leistung wirtschaftlich ergiebiger Arbeit erhält die untergebrachte Person vom Träger der Einrichtung eine angemessene Zuwendung, die Art und Umfang der Tätigkeit entspricht. Zuwendungen können auch für eine sonstige Tätigkeit im Rahmen einer Arbeitstherapie, für die Teilnahme an beruflicher Eingliederung, am Unterricht oder an heilpädagogischer Förderung gewährt werden.

(2) Die Befugnis der untergebrachten Person zur Verfügung über Zuwendungen und sonstige Einkünfte ist entsprechend den Grundsätzen zu regeln, die für Kranke und Behinderte in den psychiatrischen Einrichtungen gelten, soweit sich nicht aus Absatz 3 etwas anderes ergibt.

(3) In geeigneten Fällen soll von den Zuwendungen und den sonstigen Einkünften ein Betrag zurückgelegt werden, der zur Eingliederung der untergebrachten Person bestimmt ist (Überbrückungsgeld). Das Überbrückungsgeld soll bis zur Höhe desjenigen Betrages gebildet werden, der der untergebrachten Person und den Personen, denen gegenüber sie zum Unterhalt verpflichtet ist, den notwendigen Lebensunterhalt in den ersten vier Wochen nach der Entlassung sichert. Das Überbrückungsgeld ist unter Berücksichtigung seiner besonderen Zweckbestimmung wie Mündelgeld anzulegen. Die gesetzliche oder rechtsgeschäftliche Vertreterin oder der gesetzliche oder rechtsgeschäftliche Vertreter sowie die Personen und Stellen, die bei der Eingliederung mitwirken, sollen an den Entscheidungen über die Bildung und die Auszahlung des Überbrückungsgeldes beteiligt werden.

§ 13 Eigengeld, Schutzvorschriften 15

(1) Taschengeld, Zuwendungen und sonstige der untergebrachten Person in der Einrichtung zur Verfügung stehende Einkünfte, über die sie nicht verfügt und die nicht als Beitrag zu den Unterbringungskosten (§ 25) oder für andere Verpflichtungen, insbesondere Unterhaltsleistungen, in Anspruch genommen oder als Überbrückungsgeld zurückgelegt werden, sind für sie zu verwahren (Eigengeld). Über Eigengeld kann die untergebrachte Person mit Zustimmung der Vollzugsleitung verfügen. Vor der Entscheidung ist die gesetzliche oder rechtsgeschäftliche Vertreterin oder der gesetzliche oder rechtsgeschäftliche Vertreter zu hören.

(2) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gelten für das Taschengeld und die Zuwendungen nach § 12 die §§ 38 bis 59 des Ersten Buchs des Sozialgesetzbuchs vom 11. Dezember 1975 (BGBl. I S. 3015), zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 18. Dezember 2014 (BGBl. I S. 2325), sinngemäß.

§ 14 Ersatz von Aufwendungen 15

Wird die Einrichtung in persönlichen Angelegenheiten der untergebrachten Person tätig und entspricht dies ihrem wirklichen, natürlichen oder mutmaßlichen Willen, so hat die untergebrachte Person die erforderlichen Aufwendungen zu ersetzen. Der Anspruch auf Ersatz der Aufwendungen ist nicht geltend zu machen, wenn dies die Behandlung oder die Eingliederung behindern würde.

§ 15 Lockerung des Vollzuges und Urlaub 15 22

(1) Der untergebrachten Person können Lockerungen des Vollzuges oder Urlaub gewährt werden, wenn zu erwarten ist, dass dadurch das Ziel der Unterbringung gefördert wird, und nicht zu befürchten ist, dass die untergebrachte Person die ihr eingeräumten Möglichkeiten missbrauchen, insbesondere sich oder die Allgemeinheit gefährden wird.

(2) Als Lockerung des Vollzuges kann insbesondere zugelassen werden, daß die untergebrachte Person

  1. außerhalb der Einrichtung regelmäßig einer Beschäftigung unter Aufsicht (Außenbeschäftigung) oder ohne Aufsicht (Freigang) nachgeht,
  2. für eine bestimmte Zeit innerhalb eines Tages die Einrichtung unter Aufsicht (Ausführung) oder ohne Aufsicht (Ausgang) verläßt oder
  3. zur Vorbereitung der Entlassung von der Verpflichtung zum Aufenthalt in der Einrichtung freigestellt und in eine geeignete Wohnform außerhalb der Einrichtung vermittelt wird (Probewohnen), wobei die Freistellung einen Zeitraum von zwölf Monaten nicht übersteigen soll.

Die Aufsicht nach Satz 1 wird durch Bedienstete der Einrichtung wahrgenommen. Das Probewohnen nach Satz 1 Nr. 3 kann mit Zustimmung des Fachministeriums oder der von ihm bestimmten Stelle um bis zu sechs Monate verlängert werden; eine mehrfache Verlängerung ist zulässig.

(3) Urlaub aus dem geschlossenen Vollzug darf nicht für länger als zwei Wochen, aus dem offenen Vollzug nicht für länger als einen Monat gewährt werden. Insgesamt dürfen die Beurlaubungen aus dem geschlossenen Vollzug zwei Monate im Kalenderjahr, aus dem offenen Vollzug drei Monate im Kalenderjahr nicht überschreiten.

(4) Aus wichtigem Anlaß kann Urlaub für längere als die in Absatz 3 genannten Zeiträume gewährt werden. Die in Absatz 3 Satz 2 genannte Höchstdauer darf dabei um längstens die Hälfte überschritten werden.

(5) Vor der Bewilligung von Freigang, Ausgang , Probewohnen oder Urlaub ist die Vollstreckungsbehörde zu hören. Ist bei einer Unterbringung der Schutz der Allgemeinheit besonders zu beachten, so dürfen Freigang, Ausgang, Probewohnen und Urlaub nur im Einvernehmen mit der Vollstreckungsbehörde gewährt werden. Das Nähere bestimmt das Fachministerium im Einvernehmen mit dem Justizministerium.

(6) Vollzugslockerungen und Urlaub können mit Weisungen verbunden werden, soweit dies für den Zweck der Unterbringung erforderlich ist. Der untergebrachten Person kann insbesondere die Weisung erteilt werden,

  1. sich einer Behandlung zu unterziehen,
  2. sich der Aufsicht einer bestimmten Stelle oder Person zu unterstellen,
  3. Anordnungen zu befolgen, die sich auf den Aufenthalt oder ein bestimmtes Verhalten außerhalb der Einrichtung beziehen,
  4. in bestimmten Abständen für kurze Zeit in die Einrichtung zurückzukehren.

(7) Während des Probewohnens und des Urlaubs hat die untergebrachte Person nur Anspruch auf Behandlung und Pflege durch die für sie zuständige Einrichtung oder eine andere geeignete Einrichtung, die die Behandlung im Einvernehmen mit der zuständigen Einrichtung übernommen hat. Behandlungskosten infolge einer Weisung nach Absatz 6 werden nur übernommen, soweit keine Ansprüche gegen einen Sozialleistungsträger bestehen.

§ 16 Mitwirkung bei der Aussetzung zur Bewährung und der Entlassung 15

(1) Die Vollzugsleitung unterrichtet die Vollstreckungsbehörde, wenn sie es für geboten hält, die Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung auszusetzen.

(2) Wenn abzusehen ist, dass die Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung ausgesetzt wird oder wenn die Entlassung der untergebrachten Person bevorsteht, ist sie von der Einrichtung in Zusammenarbeit mit dem Träger der Sozialhilfe, dem Sozialpsychiatrischen Dienst und dem Ambulanten Justizsozialdienst Niedersachsen auf das Leben außerhalb der Einrichtung vorzubereiten.

§ 16a Wiederaufnahme auf freiwilliger Grundlage 15

Eine aus einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt (§ 1) entlassene Person, die unter Führungsaufsicht steht, ist auf ihren Antrag vorübergehend wieder in die Einrichtung aufzunehmen, wenn eine akute Verschlechterung ihres Zustandes oder ein Rückfall in ihr Suchtverhalten eingetreten ist oder einzutreten droht und ihr andere, gleich geeignete Hilfen nicht zur Verfügung stehen. Die Wiederaufnahme soll die Dauer von sechs Wochen nicht überschreiten; sie kann von der Einrichtung jederzeit widerrufen werden. Die wieder aufgenommene Person ist auf ihren Antrag unverzüglich zu entlassen. Gegen die wieder aufgenommene Person dürfen Maßnahmen des Vollzuges, insbesondere Maßnahmen auf dem Gebiet der Gesundheitsfürsorge, nicht mit unmittelbarem Zwang durchgesetzt werden; im Übrigen finden die sonstigen Vorschriften dieses Gesetzes entsprechende Anwendung

Dritter Teil
Hausordnung, Beschränkungen, Sicherheit und Ordnung

§ 17 Anordnungen, Hausordnung 15

(1) Die untergebrachte Person hat sich so zu verhalten, dass das Ziel der Unterbringung auch für die anderen Untergebrachten nicht gefährdet und das geordnete Zusammenleben in der Einrichtung nicht gestört wird. Zu diesem Zweck getroffene Anordnungen und Entscheidungen sind der untergebrachten Person unverzüglich bekannt zu geben, im Rahmen der Einsichtsfähigkeit zu begründen und zu dokumentieren. Von schriftlichen Anordnungen und Entscheidungen erhält die gesetzliche oder rechtsgeschäftliche Vertreterin oder der gesetzliche oder rechtsgeschäftliche Vertreter eine Abschrift.

(2) Die der untergebrachten Person obliegenden Pflichten sowie Grundsätze für die Ausübung des Hausrechts sind in einer Hausordnung näher zu bestimmen. Die Vollzugsleitung erlässt die Hausordnung im Fall der Übertragung nach § 3 Abs. 1 Satz 2 im Einvernehmen mit dem Träger der Einrichtung. Die Hausordnung bedarf der Genehmigung des Fachministeriums.

(3) Die Hausordnung soll insbesondere Bestimmungen enthalten über

  1. die Besuchszeiten und die Dauer von Besuchen,
  2. die Tageseinteilung, insbesondere Zeiten für Untersuchungen, Einzel- und Gruppentherapie, Ausbildung, Arbeit, Freizeit und Ruhezeit,
  3. die Möglichkeiten der Verwendung und der Verwahrung eigener Sachen,
  4. den Umgang mit den Sachen der Einrichtung,
  5. den Empfang von Paketen,
  6. allgemeine Nutzungsbedingungen für Fernsprecher und sonstige Formen der Telekommunikation,
  7. die Durchführung von Veranstaltungen,
  8. regelmäßige Sprechzeiten von Vertreterinnen oder Vertretern der Einrichtung und der Aufsichtsbehörde.

(4) Die Hausordnung ist an allgemein zugänglicher Stelle auszuhängen.

§ 18 Grundsätze für Beschränkungen, unmittelbarer Zwang 15 19

(1) Die in diesem Gesetz zugelassenen Beschränkungen können der untergebrachten Person auferlegt werden, soweit dies erforderlich ist, um das Ziel der Unterbringung auch der anderen Untergebrachten zu fördern oder um die Sicherheit oder Ordnung aufrechtzuerhalten.

(2) Die Vollzugsleitung und ihre Stellvertretungen sind nach Maßgabe des § 69 des Niedersächsischen Polizei- und Ordnungsbehördengesetzes (NPOG) zur Anwendung unmittelbaren Zwangs befugt, soweit dies zur Ausführung dieses Gesetzes erforderlich ist. Andere Bedienstete sind zur Anwendung unmittelbaren Zwangs befugt, soweit sie Weisungen der Vollzugsleitung oder ihrer Stellvertretungen ausführen. § 72 und § 74 Abs. 1 Sätze 1 und 2 NPOG gelten entsprechend. Für Zwangsmaßnahmen auf dem Gebiet der Gesundheitsfürsorge gelten die §§ 8a und 8b dieses Gesetzes.

§ 19 Besitz, Erwerb und Verwendung von Sachen 15

(1) Sachen können der untergebrachten Person vorenthalten oder entzogen werden. Ihr Erwerb und ihre Verwendung können beschränkt werden.

(2) Der untergebrachten Person kann auferlegt werden, von der Einrichtung angeordnete Kleidung zu tragen.

(3) Besitz, Empfang, Weitergabe und Verwendung von Ton- und sonstigen Datenträgern können davon abhängig gemacht werden, daß die untergebrachte Person ihrer Überprüfung zustimmt. Für die Überprüfung gelten die Maßstäbe für die Überwachung des Schriftverkehrs (§ 21) sinngemäß.

(4) Eingebrachte Sachen, die die untergebrachte Person nicht in Gewahrsam haben darf, sind, wenn die untergebrachte Person sie nicht versenden will, für sie aufzubewahren. Ist die Aufbewahrung in der Einrichtung nicht möglich, so können die Sachen auch gegen den Willen der untergebrachten Person auf ihre Kosten unter Wahrung ihrer berechtigten Interessen versandt, anderweitig aufbewahrt oder entfernt werden.

(5) Aufzeichnungen und andere Sachen, die Kenntnisse über Sicherheitsvorkehrungen der Einrichtung vermitteln, können vernichtet oder unbrauchbar gemacht werden.

§ 20 Besuche 15

(1) Besuche können eingeschränkt oder untersagt werden. Satz 1 gilt nicht für Besuche der gesetzlichen oder rechtsgeschäftlichen Vertreterin oder des gesetzlichen oder rechtsgeschäftlichen Vertreters, von Verteidigerinnen und Verteidigern sowie von Rechtsanwältinnen, Rechtsanwälten, Notarinnen und Notaren in einer die untergebrachte Person betreffenden Rechtssache. Der Besuch kann davon abhängig gemacht werden, dass die Besucherin oder der Besucher sich durchsuchen und die von ihr oder ihm mitgeführten Gegenstände überprüfen lässt. Die von einer Verteidigerin oder einem Verteidiger mitgeführten Schriftstücke und Unterlagen dürfen nicht auf ihren Inhalt überprüft werden.

(2) Die Besuche, mit Ausnahme der Besuche von Verteidigerinnen oder Verteidigern, können überwacht werden. Ein Besuch kann nach vorheriger Androhung abgebrochen werden, wenn die untergebrachte Person oder die Besucherin oder der Besucher gegen Vorschriften dieses Gesetzes oder Anordnungen aufgrund dieses Gesetzes verstößt. Die Androhung kann unterbleiben, wenn besondere Gründe dafür vorliegen, den Besuch sofort abzubrechen.

(3) Es darf gespeichert werden, welche Personen zu welchem Zeitpunkt die Einrichtung betreten oder verlassen haben, soweit dies zur Erfüllung der Aufgaben der Einrichtung nach diesem Gesetz erforderlich ist.

§ 21 Postverkehr, Telekommunikation, Hörfunk, Fernsehen 15

(1) Der Schriftverkehr der untergebrachten Person kann, auch soweit Schriftstücke bei Besuchen übergeben werden, überwacht und beschränkt werden. Ausgenommen hiervon ist der Schriftverkehr mit

  1. einer Verteidigerin oder einem Verteidiger,
  2. dem Ausschuß und den Besuchskommissionen gemäß § 24 sowie deren Mitgliedern,
  3. den Volksvertretungen des Bundes und der Länder sowie deren Mitgliedern,
  4. der Europäischen Kommission für Menschenrechte.

Eine Beschränkung nach Absatz 2 Nr. 1 ist jedoch auch für diesen Schriftverkehr zulässig.

(2) Der Schriftverkehr kann insbesondere dadurch beschränkt werden, daß

  1. Absendung und Empfang durch die Einrichtung vermittelt werden,
  2. Schreiben angehalten werden,
  3. ausgehenden Schreiben, die unrichtige Darstellungen enthalten, ein Begleitschreiben beigefügt wird, wenn die untergebrachte Person auf der Absendung besteht.

(3) Schreiben können insbesondere angehalten werden, soweit

  1. ihre Weitergabe den Zweck der Unterbringung auch der anderen Untergebrachten oder die Sicherheit oder Ordnung der Einrichtung gefährden würde,
  2. die Weitergabe in Kenntnis ihres Inhalts einen Straf- oder Bußgeldtatbestand verwirklichen würde,
  3. sie grob unrichtige oder erheblich entstellende Darstellungen von Verhältnissen der Einrichtung enthalten,
  4. ihre Weitergabe die Eingliederung einer anderen untergebrachten Person nach deren Entlassung gefährden würde oder
  5. sie in Geheimschrift oder ohne triftigen Grund in einer fremden Sprache abgefaßt, verschlüsselt oder unlesbar sind.

Schreiben an die Aufsichtsbehörde, an Gerichte oder an Staatsanwaltschaften dürfen nicht angehalten werden. Angehaltene Schreiben werden an die Absenderin oder den Absender unter Angabe des Grundes zurückgegeben oder, sofern dies unmöglich oder aus besonderen Gründen untunlich ist, von der Einrichtung verwahrt.

(4) Für Schreiben in Paketen und sonstigen Sendungen sowie für den Empfang von Zeitungen und Zeitschriften gelten die Vorschriften über den Schriftverkehr sinngemäß. Für Gegenstände in Paketen und sonstigen Sendungen gelten im Übrigen die Vorschriften über den Besitz, den Erwerb und die Verwendung von Sachen (§ 19) sinngemäß.

(5) Für Telefongespräche gelten die Vorschriften über den Besuch und den Schriftverkehr sinngemäß. Telefongespräche werden dadurch überwacht, daß eine Beschäftigte oder ein Beschäftigter der Einrichtung das Gespräch mithört; die untergebrachte Person ist darüber vor Beginn des Gesprächs zu unterrichten.

(6) Die Nutzung anderer Formen der Telekommunikation kann der untergebrachten Person durch die Vollzugsleitung allgemein oder im Einzelfall gestattet werden, wenn sichergestellt ist, dass die Sicherheit oder Ordnung in der Einrichtung sowie das Ziel der Unterbringung nicht gefährdet werden und sich die untergebrachte Person mit den von der Einrichtung zu diesem Zweck erlassenen allgemeinen Nutzungsbedingungen (§ 17 Abs. 3 Nr. 6) einverstanden erklärt hat. Die Gestattung ist durch die Vollzugsleitung zu widerrufen, wenn die in Satz 1 genannten Voraussetzungen nicht mehr vorliegen. Soweit die Nutzungsbedingungen keine abweichenden Regelungen enthalten, gelten im Übrigen für die Überwachung, den Abbruch der Nutzung sowie für sonstige Beschränkungen für Telekommunikationsformen,

  1. die einem Besuch vergleichbar sind, Absatz 5 Satz 2 und § 19,
  2. die einem Schriftwechsel vergleichbar sind, die Absätze 1 bis 3

sinngemäß. Die Nutzung anderer Formen der Telekommunikation kann zeitversetzt überwacht und zu diesem Zweck gespeichert werden.

(7) Der Hörfunk- und Fernsehempfang kann allgemein oder für einzelne Untergebrachte eingeschränkt werden, wenn er den Zweck des Maßregelvollzuges oder die Sicherheit oder Ordnung der Einrichtung erheblich gefährden würde.

§ 21a Datenverarbeitung 15 18

(1) Auf die Verarbeitung personenbezogener Daten einschließlich der Daten, die aus der Überwachung der Besuche, des Postverkehrs und der Telekommunikation gewonnen werden, findet ergänzend zur Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) (ABl. EU Nr. 119 S. 1; Nr. L 314 S. 72) das Niedersächsische Datenschutzgesetz (NDSG) Anwendung, soweit in diesem Gesetz nichts anderes bestimmt ist.

§ 21b Besonders schutzwürdige Daten 18

Besondere Kategorien personenbezogener Daten im Sinne des Artikels 9 Abs. 1 der Datenschutz-Grundverordnung und andere personenbezogene Daten, die einem Berufsgeheimnis oder einem besonderen Amtsgeheimnis unterfallen, dürfen von den Stellen, die Aufgaben nach diesem Gesetz wahrnehmen, zur Erfüllung ihrer jeweiligen Aufgaben verarbeitet werden.

§ 21c Auskunft 15 18

Die Erteilung einer Auskunft kann über § 9 Abs. 2 NDSG hinaus auch abgelehnt werden, soweit und solange der Schutz der betroffenen Person oder der Rechte und Freiheiten anderer Personen gefährdet werden würde.

§ 22 Durchsuchung 15

Die untergebrachte Person, ihre Sachen und die Unterbringungsräume können durchsucht werden. Eine mit einer Entkleidung verbundene körperliche Durchsuchung ist nur bei Gefahr im Verzuge oder auf Anordnung der Vollzugsleitung zulässig; sie muß in einem geschlossenen Raum durchgeführt werden, andere Untergebrachte dürfen nicht anwesend sein. Die Vollzugsleitung kann Durchsuchungen nach Satz 2 für bestimmte Fälle allgemein anordnen.

§ 23 Besondere Sicherungsmaßnahmen 15 22 24

(1) Gegen eine untergebrachte Person können besondere Sicherungsmaßnahmen angeordnet werden, wenn in erhöhtem Maße Fluchtgefahr oder aufgrund ihres Verhaltens oder Zustands die erhebliche Gefahr einer Selbsttötung oder Selbstverletzung oder von Gewalttätigkeiten gegen Personen oder Sachen besteht. Vorbehaltlich der § 23a und § 23b sind als besondere Sicherungsmaßnahmen nur zulässig:

  1. der Entzug oder die Beschränkung des Aufenthalts im Freien,
  2. die Absonderung von anderen Untergebrachten,
  3. die Unterbringung in einem besonders gesicherten Raum,
  4. die Beobachtung der untergebrachten Person, auch mit technischen Hilfsmitteln.

(2) Besondere Sicherungsmaßnahmen nach Absatz 1 Halbsatz 2 bedürfen der Anordnung durch die Vollzugsleitung und sind ärztlich zu überwachen. Eine gesetzliche oder rechtsgeschäftliche Vertreterin oder ein gesetzlicher oder rechtsgeschäftlicher Vertreter der untergebrachten Person ist unverzüglich über die Anordnung zu unterrichten. Über einen Zeitraum von mehr als einem Monat darf eine untergebrachte Person nur mit Zustimmung des Fachministeriums abgesondert werden. Die Zustimmung darf nur für einen Zeitraum von jeweils höchstens zwei weiteren Monaten erteilt werden

§ 23a Fesselung 19

(1) Die Fesselung einer untergebrachten Person ist während einer Ausführung, einer Vorführung oder eines Transportes zulässig, wenn die Gefahr einer Flucht oder Befreiung der untergebrachten Person besteht und konkrete Anhaltspunkte die Annahme begründen, dass die Beaufsichtigung der untergebrachten Person nicht ausreicht, um die Gefahr zu vermeiden oder zu beheben. Die Fesselung der untergebrachten Person ist in den Fällen des Satzes 1 auch zulässig, wenn nach ihrem Verhalten oder aufgrund ihres seelischen Zustands die Gefahr von Gewalttätigkeiten gegen Personen, die Gefahr der Selbsttötung oder die Gefahr der Selbstverletzung besteht und die Fesselung zur Abwendung der Gefahr unerlässlich ist.

(2) Fesseln dürfen nur an den Händen oder an den Füßen angelegt werden. Eine andere Art der Fesselung ist zulässig, wenn diese für die untergebrachte Person weniger belastend ist oder wenn die in Absatz 1 genannten Gefahren nicht anders abgewendet werden können. Die Fesselung wird zeitweise gelockert, soweit dies notwendig ist.

(3) Die Fesselung bedarf der schriftlichen Anordnung durch die Vollzugsleitung. In der Anordnung ist die Art der Fesselung anzugeben. Die Anordnung ist zu begründen. Die Fesselung darf nur für die Dauer der Ausführung, der Vorführung oder des Transportes angeordnet werden. Die Anordnung, der Grund für die Anordnung, der Verlauf und die Beendigung der Fesselung sind zu dokumentieren.

§ 23b Fixierung 24

(1) Eine Fixierung ist die vollständige oder weitgehende Aufhebung der Bewegungsfreiheit der untergebrachten Person mittels einer 5-Punkt oder 7-Punkt-Befestigung auf einem Fixierbett; andere Formen der Fixierung sind vorbehaltlich des Absatzes 6 Satz 1 Halbsatz 2 unzulässig. Die Fixierung ist nach den neuesten medizinischen Standards durchzuführen, und die dafür verwendeten Medizinprodukte sind regelmäßig nach den wissenschaftlichen Standards zu überprüfen.

(2) Eine Fixierung darf nur angeordnet werden, wenn, soweit und solange sie jeweils zur Abwendung einer gegenwärtigen Gefahr von erheblichen Gewalttätigkeiten gegen Dritte, der Selbsttötung oder einer erheblichen Selbstverletzung unerlässlich ist. Die Fixierung einer einwilligungsfähigen untergebrachten Person ist ohne deren Einwilligung abweichend von Satz 1 nur zulässig, wenn die Fixierung zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr von erheblichen Gewalttätigkeiten gegen Dritte unerlässlich ist.

(3) Eine Fixierung von absehbar kurzfristiger Dauer wird von der Vollzugsleitung oder, wenn eine solche bestellt ist, von der Therapeutischen Leitung nach einer vorherigen Inaugenscheinnahme angeordnet; die vorherige Inaugenscheinnahme kann auch durch einen anderen Arzt oder eine andere Ärztin erfolgen. Abweichend von Satz 1 darf die Fixierung ohne vorherige ärztliche Inaugenscheinnahme und auch von anderen Bediensteten des Landes vorläufig angeordnet werden, wenn die nach Satz 1 anordnungsbefugte Person nicht so rechtzeitig erreichbar ist, dass die gegenwärtige Gefahr einer Selbsttötung oder erheblichen Selbstverletzung noch abgewendet werden kann; die ärztliche Inaugenscheinnahme und die Anordnung nach Satz 1 sind unverzüglich nachzuholen.

(4) Eine Fixierung, die absehbar die Dauer von 30 Minuten überschreitet, bedarf einer Anordnung des Gerichts auf schriftlichen Antrag der Einrichtung. Dem Antrag ist eine ärztliche Stellungnahme beizufügen. Bei Gefahr im Verzug kann eine Fixierung nach Satz 1 vorläufig in entsprechender Anwendung des Absatzes 3 angeordnet werden; die richterliche Entscheidung ist unverzüglich zu beantragen. Einer richterlichen Entscheidung bedarf es in den Fällen des Satzes 3 nicht, wenn bereits zu Beginn der Fixierung abzusehen ist, dass die Entscheidung erst nach Wegfall des Grundes der Fixierung ergehen wird oder die Fixierung vor Herbeiführung der richterlichen Entscheidung tatsächlich beendet und auch keine Wiederholung zu erwarten ist. Das Gericht ist unverzüglich zu unterrichten, wenn die Fixierung nach Antragstellung bei Gericht, aber vor Erlangung einer gerichtlichen Entscheidung beendet worden ist. Für das gerichtliche Verfahren gelten die §§ 121a und 121b des Strafvollzugsgesetzes.

(5) Bei der untergebrachten Person ist mit Beginn der Fixierung, im Fall des Absatzes 3 Satz 2 Halbsatz 2 mit Beginn der ärztlichen Inaugenscheinnahme, das erforderliche Maß an ärztlicher Überwachung sowie eine Einszu-eins-Betreuung durch qualifiziertes pflegerisches Personal nach Vorgabe der überwachenden Ärztin oder des überwachenden Arztes zu gewährleisten; die Vitalfunktionen der fixierten Person sind dabei fortlaufend zu kontrollieren. Die Einszu-eins-Betreuung durch das qualifizierte pflegerische Personal ist innerhalb des Raumes, in dem sich die fixierte Person befindet, zu gewährleisten; eine Ausnahme ist nach Zustimmung der überwachenden Ärztin oder des überwachenden Arztes nur aus therapeutischen Gründen oder zum Schutz der Gesundheit des pflegerischen Personals zulässig. Eine gesetzliche oder rechtsgeschäftliche Vertreterin oder ein gesetzlicher oder rechtsgeschäftlicher Vertreter der fixierten Person ist unverzüglich zu benachrichtigen. Die Fixierung ist mindestens unter Angabe der maßgeblichen Gründe für die Anordnung, der Art und Weise der Durchführung, der Dauer und der vorgenommenen ärztlichen Überwachung zu dokumentieren.

(6) Die Notwendigkeit der Fixierung ist auch unter Berücksichtigung der möglichen psychiatrischen Behandlungsmaßnahmen durch die Anordnungsbefugten fortlaufend zu überprüfen; die Anordnung einer schrittweisen Lösung der Befestigungen nach Maßgabe des therapeutischen Fortschritts mit dem Ziel einer vollständigen Aufhebung der Fixierung ist zulässig. Eine Fixierung, deren Voraussetzungen nicht mehr vorliegen, ist unverzüglich zu beenden. Die Fixierung ist mit der betroffenen Person therapeutisch aufzuarbeiten.

(7) Nach Beendigung einer Fixierung, die nicht richterlich angeordnet oder genehmigt worden ist, sind die untergebrachte Person und ihre rechtliche Vertretung auf die Möglichkeit eines Antrags auf gerichtliche Überprüfung der durchgeführten Fixierung hinzuweisen. Der Hinweis ist aktenkundig zu machen.

(8) Über die Anordnung einer Fixierung sowie den Beginn und das Ende ihrer Durchführung ist jeweils unter Darlegung der Gründe dem Fachministerium zu berichten.

Vierter Teil
Schlußvorschriften

§ 24 Ausschuß für Angelegenheiten der psychiatrischen

Krankenversorgung, Besuchskommissionen

Der Ausschuß gemäß § 30 des Niedersächsischen Gesetzes über Hilfen und Schutzmaßnahmen für psychisch Kranke (NPsychKG) nimmt die ihm obliegenden Aufgaben auch für die im Maßregelvollzug Untergebrachten wahr. Für die Einrichtungen des Maßregelvollzuges werden besondere Besuchskommissionen gebildet. § 30 Abs. 4 bis 7 sowie § 31 NPsychKG gelten sinngemäß.

§ 25 Kosten 15

Die Kosten einer Unterbringung nach diesem Gesetz trägt das Land, soweit nicht ein Sozialleistungsträger oder die untergebrachte Person zu den Kosten beizutragen hat.

§ 26 Einschränkung von Grundrechten

Durch dieses Gesetz werden die Grundrechte auf körperliche Unversehrtheit und auf Freiheit der Person (Artikel 2 Abs. 2 des Grundgesetzes) und auf die Unverletzlichkeit des Brief- und Fernmeldegeheimnisses (Artikel 10 des Grundgesetzes) eingeschränkt.

§ 27 Inkrafttreten

(1) Dieses Gesetz tritt am 1. Oktober 1982 in Kraft.

(2) Gleichzeitig tritt § 3 Abs. 3 des Niedersächsischen Gesetzes zur Ausführung des Bundessozialhilfegesetzes in der Fassung vom 19. Januar 1976 (Nieders. GVBl. S. 5), geändert durch § 43 Abs. 2 Nr. 2 des Niedersächsischen Gesetzes über Hilfen für psychisch Kranke und Schutzmaßnahmen vom 30. Mai 1978 (Nieders. GVBl. S. 443), außer Kraft.

UWS Umweltmanagement GmbHENDEFrame öffnen